OGH vom 07.10.1998, 3Ob196/98i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ing. Martin W*****, vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Frysak, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 120.000,- und S 150.000,- sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 46 R 1114/97g-7, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom , GZ 20 E 5725/96d-4, abgeändert wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekurses sind wie weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.
Text
Begründung:
Die verpflichtete Partei wurde am ins Firmenbuch eingetragen. Vom Stammkapital von S 500.000,- übernahmen der Gesellschafter Manfred U***** S 125.000,- und die Gesellschafterin Martina H***** S 375.000,-, wovon jeweils die Hälfte bezahlt war. Mit wurde die Gesellschafterin H***** aus dem Firmenbuch gelöscht, sodaß allein der Gesellschafter U***** mit einem Geschäftsanteil von S 500.000,- (davon einbezahlt S 250.000,-) verblieb. Mit wurde die GmbH aufgelöst. Liquidator ist der verbliebene einzige Gesellschafter. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom zu 4 Nc 1009/94 wurde der Konkursantrag der verpflichteten Partei mangels Vermögens abgewiesen.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom , GZ 20 E 2235/96v, wurde der betreibenden Partei zur Hereinbringung von S 150.000,- sA und S 120.000,- sA die Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Partei gegen die Drittschuldner Manfred U***** und [ungeachtet ihres Ausscheidens!] Martina H***** wegen nur zur Hälfte bezahlter Stammeinlage angeblich zustehenden Forderungen gemäß § 294 EO bewilligt. Zahlungen wurden nicht geleistet.
Mit Beschluß vom zu 12 S 27/96z (nunmehr 31 S 28/96m) wurde vom Erstgericht über das Vermögen des Manfred U***** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluß vom wurde in diesem Verfahren der zwischen Manfred U***** und dessen Gläubigern bei der Tagsatzung am "abgeschlossene" Zahlungsplan bestätigt. In diesem allein das Vermögen des Manfred U***** betreffenden Schuldenregulierungsverfahren hatte die betreibende Partei, und zwar ausdrücklich gerichtet gegen die hier verpflichtete GmbH, vertreten durch Manfred U*****, die auch im gegenständlichen Verfahren betriebenen Forderungen angemeldet. Laut Anmeldungsverzeichnis wurden diese Forderungen auch als bestehend anerkannt.
Mit seinem Exekutionsantrag beantragte der Betreibende zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderungen die Bewilligung der Exekution durch:
1.) Pfändung des "Vermögensrechtes" der verpflichteten Partei auf Zahlung der nichteinbezahlten übernommenen Stammeinlage durch den Mitgesellschafter Martina H***** (§ 70 GmbHG) im Weg des § 331 EO und die Ermächtigung nach § 333 Abs 1 EO, die Kaduzierung des säumigen Gesellschafters Manfred U***** (§ 66 Abs 2 GmbHG) namens der Gesellschaft vorzunehmen und schließlich
2.) die Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Gesellschaft H***** GmbH hiedurch verschafften "Vermögensmasse" (§ 333 Abs 2 EO) und
3.) Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung, unbeschadet etwa früher erworbener Rechte dritter Personen. Weiters wird dem Drittschuldner verboten, zur Berichtigung der gepfändeten Forderung und auf Abschlag dieser Forderung an die verpflichtete Partei Zahlung zu leisten. Letzterer wird jede Verfügung über die gepfändete Forderung sowie [im Antrag:
"Soweit sie"] über das für sie bestellte Pfand und insbesondere die gänzliche oder teilweise Einziehung dieser Forderung untersagt. Als Drittschuldner wird Martina H***** bezeichnet. Einleitend brachte dazu der Betreibende vor, daß der betreibenden Partei bereits die Pfändung der Forderung der verpflichteten Partei gegen den Drittschuldner Manfred U***** auf Grund der übernommenen und nicht voll einbezahlten Stammeinlage ein Betrag von S 125.000,- beim Erstgericht bewilligt worden sei. Von diesem sei keine Zahlung erfolgt.
Das Erstgericht bewilligte mittels Stampiglienaufdruck diesen Antrag mit folgendem Beisatz: "Die Entscheidung über den Antrag gemäß § 331 Abs 1 EO die Ermächtigung zu erteilen, die Kaduzierung vorzunehmen und die Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Gesellschaft H***** GmbH hiedurch verschafften "Vermögensmasse" (§ 333 Abs 2 EO) wird vorbehalten." Das Erstgericht verfügte auch die Zustellung dieses Beschlusses an Martina H***** und Manfred U***** je mit RSa. Sämtliche Zustellungen wurden durchgeführt, Rechtsmittel nicht erhoben.
Nach mündlicher Verhandlung ermächtigte das Erstgericht die betreibende Partei zum Zwecke der Verwertung des gepfändeten Vermögensrechtes der verpflichteten Partei auf Zahlung der nicht einbezahlten Stammeinlage durch den Mitgesellschafter Martina H*****, die Kaduzierung des säumigen Gesellschafters Manfred U***** gemäß § 66 GmbHG vorzunehmen, und [bewilligte] die Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Gesellschaft H***** GmbH hiedurch verschafften Vermögensmasse (§ 333 Abs 1 und 2 EO).
Zur Begründung berief sich das Erstgericht im wesentlichen auf die Entscheidungen des Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in EO MGA13 Nr. 116 und 117 zu § 331, insbesondere auf RPflE 1992/39, die unter anderem die Pfändung des "Vermögensrechtes" der Gesellschaft auf Nachzahlung durch den Vormann und die Ermächtigung zur Kaduzierung betrifft. Der Umstand, daß die Mitgesellschafterin bereits mit im Firmenbuch gelöscht worden sei, könne die Kaduzierung nicht hindern, da sie innerhalb der letzten fünf Jahre hafte. Für den vom ausgeschlossenen Gesellschafter nicht bezahlten eingeforderten Betrag der Stammeinlage hafteten der GmbH im Reihenregreß alle seine Vormänner, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor Erlassung der Einzahlungsaufforderung im Anteilsbuch der Gesellschaft eingetragen gewesen sei (§ 67 Abs 1 GmbHG).
In ihrem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs machte die Verpflichtete unter anderem geltend, daß ihr zur Zeit des angefochtenen Beschlusses kein Forderungsrecht auf Leistung eines Nachschusses gegen Martina H***** zugestanden sei, da diese jedenfalls nicht mehr Gesellschafter sei. Es sei bisher ein Versuch des Verkaufes des Geschäftsanteiles von Martina H***** nicht einmal versucht worden. Daher sei die Kaduzierung des säumigen Gesellschafters zu Unrecht bewilligt worden. Auch könne sich ein Kaduzierungsverfahren gegen ihn nur auf die Säumigkeit mit seinen eigenen Nachschußpflichten gründen. Da er aber dem abgeschlossenen Zahlungsplan betreffend seine Nachschußpflicht nachkomme, sei schon auf Grund des bewilligten Zahlungsplanes ein weiteres exekutives Vorgehen gegen ihn wie im angefochtenen Beschluß ausgeschlossen.
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs statt und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß es die noch offenen Anträge der betreibenden Partei abwies.
Ausgehend von dem eingangs dargestellten Sachverhalt führte das Rekursgericht aus, daß die Forderung einer GmbH gegen den Vormann eines mit der Zahlung der Stammeinlage säumigen Gesellschafters auf Leistung der von diesem nicht bezahlten Einlage erst mit dem Ausschluß des säumigen Gesellschafters entstehe. Zunächst stehe der GmbH noch das "allgemeine" Recht auf Nachforderung gegen die Vormänner des säumigen Gesellschafters zu. Basierend auf diesem "allgemeinen" Recht entstehe durch die Kaduzierung eine konkrete Forderung gegen den Vormann des säumigen Gesellschafters. Von der betreibenden Partei sei daher zunächst die Kaduzierung durchzuführen, um danach die dadurch entstandene konkrete Forderung gegen den Vormann geltend machen zu können.
Zwar seien die Ausführungen des Erstgerichtes über die Zulässigkeit der Pfändung der Rechte einer GmbH auf Einleitung des Kaduzierungsverfahrens grundsätzlich richtig, der vorliegende Fall weise allerdings insofern eine Besonderheit auf, als hier der letzte Gesellschafter, der gleichzeitig auch Liquidator der Gesellschaft sei, die Kaduzierungserklärung sich selbst gegenüber abgeben müßte, was zu dem Ergebnis führen würde, daß auch der letzte Gesellschafter ausgeschlossen werden würde. Das würde aber gleichzeitig die Beendigung der Gesellschaft bedeuten, da eine Gesellschaft ohne das Vorhandensein von mindest einem Gesellschafter nicht bestehen könne. Die Kaduzierung des einzigen Gesellschafters bedeute materiell die Auflösung der GmbH. Nach Beendigung der Gesellschaft bestehe aber kein Geschäftsanteil, der durch Verkauf verwertet werden könnte. Die beantragte Verwertung sei daher auf Grund der Ergebnisse des Verwertungsverfahrens unzulässig. Außerdem decke der einleitende Exekutionsbewilligungsbeschluß die gemäß § 333 EO begehrte Verwertung gegenüber Manfred U***** nicht. Wie sich aber aus JBl 1980, 206 ergebe, bestehe eine Forderung auf Einzahlung gegen die Vormänner des auszuschließenden Gesellschafters vor der Kaduzierung nicht. Erst als letzter Verfahrensschritt (nach Pfändung des Rechtes auf Einleitung des Kaduzierungsverfahrens, nach erfolgtem Ausschluß und Pfändung des Rechtes der verpflichteten Partei auf Nachzahlung durch den Vormann) wäre die Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Gesellschaft hiedurch verschafften "Vermögensmasse" - die erst durch die Kaduzierung entstandene konkret bestimmte Nachzahlungsforderung gegen den Vormann, allenfalls die Forderung der Gesellschaft gegen die übrigen Gesellschafter auf Zahlung des Fehlbetrages nach dem Verhältnis ihrer Stammeinlagen gemäß § 70 GmbHG - zu beantragen. Daraus ergebe sich, daß die Bewilligung des Punktes 1. des Exekutionsantrages keine geeignete Grundlage für die beantragte Ermächtigung nach § 333 Abs 1 EO auf Vornahme der Kaduzierung des säumigen Gesellschafters zu bilden vermöge. Auch die gleichfalls bewilligte Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Gesellschaft hiedurch verschafften Vermögensmasse setze die Kaduzierung voraus, die hier nicht in Betracht komme.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Exekution auf das Recht der GmbH, säumige Gesellschafter zu kaduzieren, insbesondere zur Kaduzierung des letzten und einzigen Gesellschafters einer GmbH aus jüngerer Zeit - soweit ersichtlich - nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Revisionsrekurs der betreibenden Partei, mit dem sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin begehrt, daß die erstinstanzliche Entscheidung wieder hergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls schon aus den im angefochtenen Beschluß genannten Gründen zulässig.
Er ist auch im Sinne seines Aufhebungsantrages berechtigt.
Nach praktisch einhelliger deutscher Auffassung können die Gläubiger der Gesellschaft nicht kaduzieren bzw ist das Kaduzierungsrecht nicht pfänd- oder verpfändbar (Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG16 Rz 6 zu § 21 Scholz/Emmerich GmbHG8 Rz 12 mN aus der Rechtsprechung; Hachenburg/W. Müller GmbHG8 Rz 41 zu § 21) Rowedder/Rowedder GmbHG3 Rz 3 zu § 21 (Miller in Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG Rz 2 zu § 21 Altmeppen in Altmeppen/Roth GmbHG3 Rz 19 zu § 21; Bartl in Heidelberger Komm GmbHR4 Rz 3 zu § 21 GmbHG). In Österreich hat der Oberste Gerichtshof bereits in NZ 1917, 284 (betreffend eine Registersache) die Kaduzierung von GmbH-Anteilen durch einen Gläubiger der Gesellschaft im Wege der Ermächtigung des Gesellschaftsgläubigers im Exekutionsweg die Erklärung nach § 66 Abs 2 GmbHG abzugeben, als "eventuell" möglich angesehen. In der Sache selbst lehnten alle drei Instanzen die Registrierung der vom Gläubiger angemeldeten Einforderung
weiterer Einzahlungen auf das Stammkapital ab. Auch in SZ 52/37 =
EvBl 1979/206 = GesRZ 1979, 172 = JBl 1980, 206 (König) mußte der Oberste Gerichtshof nicht abschließend zur Zulässigkeit der Kaduzierung im Rahmen einer Exekution nach § 331 EO Stellung nehmen. Da er die beantragte Ermächtigung zur Ausschließung als durch den Exekutionsbewilligungsbeschluß nicht gedeckt ansah, begnügte er sich damit, (allerdings recht deutliche) Bedenken gegen die Möglichkeit zu äußern, auf exekutiven Weg dem Gläubiger der GmbH das Recht einzuräumen, die Ausschließung von Gesellschaftern anstelle der Gesellschaft zu erklären.
Durch diese Entscheidung sah sich König (in Anm zu JBl 1980, 206) veranlaßt, der von ihm aus dieser Entscheidung abgelesenen negativen Tendenz entgegenzutreten. In dieser Entscheidungsanmerkung wies König zu Recht darauf hin, daß bei einer Exekution gegen die GmbH dieser bereits das Kaduzierungsrecht nach § 66 Abs 2 GmbHG zustehe, sodaß die Bedenken, die der Oberste Gerichtshof gegen eine Veränderung der rechtlichen Lage Dritter geäußert hatte, hier nicht zutreffen. Weiters führt er aus, der GmbH stehe selbst das - zunächst noch - "allgemeine" Recht auf Nachforderung gegen die Vormänner des säumigen Gesellschafters zu. Auf diesem "allgemeinen" Recht basiere die durch die Kaduzierung des säumigen Gesellschafters erst ins Leben gerufene (konkrete) Forderung gegen dessen Vormann (§ 67 GmbHG). Auf Grund des Bestands des "allgemeinen" Rechts auf Nachforderung könne die Ausübung des Kaduzierungsrechts durch den Gläubiger der Gesellschaft im Wege der §§ 331, 333 EO zum anschließenden Zugriff auf das "auf diese Weise herangezogenen Vermögen" (§ 333 Abs 2 EO) - nämlich konkret die Forderung auf Leistung der Stammeinlage durch die Vormänner - die Rechtslage der Schuldner der Verpflichteten (= der Vormänner) nicht "durch die Exekutionsführung verändern". Im vorliegenden Fall [JBl 1980, 206] hätte der Exekutionsantrag zutreffenderweise zunächst 1. die Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Gesellschaft zustehenden Forderung auf Einzahlung nicht geleisteter Stammeinlagen gegen die Gesellschafter, sodann 2. die Pfändung des "Vermögensrechts" der Gesellschaft auf Nachzahlung durch den Vormann (§ 67 GmbHG) im Weg des § 331 EO und die Ermächtigung nach § 333 Abs 1 EO, die Kaduzierung des säumigen Gesellschafters (§ 66 Abs 2 GmbHG) namens der Gesellschaft vorzunehmen, und schließlich 3. die Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Gesellschaft hiedurch verschafften "Vermögensmasse" (§ 333 Abs 2 EO) - die erst durch die Kaduzierung entstandene konkret bestimmte Nachzahlungsforderung gegen den Vormann - zu begehren gehabt.
Auch Graff (GesRZ 1979, 29) befürwortet die Realisierung der Haftung der Vormänner des ausgeschlossenen Gesellschafters durch den Gesellschaftsgläubiger. Seiner Ansicht nach wäre die Pfändung und Überweisung der Forderung der GmbHG gegen die Vormänner des säumigen Gesellschafters zulässig, wobei nach § 308 Abs 1 EO die Fälligstellung und Kaduzierung dem betreibenden Gläubiger zustehe. Durch die Abtretung eines Geschäftsanteiles werde die grundsätzlich seit Abschluß des Gesellschaftsvertrages bestehende Zahlungspflicht des Abtretenden zwar in eine subsidiäre Haftung abgeschwächt, sie gehe aber keineswegs unter. Nach Ausübung der im Überweisungsbeschluß gelegenen Ermächtigung durch eine Nachfristsetzung nach § 66 Abs 1 GmbHG und in der Folge durch die Ausschließung der letzten Gesellschafter werde die zunächst nur bedingt bestehende Forderung der Gesellschaft aktualisiert und könne erforderlichenfalls durch einen Drittschuldnerklage realisiert werden. Der Ansicht von König schloß sich Reich-Rohrwig (GmbHR1 595) an. Dem Lehrbuch von Kastner/Doralt/Nowotny (GesR5 430) ist keine eigene Stellungnahme zu entnehmen. Kucsko/Rothner ÖZW 1980, 84 sprechen sich im Anschluß an Graff für die Kaduzierung durch Gesellschaftsgläubiger aus. Auch Koppensteiner (GmbHG § 66 Rz 5, der SZ 52/37 als gegenteilig zitiert) schließt sich der neuen österreichischen Lehre mit der Begründung an, daß die gegenteilige Auffassung im Widerspruch zur allgemein anerkannten Kaduzierungszuständigkeit des Masseverwalters stehe (so auch bereits Graff aaO). Diese Ansicht verhindere, daß ein Gesellschaftsgläubiger die Haftung der Vormänner nach § 67 GmbHG geltend machen könne, was mit der gläubigerschutzorientierten Zielrichtung der Normen über die Aufbringung des Stammkapitals nicht vereinbar sei. Feil (EO2 Rz 9 zu § 294) meint unter Bezugnahme auf JBl 1980, 206, daß der Gläubiger einer GmbH trotz Bewilligung des Exekutionsgerichtes nicht Gesellschafter wegen Säumigkeit mit den auf die Stammeinlage geforderten Einzahlungen aus der Gesellschaft ausschließen und dann die geschuldeten Beträge von den nur für diesen Fall haftenden Vormännern mittels Drittschuldnerklage begehren könne. Gellis/Feil GmbHG3 (Rz 2 zu § 66 GmbHG) äußern keine eigene Meinung zum fraglichen Problem, zählen aber Koppensteiner (zu Unrecht, wie dargelegt) zu den Gegnern der neuen österreichischen Lehre.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat in RPflE 1992/39 die Pfändung des der verpflichteten Partei zustehenden Anspruchs auf Nachzahlung der ausstehenden Stammeinlage eines Gesellschafters durch dessen Vorgänger nicht beanstandet und sich auf die Lehre von König zum "allgemeinen" Recht auf Nachforderung berufen. In RPflE 1992/121 hat dasselbe Rekursgericht unter Berufung auf eine eigene Vorentscheidung das Recht auf Kaduzierung des säumigen Gesellschafters als Vermögensrecht im Sinne des § 331 EO qualifiziert. Die Exekutionsbewilligung umfaßte die Erlassung des Gebotes an die verpflichtete Partei, sich jeder Verfügung über dieses Recht zu enthalten, und das Leistungsverbot an die bestimmten leistungspflichtigen Personen, nämlich die säumigen Gesellschafter. Richtigerweise hätte im zu entscheidenden Fall die betreibende Partei die Pfändung des Rechtes der GmbH auf Einleitung des Ausschluß- bzw Kaudzierungsverfahrens gemäß § 66 GmbHG beantragen müssen. Dabei könne es nicht hinderlich sein, daß dieses Recht durch die allenfalls nach der Ausschlußandrohung noch fristgerecht vorgenommene Nachzahlung der Stammeinlage durch die Gesellschafter bedingt sei, da es sich dabei nicht um ein Recht handle, das erst möglicherweise entstehen könne.
Im Hinblick darauf, daß die Auffassung der neuen österreichischen Lehre den dargestellten Wertungswiderspruch mit dem Kaduzierungsrecht des Masseverwalters im Konkurs vermeidet, aber auch unter den Aspekt des vom Gesetzgeber angestrebten höchstmöglichen Gläubigerschutzes (dazu jüngst 1 Ob 374/97z [ecolex 1998, 487 = EvBl 1998/123 = RdW 1998, 104]) überwiegen die Argumente dafür, dem Gläubiger der GmbH im Exekutionsverfahren die Durchsetzung der in den §§ 67, 68 und 70 GmbHG der Gesellschaft eingeräumten Rechte zum Zwecke der Aufbringung des ausständigen Stammkapitals einzuräumen.
Entgegen der Ansicht von König läßt sich allerdings aus dem GmbHG ein "allgemeines" Recht auf Nachforderung gegen die Vormänner des säumigen Gesellschafters nicht ableiten. Gäbe es so ein Recht tatsächlich, wäre es zweifellos als eine nach § 307 EO durchzusetzende Geldforderung zu qualifizieren, dann käme aber wegen des subsidiären Charakters der Exekution "auf andere Vermögensrechte" (Heller/Berger/Stix 2378) eine Exekution nach §§ 331 ff EO darauf nicht in Betracht. Eine Exekution nach § 294 EO müßte aber schon daran scheitern, daß insbesondere der Anspruch auf Zahlung des vom ausgeschlossenen Gesellschafter nicht bezahlten Betrages gegenüber den Vormännern nach § 67 Abs 2 GmbHG erst mit der Kaduzierung entsteht (SZ 52/37; König aaO 208; die Gegenmeinung von Graff, GesRZ 1979, 29 ff erscheint dagegen konstruiert und aus dem Gesetz nicht ableitbar).
Untersucht man nun die Regelungen der §§ 67-70 GmbHG, dann zeigt sich, daß damit der GmbH eine Art Privatexekution eingeräumt wird, bei der es im Rahmen der §§ 67 und 68 zu einer Veräußerung des kaduzierten Geschäftsanteils kommt, da sowohl der zahlende Vormann als auch der dritte Käufer den Geschäftsanteil des säumigen Gesellschafters erwerben. Lediglich der "Mitgesellschafter", der in letzter Linie erfolgreich zur Zahlung herangezogen wird (§ 70 GmbHG), erwirbt den Geschäftsanteil nicht. Die subsidiäre Haftung der Mitgesellschafter nach § 70 GmbHG setzt aber naturgemäß voraus, daß überhaupt solche vorhanden sind und andererseits das Fehlschlagen der Verwertung des Geschäftsanteils. Eine Forderungsexekution eines Gesellschaftsgläubigers in diesem Stadium der Versuche, die ausständige Stammeinlage hereinzubringen, erscheint ohne weiters als zulässig. Vor Kaduzierung und erfolgloser Durchführung der Maßnahmen nach §§ 67, 68 GmbHG kommt aber eine solche Exekution nicht in Betracht. Auf Grund dieser aus der Kaduzierung folgenden Ansprüche erscheint es demnach gerechtfertigt, aus den §§ 67 und 68 GmbHG ein Vermögensrecht der Gesellschaft auf Kaduzierung und Verwertung des Geschäftsanteils eines säumigen Gesellschafters abzuleiten, welches Gegenstand der Exekution nach §§ 331 ff EO sein kann (so schon LGZ Wien RPflE 1992/121). Die Kaduzierung steht damit am Beginn eines Exekutionsverfahrens nach § 331 EO und kann nicht als eine Maßnahme analog § 333 EO qualifiziert werden. Die Verwertung dieses Rechtes hat sodann unter Beachtung der §§ 67 ff GmbHG zu erfolgen.
Zu Recht bekämpft der Revisionsrekurswerber auch die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß die exekutive Kaduzierung des einzigen Gesellschafters einer GmbH nicht zulässig sei, weil dadurch die Beendigung der Gesellschaft eintrete.
Soweit ersichtlich, hat sich die Rechtsprechung in Österreich bisher mit der Frage einer gesellschafterlosen Kapitalgesellschaft nicht beschäftigt. Lediglich Jabornegg (Rz 16 zu § 1 mN aus der deutschen Lehre) und Strasser (Rz 9 vor Vierter Teil) in Schiemer/Jabornegg/Strasser AktG3 befassen sich auch mit der in Deutschland so genannten "Keinmanngesellschaft" und kommen zu dem Ergebnis, daß eine gesellschafterlose AG gesetzwidrig, und der Wegfall des letzten Gesellschafters ein im Gesetz nicht ausdrücklich geregelter Auflösungsgrund sei (Strasser) bzw daß die vollständige Abgabe sämtlicher Aktien an die AG einem Auflösungsbeschluß gleichzuhalten sei (Jabornegg). Reich-Rohrwig (GmbHR1 595) legte zwar nicht dar, welche Folge die Kaduzierung des letzten bzw einzigen Gesellschafters einer GmbH habe, hält diese aber ausdrücklich für zulässig und führt aus, daß dadurch die Existenz der GmbH nicht berührt werde.
In Deutschland hat Hachenburg bereits 1915 auf die Möglichkeit des Erwerbes aller Geschäftsanteile durch die GmbH hingewiesen und dies für zulässig erachtet. Diese Auffassung ist aber in der heutigen dL nur die Meinung ganz weniger. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, daß zumindest das Andauern des Zustandes der "Keinmann-Gesellschaft" zur Auflösung führt (Nachweise bei Rowedder in Rowedder GmbHG3 Rz 15 und 16 zu § 33 dGmbHG). Für die sofortige Auflösung treten unter anderem Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck GmbHG16 Rz 37 zu § 60; Ulmer in Hachenburg GmbHG § 60 Rz 60 und Rowedder aaO ein. Bei praktisch gleicher Gesetzeslage tritt die herrschende Auffassung in Deutschland auch für die Zulässigkeit der Kaduzierung des einzigen GmbH-Gesellschafters ein (Scholz/Emmerich GmbHG8 Rz 9 zu § 21; wohl auch Schulze/Osterloh aaO Rz 37 zu § 60).
Keinesfalls zu folgen ist der Ansicht von Westermann (in Scholz GmbHG8 Rz 47 zu § 33 GmbHG), wonach die Einziehung sämtlicher GmbH-Anteile eine anteilslose Gesellschaft schaffen würde, da weder eine gesellschaftliche Willensbildung möglich noch jemals wieder herstellbar sei; die Einziehung würde den Geschäftsanteil vernichten. Dies widerspricht klar dem Gesetz, nach dem sowohl der Erwerb des kaduzierten Geschäftsanteils durch einen Vormann (§ 67 Abs 3 GmbHG) als auch der Verkauf des (nach Westermann angeblich nicht mehr existierenden) Geschäftsanteils nach § 68 Abs 2 GmbHG möglich ist. Lediglich für den Fall, daß auch der Verkauf des Geschäftsanteiles nicht möglich ist, könnte von einer Vernichtung gesprochen werden. Die Auffassung Westermanns würde auch eine ungerechtfertigte Privilegierung der Einmanngesellschaften bedeuten.
Demnach kann der Auffassung des Rekursgerichtes, welches allerdings einmal auch von einer bloßen Auflösung spricht, nicht gefolgt werden, daß die Kaduzierung des einzigen Gesellschafters einer GmbH (oder aller Gesellschafter) zur Vollbeendigung der Gesellschaft führen müßte und deshalb unzulässig wäre.
Demnach ist, wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, die vorliegende Exekutionsbewilligung keine Basis für die noch offenen und vom Berufungsgericht abgewiesenen Anträge des betreibenden Gläubigers. Wie sich aus der Textierung des Exekutionsantrages, der vom Erstgericht mittels Stampiglie teilweise bewilligt wurde, ergibt, richtet sich der Pfändungsantrag in erster Linie auch nicht auf das von König postulierte "allgemeine" Recht auf Nachforderung gegen die Vormänner des säumigen Gesellschafters (nach § 67 GmbHG), sondern auf die Forderung gegen die (derzeit nicht existenten) "Mitgesellschafter" auf Grund des im Antrag zitierten § 70 GmbHG. Diese Forderung würde nun nicht nur die Kaduzierung, die bislang noch gar nicht erfolgt ist, sondern, wie dargelegt, auch noch das Fehlschlagen der Verwertung des Geschäftsanteils - sei es durch Zahlung der Vormänner, sei es durch Veräußerung an Dritte - voraussetzen. Die Exekution ist daher insoweit ins Leere gegangen. Der ohne die erforderliche Exekutionsbewilligung ergangene "Verwertungsbeschluß" des Erstgerichtes ist daher aufzuheben.
Die betreibende Partei hat nun aber bereits im Exekutionsantrag, wenn auch irrig (aber im Einklang mit der Lehrmeinung von König) unter Hinweis auf § 333 EO die "Ermächtigung" zur Kaduzierung begehrt, womit mit hinreichender Deutlichkeit klargestellt wurde, daß sie die Bewilligung einer Exekution anstrebt, mit der es ihr ermöglicht würde, die durch die Kaduzierung geschaffene(n) Forderung(en) überwiesen zu erhalten. Weitere Verwertungsanträge im Sinne des § 331 Abs 2 EO wurden bisher nicht gestellt. Schon auf Grund der nunmehr erstmals vom Obersten Gerichtshof klargestellten Vorgangsweise bei der Exekution auf das Vermögensrecht auf Kaduzierung wird daher das Erstgericht, nachdem es der betreibenden Partei Gelegenheit zur Verbesserung seines Exekutionsantrages (§ 54 Abs 3 EO) gegeben hat, erneut darüber zu entscheiden haben. Zu berücksichtigen wird dabei sein, daß es hinsichtlich des vom nunmehrigen Alleingesellschafter gehaltenen Geschäftsanteils nur insoweit einen "Vormann" gibt, als er nicht von vornherein an der GmbH beteiligt war, und zumindest derzeit ein Vorgehen nach § 70 GmbHG auch am Fehlen von Mitgesellschaftern scheitern muß. Für den Fall einer Exekutionsbewilligung wird vor der Entscheidung über allfällige Verwertungsanträge erneut die Verpflichtete einzuvernehmen sein (§ 331 Abs 2 EO).