OGH vom 21.04.2015, 3Ob192/14b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei f***** Vorsorgekasse AG, *****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Vorsorgekasse AG, *****, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG in Wien, wegen 16.965,52 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 230/13b 20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 27 Cg 58/12b 16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der Antrag der klagenden Partei, der Oberste Gerichtshof möge in Bezug auf Bestimmungen des Bundesgesetzes BGBl I 2007/102 und des BMSVG einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen, wird zurückgewiesen.
2. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.049,04 EUR (darin 174,84 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende und die beklagte Partei sind BV Kassen (Betriebliche Vorsorgekassen) iSd BMSVG (Betriebliche Mitarbeiter und Selbständigenvorsorgegesetz). Die beklagte Partei übertrug zum Stichtag Abfertigungsanwartschaften an die klagende Partei. Dieser Übertragung lag ein Wechsel der Betrieblichen Vorsorgekasse durch diverse Arbeitgeber von der beklagten Partei als „alter“ Vorsorgekasse auf die klagende Partei als „neue“ Vorsorgekasse zugrunde; in diesen Fällen wurde von den Arbeitgebern jeweils ein Beitrittsvertrag mit der klagenden Partei als „neuer“ Vorsorgekasse geschlossen.
Strittig in dem vom Erstgericht mit Teilurteil erledigten Verfahrensteil ist die Frage der Höhe des von der beklagten Partei an die klagende Partei zu leistenden Übertragungsbetrags für 2011 bis 2012 .
Der von der beklagten Partei geleistete Übertragungsbetrag wurde zum Stichtag jeweils ohne Berücksichtigung der Kapitalgarantie ermittelt. Das Veranlagungsergebnis der von der beklagten Partei an die klagende Partei übertragenen Abfertigungsanwartschaften lag zum Stichtag durchwegs unter dem von den Arbeitnehmern eingezahlten und somit gemäß § 24 BMSVG garantierten Betrag. Die Differenz zwischen der Übertragung unter Berücksichtigung einer Kapitalgarantie gemäß § 24 BMSVG und ohne einer solchen betrug zum (siehe Blg ./H) 16.965,52 EUR.
Die maßgebenden gesetzlichen Regelungen sind folgende:
Den Wechsel der BV-Kasse (früher Mitarbeiter Vorsorgekasse [MV-Kasse]) regelt § 12 BMSVG (vormals BMVG [Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz]). § 12 Abs 1 BMSVG macht die Rechtswirksamkeit einer Kündigung des Beitrittsvertrags durch den Arbeitgeber oder durch die BV-Kasse (oder einer einvernehmlichen Beendigung des Beitrittsvertrags) davon abhängig, dass die Übertragung der Abfertigungsanwartschaften auf eine andere BV-Kasse sichergestellt ist.
Die Höhe des Übertragungsbetrags wird von § 12 Abs 3 BMSVG geregelt. Diese Bestimmung hatte bereits auf der Grundlage des Bundesgesetzes BGBl I 2002/100 die folgende Fassung, wobei berücksichtigt wird, dass ab entsprechend dem Art 1 Punkt 1. des Bundesgesetzes BGBl I 2007/102 die Bezeichnung MV-Kasse durch BV-Kasse ersetzt wurde:
„(3) Die Übertragung der Abfertigungsanwart-schaften auf die neue BV-Kasse hat binnen fünf Werktagen nach Ende des zweiten Monats nach dem Bilanzstichtag der BV-Kasse zu erfolgen, wobei zu diesem Monatsende eine Ergebniszuweisung unter Berücksichtigung einer allfälligen Garantieleistung gemäß § 24 vorzunehmen ist. Nach Übertragung hervorkommende, noch zu diesen Abfertigungs-anwartschaften gehörige Beträge sind als Nachtragsüberweisung unverzüglich auf die neue BV-Kasse zu übertragen. Ab dem Bilanzstichtag sind die Abfertigungsbeiträge unabhängig davon, ob sie noch vor dem Bilanzstichtag gelegene Monate betreffen, an die neue BV-Kasse zu überweisen.“
Der mit „Garantie“ überschriebene § 24 BMVG idF BGBl I 2002/100 lautete bis :
„§ 24. (1) In den Fällen des § 12 Abs. 3 und § 17 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 sowie Abs. 3 beträgt der Mindestanspruch des Anwartschaftsberechtigten gegenüber der MV-Kasse
1. die Summe der dieser MV-Kasse zugeflossenen Abfertigungsbeiträge zuzüglich
2. einer allenfalls übertragenen Altabfertigungs-anwartschaft sowie
3. der allenfalls aus einer anderen MV-Kasse übertragenen Abfertigungsanwartschaft.
(2) Die MV-Kasse kann eine über das Mindestausmaß gemäß Abs. 1 hinausgehende Zinsgarantie gewähren. Dieser Garantiezinssatz muss für alle Anwartschaftsberechtigten gleich sein und darf nur für ein folgendes Geschäftsjahr geändert werden.“
Mit dem Bundesgesetz BGBl I 2007/102 erhielt § 24 BMSVG folgende Fassung, wobei die Änderungen gegenüber der vorherigen Fassung hier unterstrichen sind:
„§ 24. (1) In den Fällen des § 14 Abs. 5 und § 17 Abs. 1 Z 1, 3 und 4, Abs. 2a sowie Abs. 3 beträgt der Mindestanspruch des Anwartschaftsberechtigten gegenüber der BV -Kasse
1. die Summe der dieser BV -Kasse zugeflossenen Abfertigungsbeiträge zuzüglich
2. einer allenfalls übertragenen Altabfertigungs-anwartschaft sowie
3. der allenfalls aus einer anderen BV -Kasse übertragenen Abfertigungsanwartschaft.
Bei Übertragung einer Abfertigungsanwartschaft gemäß § 12 Abs. 3 erhöht sich der Mindestanspruch gegenüber der neuen BV-Kasse im Ausmaß der der übertragenden BV-Kasse zugeflossenen Abfertigungsbeiträge.
(2) Die BV -Kasse kann eine über das Mindestausmaß gemäß Abs. 1 hinausgehende Zinsgarantie gewähren. Dieser Garantiezinssatz muss für alle Anwartschaftsberechtigten gleich sein und darf nur für ein folgendes Geschäftsjahr geändert werden.“
Soweit für das Rechtsmittelverfahren gegen das Teilurteil des Erstgerichts vom (ON 16) relevant, begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei die Zahlung des Differenzbetrags von 16.965,52 EUR sA, in eventu die Zahlung der anteiligen Rückstellungen gemäß § 20 BMSVG für Übertragungen von Anwartschaften zum , hilfsweise die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für Unterdeckungen (negative Differenzen) der übertragenen Anwartschaftsberechtigungen im Verhältnis zur jeweils gesetzlich vorgesehenen Kapitalgarantie der jeweiligen Anwartschaftsberechtigten für Übertragungen von Anwartschaftsberechtigungen gemäß dem BMSVG mit Wirksamkeit der Übertragung zum .
Dazu brachte die klagende Partei vor, dass gemäß § 12 Abs 3 BMSVG im Zuge eines Wechsels der BV-Kasse eine Übertragung der Abfertigungsanwartschaften der Arbeitnehmer auf die neue BV-Kasse unter Berücksichtigung einer allfälligen Garantieleistung gemäß § 24 BMSVG zu erfolgen habe. Diese Garantieleistung habe bei der Übertragung von der beklagten Partei auf die klagende Partei keine Berücksichtigung gefunden, weshalb ein Differenzbetrag von 16.965,52 EUR für den Zeitraum 2011 bis 2012 aushafte. Die klagende Partei als übernehmende BV Kasse könne nicht zum Ausgleich für von der beklagten Partei als übertragende BV-Kasse erzielte negative Veranlagungsergebnisse bzw von dieser entnommene Verwaltungskosten verpflichtet werden. Eine solche gesetzlich normierte Haftung der übernehmenden BV-Kasse stelle eine verfassungswidrige Enteignung dar, zumal im Anwendungsbereich des BMSVG ein Kontrahierungszwang herrsche, da eine BV-Kasse ein Vertragsanbot eines Arbeitgebers im Zuge eines BV-Kassenwechsels gar nicht ablehnen könne. Zudem müsse ein Wechsel der BV-Kasse bis längstens 30. Juni eines Kalenderjahres erklärt werden. Zu diesem Zeitpunkt sei für die übernehmende BV-Kasse das Veranlagungsergebnis zum Jahresende noch nicht absehbar. Damit sei jedoch auch unklar, ob das Veranlagungsergebnis hinter dem gemäß § 24 BMSVG garantierten Betrag zurückbleibe.
Die beklagte Partei schulde den Betrag von 16.965,52 EUR auch aus dem Titel des Schadenersatz- und des Bereicherungsrechts.
Die beklagte Partei wandte ein, dass im Zuge der Novelle BGBl I 2007/102 die in § 24 BMSVG vorgesehene Kapitalgarantie für den Fall eines Wechsels der BV-Kasse iSd § 12 BMSVG gestrichen worden sei. Dahinter sei der Gedanke gestanden, strategische Kündigungen von Beitrittsverträgen durch Arbeitgeber mit dem Ziel, eine allenfalls bis dahin entstandene Unterdeckung der Anwartschaften durch eine im Zeitpunkt der Übertragung schlagend werdende Kapitalgarantie auszugleichen, hintanzuhalten. Diese Intention des Gesetzgebers würde im Fall eines direkten Anspruchs der übernehmenden BV-Kasse gegen die übertragende BV-Kasse konterkariert.
Eine Kapitalgarantie im Übertragungszeitpunkt bestehe auch deshalb nicht, weil zu diesem Zeitpunkt noch kein Verfügungsanspruch des einzelnen Anwartschaftsberechtigten entstanden sei, sondern die Veranlagung seiner Beträge durch die neue BV-Kasse fortgesetzt werde. Daher müsse das Veranlagungsergebnis der neuen BV-Kasse bei der Beurteilung, ob eine Unterdeckung der Anwartschaften bestehe, berücksichtigt werden. Sofern das Veranlagungsergebnis der neuen BV-Kasse bis zum Ende des Dienstverhältnisses eines konkreten Arbeitnehmers die Unterdeckung ausgleiche, müsse eine Kapitalgarantie jedenfalls entfallen.
Weiters entstehe bei Arbeitnehmern, die im Jahr vor einem BV-Kassenwechsel in ein Dienstverhältnis eingetreten seien, aufgrund des kurzen Veranlagungszeitraums der alten BV-Kasse häufig eine Unterdeckung, weil wahrscheinlich die Verwaltungskosten der alten BV-Kasse das Veranlagungsergebnis übersteigen.
Eine verfassungswidrige Enteignung der übernehmenden BV-Kasse liege nicht vor, da es der übernehmenden BV-Kasse freistehe, mit dem übertragungswilligen Arbeitgeber einen Beitrittsvertrag zu schließen. Das wirtschaftliche Risiko der übernehmenden BV Kasse sei weder unüberschaubar noch unkalkulierbar.
Eine Bereicherung der beklagten Partei sei zu verneinen, da die klagende Partei bei Übernahme der Anwartschaften zur weiteren Vermögensveranlagung und zum Ausgleich allfälliger Deckungsfehlbeträge durch eigene Veranlagungspolitik verpflichtet sei.
Mit Teilurteil vom wies das Erstgericht das auf Zahlung von 16.965,52 EUR sA gerichtete Hauptbegehren sowie die Eventualbegehren ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, § 24 Abs 1 BMSVG idF BGBl I 2002/100, der einen Mindestanspruch des Anwartschaftsberechtigten gegenüber der BV-Kasse für den Fall des Wechsels der BV-Kasse nach § 12 Abs 3 BMSVG vorgesehen habe, sei im Zuge der Novelle BGBl I 2007/102 dahingehend geändert worden, dass eine Kapitalgarantie nur noch für Fälle vorgesehen sei, in denen der Anwartschaftsberechtigte über die Abfertigungsanwartschaft verfüge. Den Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl I 2007/102 sei der geplante Entfall der Kapitalgarantie im Falle der Übertragung der Abfertigungsanwartschaften bei der Auflösung des Beitrittsvertrages klar zu entnehmen. Gemäß § 24 Abs 1 BMSVG (neu) erhöhe sich bei Übertragung einer Abfertigungsanwartschaft gemäß § 12 Abs 3 BMSVG lediglich der Mindestanspruch gegenüber der neuen BV-Kasse im Ausmaß der der übertragenden BV-Kasse zugeflossenen Abfertigungsbeträge. Daraus könne abgeleitet werden, dass sich die Kapitalgarantie des Anwartschaftsberechtigten gegenüber der übernehmenden BV-Kasse auch dann auf die Summe der bisher in die übertragende BV-Kasse eingezahlten Abfertigungsbeiträge beziehe, wenn der von der alten BV Kasse übertragene Betrag mangels Kapitalgarantie unter der Summe der bisher in diese BV-Kasse eingezahlten Beträge liege. § 24 BMSVG könne daher nicht als Rechtsgrundlage für die Ansprüche der klagenden Partei herangezogen werden.
Auch ein Schadenersatzanspruch scheide im Hinblick auf das gesetzeskonforme Verhalten der beklagten Partei aus. Schutzzweck des § 24 BMSVG sei im Übrigen ausschließlich der Schutz des Vermögens der Anwartschaftsberechtigten, nicht der Schutz des Vermögens der klagenden Partei. Bereicherungsrechtliche Ansprüche der klagenden Partei scheiterten daran, dass es an einer befugnislosen Erreichung eines Vorteils durch die beklagte Partei mangle, zumal diese lediglich den Anforderungen des BMSVG Rechnung getragen habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge.
Die allein strittige Rechtsfrage, ob die übertragende BV-Kasse im Fall eines Wechsels der BV-Kasse auch eine Garantieleistung iSd § 24 Abs 1 BMSVG auf die übernehmende BV-Kasse mitübertragen müsse, sei anhand der Bestimmungen des § 12 Abs 3 iVm § 24 Abs 1 BSMVG zu prüfen.
In der Stammfassung des § 24 Abs 1 BMSVG (BGBl I 2002/100) sei eine Garantie für Vermögensteile, die der MV-Kasse (nun BV-Kasse) nicht zugeflossen seien, nicht vorgesehen gewesen. Eine allfällige Kapitalgarantie durch die MV-Kasse sei nur in jenen Fällen zu erbringen gewesen, in denen eine Auszahlung oder Überweisung der Abfertigungsanwartschaft erfolgt sei. Aufgrund des im Einleitungssatz des § 24 Abs 1 BM(S)VG idF BGBl I 2002/100 enthaltenen Verweises auf § 12 Abs 3 BMSVG habe die übertragende BV-Kasse den Abfertigungsanspruch gemäß der Kapitalgarantie in voller Höhe der eingezahlten Beträge zu übertragen gehabt.
Mit der Novelle BGBl I 2007/102 sei § 24 Abs 1 BMSVG jedoch dahin abgeändert worden, dass der Verweis auf § 12 Abs 3 BMSVG gestrichen und ein neuer letzter Satz eingefügt worden sei. In den Gesetzesmaterialien sei dazu festgehalten worden, dass bei einer Kündigung des Beitrittsvertrags durch den/die Arbeitgeber keine Kapitalgarantie gebühre. Werde hingegen nach der Übertragung der Abfertigungsanwartschaften auf eine andere BV-Kasse über die Abfertigung verfügt, gelte selbstverständlich die Kapitalgarantie. Daraus erschließe sich zum einen die klare Absicht des Gesetzgebers, dass sich im Fall einer Beendigung des Beitrittsvertrags (unabhängig davon, ob durch Kündigung des Arbeitgebers, der BV Kasse oder einvernehmlich) die Kapitalgarantie in der neuen BV Kasse auf die Summe der in der bisherigen BV Kasse eingezahlten Abfertigungsbeiträge beziehe, auch wenn in die neue BV Kasse ein Betrag übertragen worden sei, der mangels Kapitalgarantie in der bisherigen BV Kasse unter der Summe der in diese BV Kasse eingezahlten Beiträge liege. Zum anderen bedeute dies auch, dass sich die Kapitalgarantie im Rahmen der neuen BV Kasse „nur“ auf die in der bisherigen BV-Kasse angesammelten Abfertigungsbeiträge beziehe, sohin mitübertragene Veranlagungserträge aus der bisherigen BV-Kasse von der Kapitalgarantie in der neuen BV-Kasse nicht erfasst seien. Der Arbeitnehmer soll nach dem Willen des Gesetzgebers durch einen Wechsel der BV-Kasse iSd § 12 Abs 3 BMSVG hinsichtlich seines Abfertigungskapitals im Vergleich zu einer Situation ohne Kassenwechsel weder besser noch schlechter gestellt werden.
Der Gesetzgeber habe durch die Einfügung des letzten Satzes und die Streichung der Wendung „§ 12 Abs 3“ im Einleitungssatz des § 24 Abs 1 erreichen wollen, dass nicht mehr die übertragende BV-Kasse verpflichtet sei, für eine allfällige Kapitalgarantie aufzukommen, sondern diese Pflicht die übernehmende BV-Kasse treffe, jedoch erst im Zeitpunkt, in dem entsprechend den im Einleitungssatz des § 24 Abs 1 BMSVG dargelegten Fällen die Kapitalgarantie schlagend werde. Die Übertragung von Abfertigungsanwartschaften von einer BV-Kasse auf eine andere stelle somit keinen Fall der Kapitalgarantie mehr dar.
Eine verfassungskonforme Interpretation, wie sie die klagende Partei anstrebe, scheide hier schon deshalb aus, weil § 24 Abs 1 letzter Satz BMSVG keine unterschiedlichen Auslegungen zulasse. Die der Novellierung des § 24 Abs 1 BMSVG zugrunde liegende oben dargelegte Absicht des Gesetzgebers sei den Gesetzesmaterialien eindeutig zu entnehmen. Die Bestimmung regle klar, dass die übertragende BV Kasse keine Kapitalgarantieleistungen auf die übernehmende BV-Kasse übertragen müsse.
Im Übrigen würden die verfassungsrechtlichen Bedenken der klagenden Partei nicht geteilt, weil für den Fall eines Wechsels der BV-Kasse kein Kontrahierungszwang gelte. Ein Wechsel der BV-Kasse sei nur dann möglich, wenn auch eine übernehmende BV-Kasse namhaft gemacht werden könne, dh eine BV-Kasse „übernahmewillig“ sei. Der klagenden Partei sei es freigestellt, mit einem wechselwilligen Arbeitgeber zu kontrahieren. Auch das übernommene Risiko sei nicht völlig unvorhersehbar bzw überraschend. Da im Zeitpunkt des Wechsels der BV-Kasse noch fraglich sei, ob überhaupt bzw wenn ja, in welcher Höhe tatsächlich eine Kapitalgarantie gegenüber der alten BV-Kasse schlagend werden würde, wäre es unsachlich, der übertragenden BV-Kasse jedenfalls eine Pflicht zur Garantieleistung an die übernehmende BV-Kasse aufzuerlegen.
Das Vorliegen schadenersatzrechtlicher oder bereicherungsrechtlicher Ansprüche der klagenden Partei habe das Erstgericht zu Recht verneint. Da ein Wechsel der BV Kasse keine Kapitalgarantie auslöse, komme auch eine Übertragung der dafür gebildeten Rücklagen an die übernehmende BV-Kasse nicht in Betracht. Die gebildeten Rücklagen dienten gemäß der gesetzlichen Zweckbindung weiterhin der Erfüllung von allenfalls schlagend werdenden Kapitalgarantien, weshalb von einer vermögensmäßigen Bereicherung der beklagten Partei keine Rede sein könne.
Die Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob im Fall eines Wechsels der BV Kasse iSd § 12 Abs 3 BMSVG die übertragende BV-Kasse auch eine Garantieleistung iSd § 24 Abs 1 BMSVG auf die übernehmende BV-Kasse mitübertragen müsse, sowie mit den damit im Zusammenhang stehenden schadenersatz- und bereicherungsrechtlichen Fragen bisher noch nicht zu befassen gehabt habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Weiters stellt die klagende Partei den Antrag, der Oberste Gerichtshof möge in Bezug auf Bestimmungen des Bundesgesetzes BGBl I 2007/102 und des BMSVG einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der von der klagenden Partei im Zusammenhang mit der Revision gestellte Antrag, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, ist unzulässig, weil den Parteien eines zivilgerichtlichen Verfahrens ein Antragsrecht in diese Richtung nicht zukommt (RIS-Justiz RS0058452).
Im Übrigen ist die Revision wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den vom Berufungsgericht angeführten Fragen zwar zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
In der Revision rückt die klagende Partei Fragen der verfassungskonformen Interpretation der maßgeblichen Bestimmungen des BMSVG sowie Bedenken gegen die Verfassungskonformität von Bestimmungen des BMSVG und der BMSVG-Novelle BGBl I 2007/102 in den Vordergrund.
Dem Gesetzgeber sei es bei der Novellierung nicht darum gegangen, die Auffüllungsverpflichtung für Verluste, die die übertragende BV-Kasse erwirtschaftet habe, auf die neue BV-Kasse zu übertragen; Ziel sei allein gewesen, die Kapitalgarantie nicht mehr im Zeitpunkt des Wechsels eintreten zu lassen, sondern bei Verfügung über die Abfertigung (nach der Übertragung der Abfertigungsanwartschaften). Auch wenn die Ziele der Novelle grundsätzlich nachvollziehbar seien, sei die legistische Umsetzung der Änderungen grob misslungen, was eine korrigierende Interpretation erfordere, um zu verhindern, dass das wirtschaftliche Risiko auf eine BV-Kasse überwälzt werde, die das negative Ergebnis der übertragenden BV-Kasse gar nicht zu vertreten habe. Würde keine berichtigende Auslegung vorgenommen, bestünden schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken (Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art 7 B-VG, Verletzung des Grundrechts auf Eigentum). Im Übrigen seien Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche der klagenden Partei gegen die beklagte Partei von den Vorinstanzen zu Unrecht abgelehnt worden.
Dazu wurde erwogen:
1.1. In § 24 Abs 1 BMVG (Stammfassung BGBl I 2002/100) wurde in Form eines Mindestanspruchs des Anwartschaftsberechtigten eine Kapitalgarantie normiert. Den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass der „Anwartschaftsberechtigte […] einen Anspruch auf die Summe jener vom Arbeitgeber geleisteten Beitragsteile [hat], die der MV-Kasse auch tatsächlich zugeflossen sind. Wird eine Altabfertigungsanwartschaft auf eine MV Kasse übertragen, so hat der Anwartschaftsberechtigte einen Garantieanspruch auf den Wert dieser Übertragung. Wird eine Abfertigungsanwartschaft auf eine neue MV Kasse übertragen, so hat die neue MV-Kasse den Übertragungswert zuzüglich der ihr zugeflossenen Abfertigungsbeiträge zu garantieren. Eine Garantie für Vermögensteile, die der MV Kasse nicht zugeflossen sind, ist aber nicht vorgesehen. Eine allfällige Kapitalgarantie durch die MV Kasse ist nur in jenen Fällen zu erbringen, in denen eine Auszahlung oder Überweisung der Abfertigungsanwartschaft erfolgt.“ (ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 55).
Daher hatte die übertragende Kasse aufgrund des Verweises in § 24 BMVG idF BGBl I 2002/100 auf § 12 Abs 3 BMVG den Abfertigungsanspruch gemäß der Kapitalgarantie (= dass der Abfertigungsanspruch in der Höhe zunächst den in Summe bezahlten Beiträgen entspricht) in voller Höhe der eingezahlten Beiträge zu übertragen.
1.2. § 24 Abs 1 BMSVG wurde mit der Novelle BGBl I 2007/102 geändert. Seitdem normiert § 24 Abs 1 BMSVG eine durch die Z 1 bis 3 näher definierte Kapitalgarantie für die sechs im Einleitungssatz angesprochenen Fälle: Todesfallabfertigung (§ 14 Abs 5 BMSVG), Auszahlung der Abfertigung als Kapitalbetrag (§ 17 Abs 1 Z 1 BMSVG), Übertragung der Abfertigung in eine andere BV-Kasse (§ 17 Abs 1 Z 3 BMSVG), Überweisung der Abfertigung (§ 17 Abs 1 Z 4 BMSVG), Zusammenführung der Abfertigungsanwartschaften (§ 17 Abs 2a BMSVG) und Auszahlung der Abfertigung infolge dreimonatigen Nichtverfügens nach Inanspruchnahme einer gesetzlichen Pension (§ 17 Abs 3 BMSVG).
1.3. Mit Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2007/102 am ist im Einleitungssatz des § 24 Abs 1 BMSVG die Kapitalgarantie für den Fall des § 12 Abs 3 BMSVG gestrichen worden; gleichzeitig wurde dem § 24 Abs 1 BMSVG ein Satz angefügt, wonach sich „ bei Übertragung einer Abfertigungsanwartschaft gemäß § 12 Abs. 3 … der Mindestanspruch gegenüber der neuen BV Kasse im Ausmaß der der übertragenden BV Kasse zugeflossenen Abfertigungsbeiträge “ erhöht.
1.4. Der aufgrund der neuen Gesetzesformulierung naheliegende Schluss, dass zwischen dem von der früheren BV Kasse der neuen BV Kasse zu leistenden Übertragungsbetrag einerseits und dem (Mindest-)Anspruch des Anwartschaftsberechtigten gegenüber der neuen BV Kasse im Fall der Verfügung über die Anwartschaft andererseits zu unterscheiden ist, wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt:
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle wird vorerst im Allgemeinen Teil (ErläutRV 300 BlgNR 23. GP 4) darauf hingewiesen, dass die Kapitalgarantie im Fall der Übertragung der Abfertigungsanwartschaften bei der Auflösung des Beitrittsvertrags entfallen soll. Im Besonderen Teil (ErläutRV 300 BlgNR 23. GP 10) wird ausgeführt, dass bei einer Kündigung des Beitrittsvertrags durch den/die Arbeitgeber/in keine Kapitalgarantie gebührt. „ Wird hingegen nach der Übertragung der Abfertigungsanwartschaften auf eine andere BV Kasse über die Abfertigung verfügt, gilt in diesem Fall selbstverständlich die Kapitalgarantie. “
1.5. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Zurückweisungsbeschluss vom , G 18/2012-8 (VfSlg 19821) das sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende gesetzgeberische Ziel akzeptiert. Demnach „wollte der Gesetzgeber durch die Einfügung des bekämpften Satzes und die Streichung der Wendung '§ 12 Abs 3' im Einleitungssatz des § 24 BMSVG erreichen, dass nicht mehr jene Betriebliche Vorsorgekasse, welche die Anwartschaften überträgt, verpflichtet ist, für eine allfällige Kapitalgarantie (also den Mindestanspruch eines Arbeitnehmers in Höhe der eingezahlten Abfertigungsbeiträge) aufzukommen, sondern, dass dazu die übernehmende Kasse verpflichtet wird, und zwar erst in dem Zeitpunkt, in dem entsprechend den im Einleitungssatz des § 24 Abs 1 BMSVG dargelegten Fällen der Abfertigungsanspruch schlagend wird“.
1.6. Die Konsequenz daraus ist, dass im Fall einer Beendigung des Beitrittsvertrags (und zwar unabhängig davon, ob durch Kündigung des AG, der BV-Kasse oder einvernehmlich) die bestehenden Abfertigungsanwartschaften im Ausmaß des § 12 Abs 3 BMSVG auf die neue BV-Kasse zu übertragen sind. Wenn die Abfertigungsanwartschaften aufgrund schlechter Veranlagungsergebnisse unter der Garantie liegen, folgt daraus, dass die neue BV-Kasse weniger erhält als es der von ihr einzuhaltenden Garantie entspricht ( Neubauer/Rath in Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka , BMSVG [2008] § 24 Rz 4). Dennoch hat die neue BV-Kasse dem Anwartschaftsberechtigten im Ausmaß der der bisherigen BV-Kasse zugeflossenen Abfertigungsbeiträge zu garantieren ( K. Mayr in ZellKomm 2 § 24 BMSVG Rz 2).
1.7. In Bezug auf die Auslegung des § 24 Abs 1 BMSVG ist daher die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht zu beanstanden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
2. Die von der klagenden Partei gegen dieses Ergebnis erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken werden vom Obersten Gerichtshof im Einklang mit der Berufungsentscheidung nicht geteilt.
Der Oberste Gerichtshof übersieht nicht, dass die gesetzliche Neuregelung dazu führt, dass die neue BV Kasse möglicherweise von der übertragenden BV Kasse weniger erhält als es der von ihr gegenüber dem Anwartschaftsberechtigten (für den Fall der Verfügung über die Anwartschaft) einzuhaltenden Garantie bezogen auf den Zeitpunkt der Übertragung entspricht. Die neue BV Kasse hat aber die Möglichkeit, eine Unterdeckung bis zum Zeitpunkt der Verfügung über die Anwartschaft auszugleichen. Entscheidend ist, dass die BV-Kasse in Bezug auf den Abschluss eines Beitrittsvertrags mit einem „wechselnden“ Arbeitgeber keinem Kontrahierungszwang gemäß § 11 Abs 3 BMSVG unterliegt, sodass es ihrer wirtschaftlichen Disposition unterliegt, ob sie einen Beitrittsvertrag mit dem „wechselnden“ Arbeitgeber abschließt.
Es bestehen daher weder Bedenken unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes noch unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie.
3. Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei sind zu verneinen.
3.1. Für einen Schadenersatzanspruch fehlt die Rechtswidrigkeit, weil die Vorgangsweise der beklagten Partei, von den Abfertigungsbeiträgen Verwaltungskosten in Abzug zu bringen, und zwar selbst bei einem Unterschreiten des garantierten Betrags, BMSVG-konform ist (§ 26 Abs 1 BMSVG).
3.2. Die Argumentation der klagenden Partei in Bezug auf die Bereicherung der beklagten Partei würde die dargestellte gesetzgeberische Wertung, dass die neue BV Kasse für den Fall der Verfügung über die Anwartschaft für die Kapitalgarantie aufzukommen hat, konterkarieren. Für den aus allgemeinen Grundsätzen abgeleiteten Bereicherungsanspruch fehlt im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 24 Abs 1 BMSVG die Grundlage. Es besteht daher auch kein Anspruch auf Übertragung von Rückstellungen.
4. Da der geltend gemachte Anspruch sowohl in Bezug auf das Hauptbegehren als auch die beiden Eventualbegehren zu verneinen ist, muss die Revision erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00192.14B.0421.000