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OGH vom 28.03.2017, 2Ob147/16f

OGH vom 28.03.2017, 2Ob147/16f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon-Prof Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach H***** R*****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft in *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Dr. B***** E*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des H***** R***** (AZ 6 S ***** des Handelsgerichts Wien), gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 88/16d-210, womit infolge Rekurses des Dr. B***** E*****, wie vor, der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 13 A 201/07z-201, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Kuratorbestellung ab- bzw zurückgewiesen wird.

Text

Begründung:

Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren gaben der Sohn und die Witwe des Verstorbenen einander widersprechende Erbantrittserklärungen ab, weshalb das Erstgericht einen Verlassenschaftskurator bestellte.

Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , 6 Ob 168/13v, wurde das Erbrecht der Witwe zu ¾ und jenes des Sohnes mit ¼ endgültig festgestellt.

Daraufhin beantragten die festgestellten Erben am , den am bestellten Verlassenschaftskurator seines Amtes zu entheben, weil sie sich über die weitere Vorgangsweise geeinigt hätten (ON 183). Der Kurator beantragte ebenfalls seine Enthebung. Das Erstgericht enthob den Kurator mit Beschluss vom rechtskräftig (ON 186).

Im Jahr 2015 wurde beim Landesgericht Wr. Neustadt zu 25 Cg 133/15d eine Teilungsklage gegen die Witwe sowie die Verlassenschaft als Beklagte eingebracht. Die Klägerin ist die Hälfteeigentümerin, die Beklagten sind jeweils zu ¼ Miteigentümer der Liegenschaft. In diesem Verfahren beantragte die Klägerin die Bestellung eines Verlassenschaftskurators mit der Begründung, es sei derzeit kein Kurator bestellt und die Erben seien sich nicht einig.

Das Prozessgericht überwies den Antrag auf Kuratorbestellung an das Erstgericht als Verlassenschaftsgericht, das mit dem Beschluss vom (ON 201)ohne weitere Erhebungen – einen Rechtsanwalt zum Verlassenschaftskurator für die Verlassenschaft als zweitbeklagte Partei des Teilungsverfahrens bestellte, und dies ausschließlich damit begründete, dass die Vertretungsbefugnis der Erben nicht wiederauflebe, wenn der Kurator seines Amtes enthoben werde, sodass erneut ein Kurator zu bestellen sei.

Das vom Masseverwalter im Konkursverfahren des Sohnes angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege nicht vor, weil der Rekurswerber auch noch im Rekurs sein Vorbringen nachholen habe können, dies aber nicht getan habe. Die Klägerin des Teilungsverfahrens habe vorgebracht, dass Uneinigkeit zwischen den potenziellen Erben bestehe. Schon aufgrund mangelnder konkreter Bestreitung könne die Erforderlichkeit der Kuratorbestellung iSd § 173 AußStrG nicht ernsthaft bezweifelt werden. Der Revisonsrekurs wurde mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zugelassen.

Der Masseverwalter führt in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs als Zulassungsgründe zusammengefasst an,

dass 1. keinerlei Verfahrensergebnisse zum Vertretungserfordernis vorlägen, was aber gemäß § 16 AußStrG von Amts wegen zu prüfen sei. Er habe im Rekurs ON 202, S 4 vorgebracht, dass die Voraussetzungen des § 173 AußStrG für die Kuratorbestellung nicht vorlägen. Ein Sachvorbringen dazu könne nicht gefordert werden, weil es sich dabei um Negativumstände handle, die so nicht unter Beweis gestellt werden könnten. Überdies sei das Vorbringen der Klägerin im Teilungsverfahren zur Uneinigkeit der Erben unschlüssig.

Auch wenn 2. das Gesetz keine spezielle Dauer der Kuratorenbestellung kenne und die Vertretungsbefugnis der Erbansprecher nur in bestimmten Fällen wieder eintreten lasse, übersehe das Rekursgericht, dass hier der ursprüngliche Kurator rechtskräftig enthoben worden sei. Würde hier keine Vertretungsbefugnis der Erben eintreten, wäre der Nachlass unvertreten, was dem Willen des Gesetzgebers nicht unterstellt werden könne.

Eine freigestellte Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht eingebracht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage der Vertretungsbefugnis für den Nachlass nach rechtskräftiger Enthebung des Verlassenschaftskurators nach § 173 AußStrG Rechtsprechung fehlt; er ist auch berechtigt.

1. Nach § 173 Abs 1 AußStrG 2005 hat das Verlassenschaftsgericht erforderlichenfalls einen Verlassenschaftskurator zu bestellen, wenn sich die Personen, denen gemeinsam die Rechte nach § 810 ABGB zukommen, nicht einigen oder ein Verfahren über das Erbrecht einzuleiten ist.

Nach Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 173 Rz 6, soll die Einsetzung des Verlassenschaftskurators endgültig sein und nicht mehr rückgängig gemacht werden. Er führt aaO Rz 4 weiter aus, dass es keine spezielle Regelung zur Dauer der Bestellung gäbe, es aber der eindeutige Wille des Gesetzgebers (von hier nicht vorliegenden Fällen abgesehen) gewesen sei, auf keinen Fall wieder die Vertretungsbefugnis der Erbansprecher eintreten zu lassen. Er verweist dazu auf die ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 110, wonach die erwogene Abbestellung des Verlassenschaftskurators und neuerliche Überlassung der Verwaltung und Benutzung bei Wegfall der Uneinigkeit der Erbansprecher im Interesse klarer Verhältnisse verworfen worden sei.

Diese Wertung des Gesetzgebers bezieht sich also nur auf den Fall der Uneinigkeit. Offenbar sollen wiederholte Entscheidungen des Verlassenschaftsgerichts dahingehend, ob gerade Einigkeit vorliegt oder nicht, vermieden werden.

Nach Beendigung des Streites über das Erbrecht als zweiten Fall der Kuratorbestellung besteht diese Klarheit jedoch grundsätzlich, wenn nicht zusätzlich der andere Fall der Kuratorbestellung, also Uneinigkeit in anderen Bereichen als dem Erbrecht selbst, vorliegt.

Mondel, Die Kuratoren im österreichischen Recht² (2013), Rz 7/19, meint ebenfalls, dass eine Abbestellung des Verlassenschaftskurators wegen Wegfalls der Uneinigkeit nicht möglich sei. Im Fall der widerstreitenden Erbantrittserklärungen geht er auf diese Frage hingegen nicht weiter ein.

2. Darauf kommt es aber hier letztlich nicht an:

Wie nach früherem Recht endet nämlich das Amt des Kurators auch nach dem AußStrG 2005 jedenfalls mit seiner Enthebung (RIS-Justiz RS0008075; RS0008195 [T5]; RS0117034). Eine solche hat hier rechtskräftig – wenn auch begründungslos – stattgefunden.

Auf diesen Fall beziehen sich die Ausführungen der oben angeführten Autoren aber nicht. Dass trotz erfolgter Enthebung des Kurators die Vertretungsbefugnis der Erben nicht wieder auflebt, vertreten sie nicht. Im Gegenteil, für bestimmte Ausnahmefälle (Kuratorbestellung vor einziger Erbantrittserklärung oder bei Einigkeit mehrerer späterer Erbansprecher) geht Sailer aaO Rz 4 sogar ausdrücklich davon aus, dass dann der Kurator zu entheben sei und die Befugnisse des/der Erben nach § 810 ABGB „erst nachträglich entstehen“.

Da nach § 810 ABGB idF FamErbRÄG 2004 BGBl I 2004/58 die Erben ex lege ein Recht auf Benutzung und Verwaltung der Verlassenschaft ohne Überlassungsakt durch das Gericht haben, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet (RIS-Justiz RS0008167 [T5]; 9 Ob 35/14h; 2 Ob 148/10v SZ 2011/110), erlangen sie nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs dieses Recht auch nach rechtskräftiger Enthebung des Verlassenschaftskurators (wieder). Diese Ansicht wird auch der vom Gesetzgeber gewünschten Klarheit der Vertretungsverhältnisse (vgl auch RIS-Justiz RS0123140) eher gerecht als die ansonsten eintretende Alternative, nämlich die gänzliche Vertretungslosigkeit der Verlassenschaft bis zu einer weiteren Anordnung durch das Verlassenschaftsgericht.

3. Daher kann der Rechtsansicht des Erstgerichts, ein Kurator sei ohne weiteres schon deshalb zu bestellen, weil keine Vertretung der Verlassenschaft, insbesondere nicht durch die Erben, vorliege, nicht gefolgt werden. Eine allfällige neue Kuratorbestellung wäre nur unter den Voraussetzungen des § 173 AußStrG, hier also bei tatsächlichem Vorliegen von Uneinigkeit unter den Erben, zulässig, wozu aber jegliche Feststellungen und Beweisergebnisse fehlen.

4. Für das vorliegende Verfahren hat das folgende Konsequenzen:

4.1. Die Klägerin hat in der Klage des Teilungsverfahrens (ON 193 angeschlossen) einen Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators gestellt, weil Uneinigkeit zwischen den Erben über die Teilung bestehe und aktuell kein Verlassenschaftskurator bestellt sei.

Nur für den zweiten Teil des Vorbringens, dass eine Kuratorbestellung unabhängig von der Uneinigkeit der Erben schon alleine mangels Vertretung der Verlassenschaft notwendig sei, kommt ihr aus folgenden Überlegungen Parteistellung zu:

Der Antrag wurde vom Prozessgericht zuständigkeitshalber (§ 156 Abs 1 AußStrG) an das Verlassenschaftsgericht überwiesen. Damit wäre die Klägerin nach dem formellen Parteibegriff des § 2 Abs 1 Z 1 AußStrG 2005 grundsätzlich Partei.

4.2. Dieser formelle Parteibegriff des AußStrG führte aber ohne einschränkende Auslegung zu einer vom Gesetzgeber offenkundig nicht gewünschten uferlosen Anerkennung von Verfahrensparteien und wird daher von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit seinem Abs 2 gelesen, wonach derjenige nicht Partei ist, der eine Tätigkeit des Gerichts offensichtlich nur anregt (vgl RIS-Justiz RS0125498; 3 Ob 128/08g).

Die Parteistellung des formellen Antragstellers hängt daher von der Begründung des Antrags ab. Ist dem Antrag ein Vorbringen, dass der Einschreiter auch ein eigenes subjektives Recht geltend machen will, nicht ausreichend deutlich zu entnehmen, so ist in einem reinen Rechtsfürsorgeverfahren trotz formeller Antragstellung die Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis des Einschreiters zu verneinen (RIS-Justiz RS0123813; 3 Ob 128/08g).

4.3. Dies führt im vorliegenden Fall zu folgender Differenzierung:

(a) Soweit die Antragstellerin behauptet, dass die Verlassenschaft unvertreten sei, hat sie zwar Parteistellung, ihr Antrag ist aber in der Sache unbegründet:

Nach § 8 ZPO kann der Gegner einer prozessunfähigen Partei, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, beim Prozessgericht die Bestellung eines Kurators beantragen. Diese Situation läge bei einer unvertretenen Verlassenschaft – die als juristische Person prozessunfähig ist – an sich vor. Hier ist aber § 156 Abs 1 AußStrG als speziellere Norm anuzwenden, wonach (ua) die Vorsorge für die Vertretung der Verlassenschaft dem Verlassenschaftsgericht obliegt. Diese Bestimmung lässt zwar offen, wer zum Stellen eines darin genannten Antrags legitimiert ist. Insofern ist aber auf die § 8 ZPO zugrunde liegende Wertung zurückzugreifen. Danach hat der Gegner einer prozessunfähigen Partei ein rechtlich geschütztes Interesse, dass dieser Partei ein Vertreter bestellt wird. Daraus folgt zwingend, dass er auch zur diesbezüglichen Antragstellung im Verlassenschaftsverfahren befugt ist. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus § 811 ABGB, wonach Gläubiger der Verlassenschaft die Kuratorbestellung beantragen können (vgl Mondel, Die Kuratoren im österreichischen Recht², Rz 7/67).

Die Behauptung, die Verlassenschaft entbehre eines Vertreters, begründet daher eine Antragsbefugnis der Antragstellerin. Insofern ist sie daher Partei des Verlassenschaftsverfahrens. Ihr Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil – wie oben ausgeführt – die Verlassenschaft ohnehin durch die erbantrittserklärten Erben vertreten wird. Die Zustellung der Klage ist daher derzeit jedenfalls möglich.

(b) Hingegen fehlt der Antragstellerin ein rechtlich geschütztes Interesse an der Frage, ob die Verlassenschaft durch die Erben gemäß § 810 ABGB oder durch einen Verlassenschaftskurator nach § 173 AußStrG vertreten wird. Auch wenn wegen Uneinigkeit der Erben die Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung vorlägen, bliebe es nach § 173 Abs 1 S 2 AußStrG bis zur – außer im Fall des § 44 AußStrG erst mit Rechtskraft wirksam werdenden (Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 173 Rz 5) – Bestellung eines solchen Kurators bei der Vertretungsbefugnis der Erben. Eine Antragsbefugnis hätten in diesem Fall die Miterben, und das Verlassenschaftsgericht müsste gegebenenfalls auch von Amts wegen vorgehen. Ein Prozessgegner der Verlassenschaft ist hingegen nicht zur Antragstellung befugt. Das Vorbringen eines Antrags könnte allenfalls als Anregung zu einem amtswegigen Vorgehen gedeutet werden, wenn der Antragsteller darin die Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung trotz Vorhandenseins erbantrittserklärter Erben aufzeigt.

5. Aufgrund dieser Erwägungen hat der Revisionsrekurs Erfolg: Der Antrag ist abzuweisen, soweit er sich – inhaltlich unzutreffend – darauf stützt, dass die Verlassenschaft unvertreten sei; im Übrigen, also in Bezug auf die behauptete Uneinigkeit der Miterben, ist er mangels Antragsbefugnis zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00147.16F.0328.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,28 Erb-und Verlassenschaftssachen

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