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OGH vom 27.05.2004, 6Ob275/03i

OGH vom 27.05.2004, 6Ob275/03i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Katharina T*****, geboren am , bisher vertreten durch ihre Mutter Heidelore T*****, und 2. Alexander T*****, alle wohnhaft in *****, vertreten durch Mag. Georg Thalhammer, Rechtsanwalt in Wien, und 3. Mag. Peter T*****, Apotheker, *****, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Peter A*****, Rechtsanwalt, *****, als gerichtlich bestellter Substitutionskurator der ungeborenen Kinder des Mag. Peter T***** und Nacherben des am verstorbenen Friedrich T*****, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom , GZ 12 R 68/03p-10, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 12 R 68/03p-13, womit über Rekurs der Kläger der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 21 Cg 143/02g-6, aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am verstorbene Friedrich T***** setzte in seinem Testament vom den Drittkläger, seinen Sohn, zum Alleinerben ein und verfügte weiters: "Seine Kinder berufe ich ihm zu Nacherben als fideikommissarische Substituten. Sollte mein Sohn nicht Erbe werden, so sollen seine Kinder zu gleichen Teilen meine Erben sein."

Die Erstklägerin und der Zweitkläger sind die Kinder des Drittklägers. Dieser hat eine bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass abgegeben. Im Verlassenschaftsverfahren nach Friedrich T***** wurde der Beklagte zum Substitutionskurator für die ungeborenen (und noch nicht gezeugten) Nachkommen des Drittklägers bestellt.

Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass der Erblasser nur die Erstklägerin und den Zweitkläger zu fideikommissarischen Substitutionserben eingesetzt habe und ungeborene Kinder nicht als Substitutionserben berufen seien. Der Wille des Erblassers sei darauf gerichtet gewesen, nur die ihm bekannten Enkelkinder einzusetzen. Das Testament sei in der Kanzlei eines Rechtsanwaltes errichtet worden. Der Errichtung des Testamentes seien ausführliche Erörterungen vorangegangen, bei denen der Erblasser seine Absicht dargelegt habe, durch seine letztwillige Verfügung zu bewirken, dass nur die ihm bekannten Enkel seinem Nachlass erhalten sollten. Er habe nicht gewollt, noch ungeborene Kinder des Drittklägers zu seinen Nacherben zu berufen. Die Kläger seien sich über die Regelung der sich aus der Substitution ergebenden Rechtsbeziehungen einig. Ein entsprechendes Übereinkommen scheitere an der Auffassung des Abhandlungsgerichtes, dass auch ungeborene Kinder des Drittklägers substituiert worden seien.

Der Beklagte (Substitutionskurator) beantragte die Zurückweisung des Klagebegehrens betreffend die damals noch minderjährige Erstklägerin mangels pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung der Klageführung, im Übrigen - betreffend die Erstklägerin hilfsweise - die Abweisung des Klagebegehrens. Der Erblasser habe sehr wohl auch allfällige weitere, noch ungeborene Kinder des Drittklägers als Substituten einsetzen wollen, wie sich schon aus dem Wortlaut des Testamentes ergebe.

Mit Beschluss des Pflegschaftsgerichtes vom wurde die Klageführung hinsichtlich der Erstklägerin genehmigt.

In der Tagsatzung vom erörterte das Erstgericht die Frage der Parteifähigkeit der zunächst in der Klage als beklagte Partei bezeichneten "ungeborenen Kinder" des Drittklägers. Der Drittkläger brachte vor, dass § 612 ABGB auch den noch nicht Gezeugten Rechtsfähigkeit einräume. Wer rechtsfähig sei, sei auch parteifähig. Die Parteifähigkeit der ungeborenen Kinder ergebe sich aus § 274 ABGB, der für diese die Sachwalterschaft anordne.

Das Erstgericht hob das bisherige Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Da der Zivilprozess zwischen den Parteien das Prozessrechtsverhältnis begründe, müssten die beteiligten Subjekte überhaupt fähig sein, Träger von prozessualen Rechten und Pflichten zu sein. Die Parteifähigkeit entspreche insoweit der Rechtsfähigkeit des Privatrechtes. Gemäß § 22 ABGB seien zwar auch Ungeborene ab dem Zeitpunkt der Empfängnis teilrechtsfähig und parteifähig. § 274 erster Fall ABGB betreffe allerdings noch nicht Gezeugte und habe mit § 22 ABGB nichts zu tun. Daraus, dass gemäß § 612 ABGB auch noch nicht Gezeugte zu Nacherben berufen werden könnten und dass für diese ein Kurator zu bestellen sei, ergebe sich noch nicht, dass diese im eigenen Namen klagen oder geklagt werden könnten. Die als Beklagte bezeichneten noch nicht gezeugten Kinder des Drittklägers seien daher nicht parteifähig.

Das Rekursgericht hob mit Beschluss vom (ON 10), verbessert mit Beschluss vom (ON 13) den Beschluss des Erstgerichtes auf und trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Das Substitutionsvermögen selbst habe keine eigene Rechtspersönlichkeit, wohl aber die "Personen", für die der Substitutionskurator zu bestellen sei und deren Rechte er wahrnehmen müsse. Dieser habe solange einzuschreiten, als Zweifel darüber bestünden, ob nach dem Willen des Erblassers die Substitution eines noch Ungeborenen aufrecht bestehe. Daher müsse der erbserklärte Erbe die Möglichkeit haben, solche Zweifel über den Willen des Erblassers zu beseitigen. Die Tatfrage, welche Nacherbschaft der Erblasser gemeint habe, sei "nach dem System des österreichischen Erbrechtes" stets im streitigen Rechtsweg zu klären. Auch dem erbserklärten Erben müsse der streitige Rechtsweg zur Klärung dieser Frage offen stehen. Daher müsse auch den ungeborenen Kindern Parteifähigkeit zuerkannt werden. Deren Vertretung im Prozess gehöre zu den Aufgaben des Substitutionskurators. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Parteifähigkeit Ungeborener im Streit um ihre Stellung als Nacherben fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Entsteht ein Streit über die Parteifähigkeit, hat der Prozessteil, dem durch die gerichtliche Entscheidung die Parteifähigkeit aberkannt wurde, für das anschließende Verfahren über die Parteifähigkeit bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung jedenfalls die Stellung einer Prozesspartei und kann daher auch dann, wenn ihm die Parteifähigkeit aberkannt wurde, noch alle Rechtsmittel ergreifen, und diese Entscheidung überprüfen zu lassen (Schubert in Fasching, Komm. zu den Zivilprozessgesetzen 2 II/1, vor § 1 ZPO Rz 74 mwN).

Die Zivilprozessgesetze enthalten keine gesetzliche Formulierung des Begriffes der Parteien im Zivilprozess. Dieser ergibt sich vielmehr aus dem Wesen und der Aufgabe des Zivilprozesses selbst. Danach sind Parteien diejenigen Rechtsträger, von welchen oder gegen welche die staatliche Rechtsschutzhandlung im eigenen Namen begehrt wird. Neben physischen und juristischen Personen sind Rechtsträger und damit parteifähig auch jene Gebilde, denen die Rechtsordnung durch besondere Vorschriften die Fähigkeit, zu klagen oder beklagt zu werden, verliehen hat, ohne ihnen im Übrigen Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen. Maßgeblich für die Zuerkennung der Parteifähigkeit ist daher ausschließlich die faktische oder gesetzliche Anerkennung des Prozesssubjektes als Rechtsträger bzw die faktische oder gesetzliche Anerkennung seiner Fähigkeit, zu klagen oder beklagt zu werden (Schubert aaO Rz 1, 2, 28 mwN). Neben den physischen und juristischen Personen kommt die Parteifähigkeit auch allen jenen Gebilden zu, denen das Gesetz die Fähigkeit, zu klagen oder beklagt zu werden, verliehen hat, mag dies ausdrücklich erfolgt oder dadurch geschehen sein, dass sich aus ihrer von der Rechtsordnung geschaffenen oder gebilligten Funktion ein solcher Schluss notwendigerweise ergibt (Schubert aaO Rz 65).

Aus der gesetzlichen Möglichkeit, noch ungeborene und selbst noch ungezeugte Nachkommen als Nacherben einzusetzen (§ 612 ABGB), deren durch ihre Geburt bedingter Rechtsanspruch durch verschiedene Rechtsvorschriften abgesichert wird, und aus der in einem solchen Fall vom Gesetz zwingend angeordneten amtswegigen Bestellung eines Kurators für Ungeborene (§ 274 ABGB,§ 77 Z 3 AußStrG) ist zu schließen, dass auch diesem Substitutionskurator namens der Nacherben Parteistellung zukommen soll. Durch die Substitution gebunden ist die Substanz des Nachlasses auch bei noch nicht gezeugten Nacherben. Der Vorerbe ist über die Masse nur insoweit verfügungsbefugt, als er nicht in die (bedingten) Rechte der Nacherben eingreift. Der Nachlass ist von Amts wegen zu inventarisieren (§ 92 Abs 2 Z 3 AußStrG). Gemäß § 158 Abs 1 AußStrG sind Substitutionen und Anordnungen, die ihnen nach § 707 bis 709 ABGB gleichzuhalten sind, in die öffentlichen Bücher einzutragen und aus Kapitalien oder anderen beweglichen Vermögen bestehendes Substitutionsgut über 1000 EUR von Amts wegen sicherzustellen, wenn Minderjährige oder Pflegebefohlene, "insbesondere auch ungeborene und unbekannte" oder die in § 159 genannten Personen und Anstalten nachberufen sind.

Der Substitutionskurator hat auch schon vor Eintritt des Nacherbfalls die berechtigten Interessen der Nacherben wahrzunehmen. Er hat zwar bezüglich der Substitutionsmasse kein Recht zur Verwaltung oder Vertretung und kann darauf auch keinen Einfluss nehmen, er muss aber jeder Verfügung über die Substanz der Substitutionsmasse zustimmen (Welser in Rummel ABGB I3 §§ 611, 612 Rz 4, 5 mwN). Er hat etwa einer Verpfändung oder überhaupt der Aufhebung des Substitutionsbandes zuzustimmen (Eccher in Schwimann ABGB2 §§ 611, 612 Rz 5; RIS-Justiz RS0049117). Dass der für ungeborene und auch noch nicht gezeugte Nacherben bestellte Substitutionskurator im Verlassenschaftsverfahren und auch noch nach Einantwortung, wenn dem Verlassenschaftsgericht nur mehr die Stellung eines Verwahrschaftsgerichtes ("Substitutionspflegschaftsgerichtes") zukommt, die Position eines Verfahrensbeteiligten innehat, steht außer Zweifel. Er tritt hiebei namens der Nacherben auf, weil seine Handlungen und Erklärungen seinen persönlichen Rechtsbereich nicht berühren. Zur Wahrung der Interessen der noch ungeborenen Nacherben kann es auch erforderlich sein, den streitigen Rechtsweg zu beschreiten. Da das Substitutionsvermögen nach ganz herrschender Auffassung keine eigene Rechtspersönlichkeit hat (RIS-Justiz RS0007727; Welser aaO Rz 4) und der Substitutionskurator daher nicht die "Substitutionsmasse" zu vertreten hat, hat er - wie im außerstreitigen Verfahren - auch im streitigen Verfahren als Vertreter der Nacherben einzuschreiten. Seine Bestellung wäre überhaupt überflüssig, käme ihm namens der Nacherben vor Gericht keine Parteistellung zu.

Die - wenn auch schon Jahre zurückliegende - Rechtsprechung billigte mit Zustimmung der Lehre demgemäß dem Substitutionskurator (auch) als Vertreter noch ungezeugter Nacherben die Erhebung von Klagen im streitigen Verfahren und das Einschreiten in Passivprozessen, also sowohl die Aktiv- als auch die Passivlegitimation zu (GlUNF 932; ZBl 1935/224; SZ 36/116; Wentzel/Piegler in Klang Komm z ABGB2 I/2, 517 FN 31 mwN; Eccher aaO). Ohne die Unterschiede im Einzelnen zu übersehen, sei hier insoweit auch auf die ständige Gerichtspraxis hingewiesen, einem Masseverwalter in Verfahren, welche die Konkursmasse betreffen, die Aktiv- und Passivlegitimation zuzuerkennen, obwohl die Verfahrenswirkungen in seiner Person selbst nicht eintreten (Schubert aaO Rz 6 mwN).

Wie gerade das vorliegende Verfahren zeigt, hätte der Vorerbe ohne Anerkennung einer Parteistellung des Substitutionskurators keine Möglichkeit, im Zweifelsfall, ob im Testament überhaupt eine Nacherbschaft, die auch noch gar nicht gezeugte Nacherben umfasst, angeordnet ist, im (bei strittigen Auslegungsfragen auch sonst zu beschreitenden) streitigen Rechtsweg diese Frage klären zu lassen und sich gegen die in seine Rechtssphäre eingreifenden Maßnahmen (Eintragung der Nacherbschaft im Grundbuch usw), zur Wehr zu setzen.

Der Senat gelangt daher - auch im Sinne der oben zitierten älteren Vorjudikatur (GlUNF 932; ZBl 1935/224; SZ 36/116) - zu folgendem Ergebnis: Einem für ungeborene Nacherben bestellten Substitutionskurator kommt in einem durch Klage der Erben eingeleiteten Prozess betreffend die Rechte dieser Ungeborenen aus der Nacherbschaft die Parteistellung als Beklagter zu.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Zur Verdeutlichung ist allerdings die Parteibezeichung dahin klar zu stellen, dass als beklagte Partei der bestellte Substitutionskurator für die ungeborenen Nacherben einzuschreiten hat.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.