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OGH vom 11.12.2013, 7Ob210/13b

OGH vom 11.12.2013, 7Ob210/13b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich in der Rechtssache der klagenden Partei ***** O***** reg. Gen.m.b.H, *****, vertreten durch Dr. Edmund Thurn, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei M***** E*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen 21.657,54 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom , GZ 7 R 51/12t 45, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom , GZ 19 Cg 20/11z 31, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der in der Revision enthaltene Rekurs gegen die Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit und die Revision werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.259,64 EUR (darin enthalten 209,94 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts das Rechtsmittel (der Rekurs) nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. Eine Verwerfung der Berufung, soweit sie wie hier Nichtigkeit wegen eines Prozesshindernisses geltend macht, ist aber unanfechtbar (RIS Justiz RS0043796).

II. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508 Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich daher auf die Ausführungen der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.1 Nach Art 81 Abs 1 EG (vormals Art 85 EWGV, Art 85 EGV; nunmehr Art 101 AEUV) sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Markts bezwecken oder bewirken mit den gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten. Solche Vereinbarungen oder Beschlüsse sind gemäß Art 81 Abs 2 EG nichtig.

2.2 Um festzustellen, ob Alleinbezugsverträge vom Verbot des Art 81 Abs 1 EG erfasst werden, ist zu prüfen, ob sich aus der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen und aus den übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen der fraglichen Verträge ergibt, dass diese die kumulative Wirkung haben, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Ist das nicht der Fall, können die einzelnen Verträge, aus denen das Bündel der Vereinbarungen besteht, den Wettbewerb nicht im Sinn des genannten Artikels beschränken. Ist der Markt hingegen schwer zugänglich, muss auch noch geprüft werden, wie weit die streitigen Vereinbarungen zu der kumulativen Wirkung beitragen; dabei sind nur solche Verträge verboten, die zu einer etwaigen Abschottung des Markts im erheblichen Maß beitragen (RIS Justiz RS0106873). Eine Einschränkung der Handlungsfreiheit beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen in Form von Alleinbezugsverpflichtungen, Wettbewerbsverboten oder langfristigen Abnahmeverpflichtungen bewirkt nicht automatisch eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinn des Art 81 EG. Dabei ist vielmehr maßgeblich auf die marktabschottende Wirkung der Vereinbarung insofern abzustellen, als sie in Verbindung mit anderen Verträgen dieses Typs die Möglichkeiten Dritter zum Marktantritt oder zur Ausweitung von Marktanteilen spürbar beeinträchtigt (RIS Justiz RS0106873 [T2]).

Bezugsverträge, die wie hier die Kriterien der Einzelfreistellung oder Gruppenfreistellung nicht erfüllen, können demnach gemäß Art 81 EG nichtig sein. Diese Nichtigkeit wirkt absolut und ist von Amts wegen festzustellen (vgl RIS Justiz RS0079237 [T3]).

2.3 Die Beklagte hat sich im erstgerichtlichen Verfahren auf die Nichtigkeit des Vertrags nach Art 81 EG nicht berufen. Sie hat weder Behauptungen zum Vorliegen der Voraussetzungen nach Art 81 EG wie etwa eine allfällige marktabschottende Wirkung erhoben, noch ergeben sich aus dem sonstigen Akteninhalt Anhaltspunkte für deren Vorliegen.

2.4 Bei einer absoluten Nichtigkeit sind die Rechtswirkungen zwar von Amts wegen aufzugreifen (vgl Krejci in Rummel 3 § 879 ABGB Rz 248; Apathy/Riedler in Schwimann 3 Rz 34 zu § 879 ABGB, RIS Justiz RS0116900). Dieser Grundsatz ist entgegen der Ansicht der Beklagten aber nicht dahin zu verstehen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen von Amts wegen zu untersuchen sind. Er besagt nur, dass es nicht der formellen Berufung auf die Nichtigkeit bedarf. Die tatsächlichen Voraussetzungen müssen aber im Verfahren erster Instanz behauptet werden oder zumindest klar aus den Prozessakten hervorgehen. Dies ist hier nicht der Fall.

3. Davon ausgehend erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung unter Berücksichtigung des § 1174 ABGB.

4. Die Auslegung von Verträgen hängt in der Regel von den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls ab, womit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen ist (RIS Justiz RS0042936, RS0044358, RS0442871).

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rückzahlung des nicht amortisierten Kaufpreises, weil die Voraussetzung der über sechs Monate hindurch dauernden Einstellung des Getränkebezugs zum Zeitpunkt der Auflösungserklärung noch nicht vorgelegen sei. Diese Auffassung wurde vom Berufungsgericht mit dem Argument verworfen, dass die Klägerin nach den getroffenen Vereinbarungen ohnedies berechtigt gewesen sei, den nicht amortisierten Kaufpreis fällig zu stellen, sofern die Beklagte die Bezugsmengen unterschreite, woraus zu schließen sei, dass auch im Fall des Verstoßes gegen die Alleinbezugsvereinbarungen nicht sechs Monate mit der Fälligstellung des nicht amortisierten Kaufpreises zugewartet werden müsse. Dies gelte umso mehr, als die Auflösung der Bezugsvereinbarungen zum unstrittig sei und die Beklagte bereits im August 2010 Geschäftsbeziehungen zu einer anderen Brauerei aufgenommen und den Bezug von der Klägerin eingestellt habe.

Ein unvertretbares Auslegungsergebnis, das vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, ist dem Berufungsgericht hier nicht unterlaufen.

5. Die gesetzliche Tilgungsfolge des § 416 ABGB sieht eine Rangfolge unter den Gesichtspunkten der bereits eingeforderten oder der schon fälligen Schuld sowie in letzter Linie der Beschwerlichkeit der einzelnen Schulden vor (RIS Justiz RS0033505). Die zwischen den Streitteilen bestehenden drei Bezugsverträge wurden gleichzeitig abgerechnet, die nicht amortisierten Kaufpreise wurden fällig gestellt und es wurde auf den aushaftenden Betrag die Zahlung von 13.100 EUR angerechnet. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte in Bezug auf die Tilgung unrichtig auf den Abschluss der Verträge und nicht auf die Einforderung der Schuldposten abstellt, greift sie auch hier keine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen auf.

6. Aus § 11 Abs 1 UStG ergibt sich eine zivilrechtliche Verpflichtung des liefernden Unternehmers zur Ausstellung einer Rechnung (RIS Justiz RS0045702). Nach § 12 Abs 1 UStG kann der Unternehmer die in einer Rechnung nach § 11 UStG an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Beklagte begründet ihre compensando eingewendete Schadenersatzforderung damit, dass die Klägerin über den Erhalt der 13.100 EUR noch keine Rechnung gelegt habe, sodass sie den Vorsteuerabzug nicht geltend machen habe können.

Die Beklagte vermisst damit aber keine Rechnung über die Leistungen der Klägerin, sondern eine Bestätigung über ihre Zahlung. Da die Bezahlung des Entgelts grundsätzlich keine Voraussetzung für den Vorsteuerabzung ist ( Kanduth-Kristen/Payerer in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig , UStG-ON 2.04 § 12 Rz 15), ist auch die Relevanz der Bestätigung in Bezug auf einen möglichen Vorsteuerabzug nicht erkennbar. Abgesehen davon träte ein Schaden erst dann ein, wenn der Vorsteuerabzug endgültig nicht geltend gemacht werden könnte (3 Ob 22/01h); dies wurde nicht behauptet.

7. Der Revision ist somit nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00210.13B.1211.000