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OGH vom 29.08.2022, 6Ob126/22f

OGH vom 29.08.2022, 6Ob126/22f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* AS, *, Türkei, vertreten durch ZFZ Zeiler Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R* A*, Vereinigte Arabische Emirate, vertreten durch Strohmayer Heihs Strohmayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 1.151.145,40 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 71/22h-50, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin stützt die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts für ihr Zahlungsbegehren auf den Vermögensgerichtsstand nach § 99 JN.

[2] Nach den dem Klagsvorbringen entsprechenden Feststellungen ist der Beklagte Eigentümer einer Liegenschaft mit Haus im Sprengel des Erstgerichts mit einem reinen Grundwert von zumindest 242.658 EUR, auf der ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Ehefrau des Beklagten einverleibt ist. Im Rahmen einer Exekution durch Zwangsverwaltung wäre es möglich, in 30 Jahren bei einem Vermietungsgewinn von 800 EUR pro Monat in Summe 288.000 EUR hereinzubringen. Der Beklagte ist weiters der einzige unbeschränkt haftende Gesellschafter einer KG (Immobilienunternehmen) mit Sitz in Wien. Der Wert dieser Beteiligung beträgt zumindest 20 % des Klagebegehrens.

[3] Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit und mangelnder örtlicher Zuständigkeit zurück. Wegen des Belastungs- und Veräußerungsverbots könnte die Liegenschaft nur durch Zwangsverwaltung verwertet werden. Auf diesem Wege wäre es aber nicht möglich, den Gläubiger innerhalb eines zumutbaren Zeitraums zu befriedigen. Grundsätzlich könne die Klägerin zwar zwischen allen Gerichten wählen, in deren Sprengel Vermögen des Beklagten liege, wobei der Gesamtwert des Vermögens maßgebend sei (4 Ob 550/92). Da es sich bei der Liegenschaft des Beklagten mangels exekutiver Verwertbarkeit nicht um Vermögen iSd § 99 Abs 1 JN handle, sei diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall aber nicht anwendbar.

[4] Das Rekursgericht verwarf die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Schon wegen des Werts der Gesellschaftsbeteiligung bestehe ausreichendes Vermögen des Beklagten im Inland. Befinde sich das inländische Vermögen in mehreren Gerichtssprengeln, habe der Kläger in örtlicher Hinsicht die Wahl. Ob die Liegenschaft wegen des Zeitbedarfs für ins Gewicht fallende Zwangsverwaltungseinkünfte für sich allein genommen die Erheblichkeitsschwelle des § 99 Abs 1 JN erreiche, könne dahin stehen. Komme der im Sprengel des Erstgerichts gelegenen Liegenschaft (wie hier) ein gewisser Wert zu, führe das Wahlrecht des Klägers auch zur örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs des Beklagten ist nicht zulässig.

[6] 1. Der Oberste Gerichtshof hat in der von den Vorinstanzen herangezogenen Entscheidung 4 Ob 550/92 (die auch der einhelligen Literatur entspricht: Simotta in Fasching/Konecny³ § 99 JN Rz 74 und 79; Mayr in Rechberger/Klicka5 § 99 JN Rz 4 und 8; Braun in Höllwerth/Ziehensack § 99 JN Rz 8 und Rz 9 [aE]) unter Hinweis auf die Materialien zur ZVN 1983 in einem vergleichbaren Fall, in dem es um die Beurteilung zweier in verschiedenen Gerichtssprengeln gelegenen GmbHAnteile ging, ausgesprochen, dass für den Gerichtsstand des Vermögens der Wert des im Inland befindlichen Vermögens maßgebend ist. Befindet sich dieses an mehreren Orten, dann ist der maßgebend, wobei der Kläger die zwischen allen Gerichten hat, in deren Sprengel Vermögen des Beklagten liegt. Dass der Wert des Vermögens im Sprengel des angerufenen Gerichts für sich genommen die Verhältnismäßigkeitsgrenze allenfalls nicht erreicht, ist dann nicht entscheidend.

[7] Die Ansicht des Rekursgerichts, das sich inhaltlich auch mit der Frage der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts auseinandergesetzt hat, entspricht dieser Rechtsprechung und der einhelligen Literatur.

[8] 2. Ob § 99 Abs 1 JN nur exekutiv verwertbares Vermögen umfasst, ist hier nicht entscheidend, weil – worauf schon das Rekursgericht hingewiesen hat – die Liegenschaft bereits zum Zeitpunkt der Klagseinbringung durch Zwangsverwaltung (vgl RS0002751 [so auch schon das Erstgericht]) exekutiv verwertbar wäre.

[9] 3. Mit der Ansicht des Rekursgerichts zum Wahlrecht und zum Gesamtwert im Sinne der erörterten Rechtsprechung setzt sich der Revisionsrekurs nicht auseinander und geht auch auf die Beteiligung des Beklagten an der inländischen KG gar nicht ein.

[10] 4. Gegen die grundsätzliche Verwertbarkeit der Liegenschaft durch Zwangsverwaltung wendet sich der Revisionsrekurs nicht. Mit seinem bloßen Hinweis auf die wegen einer jahrelangen Zwangsverwaltung der Liegenschaft fehlende Relation des im Sprengel des Erstgerichts exekutiv realisierbaren Vermögens zum Streitwert zeigt der Beklagte weder eine aufzugreifende Fehlbeurteilung noch eine erhebliche Rechtsfrage auf.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00126.22F.0829.000

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