OGH vom 25.09.2001, 1Ob210/01s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Zechner und Dr. Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei V*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Ignaz E*****, vertreten durch Dr. Heinz Buchmayr und Dr. Johannes Buchmayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen 2 Mio S s.A. infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 130/01t-64, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom , GZ 26 Cg 8/98s-58, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des erkennenden Senats vom (1 Ob 219/98g) wurde der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge kurz Beklagter) als erbserklärtem Erben unter Berufung auf § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB zur Sicherung einer Forderung der klagenden und gefährdeten Partei (in der Folge kurz klagende Partei) die Veräußerung und Belastung von vier Liegenschaften verboten. Die Wirksamkeit dieser Provisorialmaßnahme wurde mit dem Ablauf von drei Monaten nach Einverleibung des Eigentumsrechts des Beklagten auf den vier Liegenschaften begrenzt.
Am 29. bzw. wurde auf den zur Sicherung der Forderungen der klagenden Partei herangezogenen Liegenschaften das Eigentumsrecht für den Beklagten einverleibt.
Am beantragte die klagende Partei unter Hinweis auf den Ablauf der Geltungsdauer der vom erkennenden Senat erlassenen einstweiligen Verfügung die (abermalige) Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung, die bis zum Ablauf von drei Monaten nach rechtskräftiger und vollstreckbarer Entscheidung im vorliegenden Prozess gelten solle (ON 47).
Am beantragte der Beklagte wegen Ablaufs der Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung vom deren Aufhebung (ON 50). Die klagende Partei äusserte sich zu diesem Antrag insofern, als sie sich "nach Ablauf der materiellen Rechtskraft nicht gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach einer durchzuführenden mündlichen Verhandlung" aussprach (ON 52).
Am beantragte die klagende Partei mit "Fristerstreckungsantrag" die Verlängerung der Geltungsdauer der zu 1 Ob 219/98g erlassenen einstweiligen Verfügung "zunächst bis zum " (ON 54).
Das Erstgericht verlängerte die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung vom bis zum Ablauf von drei Monaten nach rechtskräftiger und vollstreckbarer Entscheidung im vorliegenden Verfahren (Punkt I) und wies den Antrag der klagenden Partei, es werde dem Beklagten zur Sicherung der Forderung der klagenden Partei die Veräußerung und Belastung von vier Liegenschaften verboten, ebenso ab (Punkt II) wie den Antrag des Beklagten auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom (Punkt III). Der für die Erlassung der einstweiligen Verfügung maßgebliche Sachverhalt habe sich nicht verändert, die damals bejahte subjektive Gefährdung der klagenden Partei sei weiterhin gegeben. Ein Unterschied bestehe lediglich darin, dass der Beklagte mittlerweile Eigentümer der zur Sicherung dienenden Liegenschaften geworden sei. Dies stehe einer Verlängerung der auf § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB gestützten einstweiligen Verfügung nicht entgegen, weil seit der EO-Novelle 2000 auch zur Sicherung von Geldforderungen gemäß § 379 Abs 3 Z 5 EO ein Veräußerungs- und Belastungsverbot erlassen werden könne. Der am eingebrachte Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung sei als Verlängerungsantrag zu verstehen. Dieser Antrag sei innerhalb der Geltungsdauer der zu 1 Ob 219/98g erlassenen einstweiligen Verfügung gestellt worden, weshalb die Verlängerung zulässig sei. Die Stattgebung des Verlängerungsantrags habe die Abweisung des Antrags der klagenden Partei auf Erlassung eines weiteren (inhaltsgleichen) Verbots und die Abweisung des Aufhebungsantrags des Beklagten zur Folge.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Seit der EO-Novelle 2000 genieße der Beklagte nicht mehr den Schutz des § 379 Abs 4 EO aF, weil gemäß § 379 Abs 3 Z 5 EO nF zur Sicherung von Geldforderungen das Verbot der Veräußerung und Belastung von Liegenschaften angeordnet werden könne. Dass § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB infolge Einverleibung des Eigentumsrechts des Beklagten nicht mehr angewendet werden könne, könne ihm nicht zum Vorteil gereichen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung nach wie vor gegeben seien. Da eine einstweilige Verfügung durch den Ablauf der Verfügungsfrist nicht von selbst erlösche, sei die Provisorialmaßnahme vom sowohl im Zeitpunkt der Stellung des Verlängerungsantrags (Ende Jänner 2001) als auch zum Zeitpunkt der Fassung des erstinstanzlichen Beschlusses weiterhin wirksam gewesen. Die Verlängerung dieses "fortdauernden Zustands" sei zulässig. Das Gericht erster Instanz habe den unstrittig innerhalb offener Verfügungsfrist gestellten Provisorialantrag der klagenden Partei (vom ) aber auch zu Recht als Verlängerungsantrag gedeutet. Ob die Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß Punkt II des erstinstanzlichen Beschlusses richtig gewesen sei, könne infolge Eintritts der Teilrechtskraft vom Rekursgericht nicht mehr überprüft werden. Die Argumentation der klagenden Partei, die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung vom sei infolge Unterbleibens der Zustellung der Grundbuchsbeschlüsse an die klagende Partei bis heute noch nicht abgelaufen, bedürfe mangels Entscheidungsrelevanz keiner Stellungnahme. Die Äußerung der klagenden Partei zum Aufhebungsantrag des Beklagten stelle keine Zustimmung zu diesem Antrag dar.
Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht hat seine Entscheidung primär darauf gestützt, dass die Verlängerung der Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung vom auch noch auf Grund des "Fristerstreckungsantrags" vom zulässig gewesen sei, weil die einstweilige Verfügung mangels Aufhebung noch immer fortgewirkt habe. Dieser Ansicht ist nicht beizupflichten:
Nach ständiger Rechtsprechung erlischt eine einstweilige Verfügung nicht schon mit dem Ablauf der Frist, für die sie bewilligt wurde, sondern bedarf es einer ausdrücklichen Aufhebung durch das Gericht (8 Ob 213/00g mwN; 3 Ob 2423/96m; SZ 53/175; Heller-Berger-Stix4 2842). Das bedeutet aber nur, dass für Zuwiderhandlungen vor Ablauf des Endigungstermins auch nachträglich noch die Exekution bewilligt werden kann, solange die einstweilige Verfügung nicht aufgehoben wurde. Bei anderer Auffassung wäre die Fristsetzung in der einstweiligen Verfügung sinnlos und irreführend. Das ausgesprochene Verbot endet mit dem in der einstweiligen Verfügung bestimmten Zeitpunkt (EvBl. 1967/140; Heller-Berger-Stix aaO; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, Rz 4 zu § 391). Es ist nämlich zwischen der einstweiligen Verfügung an sich und den angeordneten Sicherungsmaßnahmen zu unterscheiden (Zechner aaO Rz 6 zu § 391; Konecny, Zur Wirksamkeit einstweiliger Verfügungen nach Ablauf der Verfügungsfrist, in ÖBA 1997, 987 [988f]). Es ist daher der einhelligen und von der Lehre gebilligten Judikatur - auch in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 7 Ob 99/99f = MietSlg. 51.795 wird keine andere Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht - zu folgen, nach der die Verlängerung einer einstweiligen Verfügung nach Ablauf der Verfügungsfrist unzulässig ist; der Verlängerungsantrag muss innerhalb der Verfügungsfrist gestellt werden, nach deren Ablauf nur mehr die Erlassung einer neuen einstweiligen Verfügung beantragt werden kann (6 Ob 596, 597/94; MietSlg. 33.780; 1 Ob 586/76; Zechner aaO Rz 3 zu § 391; Kodek in Angst, Komm. zur EO Rz 6 zu § 391; Konecny aaO 992).
Die vom Rekursgericht zur Begründung der bestätigenden Entscheidung primär geäußerte Rechtsansicht wird demnach nicht geteilt. Damit ist aber für den Revisionsrekurswerber nichts gewonnen, weil die subsidiäre Begründung durch das Gericht zweiter Instanz (die die Primärbegründung des Erstgerichts ist) frei von Rechtsirrtum ist.
Die Vorinstanzen haben den Antrag der klagenden Partei vom (ON 47) als Verlängerungsantrag gedeutet und dies auch eingehend begründet. Tatsächlich langte dieser Antrag, der inhaltlich auf eine Verlängerung der am erlassenen einstweiligen Verfügung abzielte, noch innerhalb der Verfügungsfrist ein und in diesem Antrag wurde auch ausdrücklich auf deren Ablauf hingewiesen. Die klagende Partei hat darin ihr unverändertes Sicherungsinteresse deutlich zum Ausdruck gebracht und die Erlassung einer mit der bereits getroffenen und noch wirksamen einstweiligen Verfügung inhaltsgleichen Provisorialmaßnahme beantragt. Kommt ein Beschluss über die Verlängerung einer einstweiligen Verfügung der Erlassung einer neuen einstweiligen Verfügung gleich (SZ 71/13; MietSlg. 48.726; vgl. auch Zechner aaO Rz 3 zu § 391), so haben die Vorinstanzen den am eingebrachten Antrag infolge Inhaltsgleichheit mit der bereits erlassenen einstweiligen Verfügung und des Hinweises auf den Ablauf deren Wirksamkeit zutreffend als Verlängerungsantrag gedeutet. Dass die Voraussetzungen für die zeitliche Verlängerung der einstweiligen Verfügung (siehe SZ 71/13; 1 Ob 2089/96d, 2090/96a; MietSlg. 48.717; Kodek aaO Rz 4 zu § 391) nicht vorgelegen seien, hat der Beklagte gar nicht behauptet.
Die - gleichzeitige - Abweisung des Antrags der klagenden Partei auf Erlassung eines (neuen) Veräußerungs- und Belastungsverbots (Punkt II des Beschlusses der ersten Instanz) hat nicht zur Folge, dass die Deutung des Antrags vom als Verlängerungsantrag nicht statthaft wäre. Mit dieser Abweisung brachte das Erstgericht lediglich zum Ausdruck, dass eine - ohnehin inhaltsgleiche - neue einstweilige Verfügung nicht zu erlassen sei, weil die bereits bestehende Verfügung zu verlängern sei. Von einer in sich widersprüchlichen Entscheidung kann deshalb nicht die Rede sein.
Dass die einstweilige Verfügung vom auf § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB gestützt wurde, erweist sich dem Verlängerungsbegehren der klagenden Partei nicht als abträglich. Diese Bestimmung verhalf einem Sicherungswerber nur dazu, dass ein Belastungs- und Veräußerungsverbot selbst bei einer dem Erben noch nicht eingeantworteten Liegenschaft angemerkt werden konnte. Voraussetzung für die Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung war aber ebenso wie dann, wenn der Gegner der gefährdeten Partei bereits Eigentümer war, stets, dass eine Gefährdung iS des § 379 Abs 2 Z 1 EO - die Z 2 der zitierten Bestimmung scheidet hier nach der Sachlage aus - behauptet und bescheinigt werde. Die Verlängerung der Sicherungsmaßnahme wird dadurch, dass der Beklagte nunmehr bereits Eigentümer der zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei herangezogenen Grundstücke geworden ist, nicht gehindert.
Der vom Beklagten gestellte Aufhebungsantrag wurde abgewiesen; eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom ist nie erfolgt. Solange über einen Verlängerungsantrag noch nicht entschieden worden ist, darf eine einstweilige Verfügung wegen Zeitablaufs auch nicht aufgehoben werden (Zechner aaO Rz 3 zu § 391, König, Einstweilige Verfügungen2 Rz 2/224 ; Konecny aaO 992). Demnach steht die Entscheidung der Vorinstanzen auch insoweit mit der Gesetzeslage im Einklang.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Äußerung der klagenden Partei zu dessen Aufhebungsantrag keine uneingeschränkte Zustimmung zu diesem Antrag zu entnehmen. Die von der klagende Partei gebrauchte Formulierung, sie spreche sich "nach Ablauf der materiellen Rechtskraft" nicht gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung "nach einer durchzuführenden mündlichen Verhandlung" aus (AS 284), kann nicht als Zustimmung zur begehrten Aufhebung gewertet werden.
Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.
Gemäß § 393 Abs 1 EO hat die klagende Partei die Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig selbst zu tragen. Dem Beklagten ist die Abwehr des Sicherungsantrags nicht gelungen, weshalb er gemäß § 402 EO sowie den §§ 40 und 50 ZPO keinen Kostenersatzanspruch hat.