OGH vom 05.11.2008, 7Ob221/08p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johnarien W*****, vertreten durch Dr. Stefan Joachimsthaler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 13.290,72 EUR, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 4 R 207/07a-12, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 15 Cg 32/07h-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 836,28 EUR (darin enthalten 139,38 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Im Revisionsverfahren ist ein Betrag von 12.990 EUR strittig, den die Klägerin als Versicherungsleistung für ihr am gestohlenes Motorrad mit der Behauptung begehrt, sie habe mit der Beklagten einen Vollkaskoversicherungsvertrag abgeschlossen. Dieser sei dadurch zustande gekommen, dass die Klägerin mit ihrem E-Mail vom ein von der Beklagten mit E-Mail vom gestelltes Anbot, dem ein Telefonat zwischen der Klägerin und einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten vorausgegangen sei, angenommen habe.
Die Beklagte bestritt den Abschluss eines Vollkaskoversicherungsvertrags. Ihr nicht abschlussbevollmächtigter Außendienstmitarbeiter habe die Klägerin mit seinem E-Mail vom nur zur Anbotstellung eingeladen. Ein Antrag auf Abschluss eines Vollkaskoversicherungsvertrags sei nicht aufgenommen worden und wäre von der Beklagten gar nicht angenommen worden.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging dabei davon aus, dass der Außendienstmitarbeiter der Beklagten von dieser (nur) mit der Vermittlung von Versicherungen betraut war, jedoch keine Vollmacht und/oder Prokura gehabt und auch über keine Abschlussvollmacht verfügt hat. Er habe daher gar kein wirksames Anbot für die Beklagte stellen können. Auf eine ohnehin nicht anzunehmende Anscheinsvollmacht habe sich die Klägerin gar nicht berufen.
Der Berufung der Klägerin, in der sie sich erstmals auf § 10 KSchG stützt, gab das Berufungsgericht nicht Folge. Diese Bestimmung derogiere hinsichtlich des Vollmachtsumfangs nicht den §§ 43 ff VersVG. Dass der Außendienstmitarbeiter der Beklagten mit weitergehenden, über § 43 VersVG hinausgehenden Vollmachten ausgestattet gewesen wäre, sei nicht festgestellt worden. Die Erhebung von auf das Versicherungsbedürfnis der Klägerin abgestimmten Wünschen liege im Rahmen einer bloß passiv eingeräumten Vertretungsmacht. Der von der Klägerin gewünschten ergänzenden Feststellungen bedürfe es nicht, weil der Außendienstmitarbeiter der Beklagten keine Abschlussvollmacht besessen habe und zum Vorliegen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht kein Vorbringen erstattet worden sei.
Die ursprünglich nicht zugelassene Revision wurde auf Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO doch für zulässig erklärt, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob § 10 KSchG zum Vollmachtsumfang den §§ 43 ff VersVG derogiere, noch keine Stellung bezogen habe.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin , die einen Aufhebungsantrag enthält. Die von der Beklagten erstattete Revisionsbeantwortung strebt primär deren Zurückweisung an.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. § 10 Abs 1 KSchG regelt den Umfang einer von einem Unternehmer erteilten Vollmacht im Verkehr mit Verbrauchern. Ausdrücklich bleiben aber „besondere gesetzliche Regelungen über den Umfang der Vollmacht" davon unberührt. Diese klare gesetzliche Regelung wird nach herrschender Ansicht dahin verstanden, dass im Fall sonstiger gesetzlicher Vollmachtsumschreibungen - wie etwa der §§ 43 ff VersVG - § 10 Abs 1 KSchG unanwendbar ist (Kathrein in KBB² § 10 KSchG Rz 3; Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch§ 10 KSchG;Apathy in Schwimann³ § 10 KSchG Rz 2; Krejci in Rummel³ § 10 KSchG Rz 16). Insofern steht daher keine erhebliche Rechtsfrage zur Lösung an.
2. Auch gegenüber Verbrauchern richtet sich daher der gesetzlich vermutete Vollmachtungsumfang von Versicherungsagenten nach §§ 43 ff VersVG. Als solche definiert § 43 Abs 1 VersVG, wer von einem Versicherer ständig damit betraut ist, für diesen Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen. Hier steht fest, dass der Außendienstmitarbeiter der Beklagten von ihr (nur) mit der Vermittlung von Versicherungen betraut war, es handelte sich also um einen Vermittlungsagenten. Einem solchen kommt nach § 43 Abs 2 Z 1 und 2 VersVG Empfangsvollmacht für diverse Anträge und Anzeigen, gemäß § 43 Abs 2 Z 3 VersVG die Ermächtigung zur Aushändigung des Versicherungsscheins und unter Umständen Inkassovollmacht (§ 43 Abs 2 Z 4 VersVG) zu. Er kann aber keine Erklärungen im Namen des Versicherers abgeben (Schauer, Versicherungsvertragsrecht³, 99 mwN; vgl RIS-Justiz RS0080361). Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, konnte der Außendienstmitarbeiter der Klägerin deshalb ein für die Beklagte wirksames Anbot auf Abschluss eines Versicherungsvertrags gar nicht abgeben.
Die rechtliche Qualifikation seines E-Mails vom in diesem Sinn durch die Klägerin erweist sich daher als verfehlt, sodass es schon deshalb auf den Inhalt der Korrespondenz nicht ankommt. Weiters entbehrt die Schlussfolgerung in der Revision, der Umfang der Bevollmächtigung habe sich der Klägerin als Verbraucherin gegenüber mangels ihres gegenteiligen Bewusstseins auf alle Rechtshandlungen erstreckt, die den Abschluss von Versicherungsverträgen für gewöhnlich mit sich bringe, also auch der Abgabe von Anboten, jeder Grundlage.
3. Die Klägerin hat sich in erster Instanz auch gar nicht darauf berufen, der Außendienstmitarbeiter der Beklagten sei - über § 43 Abs 2 VersVG hinaus - zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt gewesen; vielmehr hat sie das ausdrücklich gegenteilige Vorbringen der Beklagten unbestritten gelassen.
4. Ebensowenig hat die Klägerin behauptet, sie sei - aus welchen Gründen immer, zum Beispiel weil der Außendienstmitarbeiter der Beklagten schon den ersten Vollkaskovertrag „ausgehandelt" und die Polizze dem entsprochen habe - von dessen Abschlussvollmacht ausgegangen. Für die dazu vermisste Feststellung fehlt es daher schon an entsprechendem Vorbringen der Klägerin in erster Instanz. Davon abgesehen ließe der gewünschte Sachverhalt die Erteilung von Duldungs- oder Anscheinsvollmacht ohnehin nicht erkennen.
5. Die Problematik einer Beschränkung des gewöhnlichen Umfangs einer Vollmacht oder des gesetzlichen Umfangs einer Vollmacht und deren Beurteilung nach § 10 KSchG oder § 47 VersVG stellt sich hier nicht, da eine solche Einschränkung gar nicht zur Diskussion steht, sondern das Handeln eines mit der gesetzlich vermuteten Vollmacht nach § 43 Abs 2 VersVG ausgestatteten Vermittlungsagenten zu beurteilen ist.
6. Die von der Beklagten erlangte Versicherungsbestätigung über die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gemäß § 61 KFG wird von der Klägerin in der Revision nicht releviert, sodass dazu keine Stellung zu nehmen ist.
7. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.