OGH vom 02.07.1985, 2Ob595/85
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Notburga A, Pensionistin, verstorben am , zuletzt wohnhaft gewesen in 8707 Leoben, Kaltenbrunnerstraße 33, infolge Revisionsrekurses des Dr. Norbert A, Unternehmensberater, 2880 Kirchberg, Wechselmaut Nr. 8, vertreten durch Dr. Herbert und Elisabeth B, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom , GZ R 363/85-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom , GZ 2 A 717/84-20, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt.
Text
Begründung:
Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren nahm das Erstgericht die aus dem Berufungsgrunde des Gesetzes unbedingt abgegebene Erbserklärung der erblasserischen Tochter Valerie A und die auf den Titel des Testamentes vom gestützte, unbedingte Erbserklärung des Dr. Norbert A zu Gericht an und bestimmte zufolge dieser widersprechenden Erbserklärungen gemäß den §§ 125, 126 AußStrG, daß Valerie A gegen Dr. Norbert A als Klägerin aufzutreten und die Klage binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses einzubringen hat, widrigenfalls mit der Verlaßabhandlung ohne Rücksicht auf ihre Erbansprüche vorgegangen würde.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Klägerrolle dem Dr. Norbert A zugeteilt wurde. Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhebt Dr. Norbert A das Rechtsmittel des Revisionsrekurses mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist gerechtfertigt.
Das Erstgericht ging in seiner rechtlichen Beurteilung von folgendem Sachverhalt aus: Die im Jahre 1900 geborene Erblasserin hat im Jahre 1974 ein Testament zugunsten ihrer Tochter Valerie A und sodann im Jahre 1981 ein Testament zugunsten des - mit ihr nicht verwandten - Dr. Norbert A verfaßt. Im Jahre 1982 widerrief sie die bisherigen Testamente. Am setzte sie in einem eigenhändig geschriebenen Testament neuerlich Dr. Norbert A als Alleinerben ein. Bereits vorher, nämlich mit Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom , 2 L 42/83, war die Erblasserin auf Grund eines über Antrag ihrer Tochter Valerie A eingeleiteten Entmündigungsverfahrens gemäß dem § 1 Abs 2 EntmO wegen Geistesschwäche beschränkt entmündigt und zwecks Zustellung des Entmündigungsbeschlusses die Antragstellerin zur Zustellkuratorin bestellt worden. Auf Grund eines von der Entmündigten erhobenen Widerspruches wurde der Akt dem Widerspruchsgericht vorgelegt, welches zunächst die öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung und die Bestellung eines - von der Antragstellerin verschiedenen - Beistandes für die Entmündigte veranlaßte und nach Durchführung dieser Aufträge durch das Erstgericht mit Beschluß vom im Sinne des Art.X Z 4 des mit in Kraft getretenen Bundesgesetzes BGBl.1983/136 über die Sachwalterschaft für behinderte Personen aussprach, daß eine Entscheidung des Widerspruchsgerichtes entfalle, das Verfahren dem Erstgericht überwiesen werde und von diesem so fortzusetzen sei, als ob das Widerspruchsgericht den angefochtenen Beschluß aufgehoben und das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen habe. Noch bevor in dieser sodann zu 1 SW 192/84 des Bezirksgerichtes Leoben geführten Sachwalterschaftssache erhebliche Verfahrensschritte gesetzt wurden, ist die Erblasserin am verstorben. Sie hat außer der Tochter Valerie A keine leiblichen Nachkommen hinterlassen und war geschieden.
Unter Hinweis darauf, daß das Testament vom offensichtlich in gehöriger Form errichtet und seine Echtheit auch nicht bestritten worden sei, erklärte das Erstgericht, das Testament stelle im Sinne des § 126 Abs 1 AußStrG den stärkeren Erbrechtstitel dar, sodaß Valerie A die Klägerrolle zufalle. Das Rekursgericht vertrat dagegen die Ansicht, die gehörige äußere Form des Testamentes sei hier nicht gegeben, weil die Erblasserin im Zeitpunkte der Testamentsverfassung rechtswirksam entmündigt gewesen sei und daher gemäß § 587 ABGB, § 4 Abs 2 EntmO ausschließlich vor Gericht hätte testieren können. Im Entmündigungsbeschluß sei nämlich kein Ausspruch enthalten gewesen, daß die Wirksamkeit der Entmündigung bis zur Rechtskraft des Beschlusses aufgeschoben werde. Gemäß § 67 Abs 1 EntmO trete der Beschluß über die Entmündigung mit seiner Zustellung in Kraft, die Entmündigung sei nach Abs 2 leg.cit. sofort nach Eintritt dieser Wirksamkeit öffentlich bekanntzumachen und auch die Bestellung des Beistandes oder Kurators habe bereits vor der Rechtskraft des Entmündigungsbeschlusses zu erfolgen. Davon ausgehend sei aber vorliegendenfalls die förmliche Beschränkung der Erblasserin, lediglich vor Gericht testieren zu können, bereits am als dem Tage der Zustellung des erstgerichtlichen Entmündigungsbeschlusses vom an die Zustellkuratorin eingetreten und nicht erst mit der - hier nicht
gegebenen - Rechtskraft des Entmündigungsbeschlusses. Somit komme es aber nicht mehr darauf an, daß die Sache im Sinne der übergangsbestimmungen des Sachwaltergesetzes vom Widerspruchsgericht an das Erstgericht zurückverwiesen worden sei. Wegen der Wirksamkeit des Entmündigungsbeschlusses vom habe die Erblasserin somit nur mehr vor Gericht testieren können, sodaß ihr Testament vom nicht in gehöriger Form errichtet sei. Demnach verfüge aber die erblasserische Tochter Valerie A über den stärkeren Erbrechtstitel, sodaß dem Dr. Norbert A die Klägerrolle zugeteilt werden müsse.
In seinem gegen den rekursgerichtlichen Beschluß gerichteten Revisionsrekurs vertritt Dr. Norbert A die Rechtsansicht, die volle Wirksamkeit eines erstgerichtlichen Entmündigungsbeschlusses trete erst mit dessen Rechtskraft ein. Vorher liege nur eine vorläufige Wirkung vor, weil ansonsten eine in erster Instanz ausgesprochene, in höherer Instanz jedoch abgelehnte Entmündigung für den Betroffenen zur Folge habe, daß er für die dazwischenliegende Zeitspanne 'irrevesibel als entmündigt diskriminiert sei', was mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar erscheine. Bei Erfolg eines Rechtsmittels werde der Entmündigungsbeschluß mit Wirkung ex tunc beseitigt und ein Rechtszustand geschaffen, als ob der Beschluß nie ergangen wäre. Auch aus den neuen Bestimmungen des Sachwaltergesetzes gehe klar der besondere Schutz der behinderten Personen hervor und auch der Sachwalterbestellungsbeschluß werde erst mit seiner Rechtskraft wirksam. Da das Testament der Erblasserin demnach in gehöriger Form errichtet sei, müsse die Klägerrolle im Erbrechtsstreit der gesetzlichen Erbin zugeteilt werden.
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Dem Rekursgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß der übergangsbestimmung des Art. X Z 4 des mit in Kraft getretenen Gesetzes über die Sachwalterschaft BGBl.1983/136 in der Frage der Zulässigkeit der vorliegendenfalls von Notburga A gewählten Testamentsform keine rechtliche Bedeutung zukäme. Nach dieser Bestimmung ist ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über die Sachwalterschaft anhängiges Entmündigungsverfahren gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes fortzusetzen, ein in höherer Instanz - so auch nach den §§ 37 ff.EntmO vor dem Widerspruchsgericht - anhängiges Verfahren dagegen dem Erstgericht zu überweisen und von diesem so fortzusetzen, als ob das Rechtsmittelsgericht die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen hätte; ein allenfalls bestellter vorläufiger Beistand gilt im fortgesetzten Verfahren als einstweiliger Sachwalter.
Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, daß alle
am vor dem Erstgericht oder einem Rechtsmittelgericht
anhängigen Entmündigungsverfahren ab diesem Zeitpunkt nach den
Bestimmungen des Gesetzes über die Sachwalterschaft durchzuführen
sind und daß grundsätzlich nur - ausgenommen die aus der Bestellung
eines vorläufigen Beistandes hervorgehenden Rechtswirkungen - die
nach diesem Gesetz mit der Sachwalterbestellung verbundenen
Rechtsfolgen eintreten. Diese Regelung, nämlich, daß auch in den
bereits anhängigen Entmündigungsverfahren nur noch die vom Gesetz an
die Sachwalterbestellung geknüpften Rechtsfolgen eintreten sollen,
wurde nach den Ausführungen in der RV 742 Blg.NR 15.GP, 28, im
Interesse der betroffenen Personen geschaffen. Gemäß
§ 247 AußStrG idF des Gesetzes über die Sachwalterschaft wird der
Beschluß über die Sachwalterbestellung erst mit dem Eintritt seiner
Rechtskraft wirksam. Diesbezüglich weist die RV, a.a.O. 25,
ebenfalls ausdrücklich darauf hin, daß diese der früheren Bestimmung
des § 67 Abs 1 EntmO ('der Beschluß, mit dem Entmündigung
ausgesprochen........... wird, tritt mit dem Beginn des Tages in
Wirksamkeit, an dem die Entscheidung..........zugestellt
wird..........') widersprechende Anordnung dem verbesserten
Rechtsschutz des Betroffenen dienen soll.
In den in höherer Instanz anhängigen, in Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters übergeleiteten Entmündigungsverfahren geht das Gesetz somit von der Fiktion aus, daß bisher noch keine Entmündigung erfolgt sei. Solcherart unterbleibt auch die Fragestellung, ob es in höherer Instanz allenfalls zu einer Abänderung des erstgerichtlichen Entmündigungsbeschlusses im Sinne einer Abweisung des Entmündigungsantrages gekommen wäre, in welchem Falle eine vorangegangene Testamentserrichtung gemäß § 11 Abs 2 EntmO grundsätzlich jedenfalls rechtswirksam erschiene (vgl.SZ 19/202). Auf Grund der übergangsbestimmung des Art.X Z 4 des Gesetzes über die Sachwalterschaft werden somit auch Unsicherheiten über die Gültigkeit der während des Verfahrens gesetzten Rechtshandlungen der Betroffenen vermieden. Mangels sachlicher Entscheidung der höheren Instanz über das Rechtsmittel der vom Erstgericht entmündigten Personen sind die von ihr - außerhalb des Wirkungsbereiches eines allenfalls bestellten vorläufigen Beistandes - in der Zwischenzeit (vgl.§ 11 Abs 2 EntmO) gesetzten Rechtshandlungen grundsätzlich wirksam.
Die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person ist unter den im § 273 ABGB idF des Sachwaltergesetzes genannten Voraussetzungen vorzunehmen. Nach einer solchen Bestellung ist die behinderte Person im Sinne des § 273 a ABGB allgemein in ihrer rechtsgeschäftlichen Verfügungs- und Verpflichtungsfähigkeit eingeschränkt. Auf Grund der ausdrücklichen Anordnung des § 568 ABGB idF des Sachwaltergesetzes kann sie sodann nur mehr mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren. Auf diese Formvorschrift ist gemäß § 245 AußStrG im Bestellungsbeschluß ausdrücklich hinzuweisen. Vor diesem Zeitpunkt bestehen Beschränkungen der Handlungsfähigkeit aber eben ausschließlich im Falle der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters im Sinne des § 238 Abs 2 AußStrG.
Aus dieser neuen Gesetzeslage folgt somit, daß Rechtshandlungen von Personen während eines anhängigen Entmündigungsverfahrens, welches sodann in ein Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB übergeleitet wurde, jedenfalls dann grundsätzlich wirksam sind, wenn sie vor der Bestellung eines vorläufigen Beistandes (§ 9 EntmO) - dessen Amt durch die übergangsbestimmung des Art.X Z 4 des Gesetzes über die Sachwalterschaft in das eines einstweiligen Sachwalters übergeleitet wird - vorgenommen wurden. Die bloße Einleitung eines Entmündigungsverfahrens hatte an der Testierfähigkeit der verfahrensbetroffenen Person grundsätzlich nichts geändert und insbesondere auch keine Einschränkung der Zulässigkeit der Testamentsformen zur Folge (1 Ob 749/83).
Davon ausgehend ergibt sich für die Frage der Zuteilung der Klägerrolle im vorliegenden Erbrechtsstreit folgendes:
Da der vom Erstgericht am gefaßte Entmündigungsbeschluß im Sinne der Bestimmung des Art.X Z 4 des Gesetzes über die Sachwalterschaft BGBl.1983/136 als aufgehoben und das Entmündigungsverfahren als am in erster Instanz anhängig galt, die Rechtsfolgen des übergeleiteten Entmündigungsverfahrens im weiteren aber ausschließlich nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Sachwalterschaft zu beurteilen waren, war Notburga Burger am als dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht auf die Testamentsform des gerichtlichen Testamentes im Sinne des § 569 ABGB beschränkt. Das von ihr eigenhändig geschriebene Testament ist daher entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes in gehöriger äußerer Form errichtet. Im Sinne der in § 126 Abs 1 AußStrG festgelegten Rangfolge ist bei widersprechenden Erbserklärungen dem sich auf das Gesetz stützenden Erbanwärter gegenüber dem behaupteten Testamentserben die Klägerrolle zuzuteilen. Somit ist der Rekurswerber Dr. Norbert A vorliegendenfalls aber im Recht, wenn er unter Hinweis auf das zu seinen Gunsten in gehöriger Form errichtete Testament die Zuteilung der Klägerrolle an Valerie A, welche sich ihrerseits lediglich auf den Berufungsgrund des Gesetzes stützen kann, begehrt. Demgemäß war die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern.