OGH vom 22.10.2009, 3Ob186/09p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald ***** E*****, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Christine H*****, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 141/09y-36, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 4 C 37/07p-30, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit der im Revisionsverfahren allein wesentlichen Behauptung, die Beklagte sei eine Lebensgemeinschaft eingegangen, stellt der Kläger das Urteilsbegehren, der Anspruch der Beklagten aus einem näher bezeichneten Scheidungsvergleich, zu dessen Hereinbringung das Bezirksgericht Wels die Exekution bewilligt habe, sei erloschen.
Die Beklagte bestreitet, eine Lebensgemeinschaft eingegangen zu sein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung abgewichen sei, wonach eine in wirtschaftlicher Hinsicht eingerichtete Hausgemeinschaft Voraussetzung für die Beurteilung einer Gemeinschaft als Lebensgemeinschaft sei.
Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts. Zwar lebe die Beklagte nicht in Wohngemeinschaft, unbestritten allerdings in einer Geschlechtsgemeinschaft. Es bestehe eine wirtschaftliche Verflechtung im Zusammenhang mit der gemeinsamen Kommanditgesellschaft. Auch wenn nicht habe festgestellt werden können, dass die Haushaltskosten (im Haus der Beklagten) geteilt würden, so spreche das bei Lebenspartnern, die entsprechend der gewählten Form der im Übrigen gemeinsamen Lebensgestaltung über getrennte Haushalte verfügten, nicht gegen die Annahme einer Lebensgemeinschaft. Nach dem äußeren Erscheinungsbild (gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit, gemeinsame Freizeitaktivitäten, teilweises gemeinsames Kochen bzw Einkaufen, volle Integrierung des Partners in die Familie der Beklagten) liege eine eheähnliche seelische Verbundenheit zwischen den Partnern vor. Es stehe nicht die Finanzierung der Haushaltsführung, also die Bestreitung der Lebenshaltungskosten im engeren Sinn, sondern das allgemeine finanzielle Wohlergehen beider Partner im Vordergrund. Um letzteres habe sich der Partner der Beklagten gerade durch seine tatkräftige Unterstützung in wirtschaftlichen Belangen gekümmert. Auch die bereits achtjährige Dauer der Beziehung spreche für die Bejahung einer Lebensgemeinschaft.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Die angefochtene Entscheidung steht im Einklang mit den in der oberstgerichtlichen Judikatur entwickelten Grundsätzen:
1. Eine allgemein gültige gesetzliche Definition der Lebensgemeinschaft fehlt. Der Oberste Gerichtshof hat daher Kriterien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft entwickelt. Danach versteht man unter einer Lebensgemeinschaft einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht (3 Ob 204/99t mwN). Für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft spielt neben der Eheähnlichkeit und einer gewissen Dauer das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft eine Rolle, wobei anerkannt ist, dass nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein müssen (RIS-Justiz RS0047000; 2 Ob 314/98k; 3 Ob 6/09t). Wesentlich ist das aus einer seelischen Gemeinschaft resultierende Zusammengehörigkeitsgefühl (RIS-Justiz RS0047064), worunter ua verstanden wird, dass sich die Parteien im Kampf gegen alle Nöte des Lebens beistehen und daher auch gemeinsam an den zur Bestreitung des Unterhalts verfügbaren Gütern teilhaben (RIS-Justiz RS0021733).
2. Der hier zu beurteilende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass eine Geschlechtsgemeinschaft, aber keine Wohngemeinschaft feststeht. Eine solche wird durch fallweises Übernachten in unregelmäßigen Abständen nicht begründet. Allerdings indiziert die fehlende Wohngemeinschaft allein noch nicht zwingend, dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt: Auch in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, ist einvernehmlich getrenntes Wohnen als zulässig zu betrachten (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 90 Rz 5 mwN). Gerade einer Lebensgemeinschaft als einer rechtlich nicht gesicherten Beziehung entspricht es, dass sich ein Partner nicht leicht entschließen wird, eine ihm zur Verfügung stehende Wohngelegenheit aufzugeben (1 Ob 640/88 = EFSlg 57.270).
3. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung bestehen zwischen der Beklagten und ihrem Partner nicht bloß gesellschaftsrechtliche Verflechtungen, sondern es stehen auch Sachverhaltselemente fest, die auf eine Wirtschaftsgemeinschaft hindeuten:
Unter einer Wirtschaftsgemeinschaft wird verstanden, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Güter teilnehmen lassen (RIS-Justiz RS0047035). Eine Beschränkung auf die rein materielle Seite hat nicht stattzufinden. Bei der Lebensgemeinschaft handelt es sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, um eine aus einer seelischen Gemeinschaft und dem Zusammengehörigkeitsgefühl heraus entstandene Bindung (RIS-Justiz RS0047064).
Im konkreten Fall wurde die Beklagte nun durch ihren Partner finanziell durch Sicherstellung eines Kredits auf seiner Liegenschaft und durch unentgeltliche Zurverfügungstellung eines Fahrzeugs unterstützt. Die Partner gestalten nicht nur ihre Freizeit gemeinsam; vielmehr ist der Partner der Beklagten voll in ihre Familie integriert und etwa zu diversen Feiertagen anwesend. Dass das Erstgericht erachtete, nicht feststellen zu können, ob sich der Partner der Beklagten finanziell an den Kosten der Haushaltsführung beteiligt, fällt bei dieser Sachlage nicht entscheidend ins Gewicht.
4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts steht daher entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung im Einklang mit den dargelegten und vom Berufungsgericht richtig wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung.
Auch der vom Berufungsgericht als möglich erachtete Widerspruch seiner Entscheidung mit der Entscheidung 3 Ob 505/83 besteht nicht: Im dort zu beurteilenden Anlassfall lag weder eine Wohn-, noch eine Geschlechts- noch eine Wirtschaftsgemeinschaft vor. In der Entscheidung wurde zwar ausgesprochen, dass eine in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichtete Hausgemeinschaft Voraussetzung für eine Lebensgemeinschaft sei; gleichzeitig wurde jedoch - ganz im Sinn der auch heute noch herrschenden Rechtsprechung - ausdrücklich betont, dass für die Annahme einer Lebensgemeinschaft nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein müssen.
Wie aber nun die maßgeblichen Kriterien für die Annahme einer Lebensgemeinschaft im konkreten Fall zu gewichten sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (2 Ob 314/98k; 3 Ob 274/04x uva).
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.