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OGH vom 18.12.2009, 6Ob133/09s

OGH vom 18.12.2009, 6Ob133/09s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen k***** GmbH, mit dem Sitz in *****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführer MMag. K***** H*****, Mag. O***** S*****, und Mag. J***** S*****, alle vertreten durch Dr. Josef Brandecker, öffentlicher Notar in Steyr, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 85/09a-7, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom , GZ 13 Fr 1603/09f-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Erstgericht lehnte die Eintragung der auf karriere.at GmbH geänderten Firma ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Verwendung reiner Gattungs-, Sach- oder Branchenbezeichnungen zur Firmenbildung sei unzulässig, wenn kein individualisierender Zusatz beigefügt werde. Die Unzulässigkeit solcher Angaben werde auch mit der Verletzung des Freihaltebedürfnisses des Rechtsverkehrs und der darin liegenden unzulässigen Selbstberühmung begründet. Andernfalls bestünde die Gefahr einer Sperrwirkung hinsichtlich der Gattungsbezeichnung. Der Zusatz „.at" sei als Firmenbestandteil von keiner Aussage- oder Kennzeichnungskraft. Gerade die von den Rekurswerbern aufgezeigte häufige Verwendung dieses Zusatzes als Firmenbestandteil spreche dagegen, diesem Zusatz eine nennenswerte Aussage- oder Kennzeichnungskraft beizumessen.

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft des Zusatzes „.at" nicht habe aufgefunden werden können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit den am in Kraft getretenen Firmenbildungsvorschriften nach dem Unternehmensgesetzbuch in der Fassung HaRÄG 2005, BGBl I 2005/120, befasst (6 Ob 242/08v mwN).

2. Im Zentrum der Firmenliberalisierung steht die Neufassung von § 18 UGB. Demnach muss die Firma zur Kennzeichnung des Unternehmers geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen (§ 18 Abs 1 UGB). Gleichzeitig darf die Firma nach § 18 Abs 2 UGB keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Die Firma muss daher, unabhängig von der Rechtsform, nur noch Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft besitzen, darf aber nicht irreführend sein (6 Ob 242/08v mwN).

3. § 18 UGB bezieht sich nur auf neu gebildete Firmen. Unter neu gebildeter Firma ist nicht nur die ursprüngliche (anfängliche), sondern auch die geänderte Firma zu verstehen. Fallen Teile der Firma (etwa Zusätze) fort, so geht die bisherige Firma grundsätzlich unter, weil alle Teile der Firma ein einheitliches Ganzes bilden. Jede Änderung der bisherigen Firma bedeutet gleichzeitig die Wahl einer neuen Firma, die dann auch den Anforderungen an die erstmalige Bildung einer Firma genügen muss. Dies gilt auch dann, wenn Bestandteile, die schon in der alten Firma enthalten waren, weiterverwendet werden (6 Ob 188/07a mwN).

4. Die Kennzeichnungseignung ist erste und selbstverständliche Funktion der Firma. Darunter wird die Eignung zur namentlichen Kennzeichnung eines Unternehmers (Namensfunktion) verstanden (6 Ob 242/08v mwN; 6 Ob 188/07a mwN). Die Sachfirma kann den Gegenstand des Unternehmens enthalten; reine Gattungsbezeichnungen oder Branchenangaben sind aber mangels Individualisierungswirkung unzulässig. Die Unzulässigkeit derartiger Angaben als alleiniger Firmenbestandteil wird auch mit der Verletzung des Freihaltebedürfnisses des Rechtsverkehrs sowie der darin liegenden unzulässigen „Selbstberühmung", der alleinige oder wichtigste Unternehmer einer bestimmten Gattung zu sein, begründet. Bilden nämlich den Gegenstand des Unternehmens Geschäfte, die von mehreren gleichartigen Unternehmen ausgeübt werden oder ausgeübt werden können, so ist es erforderlich, dass das Unternehmen eine individuelle Bezeichnung führt, die sich von der Gattungsbezeichnung des Gewerbezweigs unterscheidet. Andernfalls bestünde die Gefahr einer Sperrwirkung und Monopolisierung hinsichtlich der Gattungsbezeichnung. Demnach ist es zumindest erforderlich, Gattungsbezeichnungen individualisierende Zusätze beizufügen, um das jeweilige Unternehmen hinreichend zu kennzeichnen (6 Ob 242/08v; 6 Ob 188/07a mwN).

5. Mit der Kennzeichnungseignung überschneidet sich zum Teil das Kriterium der Unterscheidungskraft. Auch darin liegt eine wesentliche Funktion der Firma im Geschäftsverkehr. Unterscheidungskraft bedeutet, dass die Firma geeignet ist, bei Lesern und Hörern die Assoziation mit einem ganz bestimmten Unternehmen unter vielen anderen zu wecken. Die nach § 18 Abs 1 UGB geforderte Unterscheidungskraft geht allerdings nicht so weit, dass auch die konkrete Identität eines Unternehmensträgers aus der Firma abgeleitet sein muss; die Individualisierungseignung muss vielmehr nur generell und abstrakt gegeben sein. An Unterscheidungskraft fehlt es reinen Sach- und Gattungsbezeichnungen, aber auch bloß geschäftlichen Bezeichnungen, solange sie nicht Verkehrsgeltung erlangt haben, an die bei einem entsprechenden Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit allerdings hohe Anforderungen zu stellen sind (6 Ob 242/08v; 6 Ob 188/07a mwN). Gattungsbezeichnungen ohne Unterscheidungskraft können durch individualisierende Zusätze die erforderliche Unterscheidungskraft erhalten (6 Ob 188/07a mwN).

Der gleiche Maßstab ist grundsätzlich auch an eine Kombination derartig allgemein gehaltener Elemente anzulegen (Canaris, Handelsrecht24 § 10 III Rz 22).

Bei zusammengesetzten Firmenwortlauten entscheidet der Gesamteindruck, nicht eine zergliedernde Betrachtung. Mehrdeutigkeit geht zu Lasten des die Firma Führenden (6 Ob 188/07a mwN).

6.1. Diese Grundsätze sind auch auf eine aus Elementen einer Internet-Domain gebildete Firma anzuwenden, was die Rechtsmittelwerber gar nicht bezweifeln. Nach diesen Grundsätzen hat das Rekursgericht zutreffend die Eintragungsfähigkeit der - abgesehen vom zwingenden Rechtsformzusatz - aus der Second-Level-Domain „karriere" und der Top-Level-Domain „at" der Internet-Domain „http://www. karriere.at" gebildeten Firma verneint.

6.2. Die Rechtsmittelwerber bezweifeln nicht, dass eine mit dem Wort „Karriere" in Alleinstellung (und Rechtsformzusatz) gebildete Firma keine Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft hätte, handelt es sich doch bei diesem für (bedeutende, erfolgreiche) Laufbahn stehenden Begriff um eine reine Gattungsbezeichnung. Gleiches gilt - isoliert betrachtet - für die Top-Level-Domain „at". Sie hat keinen individualisierenden Charakter, sondern beschreibt nur, dass die Internet-Domain in Österreich registriert ist, und kann praktisch jeder Domain beigefügt werden.

6.3. Hinreichende Eigentümlichkeit - und damit zugleich die notwendige Unterscheidungskraft - mangelt auch der Kombination „karriere.at". Eine aus einer Second-Level-Domain und der Beifügung einer Top-Level-Domain - einem domaintypischen Zeichen - gebildete Firma bezieht ihre Unterscheidungskraft nämlich regelmäßig aus der Eigenart der Second-Level-Domain (B. Seifert, Firmenrecht „online", Der Deutsche Rechtspfleger 395 [397]): eintragungsunfähig ist daher eine Firma „Patent.de GmbH" (B. Seifert aaO mwN). Allein der Umstand, dass ein Unternehmen im Internet unter einer Second-Level-Domain, die aus einer Gattungs- oder allgemeinsprachlichen Bezeichnung besteht, auftritt, vermag aus firmenrechtlicher Sicht im Regelfall nichts zu ändern (B. Seifert aaO).

7. Auch im außerstreitigen Verfahren kann ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - mit Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0030748).