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OGH vom 30.03.2020, 4Ob17/20h

OGH vom 30.03.2020, 4Ob17/20h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch die Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K***** AG, *****, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Feststellung, Zustimmung zur Markeneintragung und Verständigung (Streitwert 209.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 5 R 130/19b-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Ein Neuerungsvertrag iSd § 1376 ff ABGB kommt zustande, wenn nach dem Willen der vertragschließenden Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes durch ein neues ersetzt wird, in dem sie mit der Begründung des neuen die Aufhebung des alten verknüpfen. Eine Änderung des Rechtsgrundes liegt vor, wenn der Entstehungsgrund des Anspruchs geändert wird; Hauptgegenstand ist der primäre Leistungsinhalt. Die bloße Vereinbarung einer Nebenbestimmung ohne Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes hat keine Novationswirkung, es liegt vielmehr eine bloße Schuldänderung iSd § 1379 ABGB vor, welche das ursprüngliche Schuldverhältnis mit ganz bestimmten Änderungen hinsichtlich des Inhalts der Verpflichtung fortbestehen lässt und nicht wie bei der Novation das ursprüngliche Schuldverhältnis durch ein neues ersetzt (RISJustiz RS0032502 [insb T 5]). Die Novation setzt daher die Absicht der Parteien zur Tilgung der alten Verbindlichkeit voraus, die aber nicht ausdrücklich erklärt werden muss, sondern auch aus den Umständen hervorleuchten kann (§ 863 ABGB); im Zweifel wird diese Absicht allerdings nicht vermutet (vgl RS0032417; RS0032303).

1.2. Ein Vergleich ist nach den § 914 f ABGB im Sinne der Vertrauenstheorie zu verstehen und so auszulegen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (vgl RS0017943, RS0014696). Demnach ist bei der Auslegung von Vereinbarungen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern ausgehend vom Wortlaut die Absicht der Parteien zu erforschen (vgl RS0017797). Darunter ist allerdings nicht irgendein unkontrollierbarer Parteiwille, sondern nichts anderes als der Geschäftszweck zu verstehen (RS0017756). Ist ein (übereinstimmender) konkreter Parteiwille nicht zu ermitteln, kommt der objektiven Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des üblichen Verständnisses bestimmter Formulierungen und der redlichen Verkehrsübung entscheidende Bedeutung zu (vgl 1 Ob 221/10x). Der Vertrag ist daher unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs (RS0017817 [T3], RS0017902) aufgrund der Erklärungen in dem Sinn, den sie nach der Sachlage notwendigerweise für den Partner haben musste (RS0017781), und damit so auszulegen, wie er bei objektiver Beurteilung der Sachlage für einen redlichen und verständigen Empfänger zu verstehen war (RS0113932; 4 Ob 173/18x). Ferner ist auch das dem Abschluss vorangehende oder nachfolgende Verhalten der Vertragspartner zur Beurteilung der Parteiabsicht heranzuziehen (RS0017815).

Auch ein Vergleich kann novierende Wirkung haben (RS0108086), für die es darauf ankommt, ob aufgrund der festgestellten Umstände davon auszugehen ist, dass bei objektiver Betrachtung nach dem übereinstimmenden Parteiwillen bei Abschluss des Vergleichs aufgrund strittiger Rechtspositionen von der Schaffung eines neuen Rechtsgrundes auszugehen ist (vgl RS0108086 [T2]).

1.3. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss, entziehen sie sich zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (RS0044298 [insb T 39, T 46], RS0112106 [insb T 3], RS0042936 [insb T 17]; vgl RS0044358, RS0042776, RS0042555, uva).

Dasselbe gilt für die Auslegung eines Vergleichs (RS0113785).

Auch ob eine Novation vorliegt oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0032502 [T8]).

2. Nach den Feststellungen haben die Parteien (bzw jeweils deren Rechtsvorgänger) im Jahr 1991 jeweils verschiedene Produktsparten aus der Masse eines insolventen Unternehmens aufgekauft, das Rechte an der Marke K***** besessen hatte.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erwarb alle Markenrechte an der Marke K***** sowie alle Patente und sonstigen gewerblichen Schutzrechte der Gemeinschuldnerin, verpflichtete sich jedoch, den Erwerbern der von ihr nicht erworbenen Unternehmenssparten kostenlose, auf die Herstellung und Lieferung der jeweiligen Spartenprodukte eingeschränkte „Unterlizenzen‟ für die Marke K***** zu vergeben.

Der Rechtsvorgänger der Klägerin, der in seinem Anbot für „seine“ Sparte ursprünglich ebenfalls verlangt hatte, „alle Rechte an der Marke K*****, […] alle Patentrechte undgl“ übertragen zu erhalten, erklärte dem Gläubigerausschuss gegenüber, dass dieser Punkt seines Anbots entfalle und er dem Anbot der Beklagten „in den einzelnen Punkten beitritt‟.

Im Jahr 1997, nach – auch gerichtlichen – Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über die Markennutzung, schlossen sie einen „Lizenzvertrag“ über der Klägerin zustehende Lizenzrechte an der Marke. Der Vertrag hatte nach seinem § 1 Abs 6 zum „Ziel und Inhalt ..., die bestehenden Auffassungsunterschiede über die Rechtsposition [der Parteien] hinsichtlich der Markenrechte K***** zu bereinigen und dazu klarstellende und ergänzende Regelungen zu der im Sinne des … Kaufanbotes der [Beklagten] erfolgten Lizenzeinräumung, soweit die Lizenzrechte [der Klägerin] als Lizenznehmer[i]n übertragen wurden, zu treffen.“ Grundlage dieser Einigung sei, dass „einerseits künftig als Inhaber von die Bezeichnung K***** beinhaltenden Marken [für die jeweiligen Sparten] allein die Firmen [der Parteien] fungieren und andererseits zugunsten der [Klägerin] … die Nutzung der K*****Marken … als ausschließliche, weltweite und unentgeltliche Lizenz dauerhaft abgesichert wird“. Nach § 2 Abs 1 des „Lizenzvertrags“ hatte die Klägerin zwischenzeitig auf ihren Namen eingetragene K*****Markenrechte an die Beklagte zu übertragen. Diese erteilte nach § 3 Abs 1 des „Lizenzvertrags“ der Klägerin als Lizenznehmerin die ausschließliche weltweite Lizenz, Produkte ihrer Sparte unter K*****Marken in Verkehr zu bringen und zu bewerben; die Beklagte verpflichtete sich gleichzeitig, in der Sparte der Klägerin das Schlagwort K***** und ihre aus den Lizenzmarken resultierenden Schutzrechte nicht – auch nicht als Firmenbestandteil – zu nutzen. Der Klägerin wurde auch das Verbotsrecht zur Verfolgung von Schutzrechtsverletzungen im eigenen Namen eingeräumt. Diese Lizenzeinräumung basiere im Grunde auf den älteren Vereinbarungen; das Entgelt für die Lizenzmarken sei bereits durch den Kaufpreis für den Erwerb der Sparte vom Masseverwalter abgegolten (§ 3 Abs 4 des „Lizenzvertrags‟).

3.1. Das Berufungsgericht hat diesen „Lizenzvertrag‟ aus 1997, in dem auch seine Vorgeschichte und sein Zweck umfänglich dargelegt wurden, nach seinem unstrittigen Wortlaut unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks auch im Lichte der Vorgeschichte, insbesondere der gerichtsanhängigen Streitigkeiten und des Verhaltens der Parteien, ausgelegt, womit ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht ersichtlich ist. Ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt in diesem Zusammenhang nicht vor.

3.2. Sonstige Mängel des Berufungsverfahrens werden nicht aufgezeigt, weil es der Klägerin nicht gelingt, die Relevanz der Nichtauseinandersetzung des Berufungsgerichts mit ihrer Beweisrüge zur Frage des Außenauftritts der Gemeinschuldnerin vor 1991 aufzuzeigen, wie aus folgenden Erwägungen erhellt:

4.1. Das Berufungsgericht hat rechtlich die Auffassung vertreten, dass der spätere „Lizenzvertrag‟, mit welchem der Klägerin das Recht eingeräumt wurde, „K*****“-Marken für ihren Produktbereich zu nutzen, die während des Konkursverfahrens getroffenen Abmachungen im Sinne eines die entstandenen Streitigkeiten über die Markennutzung bereinigenden Vergleichs mit novierender Wirkung (RS0108086) ersetzte. Aus diesem Grund kam das Berufungsgericht zum Schluss, dass es der Klägerin verwehrt ist, sich zur Begründung ihrer Feststellungsbegehren auf die ursprüngliche Kaufvereinbarung 1991 zu stützen, weil diese durch den 1997 abgeschlossenen „Lizenzvertrag“ ersetzt wurde, womit es auf die frühere Vereinbarungen nicht mehr ankomme.

Diese Beurteilung im Einzelfall überschreitet den den Gerichten in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraum nicht, zumal im Rechtsmittel der Klägerin auch keine grobe Fehlbeurteilung aufgezeigt wird.

4.2. Bereits das Berufungsgericht hat auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach eine – vom Inhalt einer Urkunde abweichende – Parteienabsicht nur dann zu erforschen ist, wenn dies von einer der Parteien behauptet und unter Beweis gestellt wird (

RS0017834), was hier nicht der Fall war. Soweit auch die Revision noch Feststellungen zur Absicht der Parteien vermisst, vermengt sie eine solche – hier nicht relevante – vom Wortlaut abweichende Absicht mit der Parteiabsicht iSd Äußerungen der Parteien zum Geschäftszweck (RS0017756). Gerade von dieser (ausdrücklich als Ziel und Inhalt des „Lizenzvertrags‟ bezeichneten) geäußerten Parteiabsicht ist das Berufungsgericht bei seinen – sich im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung zur Vertragsauslegung haltenden – Überlegungen ausgegangen. Eine in diesem Zusammenhang aufzugreifende Fehlbeurteilung wird von der Revision nicht aufgezeigt.

4.3. Wenn diese meint, der ursprüngliche Kaufvertrag sei nicht zwischen denselben Parteien geschlossen worden wie der spätere „Lizenzvertrag“, übergeht sie die Feststellungen, wonach der Rechtsvorgänger der Klägerin einerseits sein eigenes ursprüngliches Anbot an den Masseverwalter gerade insoweit fallen gelassen hatte, als es auch auf die Übernahme von Marken- und Patentrechten gerichtet war, und er andererseits der Vereinbarung zwischen dem Rechtsvorgänger, dem Masseverwalter und der Beklagten beigetreten war, wonach sich diese verpflichtete, hinsichtlich der nicht von ihr erworbenen Sparten Markenlizenzen kostenlos einzuräumen. Warum in diesem Licht keine Parteiidentität vorliegen sollte, ist nicht nachvollziehbar.

4.4. Den später abgeschlossenen „Lizenzvertrag‟ haben die Vorinstanzen als Vergleich gesehen, dessen objektiven Erklärungswert sie ihrer Auslegung im Einklang mit den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen zugrundelegten. Davon ausgehend gelangte das Berufungsgericht zur Ansicht, dass die spätere Vereinbarung als umfassende Neubestimmung der Frage der Kennzeichennutzung durch die Klägerin anzusehen ist. Dies ist im Lichte des von den Parteien selbst ausdrücklich als Ziel und Inhalt des „Lizenzvertrags“ Festgelegten vertretbar und hält sich im Rahmen des den Gerichten bei der Auslegung von Verträgen zukommenden Entscheidungsspielraums im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (RS0043369). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall unabhängig davon nicht vor, ob (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung als vertretbar angesehen werden könnte (vgl RS0107768; RS0044298 [T39]; 4 Ob 134/02p = RS0042936 [T17]).

4.5. Nicht nachvollziehbar ist die Revision, wenn darin ausgeführt wird, das Berufungsgericht habe aufgrund des späteren „Lizenzvertrags“ der Beklagten Rechte an gewerblichen Schutzrechten im Fahrradbereich zugeordnet. In Ansehung der Sparte der Klägerin ist das Gegenteil der Fall, zumal das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangte, dass der Klägerin aufgrund der späteren novierenden Vereinbarung für ihre Sparte nicht nur Markenrechte im engeren Sinne, sondern generell auch andere Schutz- und Kennzeichenrechte an der Marke K***** einschließlich der firmenmäßigen Verwendung zustehen, aber einerseits eben nicht (mehr) aufgrund der ersten Vereinbarung aus 1991, worauf aber die von den Vorinstanzen abgewiesenen Feststellungsbegehren der Klägerin gerichtet waren, und andererseits nicht außerhalb ihrer Sparte.

4.6. Damit im Zusammenhang hat das Berufungsgericht zur Auslegung des § 8 des „Lizenzvertrags‟ über „weitere Markeneintragungen und Ausdehnung des Schutzbereichs eingetragener Marken‟ und für die Abweisung von Pkt 1.5. des Klagebegehrens (Pkt II.II.1.c. des Berufungsurteils) nur die Feststellungen zum – hier wie dargelegt irrelevanten – subjektiven Verständnis der handelnden Personen betreffend diese Bestimmung auch mangels Vorbringens der Parteien zu einer vom objektiven Wortlaut abweichenden übereinstimmenden Parteiabsicht (oben Pkt 4.2) nicht übernommen. In rechtlicher Hinsicht hat es aber § 8 des „Lizenzvertrags“, vom objektiven Wortlaut ausgehend und iSd Äußerungen der Parteien zum Geschäftszweck (Parteiabsicht), dahin ausgelegt, dass der „Lizenzvertrag“ die Klägerin im Ergebnis nicht berechtigt, Marken in „fremden“ Warenklassen selbst eintragen zu lassen. Dieser objektiven Auslegung vermag die Rechtsmittelwerberin nichts Konkretes entgegenzuhalten, wenn sie sich hier (wie auch an anderer Stelle der Revision wiederholt) auf ihre Interpretation der Vorgänge 1991 bezieht und ihr daraus angeblich bereits zustehende Rechte voraussetzt, welche der Auslegung des Berufungsgerichts entgegenstehen sollen.

4.7. Auf Fragen im Zusammenhang mit der Klägerin bereits aufgrund der Vereinbarung 1991 zustehenden Rechten muss zufolge der vom Berufungsgericht vertretbar als Novation angesehenen „Lizenzvertrag‟ nicht mehr eingegangen werden. Zudem haben die Vorinstanzen bei dessen Auslegung die Vereinbarung aus 1991 berücksichtigt.

5. Die Abweisung von Pkt 3 des Klagebegehrens samt Eventualbegehren (Pkt II.II.2. des Berufungsurteils) begründete das Berufungsgericht mit mangelnder Fälligkeit, weil eine Verständigungspflicht erst durch das – hier nicht vorliegende – Erlöschen einer Lizenzmarke ausgelöst wird. Darauf kommt die Revision inhaltlich nicht zurück, womit diese selbständig zu beurteilende Rechtsfrage aus der ansonsten umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden ist (RS0043338 [T15]; vgl RS0043352 [T30, T 31, T 35]).

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00017.20H.0330.000

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