OGH vom 14.02.2013, 5Ob174/12t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. M***** M*****, vertreten durch Mag. Philipp Ortbauer, Mag. Michaela Schinnagl, beide Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegner 1. Univ. Prof. Dr. M***** T 2. Dr. M***** S*****, beide vertreten durch Burghofer Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 39 R 144/12h 71, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 10 Msch 50/09z 63, teilweise abgeändert wurde, den
Sach beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Antragsgegner wird nicht Folge gegeben.
Der angefochtene Sachbeschluss wird unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen Teils mit der Maßgabe bestätigt, dass er zu lauten hat:
„ 1. Die durch den Erstantragsgegner mit Schreiben vom vorgenommene Anhebung des Hauptmietzinses (§ 46 Abs 2 MRG iVm § 46b MRG) ist gegenüber der Antragstellerin insoweit unwirksam, als sie den Zeitraum November 2003 bis inklusive Februar 2008 betrifft.
2. Durch Vorschreibung eines Nettohauptmiet-zinses von 205,39 EUR monatlich im Zeitraum März 2008 bis August 2009 wurde das zulässige Zinsausmaß pro Monat um 56,94 EUR überschritten.“
Die Antragsgegner sind schuldig, der Antragstellerin die mit 183 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Eigentümerin der Liegenschaft ***** in ***** war bis zum die Zweitantragsgegnerin, ab der Erstantragsgegner.
Die Antragstellerin trat nach dem Tod ihrer Mutter am in deren Mietverhältnis betreffend die Wohnung top 14 im Haus ***** ein. Das steht als Ergebnis eines Kündigungstreitverfahrens fest (10 C 66/07y des Bezirksgerichts Josefstadt).
Am stellte der Erstantragsgegner ein mit dem Mietrechtseintritt der Antragstellerin in die Mietrechte ihrer Mutter begründetes Anhebungsbegehren für die Zeit von November 2003 bis Juni 2008. Unter Berücksichtigung der ohne Anhebung bezahlten Hauptmietzinse von monatlich 85,01 EUR bzw 89,44 EUR erstellte der Erstantragsgegner eine Nachforderung von 6.195,23 EUR zuzüglich 10 % USt, somit insgesamt 6.814,75 EUR.
Für die Monate März 2008 bis August 2009 tätigte der Erstantragsgegner eine Hauptmietzins-vorschreibung von 205,39 EUR netto.
Im Revisionsrekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Wohnung top 14 im Haus *****, zum Stichtag in die Ausstattungskategorie C einzuordnen war und unter Berücksichtigung diverser Zu und Abschläge zu diesem Stichtag ein Richtwertzins von 134,10 EUR der nach § 46 Abs 2 MRG zulässige Hauptmietzins gewesen wäre. Dieser betrug im Zeitraum März 2008 bis August 2009 148,45 EUR netto monatlich.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt die Antragstellerin, die Unzulässigkeit der vom Erstantragsgegner vorgenommenen Hauptmietzinsvor-schreibungen festzustellen. Da er die Eigentumsrechte an der Liegenschaft erst am erworben habe, sei er nicht berechtigt, eine Mietzinsanhebung für vor diesem Zeitpunkt liegende Bestandzinsperioden vorzunehmen.
Der Erstantragsgegner, der das Antragsbegehren bestritt, berief sich auf ein auch rückwirkend geltend zu machendes Recht zur Hauptmietzinsanhebung infolge Mietrechtseintritts der Antragstellerin.
Das Erstgericht stellte fest, dass die Wohnung der Antragstellerin zum Stichtag in die Ausstattungskategorie C einzuordnen war und der gesetzlich zulässige Hauptmietzins für das Bestandobjekt von November 2003 bis Februar 2006 134,10 EUR, von März 2006 bis Februar 2008 140,94 EUR monatlich und von März 2008 bis August 2009 148,45 EUR netto monatlich betragen habe.
Der Erstantragsgegner habe durch die Vorschreibung infolge Anhebung erhöhter Hauptmietzinse in der Zeit von November 2003 bis August 2009 monatlich das gesetzlich zulässige Zinsausmaß insofern überschritten, als diese Beträge überstiegen wurden. Auch wenn der Erstantragsgegner nicht während des gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraums (November 2003 bis August 2009) Eigentümer des Häuser gewesen sei, sei ihm doch die gesamte Vorschreibung für diesen Zeitraum zuzurechnen, weil er die entsprechenden Nachforderungen gestellt habe. Dass er erstmals im Juli 2008 die Anhebung des Mietzinses begehrt habe, schade nicht, weil vor der Entscheidung im Kündigungsverfahren 10 C 66/07y des Bezirksgerichts Josefstadt, somit vor Juni 2008, die Frage des Mietrechtseintritts nicht endgültig geklärt gewesen sei.
Dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte den erstinstanzlichen Sachbeschluss dahin ab, dass es mit Ausnahme des unbekämpft gebliebenen Ausspruchs über den Zeitraum März 2008 bis August 2009 (Punkt 3.e des erstinstanzlichen Sachbeschlusses) die Überschreitung zulässiger Mietzinsvorschreibungen durch den Erst-antragsgegner in der Höhe der gesamt geltend gemachten Anhebungsbeträge feststellte.
Das Rekursgericht ging davon aus, dass der Erstantragsgegner erst durch seinen Eigentumserwerb gemäß § 1120 ABGB bzw § 2 MRG ex lege in das Mietverhältnis mit allen Rechten und Pflichten eingetreten sei. Rein vermögensrechtliche Ansprüche, die bereits vor dem Veräußerungsstichtag in der Rechtssphäre des Veräußerers abschließend entstanden seien, zählten grundsätzlich nicht zu den ihm übertragenen Rechten. Sie seien noch dem Vermögen des Veräußerers zuzuordnen und wirkten sich nur im Fall einer entsprechenden vertraglichen Regelung auf den Kaufpreis aus. Das gelte nicht nur für bereits entstandene Schadenersatzansprüche (vgl 8 Ob 4/11p: zu § 12a Abs 1 MRG), sondern auch für vor dem Rechtsübergang entstandene Mietzinsforderungen. Die gesetzliche Vertragsübernahme des Erstantragsgegners auf Vermieterseite bewirke daher zwar, dass er in alle Gestaltungsrechte des Vermieters eingetreten sei, ihm damit auch das von der Zweitantragsgegnerin als Liegenschaftseigentümerin nicht ausgeübte Recht, den Mietzins gemäß § 46 Abs 2 MRG anzuheben, zustehe, doch berechtige ihn dieser Vertragseintritt nicht dazu, die Anhebung auch für die Vergangenheit geltend zu machen und dementsprechend für die Vergangenheit erhöhte Mietzinse vorzuschreiben. Damit habe der Erstantragsgegner durch die erfolgte Vorschreibung das gesetzlich zulässige Zinsausmaß im gesamten Ausmaß der Vorschreibung überschritten und nicht nur in jenem Umfang, in welchem der zulässige Richtwertmietzins überschritten worden sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch zulässig sei, weil zur Frage der Legitimation eines Liegenschaftserwerbers zur Geltendmachung von Mietzinsforderungen aus der Zeit vor seiner Vertragsübernahme keine gefestigte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragte, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsgegner ist zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Rückwirkung einer Mietzinsanhebung nach § 46 Abs 2 MRG auf Zeiträume vor dem Liegenschaftserwerb des die Anhebung erklärenden Vermieters vorliegt. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
1. Wird eine Liegenschaft, auf der sich ein Bestandobjekt befindet, veräußert, tritt der Erwerber zufolge § 1120 ABGB in die Position des Bestandgebers ein. Im Anwendungsbereich des MRG normiert § 2 Abs 1 Satz 4 MRG den Eintritt des Einzelrechtsnachfolgers des Vermieters in den Mietvertrag. Ab diesem Zeitpunkt ist der Erwerber zur Einhebung des Mietzinses legitimiert (RIS Justiz RS0104141; RS0021129; RS0108811).
2. Hauptmietzins für die Zeit vor Veräußerung steht in aller Regel dem Veräußerer zu (5 Ob 314/99h SZ 72/189; 2 Ob 142/07g SZ 2008/72; RIS Justiz RS0104141; RS0021229; RS0108811).
Der Veräußerer kann daher nach Vertragsübergang auf den Erwerber nur mehr den bei ihm aufgelaufenen Zinsrückstand einfordern, aber nicht mehr das Bestandverhältnis lösen, weil er andernfalls in die Rechtsposition des Erwerbers eingreifen würde ( P. Bydlinski , Gestaltungsrechte 183; Binder in Schwimann 5 § 1120 ABGB Rz 62). Der Erwerber hingegen kann den Auflösungsgrund der Nichtzahlung des Mietzinses beim Voreigentümer aufgreifen, obwohl er selbst (ohne Zession) zur Geltendmachung von Rückständen aus Vorperioden nicht legitimiert ist (RIS Justiz RS0106071).
3. Daraus folgt, dass ein Begehren auf Feststellung der Überschreitung des zulässigen Zinsausmaßes gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG und auf Rückzahlung der Überschreitungsbeträge iSd § 37 Abs 4 MRG gegen denjenigen zu richten ist, der zur Zeit der geltend gemachten Mietzinsperiode Vermieter war und die beanstandete Vorschreibung vorgenommen hat (RIS Justiz RS0108811).
4. Vorliegendenfalls ist festzuhalten, dass die Zweitantragsgegnerin, die zwar in einem Teil des verfahrensgegenständlichen Zeitraums Vermieterin war, die hier in Frage stehenden Mietzinsvorschreibungen nicht vorgenommen hat. Die Zweitantragsgegnerin hat nämlich nach den maßgeblichen Feststellungen gegenüber der Antragstellerin niemals Mietzinserhöhungen aus dem Titel der Anhebung nach § 46 Abs 2 MRG geltend gemacht. Aus welchen Gründen und Motiven sie dies unterließ, ist für die dargestellte Legitimation, Mietzinse für Zeiträume vor Vertragsübernahme durch den Erstantragsteller zu verlangen, unbeachtlich.
5. Der einem Vermieter durch § 46 Abs 2 MRG im Gegenzug für einen ihm aufgedrängten Mietvertragspartner zustehende Mietzinserhöhungsanspruch entsteht dem Grunde nach schon durch den Eintritt in den Mietvertrag. Die Regelung des § 46b MRG, wonach der Vermieter sein Anhebungsbegehren dem Hauptmieter spätestens einen Monat vor dem Zinstermin, zu dem er die Entrichtung des angehobenen Mietzinses fordert, schriftlich bekannt zu geben hat, wird in Lehre und Rechtsprechung einhellig als eine die Fälligkeit des Anspruchs regelnde Bestimmung verstanden. Ein solches Anhebungsbegehren ist daher nicht konstitutiv (5 Ob 124/02z wobl 2003/117, 225 [zust Vonkilch ]; 5 Ob 302/02a wobl 2004/72, 303).
Deshalb kann eine Erhöhung des Hauptmietzinses nach § 46 Abs 2 MRG innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist auch rückwirkend geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0048293; 2 Ob 546/95 WoBl 1996/6, 35 [zust Würth ]; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht § 46 MRG Rz 9).
6. § 46 Abs 2 MRG normiert die Voraussetzungen und die maximale Erhöhung („bis zu dem ... Betrag“) als gesetzliche Grundlage des Erhöhungsanspruchs des Vermieters. Zur Effektuierung dieses Rechts bedarf es nach der ausdrücklichen Anordnung des durch das 3. WÄG BGBl 1993/800 eingefügten § 46b MRG einer schriftlichen Aufforderung (Anhebungsbegehren), die die Höhe des angehobenen Hauptmietzinses und dessen Berechnung zu enthalten hat. Dieses leistungsbestimmende und insoweit den Mietvertrag ändernde Gestaltungsrecht (zu § 46b MRG:5 Ob 302/02a wobl 2004/72, 303) kommt als Folge der Vertragsübernahme auf Vermieterseite demjenigen zu, der zu diesem Zeitpunkt die Rechtsposition des Mietzinsgläubigers innehat (vgl zur insofern vergleichbaren Bestimmung des § 12a Abs 1 MRG:5 Ob 241/08i wobl 2009/119, 319 [ Vonkilch ]).
7. Daraus folgt, dass der Erstantragsgegner im Zeitpunkt des Anhebungsschreibens vom zur Stellung dieses Anhebungsbegehrens legitimiert war, dieses auch rückwirkend innerhalb der Verjährungsfrist geltend machen konnte, daraus allerdings keine Mietzinsansprüche für Zeiträume erwerben konnte, in denen ihm die Vermieterposition fehlte.
8. Soweit im Revisionsrekurs gerügt wird, das Rekursgericht habe zu Unrecht eine Überschreitung des zulässigen Hauptmietzinses im vollen Umfang der Vorschreibung festgestellt, wo doch die Antragstellerin zumindest den nicht erhöhten Mietzins schuldete, ist klarzustellen, dass vom Ausspruch nur Mietzinsvorschreibungen des dazu nicht legitimierten Erstantragsgegners erfasst sind. Hauptmietzinsvor-schreibungen der Zweitantragsgegnerin im Zeitraum vor Veräußerung der Liegenschaft sind davon nicht betroffen. In diesem Sinn erfolgte eine Klarstellung im Spruch.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00174.12T.0214.000