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OGH vom 01.03.1950, 2Ob135/50

OGH vom 01.03.1950, 2Ob135/50

Norm

ABGB § 843;

ABGB § 1175;

ABGB § 1187;

ABGB § 1192;

ABGB § 1197;

ABGB § 1210 - 1212;

ABGB § 1215;

Angestelltengesetz § 1;

Angestelltengesetz § 14;

EO § 341;

EO § 381;

EO § 390;

Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897, DRGBl. S. 219 § 17;

Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897, DRGBl. S. 219 § 145;

Kopf

SZ 23/48

Spruch

Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bringt die durch die Aufkündigung bewirkte Auflösung das Ende der Gesellschaft mit sich. Es gibt keine Liquidation, es fehlt auch der Begriff der Abwicklungsgesellschaft mit den daraus sich ergebenden rechtlichen Folgerungen.

Wenn ein ehemaliger Gesellschafter ohne Mitwirkung und Zustimmung der anderen Gesellschafter das Unternehmen weiterführt, so geschieht dies nicht mehr auf gemeinsame Rechnung und zum gemeinsamen Nutzen, sondern er führt es für eigene Rechnung und, insoweit er dabei das im Miteigentum oder Alleineigentum der anderen stehende Gesellschaftsvermögen verwendet, als Geschäftsführer ohne Auftrag.

Zur Abgrenzung des Begriffes des comis interesse von dem des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Entscheidung vom , 2 Ob 135/50.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die beiden Kläger und die beklagte Partei betrieben eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eine sogenannte Meisterschule); nach der Auflösung des Gesellschaftsvertrages führte die Beklagte das Unternehmen unter Benützung des vorhandenen Gesellschaftsvermögens weiter. Die Kläger brachten gegen die Beklagte eine Klage auf Teilung des Gesellschaftsvermögens ein und verbanden mit ihr den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Das Prozeßgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht gab dem Antrage statt und trug den Klägern den Erlag einer Sicherheitsleistung von 5000 S auf.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte in der Hauptsache den Beschluß des Rekursgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof pflichtet dem Rekursgericht darin bei, daß aus den angeführten Bescheinigungsmitteln der Bestand einer Erwerbsgesellschaft nach § 1175 ABGB. hinreichend dargetan wird.

Aus dem Inhalt des Abkommens geht mit einer für das Provisorialverfahren hinreichenden Deutlichkeit hervor, daß die sogenannte Meisterschule nichts anderes als ein Erwerbsunternehmen auf gesellschaftlicher Grundlage darstellt. Die Behauptung des Revisionsrekurses, es seien von keiner Seite Vermögenswerte als Gesellschaftsvermögen eingebracht worden, die Antragsgegnerin habe nur gewisse Fahrnisse der "Schule" zur Verfügung gestellt, erweist sich als offenbar aktenwidrig. Denn das Abkommen bestimmt ausdrücklich, daß die Antragsgegnerin den "Schulbetrieb" durch Beistellung eines Anfangskapitals von 500 S, durch kostenlose Zurverfügungstellung der sogenannten "Malerschule" in G., A. 62, durch Überlassung von drei Drucktischen samt Zubehör als Eigentum der "Schule" und durch leihweise Überlassung verschiedener Model fördere. Sie hat demnach nicht nur Barkapital, sondern auch Betriebsmittel und das als Standort dienende Geschäftslokal, sei es durch Überlassung ins Eigentum oder durch Überlassung der Bestandrechte an dieser Liegenschaft (aus den Akten läßt sich gegenwärtig diese Frage noch nicht klären), für den gemeinsamen Zweck zur Verfügung gestellt. Das Abkommen spricht aber auch unzweideutig von der Notwendigkeit, den Grundsatz der "Kooperative" durch Gleichberechtigung am Gewinn, durch die Pflicht aller am Abkommen Beteiligten zur Mitverantwortung in betriebsmäßiger Hinsicht und für den Zweck der Schule und in der Mitbestimmung in Fragen des Schulbetriebes, soweit sie die Druckerei und Färberei allein betreffen, in praktischer Hinsicht durchzuführen. Ebenso wird im Abkommen vorgesehen, daß die heutigen Prozeßparteien alle Fragen des "Schulbetriebes" einschließlich der geschäftlichen Seite gemeinsam besprechen und entscheiden sollen. Es wird der Gewinnanteil und dessen Bezug geregelt und schließlich bestimmt, daß die in der Schule jeweils untergebrachten Personen einen Beitrag zum Zins und zu den Beleuchtungs- und Beheizungskosten zu bezahlen haben, gleichgültig ob sie in einem Dienst- oder sonstigen Verhältnis zur Schule stehen, und daß diese Kosten entweder als Gehaltsabzug, bzw. Gewinnverminderung oder zugunsten des Aufwandkontos laufen.

Mit diesen Bestimmungen werden alle wesentlichen Punkte eines Gesellschaftsvertrages nach dem 27. Hauptstück des ABGB. geregelt sowohl was die Gemeinsamkeit des Zweckes, den Betriebsgegenstand, die Einlagen als auch was die Geschäftsführung angeht. Eine bestimmte Benennung des Vertrages war nicht erforderlich, weil seine rechtliche Beurteilung ohnedies Sache des Gerichtes ist. Ein Grundkapital ist für eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht vom Gesetz nicht vorgeschrieben (Klang, III, S. 461) und es genügt, wenn sich alle oder einzelne Mitglieder zu Arbeiten verpflichten, wobei §§ 1187 und 1192 ABGB. nähere Vorschriften enthalten. Vom Gebrauch einer Firma ist die bürgerliche Erwerbsgesellschaft zwar ausgeschlossen, nicht aber von der Führung einer Unternehmensbezeichnung (vgl. Baumbach, Kurzkommentar, zu § 17 HGB., S. 77). Bestimmungen über die Ausschließung (§ 1210 ABGB.) sind im Abkommen vorgesehen, solche über gesetzliche Auflösungsgrunde oder über die Aufkündigung des auf unbestimmte Zeit errichteten Vertrages sowie über die Verlustbeteiligung waren entbehrlich, weil hier die Dispositivbestimmungen des ABGB., vor allem §§ 1211, 1212 und 1197, eingreifen.

Der sogenannte Schulbetrieb, dessen Zweck ja auch die Veräußerung der im Betrieb erzeugten Waren mit Gewinn in sich schloß, stellt also offenbar nur eine Erwerbsgesellschaft nach § 1175 ABGB. dar. Die Möglichkeit, in den Klägern comis interesses im Sinn des § 14 AngG. zu erblicken, wird durch den Umstand, daß ihnen der Vertrag ausdrücklich das "kooperative Prinzip", also das Mitbestimmungsrecht bei der Führung des Betriebes und der Fällung von Entscheidungen dabei zuerkennt, ausgeschlossen. Denn dem bloßen mit Gewinn beteiligten Angestellten steht ein solches Entscheidungsrecht nicht zu. Er ist niemals Geschäftsführer, sondern untergeordneter Angestellter (Klang, III, S. 218).

Das Rekursgericht hat daher ohne Rechtsirrtum das Vorliegen einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht als bescheinigt angesehen.

Wenn es im Hinblick auf die tatsächlich durch die Urkunden nicht hinreichend bescheinigte und geklärte Frage des Miteigentums der Antragsteller an den in der Beilage B bezeichneten Fahrnissen (Fertigware, Rohware, Chemikalien und Betriebseinrichtungsgegenstände) sich bestimmt fand, eine ergänzende Sicherheit gemäß § 390 Abs. 1 EO. aufzuerlegen, so war dies sein Recht und seine Pflicht. Es hätte übrigens eine solche Sicherheit auch im Falle einer genügenden Bescheinigung des zu sichernden Anspruches nach der Lage der Umstände auferlegen können (§ 390 Abs. 2 EO.).

Zur Frage der Gefährdung des Anspruches hat das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß es sich bei dem zu sichernden Anspruch auf Naturalteilung des Hauptstammes der Gesellschaft im Sinn der §§ 1215, 843 ABGB. um einen "anderen", nicht in Geld bestehenden Anspruch im Sinn des § 381 EO. handelt, so daß die dort näher beschriebene objektive Gefährdung für die Erlassung der einstweiligen Verfügung genügt. Es war also von den Antragstellern nur die Besorgnis zu bescheinigen, daß ohne die einstweilige Verfügung die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen Anspruches, insbesondere durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt oder erheblich erschwert werden würde. Diese Gefährdung fand das Rekursgericht darin gegeben, daß der Betrieb des Unternehmens von der Antragsgegnerin fortgeführt wird, wobei die vorhandenen Chemikalien verbraucht, die Rohware verarbeitet und die Fertigware veräußert wird. Dadurch aber würde der Anspruch der gefährdeten Parteien auf Teilung der bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses vorhanden gewesenen, in ihrem Miteigentum stehenden beweglichen Sachen gefährdet. Denn sie würden an den nunmehr von der Antragsgegnerin nachgeschafften Waren und Chemikalien nicht mehr Miteigentumsrecht erwerben. Diese Chemikalien seien aber nach der vorgelegten Bestätigung der Bezirksstelle Bad A. der Kammer für gewerbliche Wirtschaft fast durchwegs ausländischer Herkunft und zum Teil gar nicht oder doch nur schwer zu beschaffen. Daraus ergebe sich eine Gefährdung des Anspruches der Kläger auf Naturalteilung der vorhandenen Roh- und Fertigware sowie der Chemikalien.

Dem Revisionsrekurs kann nicht gefolgt werden, wenn er diese rechtliche Beurteilung durch den Hinweis darauf zu entkräften sucht, daß Miteigentum der Gesellschafter, wenn überhaupt, nur an dem Sammelbegriff Warenlager, nicht aber an den einzelnen Stücken, Chemikalien usw., bestehe, aus welchen sich dieses zusammensetzt. Der behauptete Anspruch werde darum durch die Weiterführung des Betriebes durch die Beklagte nach dem Ausscheiden der Kläger nicht gefährdet, da er sich nicht auf die einzelnen Stücke beziehe und das Warenlager wohl nicht mehr in der bei der Bestandaufnahme vom vorhanden gewesenen Zusammensetzung existiere, aber doch in gleichem Umfang vorhanden sei.

Soweit dieses Vorbringen Neuerungen enthält, können sie keine Beachtung finden, weil solche im Rekursverfahren unzulässig sind (Neumann, S. 1398). Es sind aber auch die Rechtsausführungen des Revisionsrekurses nicht zutreffend.

Die Gesamtsache als solche ist überhaupt nicht Gegenstand von Rechtsverhältnissen, sondern nur die einzelnen in ihr enthaltenen Stücke. Allerdings sind die zum Betriebskapital eines Unternehmens gehörenden Fahrnisse, wie Warenlager, Rohstoffe, Chemikalien, Rohwaren, durch die Einheit des Unternehmens wirtschaftlich zusammengefaßt (Ehrenzweig, I/2, S. 49 f.) und darum kann nach der Rechtsprechung und neueren Lehre das Unternehmen samt Warenlager auch den Gegenstand von Rechtsgeschäften, wie Verpachtung, Fruchtgenuß oder nach der Exekutionsordnung (§§ 341 ff.) der Zwangsverwaltung, bilden. In diesem Fall ist der Ersatz veräußerter oder verbrauchter zum Unternehmen gehörender Sachen zulässig und notwendig und das Recht am Ganzen wird dadurch nicht berührt.

Allein das Gesagte gilt nur, solange das gesellschaftliche Unternehmen als solches geführt wird. Da bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Unterschied von der OHG. (§ 145 HGB.) eine Liquidation grundsätzlich nicht stattfindet, bringt die durch Aufkündigung bewirkte Auflösung der Gesellschaft (§§ 1211, 1212 ABGB.) deren Ende mit sich und führt zur Teilung des Gesellschaftsvermögens, wenn nichts anderes bedungen war (Klang, III, S. 503, Ehrenzweig, II/1, S. 550 ff.). Da es hier keine Liquidation gibt, entfällt auch der Begriff der Abwicklungsgesellschaft mit den daraus sich ergebenden rechtlichen Folgerungen. Wenn nun, wie im vorliegenden Fall, ein ehemaliger Gesellschafter ohne Mitwirkung und Zustimmung der anderen das Unternehmen weiterführt, so geschieht dies nicht mehr auf gemeinsame Rechnung und zum gemeinsamen Nutzen, sondern er führt es, unbeschadet der aus diesem Tatbestand etwa sich ergebenden Ansprüche der anderen ehemaligen Gesellschafter, für eigene Rechnung und, insoweit er dabei das im Miteigentum oder Alleineigentum der anderen stehende Gesellschaftsvermögen verwendet, als Geschäftsführer ohne Auftrag. Die Beklagte könnte demnach den bei der Naturalteilung des Hauptstammes auf sie entfallenden Anteil ohne weiteres zur Weiterführung des Unternehmens verwenden, nicht aber diejenigen Sachen, welche bei der Naturalteilung, deren Unmöglichkeit von ihr zu behaupten und beweisen sein wird (Ehrenzweig, II/1, S. 853, Klang, II, S. 894), auf die Kläger entfallen. Da nun, soweit diese Sachen verbrauchbar sind, ihr natürlicher Gebrauch demnach in ihrem Verbrauch besteht, der weitere Betrieb des Unternehmens somit zu ihrem Verbrauch führen muß, wird der Klagsanspruch, der ja auf Naturalteilung gerichtet ist, gefährdet, wenn der Antragsgegnerin nicht die Verfügung über die von den Antragstellern kraft Auseinandersetzungsrechtes begehrten Drittelanteile für Prozeßdauer verboten wird. Denn die von der Beklagten etwa im Rahmen eines normalen Betriebes zum Ersatz für die verkaufte Ware erzeugte, bzw. für die beim Produktionsprozeß verbrauchten Rohstoffe und -waren nachgeschafften Fahrnisse gleicher Art werden nach Auflösung der Gesellschaft nicht mehr Miteigentum aller Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Vermögensanteile, sondern fallen ins ausschließliche Eigentum der Beklagten. Die unverbrauchbaren Inventarstücke aber werden durch die Weiterführung des Betriebes abgenutzt, entwertet, ja wohl auch der Gefahr des gänzlichen Unterganges ausgesetzt.