OGH vom 15.11.2012, 1Ob213/12y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ing. T***** B*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Seifert, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei E***** B*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 158/12h 57, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom , GZ 1 C 40/10v 45, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO soll der Anspruch des gefährdeten Ehegatten auf einen angemessenen Anteil an der Aufteilungsmasse, der auch durch eine Ausgleichszahlung substituiert werden kann, gesichert werden (2 Ob 181/09w mwN). Sinn und Zweck der gerichtlichen Verfügung ist es, eine einseitige Veränderung der Vermögenslage bis zur Durchführung des Aufteilungsverfahrens zu verhindern. Gesichert werden dabei nicht die Vermögensobjekte selbst, Sicherungsobjekt ist vielmehr die gerichtliche Durchsetzung des Aufteilungsanspruchs nach den §§ 81 ff EheG (RIS Justiz RS0037061 [T3 und T 9]).
Die hier im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Ehescheidung beantragte Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse ist eine einstweilige Verfügung zur Sicherung künftiger Leistungsansprüche, die nur unter der Voraussetzung einer konkreten Gefahrenbescheinigung bewilligt werden darf (RIS Justiz RS0005175 [T19]; RS0006039 [T2]; RS0006055 [T8]; RS0115099 [T4]). Für die geforderte konkrete Gefährdungsbescheinigung müssen zum Beispiel Anhaltspunkte vorliegen, dass der Gegner der gefährdeten Partei einen allenfalls erzielten Verkaufserlös verwirtschaften oder Verfügungen treffen werde, die die Realisierung des Aufteilungsanspruchs unmöglich machen. Es muss also bescheinigt werden, dass ohne die einstweilige Verfügung die Befriedigung des Aufteilungsanspruchs vereitelt oder erheblich erschwert werde (RIS Justiz RS0006055 [T10, T 12]; RS0005175 [T6]; vgl RS0037061 [T8]).
Bei der Beurteilung der Anspruchsgefährdung nach § 381 EO kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS Justiz RS0005118; RS0005175 [T16]). Ob im Einzelfall die Bescheinigung gelungen ist, wirft keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (RIS Justiz RS0013475).
Das Rekursgericht ging in vertretbarer Weise vom Vorliegen einer konkreten Anspruchsgefährdung aus. Die Ehefrau erhielt einen Rückzahlungsbetrag von 44.600 EUR für eine (während der Ehe angeschaffte und mittlerweile wieder zurückgegebene) Genossenschaftswohnung und konnte während des Scheidungsverfahrens ohne ihn zu verständigen die Übertragung der Bestandrechte des Ehemanns am als Ehewohnung benützten Genossenschaftsreihenhaus erwirken. Sie kündigte ihm an, den Rückzahlungsbetrag bis zum Ende des Scheidungsverfahrens jedenfalls zu verbrauchen, sodass er von ihr nichts mehr bekommen könne. Das Rekursgericht bejahte demnach zutreffend eine Gefährdung des Aufteilungsanspruchs des Ehemanns, weil die Ehefrau danach trachte, ihm den im Rückzahlungsbetrag bestehenden (größten) Teil der ehelichen Ersparnisse zu entziehen. Von einer Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann unter Berücksichtigung aller als bescheinigt angenommenen Umstände hier keine Rede sein.
Erwägungen darüber, wie die Aufteilung im künftigen Verfahren nach den §§ 81 ff EheG vorgenommen wird, sind bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO nicht anzustellen (RIS Justiz RS0006103).
Mieterin des Genossenschaftsreihenhauses, in dem bereits der Ehemann aufgewachsen war, war ursprünglich seine Mutter, die ihm die Mietrechte nach der Eheschließung der Parteien allein übertragen hatte. Während des Scheidungsverfahrens erreichte die Ehefrau bei der Genossenschaft, dass die Mietrechte „auf ihren Namen umgeschrieben“ wurden. Für das Genossenschaftsreihenhaus sind bei einer Wohnfläche von 110 m² rund 150 EUR monatlich an Miete zu zahlen. Der Ehemann zog 2009 aus der Ehewohnung aus und lebt derzeit ebenfalls in einer Genossenschaftswohnung, für die er eine höhere Miete bezahlt.
Die Ansicht der Ehefrau, dass die Ehewohnung einen bestimmten Wert repräsentiere und selbst, wenn sie den Rückzahlungsbetrag vollständig verbraucht, der Aufteilungsanspruch des Ehemanns nicht gefährdet sei, träfe nur für den Fall zu, dass dem Ehemann die Ehewohnung zugewiesen würde. Dann würde der Ehemann ihrer Argumentation folgend als Vermögenswert die Ehewohnung erhalten und müsste ihr einen Wertausgleich leisten, während sie bereits den Rückzahlungsbetrag erhalten hätte.
In Betracht kommt aber auch die Lösung, dass die Ehefrau die genossenschaftliche Ehewohnung behält und dem Ehemann eine Ausgleichszahlung zugesprochen würde. In dieser Variante wäre der Aufteilungsanspruch aber jedenfalls konkret gefährdet, kündigte sie doch an, den Rückzahlungsbetrag bis zum Ende des Scheidungsverfahrens zu verbrauchen. Zwar ist nach der Rechtsprechung die erforderliche Gefährdung des Anspruchs nicht anzunehmen, wenn insgesamt genügend Vermögen vorhanden ist, um den Aufteilungsanspruch zu decken (1 Ob 152/99f; 6 Ob 278/07m; 2 Ob 181/09w). Der aus der Größe, der guten Lage und der niedrigen Miete der Ehewohnung (in Relation zu einer gleichwertigen Mietwohnung) ermittelte Wert kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil es sich unstrittig um ein Genossenschaftsreihenhaus handelt, das vom Nutzungsberechtigten nicht verwertet werden kann. Dieser somit bloß fiktive Wert, ist daher wie das Rekursgericht zutreffend ausführte rechtlich unerheblich.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).