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OGH 21.12.2017, 5Ob179/17k

OGH 21.12.2017, 5Ob179/17k

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Xinghua G*****, vertreten durch Mag. Christian Grasl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Radoslavka K*****, vertreten durch DDr. Gebhard Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, 2. T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Gartner, Mag. Daniel Karandi, Rechtsanwälte in Wien, 3. Petro F*****, 4. Gerda K*****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Ulrich Klimscha, öffentlicher Notar, 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 7, 5. DI Ivo Z*****, vertreten durch DDr. Gebhard Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, 6. Anna M*****, 7. Mag. Brigitta J*****, 8. Herbert B*****, vertreten durch DDr. Gebhart Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, 9. Martin M*****, 10. Christian S*****, 11. Perica T*****, 12. Oskar G*****, 13. Ing. Josef P*****, 14. Walter S*****, 15. Helga S*****, 16. Karl N*****, 17. Vadim S*****, 18. Aleksandra S*****, 19. Thomas K*****, 20. DI Gerhard K*****, 10.–20.-Beklagte vertreten durch DDr. Gebhart Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, 21. Tamara Elisa S*****, 22. Sebastian L*****, 23. Sabine L*****, 24. DI Gernot W*****, 25. DI Karin Eva W*****, 22.–25.-Beklagte vertreten durch DDr. Gebhart Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Vertragsunterfertigung, über die Revision der 1.-, 5.-, 8.-, 10.- bis 20.-, 22. bis 25.-beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 63 R 108/16x-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 28 C 213/16g-22, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Miteigentümerin der Anteile B-LNr 1 an der Liegenschaft EZ ***** verbunden mit Wohnungseigentum am Geschäftslokal 1/Stiege I. Die beklagten Parteien sind (bzw waren bei Schluss der Verhandlung erster Instanz) Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Unterfertigung des den Entscheidungen der Vorinstanzen angeschlossenen Anteilsberichtigungsvertrags ./A gestützt auf § 10 WEG 2002 aufgrund rechtskräftiger Neufestsetzung des Mietwerts der Liegenschaftsanteile der Klägerin.

Die sich am Verfahren beteiligenden Beklagten wendeten ein, die Klägerin habe noch keine wohnungseigentumsrechtliche Umwidmung im Sinn des § 16 WEG 2002 erlangt und dem 13.-Beklagten gegenüber auf Anteilsberechtigung verzichtet. Die 4.-Beklagte beteiligte sich am Verfahren nicht.

Das Erstgericht wies das Klagebehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin insoweit Folge, als es die 1.- bis 5.- und 7.- bis 25.-beklagte Partei zur Unterfertigung des Anteilsberichtigungsvertrags verpflichtete, die Abweisung des Klagebegehrens gegen die 6.-Beklagte hingegen bestätigte.

Die ordentliche Revision wurde zugelassen.

In ihrer Revision wollen die 1.-, 5.-, 8.-, 10.-, 20.- und 22.- bis 25.-beklagte Partei auf eine Abweisung des Klagebegehrens auch ihnen gegenüber hinaus.

Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof kann derzeit über das Rechtsmittel noch nicht entscheiden, weil noch nicht beurteilt werden kann, ob die Revisionsfrist für die 4.-Beklagte überhaupt bereits in Gang gesetzt wurde.

1. Die Vorinstanzen haben den – aus dem offenen Grundbuch ersichtlichen – Umstand übersehen, dass für die 4.-Beklagte bereits mit Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom zu (später) AZ 8 P 198/97w eine Sachwalterin zur Besorgung sämtlicher Angelegenheiten bestellt wurde. Nach Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Favoriten ist zu AZ 2 P 211/03d dieses Gerichts nunmehr Dr. Ulrich Klimscha zum Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt.

2. In seinen Zustellverfügungen bezeichnete das Erstgericht jeweils die 4.-Beklagte persönlich als Empfängerin, nach der Aktenlage wurden die Klage, die Ladung zur Tagsatzung vor dem Erstgericht und auch die Entscheidungen der Vorinstanzen der 4.-Beklagten persönlich (teils durch Übernahme seitens eines „Arbeitgebers/Arbeitnehmers“ – ON 10, teils durch Hinterlegung unter der Adresse Geriatriezentrum, ***** W*****), zugestellt. Eine Zustellung an den bestellten Sachwalter wurde nicht verfügt und ist auch nicht aktenkundig.

3. Empfänger im Sinn des § 7 ZustG ist nicht die Person, für die das Dokument inhaltlich „bestimmt“ ist, sondern, jene Person, an die es die Behörde gerichtet hat, die somit in der Zustellverfügung von ihr als Empfänger angegeben worden ist. Die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung kann daher an sich nicht heilen (RIS-Justiz RS0121448). Formeller Empfänger des einer Besachwalteten zuzustellenden Schriftstücks ist der gesetzliche Vertreter, somit der Sachwalter. Wird irrtümlich der Vertretene als Empfänger bezeichnet, ist eine Zustellung an diesen nicht wirksam (RIS-Justiz RS0121448 [T2]).

4. Gemäß § 9 Abs 3 Satz 2 ZustG (idF BGBl I 2008/5 gilt für den Fall, dass in der Zustellverfügung nicht der Zustellungsbevollmächtigte, sondern der Vertretene selbst bezeichnet wird, allerdings eine besondere Heilungsregel; die Zustellung des Schriftstücks gilt als in jenem Zeitpunkt bewirkt, in dem es dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (Stumvoll in Fasching/Konecny II/23 § 9 ZustG Rz 22 mwN). Diese Heilungsregel wird auch auf gesetzliche Vertreter – wie etwa Sachwalter – angewendet (Stumvoll aaO Rz 22/1; vgl RIS-Justiz RS0083706 zur inhaltlich gleichlautenden Bestimmung von § 9 Abs 1 Satz 2 ZustG idF vor BGBl I 2004/10). Der Rechtssatz RS0121449, wonach im Fall, dass eine prozessunfähige Person als Empfängerin bezeichnet wird, die unwirksame Zustellung an sie auch nicht dadurch heilen kann, dass das Schriftstück später ihrem gesetzlichen Vertreter zukommt, ist hingegen aufgrund der Neufassung von § 9 ZustG durch BGBl I 2008/5 als überholt anzusehen.

5. Ob die vierwöchige Frist (§ 505 Abs 2 ZPO) zur Erhebung einer Revision gegen das auch in Bezug auf die 4.-Beklagte klagsstattgebende Berufungsurteil bereits ausgelöst wurde, kann nach der Aktenlage noch nicht beurteilt werden; die Zustellung an sie persönlich reichte dazu jedenfalls nicht aus. Ob überhaupt und gegebenenfalls wann eine Heilung dieser unwirksamen Zustellung dadurch erfolgte, dass das Berufungsurteil dem Sachwalter allenfalls tatsächlich zukam, wird das Erstgericht durch geeignete Erhebungen zu klären haben.

6. Sollte sich aus diesen Erhebungen keine Heilung der unwirksamen Zustellung ergeben, wird das Erstgericht das Berufungsurteil dem Sachwalter zuzustellen haben; im Fall des Einlangens einer Revision der 4.-Beklagten wird diese der Klägerin zuzustellen sein.

7. Nach allfälligem Einlangen einer Revision bzw Revisionsbeantwortung bzw fruchtlosem Ablauf der Fristen hiefür werden die Akten jedenfalls wieder vorzulegen sein.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei X*, vertreten durch Mag. Christian Grasl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. R*, vertreten durch DDr. Gebhard Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, 2. T* GmbH, *, vertreten durch Dr. Herbert Gartner, Mag. Daniel Karandi, Rechtsanwälte in Wien, 3. P*, 4. G*, vertreten durch den Sachwalter Dr. U*, öffentlicher Notar, *, 5. DI I*, vertreten durch DDr. Gebhard Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, 6. A*, 7. Mag. B*, 8. H*, vertreten durch DDr. Gebhart Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, 9. M*, 10. C*, 11. P*, 12. O*, 13. Ing. J*, 14. W*, 15. H*, 16. K*, 17. V*, 18. A*, 19. T*, 20. DI G*, 10.–20.-Beklagte vertreten durch DDr. Gebhart Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, 21. T*, 22. S*, 23. S*, 24. DI G*, 25. DI K*, 22.–25.-Beklagte vertreten durch DDr. Gebhart Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Vertragsunterfertigung, über die Revision der 1.-, 5.-, 8.-, 10.- bis 20.-, 22.- bis 25.-beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 63 R 108/16x-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 28 C 213/16g-22, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin erwarb 2011 im Rahmen einer Zwangsversteigerung das Eigentum an Anteilen (B-LNr 1) der Liegenschaft EZ * verbunden mit dem Wohnungseigentum am Geschäftslokal 1/Stiege 1. Die beklagten Parteien sind (bzw waren bei Schluss der Verhandlung erster Instanz) Mit- und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft. Das Geschäftslokal wurde mit Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer in eine Wohnung umgebaut. Die MA 50 – Wiener Schlichtungsstelle – setzte am den Mietwert der Liegenschaftsanteile der Klägerin aufgrund der Umänderung des Geschäftslokals in eine Wohnung neu fest und sprach gemäß § 9 Abs 4 WEG 2002 aus, dass die Gesamtsumme der Mietwerte aller selbständigen Objekte der Liegenschaft nunmehr 33.640 statt zuvor 34.600 betrage. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Die Klägerin begehrt gestützt auf § 10 WEG 2002 von den Beklagten die Unterfertigung des – den Entscheidungen der Vorinstanzen angeschlossenen – Anteilsberichtigungsvertrags ./A. Da sich die Miteigentumsanteile sämtlicher Beklagten durch die Anteilsberichtigung erhöhen, sei kein Entgelt von der Klägerin zu bezahlen.

Die sich am Verfahren beteiligenden Beklagten wendeten ein, die Klägerin habe bislang noch keine wohnungseigentumsrechtliche Umwidmung im Sinne des § 16 WEG 2002 erlangt, dem 13.-Beklagten gegenüber habe sie auf eine Anteilsberichtigung verzichtet. Die 6.-Beklagte habe den Vertrag bereits unterschrieben, ebenso der Rechtsvorgänger der 21.-Beklagten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da es bei keinem der Miteigentumsanteile zu einer Änderung von mehr als 10 % komme, könne gemäß § 10 Abs 3 WEG 2002 die Berichtigung in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG auch ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer erfolgen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin insoweit Folge, als es die 1.- bis 5.- und 7.- bis 25.-Beklagten zur Unterfertigung des Anteilsberichtigungsvertrags verpflichtete. Die Klageabweisung gegen die 6.-Beklagte bestätigte es.

Es verneinte die Anwendbarkeit des § 10 Abs 3 WEG 2002, weil jedenfalls beim Anteil der Klägerin durch die Entscheidung der Schlichtungsstelle eine Änderung eintrete, die 10 % übersteige. Ziel der Klägerin sei die grundbücherliche Durchführung der durch die Entscheidung der Schlichtungsstelle herbeigeführten Änderung der Mietwerte. Der Anteilsberechtigungsvertrag diene der Umsetzung der Verpflichtung der Miteigentümer, zur Änderung der Miteigentumsanteile entsprechend einer gerichtlichen oder einvernehmlichen Nutzwertfestsetzung gegenseitig Miteigentumsanteile in einem solchen Ausmaß zu übernehmen und zu übertragen, dass jedem Wohnungseigentümer der für sein Wohnungseigentumsobjekt erforderliche Mindestanteil zukomme. Aus der Tabelle des Anteilsberichtigungsvertrags ergebe sich die Änderung der Miteigentumsanteile eindeutig, er enthalte auch die erforderlichen Aufsandungserklärungen. Da § 10 Abs 4 WEG 2002 eine Übertragungspflicht infolge gerichtlicher Nutzwertfestsetzung vorsehe und jeder Miteigentümer berechtigt und verpflichtet sei, daran mitzuwirken, sei ein Verzicht auf die Durchführung einer grundbücherlichen Anteilsänderung nicht wirksam.

Dass die Klägerin keine Widmungsänderung im Außerstreitverfahren erwirkt habe, sei unschädlich, weil sämtliche Miteigentümer dem Umbau des Geschäftslokals in eine Wohnung zugestimmt und hiefür die Einreichpläne unterfertigt hätten. Die privatrechtliche Einigung (der Widmungsakt) der Wohnungseigentümer könne auch konkludent erfolgen. Die ausdrückliche Zustimmung zum Umbau des Geschäftslokals in eine Wohnung beinhalte die Zustimmung zur Verwendung der neu geschaffenen Wohnung zu Wohnzwecken. Auch dass sämtliche Wohnungseigentümer die Entscheidung der Schlichtungsstelle unangefochten ließen, sei als konkludente privatrechtliche Widmungsänderung zu werten. Die Klägerin habe daher den gesetzlichen Anspruch auf Unterfertigung des Anteilsberichtigungsvertrags als grundbuchstaugliche Urkunde im Sinne des § 10 Abs 4 WEG 2002. Die 6.-Beklagte habe den Vertrag bereits unterfertigt, ihr gegenüber habe es bei der Abweisung des Klagebegehrens zu bleiben. Die Unterschrift des Einzelrechtsvorgängers der 21.-Beklagten könne ihre eigene als aktueller Wohnungseigentümerin nicht ersetzen.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer grundbücherlichen Anteilsänderung im Wege der klageweisen Durchsetzung, weiters zur Frage, ob auf die grundbücherliche Anteilsänderung wirksam verzichtet werden könne und ob die erteilte Zustimmung zum Umbau eines Geschäftslokals in eine Wohnung auch als Zustimmung zu dieser Widmungsänderung gelte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der im Spruch genannten Beklagten (in der Folge kurz: Beklagte) ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Den Beklagten gelingt es auch nicht, in ihrer Revision eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

1. Vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht – dem Auftrag des Obersten Gerichtshofs vom entsprechend – dem bisher am Verfahren nicht beteiligten Sachwalter der 4.-Beklagten sämtliche Schriftsätze, Protokolle, Entscheidungen und Rechtsmittel zugestellt hat (ON 34), eine Anfechtung der berufungsgerichtlichen Entscheidung durch die 4.-Beklagte erfolgte nicht. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO hätte aber nur von ihr als derjenigen geltend gemacht werden können, gegen die ein Verfahren durchgeführt wurde, ohne dass sie in diesem vertreten war (vgl RIS-Justiz RS0041988).

2.1. Selbst wenn das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat, die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059). Wird die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO beurteilte Rechtsfrage im Rechtsmittel nicht angesprochen, ist auf diese Frage nicht weiter einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird (RIS-Justiz RS0102059 [T8, T13, T18]).

2.2. Auf den ersten Teil der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts gehen die Revisionswerber mit keinem Wort ein. Dass eine grundbücherliche Anteilsänderung nach § 10 Abs 4 WEG 2002 im Weg einer Klage auf Unterfertigung eines entsprechenden Vertrags durchgesetzt werden kann, bezweifeln sie nicht, sondern setzen sie voraus, wenn sie argumentieren, der zur Unterschriftsleistung eingeklagte Anteilsberichtigungsvertrag sei (gemeint offenbar: nur) deshalb nicht ausreichend, weil er keine wohnungseigentumsrechtliche Umwidmungs-vereinbarung enthalte. Dass die Verpflichtung zur Angleichung im Sinn des § 10 Abs 4 WEG – mangels Erwähnung in § 52 WEG – im streitigen Rechtsweg durchzusetzen ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0106055) und herrschenden Lehre (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 10 WEG Rz 9 mwN; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 10 WEG Rz 28 mwN). Der erkennende Senat sprach erst kürzlich aus (5 Ob 139/17b = immolex 2018/39 [Prader]), dass eine durch Exekutionstitel wörtlich festgelegte Erklärung, in eine bestimmte Eigentumsübertragung einzuwilligen, etwa durch Unterfertigung einer diesbezüglichen Urkunde, eine Exekutionsführung nach § 350 EO gestattet. Daraus ist zu schließen, dass dies dem Übertragungsmechanismus des § 10 Abs 4 WEG 2002 grundsätzlich entspricht. Die zu 5 Ob 139/17b erörterte Zug-um-Zug-Problematik stellt sich hier nicht, zumal die – Anteile an die Beklagten übertragende – Klägerin in dem Bestandteil des Klagebegehrens bildenden Vertrag ./A ja ohnedies auf ein Entgelt im Sinne des § 10 Abs 4 WEG 2002 verzichtet hat.

2.3. Das Berufungsgericht wies zutreffend darauf hin, dass es zur Änderung der Miteigentumsanteile nach § 10 Abs 4 Satz 1 bis 3 WEG 2002 (idF WRN 2006) bei Nichtanwendbarkeit des § 136 GBG – wie hier, wo sich jedenfalls der Mindestanteil der Klägerin um mehr als 10 % ändert – einer grundbuchsfähigen Urkunde bedarf, in der einzelne Miteigentümer bestimmte Miteigentumsanteile an bestimmte andere Miteigentümer übertragen, entsprechende Aufsandungserklärungen vorliegen und der Rechtsgrund angegeben wird (RIS-Justiz RS0123506). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der hier vorgelegte Anteilsberichtigungsvertrag entspreche diesen Anforderungen, weil sich aus dessen Tabellen die Änderung der Miteigentumsanteile für das Grundbuch eindeutig ergebe (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der „Vorher/Nachher-Tabellen“ in diesem Zusammenhang vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, österreichisches Wohnrecht4 § 10 WEG Rz 28a, Rz 43a je mwN), ziehen die Beklagten in ihrer Revision nicht in Zweifel, die diesbezügliche rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts sprechen sie gar nicht an. Eine erhebliche Rechtsfrage ist auch insoweit nicht zu beantworten.

3.1. Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einer bestimmen Fallgestaltung begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0042656), insbesondere wenn das Gesetz selbst eine eindeutige Regelung trifft oder im Wege einfacher Auslegung ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden kann (RIS-Justiz RS0042656 [T32]). Gleiches gilt, wenn die vom Gericht zweiter Instanz als erheblich erachtete Rechtsfrage zwanglos anhand der Gesetzeslage und der bereits vorhandenen Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0042656 [T48]).

3.2. Aus § 16 Abs 2 WEG 2002, der den Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, ist abzuleiten, dass es der freien Dispositionsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers unterliegt, ob er eine derartige Änderung vornehmen will oder nicht. Die Neufestsetzung der Nutzwerte als Folge einer Widmungsänderung gemäß § 9 Abs 1 WEG 2002 hat nur auf Antrag stattzufinden. Ob ein Verzicht eines Wohnungseigentümers auf Widmungsänderung bzw Antragstellung auf Neufestsetzung der Nutzwerte gegenüber nur einem einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer überhaupt Wirksamkeit gegenüber allen anderen Mit- und Wohnungseigentümern entfalten könnte, zumal das Nutzwert-(neu-)festsetzungsverfahren zwar über Antrag, allerdings in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen Verfahren zwingend für alle als Wohnungseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechend der konkreten Widmung zu geschehen hat (RIS-Justiz RS0082872), bedarf hier keiner näheren Erörterung. Hier ist nämlich die Neufestsetzung der Mietwerte (im Hinblick auf die Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft vor dem sind die mit der Neuparifizierung zusammenhängenden Streitfragen noch nach den Vorschriften des WEG 1948 zu lösen – RIS-Justiz RS0048303) durch Bescheid der Schlichtungsstelle vom bereits rechtskräftig erfolgt. Gemäß § 58b Abs 3 WEG 2002 ist auf das Verfahren zur Änderung der Mindestanteile § 10 Abs 3 und 4 WEG 2002 idF GBG-Novelle 2012 anzuwenden (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 10 WEG Rz 1).

3.3. Schon nach § 2 WEG 1948 bestimmte sich der zur Begründung von Wohnungseigentum notwendige (damals noch nicht als „Mindestanteil“ bezeichnete) Miteigentumsanteil nach dem Verhältnis des Jahresmietzinses 1914 des betreffenden Objekts zur Gesamtsumme der Jahresmietzinse aller Objekte der Liegenschaft. § 3 Abs 1 Satz 1 WEG 1975 definierte den Mindestanteil als solchen Anteil, der dem Verhältnis des Nutzwerts der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit zum Nutzwert aller Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten der Liegenschaft entspricht. Gemäß § 2 Abs 9 Satz 2 WEG 2002 entspricht der Mindestanteil dem Verhältnis des Nutzwerts des Objekts zur Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft. Gemäß § 5 Abs 1 WEG 2002 kann Wohnungseigentum nur von dem Miteigentümer erworben werden, dessen Anteil dem Mindestanteil entspricht. Demgemäß kann nach herrschender Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0114510) derjenige, der nicht über den erforderlichen Mindestanteil verfügt, kein Wohnungseigentum erwerben, was die Nichtigkeit des Wohnungseigentumsvertrags und in weiterer Folge auch die Nichtigkeit einer darauf beruhenden Verbücherung des Wohnungseigentums nach sich zieht. Dem Wohnungseigentumsrecht ist somit eine zwingende Verknüpfung zwischen den Miet- bzw Nutzwerten und dem Mindestanteil (bei sonstiger Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung) immanent. Sie ist die Grundlage der nunmehr in § 10 Abs 3 und 4 WEG 2002 geregelten, aber schon in § 4 Abs 2 WEG 1975 vorgesehenen erzwingbaren Ausgleichsmöglichkeit im Fall einer gerichtlichen oder einvernehmlichen Nutzwertneufestsetzung, damit jedem Miteigentümer sein passender Mindestanteil zukommen kann (vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 10 WEG Rz 26). Angesichts des Eintragungsprinzips bewirkt nämlich eine Änderung der Nutzwerte allein noch keine Änderung der Miteigentumsanteile und im Verfahren zur Nutzwertneufestsetzung ist nicht über eigentumsrechtliche Konsequenzen abzusprechen, die sich aus neuen Jahresmiet- bzw Nutzwerten ergeben. Für die dadurch erforderlichen Rechtsänderungen (die bis zur Neubegründung des Wohnungseigentums gehen könnten) hat der Gesetzgeber vielmehr privatrechtliche Übereignungsakte vorgesehen, die sogar erzwungen werden können (RIS-Justiz RS0118638).

3.4. Dass zwingende Bestimmungen des Wohnungseigentumsrechts einem Verzicht nicht zugänglich sind, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (5 Ob 94/10z = wobl 2011/92 zu § 35 Abs 2 WEG 2002; 5 Ob 91/85 = EvBl 1987/8 zu § 17 Abs 3 WEG 1975). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein Verzicht auf Anteilsberichtigung sei unwirksam, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und wird in der Revision, die nur mit einem Verzicht auf Umwidmung und Nutzwertneufestsetzung argumentiert, gar nicht bezweifelt.

4.1. Das Berufungsgericht verwies zutreffend darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0120725) für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen ist und baurechtliche oder raumordnungsrechtliche Widmungen die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nicht definieren. Die privatrechtliche Einigung (der Widmungsakt) der Wohnungseigentümer kann auch konkludent erfolgen (RIS-Justiz RS0120725 [T4]). So wurde bereits ausgesprochen (RIS-Justiz RS0082893), dass im Falle, dass auf Antrag der Wohnungseigentümer in einem Nutzwertfestsetzungsverfahren ein zuvor als allgemeiner Teil der Liegenschaft gewidmeter Teil als Zubehör einem Wohnungseigentumsobjekt zugeschlagen wurde, in dem Umstand, dass diese antragsgemäße Entscheidung unangefochten rechtskräftig wurde, eine Zustimmung zur nunmehr ausschließlichen Nutzung und ein Verzicht auf die ursprüngliche Widmung dieses Teils der Liegenschaft liege. Das rechtswirksame Zustandekommen und der Inhalt einer Widmung von Teilen einer im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft hängen von den konkreten Umständen des zu beurteilenden Falls ab (RIS-Justiz RS0120725 [T3]). Die Auslegung von (konkludenten) Willenserklärungen im Einzelfall ist vom Obersten Gerichtshof – von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen – nicht zu überprüfen (RIS-Justiz RS0042555 [T18, T28]).

Eine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts in Bezug auf die schlüssige Zustimmung zur Umwidmung des Geschäftslokals der Klägerin auf Wohnung liegt hier nicht vor:

4.2. Das Berufungsgericht wertete nicht nur die ausdrücklich erteilte Zustimmung sämtlicher Miteigentümer zum Umbau des Geschäftslokals in eine Wohnung, sondern auch den Umstand, dass alle Miteigentümer die Entscheidung der Schlichtungsstelle vom , in der der Mietwert für die Wohnung der Klägerin neu festgesetzt wurde, unangefochten ließen, als konkludente privatrechtliche Widmungsänderung. Dies ist nicht zu beanstanden, zumal nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0083252) als Grundlage der Nutzwert- (oder hier eben Mietwert-)Festsetzung die der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechende konkrete Widmung heranzuziehen ist, sodass der Außerstreitrichter (bzw die Schlichtungsstelle) die Rechtslage von Amts wegen als Vorfrage zu prüfen hat, während die Feststellung der Nutzwerte gar keinen eigenen Rechtsgrund für eine Widmung schaffen könnte (RIS-Justiz RS0128353). Die Schlichtungsstelle befasste sich mit der Frage der Umwidmung und begründete die Notwendigkeit einer Neufestsetzung der Mietwerte damit, dass das Geschäft Top 1 auf Stiege 1 in eine Wohnung umgewidmet worden sei. Dass sämtliche Beklagte diese Entscheidung unwidersprochen zur Kenntnis nahmen und in Rechtskraft erwachsen ließen, lässt im Zusammenhang damit, dass sie zuvor die zum Umbau erforderlichen Einreichpläne an die Baubehörde unterfertigten und damit ihre Zustimmung zum Umbau des Geschäftslokals in eine Wohnung dokumentierten, nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts selbst unter Berücksichtigung der strengen Voraussetzungen des § 863 ABGB keinen anderen Schluss zu, als dass sie mit der Widmungsänderung einverstanden waren. Die Frage, ob die Widmungsänderung zu einer intensiveren Nutzung des Objekts führt, ist in diesem Verfahren nicht zu klären.

4.3. Die in der Revision angesprochene „Entschädigungsfrage nach § 16 Abs 2 WEG“ stellt sich hier nicht, weil gemäß § 16 Abs 2 Z 3 WEG 2002 der die Änderung durchführende Wohnungseigentümer eine Entschädigung an einen beeinträchtigten Wohnungseigentümer nur unter den Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle zu leisten hat, nämlich, dass für eine Änderung Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekte anderer Wohnungseigentümer in Anspruch genommen werden. Dass dies bei der hier zugrundeliegenden Widmungsänderung der Fall wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt. Die – vom Berufungsgericht gar nicht behandelte – Frage der angemessenen Entschädigung nach § 16 Abs 2 WEG 2002 ist schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts im gegebenen Zusammenhang nicht zu klären, auch insoweit liegt somit keine erhebliche Rechtsfrage vor.

5. Die ordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00179.17K.1221.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAD-48936