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OGH vom 16.12.1975, 4Ob344/75

OGH vom 16.12.1975, 4Ob344/75

Norm

JN § 51 Abs 2. Z 9;

Patentgesetz § 159;

Kopf

SZ 48/136

Spruch

Die Zuständigkeit des örtlich zuständigen Handelsgerichtes nach § 51 Abs. 2 Z. 9 JN geht über die Zuständigkeit nach § 159 PatG hinaus. Sie schließt nicht nur Streitigkeiten ein, die sich aus den Rechtsverhältnissen hinsichtlich nicht patentierter Erfindungen ergeben, sondern auch Streitigkeiten aus sonstigen Verträgen, sofern nur Gegenstand des Vertrages eine Erfindung ist

(LG Salzburg 32 R 135/75; BG Salzburg 10 C 2252/72)

Text

Der Kläger beantragte die Feststellung, daß der Beklagte ihm gegenüber auf Grund der Vereinbarung vom in einem Vertragsverhältnis stehe, ferner, daß der Beklagte auf Grund dieser Vereinbarung nicht berechtigt sei, über die Verwertungsrechte laut dieser Vereinbarung wie ein alleiniger unbeschränkter Eigentümer zu verfügen und daß er dem Kläger verpflichtet sei, darüber Rechnung zu legen und schließlich 10% des Reinertrages aus der Verwertung dieser Rechte und aller zukünftigen Entwicklungen der erdlosen Töpfe (Substrates) an den Kläger zu bezahlen habe. Der Kläger brachte vor, der Beklagte habe sich als Gärtner mit der Entwicklung von Pflanzencontainern beschäftigt. Der Kläger, welcher ihn jahrelang als Rechtsfreund vertreten habe, habe seinerseits die Idee für zwei Patente gehabt, welche der Beklagte unter seinem Namen - mit Zustimmung des Klägers - angemeldet habe. Die Streitteile hätten sich am geeinigt, daß die vom Kläger für den Beklagten entfaltete Tätigkeit, welcher Art immer, mit 10% des Reingewinnes des Beklagten an dieser Ideenverwertung zu honorieren sei, wobei auch weitere Entwicklungen davon betroffen sein sollten. Da inzwischen andere Firmen auf der Basis der vom Kläger entwickelten Ideen die Produktion von Rasen (auf den sich das zweite Patent beziehe) aufgenommen hätten, habe der Kläger den Beklagten aufgefordert, Vorkehrungen gegen diese Firmen zu unternehmen und um Aufklärung gebeten, ob der Beklagte allenfalls die Patentrechte verkauft oder abgetreten habe. Darauf habe der Beklagte erwidert, alles das sei seine Idee und er könne als unbeschränkter Eigentümer über die Patentrechte verfügen. Der Beklagte habe in dem Brief deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er den Standpunkt vertrete, als unbeschränkter Eigentümer über die Patentrechte verfügen zu können und habe darin auch das Mitspracherecht des Klägers an der Patentverwertung ebenso bestritten wie seinen Anspruch auf 10% des Reingewinnes. Der Kläger habe daher ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung, wendete jedoch unter anderem auch ein, daß das angerufene Gericht unzuständig sei, da für Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz und Gebrauch von Erfindungen beziehen, gemäß § 51 Abs. 2 Z. 9 JN das Handelsgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet zuständig sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es verwies zur Frage seiner Zuständigkeit in den Entscheidungsgründen darauf, daß es weder sachlich noch örtlich unzuständig sei, da sich der Rechtsstreit nicht auf den Schutz oder Gebrauch von Erfindungen und andere in § 51 Abs. 2 Z. 9 JN genannte Schutzobjekte beziehe. Spruchmäßig wurde über die Unzuständigkeitseinrede jedoch nicht entschieden.

In der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung verwies der Beklagte unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens darauf, daß dann, wenn der Kläger bei der Vereinbarung als Privatmann tätig geworden sei, sein Begehren die Beteiligung an einer Erfindung betreffe, für derartige Streitigkeiten aber das Handelsgericht Wien zuständig sei. Das Erstgericht habe seine Ansicht, daß sich der Rechtsstreit nicht auf den Schutz oder Gebrauch von Erfindungen beziehe, nicht begrundet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat zur Frage der Zuständigkeit die Ansicht, nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen könne noch nicht verläßlich beurteilt werden, ob es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch um eine Streitigkeit handle, welche sich aus dem Patentgesetz ableite. Das Erstgericht werde unter Zuziehung eines Sachverständigen aus dem Patentwesen mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung von Patenten für erdlose Pflanzenkultur noch ergänzende Feststellungen darüber treffen müssen, ob und allenfalls welche Patente der Beklagte zur Anmeldung gebracht habe und ob und allenfalls welche Denkanstöße des Klägers oder des Zeugen P dabei vom Beklagten verwendet worden seien.

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß des Rekurses der klagenden Partei den angefochtenen Beschluß des Berufungsgerichtes und das gesamte vorangegangene Verfahren einschließlich der Zustellung der Klage als nichtig auf und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Rahmen eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes hat der Oberste Gerichtshof nicht nur die aufgeworfene Rechtsfrage, sondern die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung zu prüfen (JBl. 1950, 140 u. a.). Solange das Vorliegen einer das Hauptverfahren betreffenden Nichtigkeit nicht bereits rechtskräftig verneint ist, hat der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Entscheidung über den Rekurs auch Nichtigkeiten des Hauptverfahrens wahrzunehmen und das hievon betroffene Verfahren aufzuheben und gegebenenfalls die Klage zurückzuweisen (Fasching IV, 437; Judikat 63 neu = SZ 28/265 u. a.). Im Verfahren über einen Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluß gilt auch das Verbot der reformatio in peius nicht (ZVR 1973/14; SZ 22/186; SZ 34/128; EvBl. 1974/173, 295 u. a.).

Im vorliegenden Fall muß zunächst geprüft werden, ob über die Frage der Zuständigkeit des Gerichtes bereits eine bindende Entscheidung vorliegt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Erstgericht hat über die vom Beklagten erhobene Unzuständigkeitseinrede zwar in den Entscheidungsgründen abgesprochen, doch hat das Berufungsgericht diesbezüglich die Rechtssache noch nicht für spruchreif erachtet, so daß eine rechtskräftige, den Obersten Gerichtshof bindende Bejahung der Zuständigkeit nicht vorliegt.

Es ist ferner zu erörtern, ob es sich bei der geltend gemachten Unzuständigkeit um eine unverzichtbare Unzuständigkeit handelt, denn die Einrede wurde vom Beklagten - nach der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nicht etwa bereits in der ersten mündlichen Verhandlung, sondern erst mit dem Schriftsatz ON 9 erhoben und wäre daher bei Vorliegen einer verzichtbaren Unzuständigkeit verspätet. Überdies ist der von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO nur dann gegeben, wenn das Urteil von einem Gericht gefällt wurde, das auch durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht zuständig gemacht werden könnte.

Der Beklagte stützt seine Einrede der Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Salzburg auf § 51 Abs. 2 Z. 9 JN. Er meint allerdings unrichtigerweise, daß nach dieser Gesetzesstelle das Handelsgericht Wien für ganz Österreich zuständig wäre. Eine solche ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien sieht nur § 159 PatG 1970 (früher § 107a) für Klagen nach §§ 29 Abs. 4, 49 Abs. 4, 136 Abs. 2 un d 148 PatG vor. Eine Eingriffsklage nach § 148 PatG


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alle anderen Fälle kommen überhaupt nicht in Frage - liegt jedoch nicht vor, da sich der Kläger nicht dagegen wendet, daß in seine Patentrechte eingegriffen wird, sondern seinerseits den Inhaber des Patentes auf Grund einer behaupteten Vereinbarung über die Verwertung des Patentes in Anspruch nimmt. Die Zuständigkeit des örtlich zuständigen Handelsgerichtes nach § 51 Abs. 2 Z. 9 JN geht jedoch - wie noch ausgeführt werden wird - über die Zuständigkeit nach § 159 PatG hinaus. Hiebei handelt es sich nach Lehre und Rechtssprechung (Fasching I, 508; Neumann[4], 141 und 261; Petschek
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Stagl, 96; Wolff, Grundriß[2], 91; SZ 5/227; 5 Ob 257/73 und 4 Ob 307/73) um Rechtsstreitigkeiten, die ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich vor die Handelsgerichte gehören und durch Gerichtsstandsvereinbarung nicht vor die Bezirksgerichte gebracht werden können. Im § 51 Abs. 2 JN fehlt zwar im Gegensatz zu § 50 Abs. 2 JN das Wort "ausschließlich", doch handelt es sich hiebei offensichtlich um ein Redaktionsversehen (vgl. Petschek - Stagl 96). Die scheinbar gegenteilige Entscheidung EvBl. 1965/187 und die dort zitierten Entscheidungen 4 Ob 301/59, 4 Ob 303/60 und 4 Ob 317/61 betreffen ausschließlich die Frage, ob innerhalb der Zuständigkeit des Gerichtshofes eine Handelssache durch Vereinbarung vor das allgemeine Gericht gebracht werden kann oder umgekehrt eine allgemeine Streitsache vor das Handelsgericht und bejahen diese Frage ebenso, wie dies etwa auch Fasching (I, 317) tut. Hingegen nehmen diese Entscheidungen nicht zur Frage Stellung, ob eine Streitigkeit nach § 51 Abs. 2 JN durch Gerichtsstandsvereinbarung vor die Bezirksgerichte gebracht werden kann. Wenn daher ein Fall des § 51 Abs. 2 JN vorläge, dann müßte der Oberste Gerichtshof dies von Amts wegen wahrnehmen, sofern - wie hier - noch keine bindende Entscheidung vorliegt.

Ob eine Streitigkeit aus den Rechtsverhältnissen vorliegt, die sich auf den Schutz und Gebrauch von Erfindungen beziehen (§ 51 Abs. 2, Z. 9 JN), ist entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht nicht nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens, sondern allein danach zu beurteilen, auf welche Behauptungen der Kläger seinen Anspruch stützt. Nicht die Klagsangaben, sondern die Ergebnisse der über die Prozeßeinrede stattgefundenen Verhandlung sind nämlich nur dann für die Entscheidung ausschlaggebend, wenn es sich um solche Zuständigkeitsvoraussetzungen handelt, die nicht zugleich auch Voraussetzungen des eingeklagten Anspruches sind, was etwa dann der Fall wäre, wenn es darum ginge, wo der Beklagte seinen Wohnsitz hat oder ob eine bestrittene Zuständigkeitsvereinbarung tatsächlich abgeschlossen wurde. Wenn es sich dagegen um Umstände handelt, von denen neben der Zuständigkeit auch der Bestand des Klagsanspruches abhängig ist, dann ist die Frage der Zuständigkeit allein auf Grund jener Tatsachenbehauptungen zu prüfen, auf welche der Kläger sein Begehren stützt (MietSlg. 24.607, 24.609; 7 Ob 6/74). Begrunden schon diese Tatsachenbehauptungen die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes nicht, dann ist die Klage zurückzuweisen, begrunden sie dieselbe jedoch, erweisen sie sich aber im Verlauf des Verfahrens als unrichtig, dann ist die Klage nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen. Im vorliegenden Fall betrifft aber die Frage, ob der Kläger die Idee für zwei Patente hatte, diese Patente mit seiner Zustimmung auf den Namen des Beklagten angemeldet wurden und die Parteien vereinbart haben, daß der Kläger 10% des Reingewinnes des Beklagten aus der Verwertung dieser Ideen zu erhalten hat, so wie ob dem Kläger ein Mitspracherecht an der Verwertung der Patente zusteht, nicht nur die Frage, ob eine Streitigkeit vorliegt, die sich auf den Schutz und Gebrauch von Erfindungen bezieht, sondern auch Umstände, von denen der Bestand des Klagsanspruches abhängig ist. Die Zuständigkeit des Gerichtes ist daher allein auf Grund der Behauptungen des Klägers zu prüfen.

Legt man diese Tatsachenbehauptungen in der Klage zugrunde, dann liegt eine Streitigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 Z. 9 JN vor. Für Streitigkeiten die sich auf Erfindungen beziehen, sieht das Gesetz zwei Gerichtsstände vor. Einerseits gemäß § 159 PatG die ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien für ganz Österreich, wobei es sich aber um einen der oben angeführten Rechtsstreite nach den PatG handeln muß, was hier nicht der Fall ist. Andererseits sieht § 51 Abs. 2 Z. 9 JN eine weiter gefaßte Zuständigkeit vor, welche nicht auf Streitigkeiten nach dem Patentgesetz beschränkt ist, sondern von Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen spricht, die sich auf den Schutz und den Gebrauch von Erfindungen beziehen. Diese Fassung schließt aber nicht nur Streitigkeiten ein, die sich aus den Rechtsverhältnissen hinsichtlich nicht patentierter Erfindungen ergeben, sondern auch Streitigkeiten aus sonstigen Verträgen, sofern nur Gegenstand des Vertrages eine Erfindung ist (vgl. Kaßler "Über die Zuständigkeit der Zivilgerichte im Erfindungsschutz" in ÖJZ 1948, 278). Auch Fasching I, 327, sagt, daß die allgemeine Fassung des Gesetzes auch die Einreihung von Streitigkeit erlaube, die nicht ausdrücklich auf das Patentgesetz gestützt sind. In diesem Zusammenhang muß darauf verwiesen werden, daß die deutsche Rechtssprechung (RGZ 170, 226; BGHZ 14, 77; BGHZ 8, 18) trotz der Formulierung des § 51 Abs. 1 d PatG ("die aus dem Patentgesetz erhobenen Ansprüche") die Zuständigkeitsentscheidung nicht darauf abstellt, ob im Rechtsstreit die Erfindung mit einer Patentanmeldung oder einem erteilten Patent in Verbindung gebracht wird, sondern schlechthin alle Klagen zu den Patentstreitigkeiten zählt, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben, oder sonstwie mit einer Erfindung eng verknüpft sind. Das wurde auch für Ansprüche auf Überlassung einer Erfindung, besonders auf Vergütung ausgesprochen, weil oft die Entscheidung über den Wert und die Bedeutung einer Erfindung gerade von der Beurteilung technischer Fragen abhängt, die beim Gericht besondere Sachkunde und Erfahrung voraussetzen. Dieses letztere Argument trifft aber auch für den österreichischen Rechtsbereich zu, so daß eine Streitigkeit nach § 51 Abs. 2 Z. 9 JN jedenfalls dann vorliegt, wenn - wie hier - der Kläger behauptet, er habe die Idee für zwei Patente gehabt, es sei zu einer Vereinbarung über die Anmeldung der Patente auf den Namen des Beklagten und eine Gewinnbeteiligung des Klägers gekommen und der Beklagte bestreite das Mitspracherecht des Klägers an der Verwertung dieser Patente. Denn hier liegt tatsächlich eine Streitigkeit aus einem Rechtsverhältnis vor, das sich auf den Gebrauch einer Erfindung bezieht.

Damit war aber für die Entscheidung des Rechtsstreites der Gerichtshof erster Instanz als Handelsgericht ausschließlich zuständig, weshalb aus Anlaß des Rekurses die Entscheidungen der Untergerichte und das bisherige Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig aufzuheben und die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückzuweisen war.