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OGH vom 20.01.2000, 6Ob125/99x

OGH vom 20.01.2000, 6Ob125/99x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landes- als Handelsgericht Linz zu FN 160316i eingetragenen W***** GmbH mit dem Sitz in P***** über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers Dr. Georg B*****, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom , GZ 6 R 50/99m-5, womit sein Rekurs gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgericht Linz vom , GZ 34 Fr 90/99d-2, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht ging von folgendem Sachverhalt aus:

Im Firmenbuch des Landes- als Handelsgericht Linz ist unter FN 160316i die Firma W***** GmbH mit dem Sitz in P***** eingetragen. Gesellschafter sind Margarethe W***** mit einer Stammeinlage von 250.000 S und Ing. August W***** mit einer Stammeinlage von 450.000 S. Die Gesellschaft verfügt derzeit über keinen Geschäftsführer.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , 8 Cga 109/98m wurde in dem vom ehemaligen Geschäftsführer der Gesellschaft Ing. August W***** gegen diese eingeleiteten Verfahren der Antragsteller zum Prozesskurator gemäß § 8 ZPO für die beklagte Gesellschaft bestellt. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , 8 Cg 13/99w wurden fünf weitere Arbeitsrechtsverfahren gegen die Gesellschaft zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und ebenfalls Dr. Georg B***** zum Prozesskurator gemäß § 8 ZPO für die beklagte Partei bestellt.

Der Prozesskurator stellte am den Antrag, für die Gesellschaft einen Geschäftsführer gemäß § 15a GmbHG zu bestellen und diesem insbesondere die Vertretung der Gesellschaft in den anhängigen Arbeitsgerichtsverfahren aufzutragen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil ohnehin ein Prozesskurator bestellt worden sei und daher keine Dringlichkeit im Sinne des § 15a GmbHG vorliege.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs des Prozesskurators zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Prozesskurator sei kein Beteiligter im Sinn des § 15a GmbHG. Der Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers falle auch nicht nach § 8 Abs 2 ZPO in die Befugnis des Prozesskurators, weil die Gesellschafter durch Bestellung eines Geschäftsführers ohne weiteres den Vertretungsnotstand der Gesellschaft beenden könnten. Da dem Rekurswerber die Antragslegitimation fehle, sei er durch die Abweisung seines Antrages nicht beschwert, sodass sein Rekurs zurückzuweisen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Antragslegitimation eines Prozesskurators zur Bestellung eines Notgeschäftsführers keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs des Prozesskurators ist zulässig und berechtigt.

Soweit die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlen, hat sie in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung des Mangels zu bestellen (§ 15a Abs 1 GmbHG).

Grundsätzlich ist jeder "beteiligt", der ein Interesse an der ordnungsgemäßen Organzusammensetzung geltend machen kann, das sind also die Gesellschafter, die Organe der Gesellschaft sowie diejenigen Personen, die einen gegen die Gesellschaft durchzusetzenden Anspruch behaupten (NZ 1995, 114; Koppensteiner, GmbHG2 Rz 9 Punkt 3 zu § 15a GmbHG mwN).

Die Bestimmung des § 15a Abs 1 GmbHG wurde mit der GmbH-Gesetznovelle 1980 eingeführt. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 5 BlgNR 15. GP 6) sei der Umstand, dass häufig die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Organe fehlten, geeignet, der Gesellschaft, ihren Gläubigern und Arbeitnehmern schweren Schaden zuzufügen. Deshalb werde die bewährte aktienrechtliche Parallelbestimmung (§ 76 AktG) übernommen.

Aber schon vor der Einfügung dieser Bestimmung stand die Möglichkeit zur Beseitigung des Vertretungsmangels durch gerichtliche Bestellung eines Kurators nach den §§ 8 oder 116 ZPO oder in analoger Anwendung der §§ 269, 271, 276 ABGB zur Verfügung. Nach herrschender Ansicht (vgl Koppensteiner aaO mwN; Strasser in Schiemer/Jabornegg/Strasser, Kommentar zum Aktiengesetz3 Rz 28 zu §§ 75, 76 AktG; aA Wünsch, GesRZ 1985, 161, der § 15a GmbHG als lex specialis sieht), ist die Bestellung eines Prozesskurators nach § 8 ZPO ungeachtet der Bestimmung des § 15a GmbHG nach wie vor zulässig, sodass es - folgt man dieser Auffassung - im Belieben der Gläubiger steht, für den Fall eines gegen die GmbH zu führenden Rechtsstreites entweder die Bestellung eines Prozesskurators oder die Bestellung eines Notgeschäftsführers zu beantragen. Ob diese Ansicht zutreffend ist, ist hier nicht entscheidend, weil der Prozesskurator bereits rechtswirksam bestellt wurde und nur dessen Rekurslegitimation zu prüfen ist.

Gemäß § 8 Abs 2 ZPO hat der Prozesskurator für die Partei, zu deren Vertretung er bestellt wurde, bis zum Eintreten des gesetzlichen Vertreters am gerichtlichen Verfahren teilzunehmen und, wenn nötig, die Bestellung des gesetzlichen Vertreters durch geeignete Anträge zu veranlassen. Daraus ergibt sich, dass der Prozesskurator ungeachtet dessen, dass sein Aufgabenbereich auf die betreffende Prozessführung beschränkt ist, dafür zu sorgen hat, dass der Mangel der gesetzlichen Vertretung generell beseitigt wird. Zudem berührt die Frage, ob ein gesetzlicher Vertreter für die prozessunfähige Partei bestellt wird, auch die Rechtssphäre des Prozesskurators, weil seine Enthebung letztlich vom Vorhandensein eines gesetzlichen Vertreters abhängt, auch wenn die Bestellung des Geschäftsführers für sich allein noch nicht die Funktion des Prozesskurators beendet, sondern hiefür ein Enthebungsbeschluss erforderlich ist. Für die Legitimation zur Stellung eines Antrages auf Bestellung eines Notgeschäftsführers spricht daher nicht nur der Text des § 8 Abs 2 ZPO (vgl in diesem Sinne RZ 1935, 57). Dem Prozesskurator ist auch ein persönliches rechtliches Interesse an der Entscheidung über die Bestellung eines Notgeschäftsführers zuzubilligen, sodass seine Rekurslegitimation gegen den Beschluss auf Abweisung seines diesbezüglichen Antrages im Sinne der §§ 9 AußStrG und 15a GmbHG zu bejahen ist.

Das weitere Argument des Rekursgerichtes, dass die Gesellschafter selbst ohne weiteres die Bestellung des gesetzlichen Vertreters der GmbH veranlassen und dadurch den Vertretungsnotstand der Gesellschaft beenden könnten, kann zur Verneinung einer Beschwer des Prozesskurators nicht herangezogen werden. Die Frage, ob der Vertretungsnotstand in absehbarer Zeit beseitigt werden kann oder könnte, betrifft die gesetzliche Voraussetzung der Dringlichkeit der Bestellung und könnte etwa einem Antrag der Gesellschafter einer GmbH auf Bestellung eines Notgeschäftsführers entgegengehalten werden. Mit der Frage der Antrags- und Rekurslegitimation des Prozesskurators hat sie aber nichts zu tun.

Ob der Rekurs des Prozesskurators inhaltlich berechtigt und dem Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 15a GmbHG in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses stattzugeben ist, wird vom Rekursgericht, das bisher den Rekurs noch nicht inhaltlich behandelt hat, zu entscheiden sein. Zur Entscheidung über den betreffenden, im Revisionsrekurs wiederholten Abänderungsantrag ist der Oberste Gerichtshof, dem nur die Frage der Rekurslegitimation vorlag, funktionell nicht zuständig.