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OGH vom 11.07.1962, 7Ob217/62

OGH vom 11.07.1962, 7Ob217/62

Norm

ABGB § 427;

Versicherungsvertragsgesetz 1958 § 4;

Versicherungsvertragsgesetz 1958 § 166;

Kopf

SZ 35/77

Spruch

Die Forderung aus einer Lebensversicherung wird durch Übergabe der Überbringerpolizze wirksam übergeben.

Entscheidung vom , 7 Ob 217/62.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die Klägerin war die Lebensgefährtin des Bruno Sch. Ihr Verhältnis zu ihm war bis zu seinem Tode gut und herzlich. Schon im Jahre 1956 äußerte der Erblasser die Absicht, zugunsten der Klägerin eine Lebensversicherung abschließen zu wollen. Es kam sodann zur Errichtung eines Versicherungsvertrages auf Er- und Ableben, wobei die Polizze auf den Überbringer ausgestellt wurde. Bruno Sch. übergab sie der Klägerin mit den Worten, daß die Polizze ihr gehöre. Sie nahm sie an sich und verwahrte sie durch längere Zeit. Im Sommer 1959 bemerkte der Erblasser, daß er vielleicht die Versicherungssumme erhöhen und die Polizze zugunsten der Klägerin umschreiben lassen wolle. Die Klägerin übergab sie ihm daher zu diesem Zweck im Vertrauen, daß Bruno Sch. diese Zusage einhalten werde. Zur Ausführung des Vorhabens kam es aber nicht, weil Bruno Sch. am völlig überraschend starb.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte Franziska F. und die vier anderen Erben zu verurteilen, ihr je ein Sechstel des Erlöses, also den Betrag von je 17.940.33 S, zu bezahlen.

Die Beklagten bestritten jede Übertragungshandlung an die Klägerin, auch daß diese überhaupt die Polizze jemals in Besitz gehabt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und kann zu dem rechtlichen Ergebnis, daß der Erblasser der Klägerin die Polizze mit der Übergabe geschenkt habe, so daß die Klägerin daraus Eigentum erworben habe. Daran habe sich nichts geändert, als die Klägerin sie dem Lebensgefährten zwecks Eintragung ihres Namens überließ.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, meinte jedoch, von einer unwiderruflichen Schenkung könne bei dem festgestellten Sachverhalt nicht die Rede sein.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Franziska F. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht bekämpft die Beklagte die Ansicht, daß die Klägerin durch den zeitweiligen Besitz der Urkunde aus dem Versicherungsvertrag berechtigt geworden und daß dieser Zustand dadurch nicht verändert worden sei, daß sich die Urkunde zur Zeit des Todes des Erblassers in dessen Verwahrung befunden habe. Es ist hiebei deutlich zwischen der Frage, ob der Anspruch aus dem Versicherungsvertrag in das Abhandlungsverfahren, insbesondere in das Inventar, einzubeziehen war, und der, welche Person Gläubigerin aus dem Versicherungsvertrag ist, zu unterscheiden. Dies wird insbesondere in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, Vers. 1959 S. 85, ausgesprochen. Für die Entscheidung der ersten Frage kommt es auf den Rechtsschein an, d. h., in wessen Besitz die Urkunde zur Zeit des Todes war, wobei hier auf die Frage, ob es im § 97 AußStrG. auf den Besitz im Sinne des § 309 ABGB. oder auf die bloße Gewahrsame ankommt, nicht einzugehen ist. Es geht daher die Berufung der Beklagten auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes darüber, wann eine Versicherungspolizze in das Nachlaßinventar aufzunehmen ist, fehl.

Durch Abschluß des Versicherungsvertrages war B. Sch. zunächst selbst als Versicherungsnehmer berechtigt. Er hat allerdings der Versicherungsgesellschaft gegenüber die Klägerin nicht als Begünstigte bezeichnet. Durch Übergabe der Polizze mit der Erklärung, diese gehöre jetzt ihr, hat er ihr aber seinen Anspruch überlassen.

Die im § 166 VersVG. vorgesehene Bezeichnung eines Dritten als bezugsberechtigt betrifft das Verhältnis zum Versicherer. Für die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Begünstigten kommt es nur auf die zwischen diesen Personen getroffenen Abmachungen an. Für diese Rechtssache ist es nicht entscheidend, wem gegenüber der Versicherer zahlungspflichtig war. Gemäß § 427 ABGB. werden Forderungen nur symbolisch übergeben, was durch Überlassung der Polizze geschehen ist. Selbst wenn man also in diesem Rechtsgeschäft eine Schenkung erblicken wollte, wäre diese infolge der Übergabe wirksam (in diesem Sinne Stanzl bei Klang[2] IV, S. 599, 614, Prölss[13] S. 637, Albert Ehrenzweig S. 407, 409, 414 u. a.).

Wenn auch das geltende Recht keine Bestimmung gleich dem § 133 (3) des alten österr. VersVG. enthält (s. Wahle in den Bemerkungen zur E. Vers. 1959 S. 85 ff.), so hat der Erblasser doch durch das vom Erstgericht festgestellte Geschäft seine Forderungen aus der Versicherung, die sonst in die Verlassenschaft gefallen wäre, auf die Klägerin übertragen.

Die bloße Rückgabe der Versicherungspolizze zum Zweck der Eintragung der Klägerin als Begünstigte kann am Rechtsübergang nichts ändern. Dazu wäre eine Willenserklärung beider Teile erforderlich, daß die Klägerin der Begünstigung verlustig werden sollte. Selbst wenn man sich der Auffassung des Berufungsgerichtes anschlösse, daß in dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt keine unwiderrufliche Schenkung oder Begünstigung liege, könnte dies doch mangels einer Widerrufserklärung des Erblassers nichts am Rechte der Klägerin ändern.