OGH vom 29.01.2014, 7Ob204/13w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** B*****, vertreten durch Klaus Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt gegen die beklagte Partei N***** L*****, vertreten durch Schaller Zabini Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Rechnungslegung und Zahlung, Stufenklage, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 80/13m 15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 27 Cg 63/12m-10, teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 2 ZPO nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Der Rekurs ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt (7 Ob 83/13a). Der Beklagte macht nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, weshalb sein Rekurs trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen ist (1 Ob 140/13i mwN). Die Ausführungen können sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Das Berufungsgericht hat mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Teilurteil die Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens, des Zahlungsbegehrens und des Eventualzahlungsbegehrens, soweit die Abweisung (jeweils) die Rechnungslegungs- und Zahlungspflicht des Beklagten aufgrund „sämtlicher etwaiger unentgeltlicher Verfügungen der Erblasserin im Zeitraum vom bis an wen auch immer“ betraf, bestätigt; im Übrigen hob es das Ersturteil jedoch auf, verwies die Rechtssache insoweit an das Prozessgericht erster Instanz zurück und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit folgender Begründung zu:
Es bestehe höchstgerichtlicher Klärungsbedarf, ob der „konkrete Fall“ dem § 28 IPRG Abs 1 oder dessen Abs 2 (mit der Konsequenz der Anwendung von schweizerischem oder österreichischem Sachrecht) zu unterstellen sei; wäre nämlich nicht Schweizer Recht anzuwenden, ersparte man sich die unter Umständen aufwändige Ermittlung der herrschenden Schweizer Rechtsprechung und Lehre (gemäß § 3 IPRG), insbesondere zur allfälligen Anrechenbarkeit unentgeltlicher Zuwendungen an den Beklagten auf den Pflichtteilsanspruch der Klägerin.
Der nur vom Beklagten erhobene Rekurs geht auf die vom Berufungsgericht genannte Frage nicht ein, sondern ausdrücklich nur auf die „andere“ Rechtsfrage, welche Voraussetzungen ein Rechnungslegungsbegehren nach Art 42 Abs 1 1. Fall EGZPO erfüllen muss. Der Rechtsmittelwerber macht allein geltend, die Klägerin habe ihre subjektiv begründete Besorgnis nicht konkret behauptet. Daher sei das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur zitierten Bestimmung abgewichen.
Auch wenn das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Rekurses zu Recht ausgesprochen hätte, wäre diese nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann gegeben, wenn der Beklagte zumindest eine (andere) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht hätte (RIS-Justiz RS0102059; jüngst: 2 Ob 230/12f).
Diese Voraussetzung trifft jedoch nicht zu:
Entspricht es doch ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0012974), dass der dem Noterben nach der neueren Judikatur unabhängig von seinen Befugnissen im Abhandlungsverfahren zustehende Anspruch auf eidliche Angabe des Nachlassvermögens (wobei das Begehren nach dem 1. Fall des Art 42 EGZPO nach Beendigung der Abhandlung gegen den Erben, vorher aber gegen die Verlassenschaft als solche zu richten ist) nicht an die Glaubhaftmachung einer Verheimlichung oder Verschweigung geknüpft ist; vielmehr wird er bereits durch die Weigerung des Anspruchsgegners ausgelöst, seiner Verpflichtung nachzukommen, und es wird seine Ausübung nur durch das Schikaneverbot beschränkt (2 Ob 186/10w mwN).
Der auch hier erfolgten Verweisung auf das im Abhandlungsverfahren errichtete Inventar gegenüber genügt, ähnlich wie für die Bewilligung der Nachlassseparation (§ 812 ABGB), die subjektiv motivierte Vermutung des Noterben, es könnte Nachlasswerte geben, die im Inventar nicht aufscheinen, wobei der Manifestationsanspruch des Noterben mit Rücksicht auf die Bestimmungen der §§ 785 und 951 ABGB auch die vom Erblasser unter Lebenden gemachten Schenkungen umfasst (RIS-Justiz RS0012974).
Soweit ein Manifestationsbegehren auf die Offenlegung „pflichtteilsrelevanter“ Vorempfänge und Schenkungen des Erblassers gerichtet ist, obliegt es den Klägern (nur), ihre subjektive Besorgnis, von derartigen Zuwendungen keine Kenntnis zu haben, in der Klage „begründet“ darzulegen. Diesbezüglich können die bei Anträgen auf Bewilligung der Nachlassseparation im Sinn des § 812 ABGB ergangenen Grundsätze sinngemäß herangezogen werden (RIS-Justiz RS0127349; vgl auch RS0013068).
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es auch für die subjektive Besorgnis bei der Nachlassseparation, dass der Gläubiger Befürchtungen für die Einbringlichkeit seiner Forderung hegt. Einer Bescheinigung der Gefährdung bedarf es jedoch nicht. Allerdings müssen jene Umstände vom Gläubiger angegeben werden, welche die subjektive Besorgnis des Gläubigers begründen; wobei kein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS-Justiz RS0013068; RS0013070 [T2]).
Da im Rekursverfahren des Beklagten vor dem Obersten Gerichtshof nur die Schlüssigkeit des Vorbringens der Klägerin zum 1. Fall des Art 42 EGZPO zu prüfen ist, liegt hier schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO vor, weil die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, nach ständiger Rechtsprechung eine solche des Einzelfalls ist, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht und wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042828; 7 Ob 114/13k; 10 Ob 36/13m mwN).
Das Berufungsgericht hat die Frage nach der Schlüssigkeit der vorliegenden Klagebehauptungen im Rahmen der zitierten Rechtsprechung zumindest vertretbar gelöst: Hat doch die Klägerin, was ihre Pflicht zur Darlegung jener Umstände, die die subjektive Besorgnis zu begründen vermögen, betrifft, (durchaus nachvollziehbar) behauptet, dass die wohlhabende Erblasserin schon zehn Jahre vor ihrem Tod mehr als 9 Mio ATS besaß, sparsam war und ein hohes Pensionseinkommen (4.700 EUR monatlich) bezog, sodass nicht zu erklären sei, warum im Inventar wesentlich weniger Vermögen aufscheint und Bankkonten sogar überzogen gewesen sein sollten. Eine subjektive Besorgnis der Noterbin, dass es weitere Vermögenswerte geben müsse, oder zumindest solche gegeben habe, die allenfalls anzurechnen seien, und dass der Beklagte (der nach dem Vorbringen Kontakt mit der Erblasserin hatte und den Kontakt der Noterben zur Erblasserin unterband) hierüber Bescheid geben könnte, ist daraus schlüssig abzuleiten.
Was die inhaltliche Prüfung dieser Behauptungen betrifft, hielt das Berufungsgericht weitere Feststellungen ohnehin für erforderlich. Ob eine derartige Verbreiterung der Sachverhaltsbasis notwendig ist, kann vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden. Zweck des Rekurses ist nämlich nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz. Erachtet diese eine Ergänzung der Feststellungen für erforderlich und ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (vgl Kodek in Rechberger³ § 519 ZPO Rz 26 mwN; RIS-Justiz RS0042179).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Rekursbeantwortung der Klägerin enthält begründete Ausführungen zur Unzulässigkeit des Rekurses und ist daher zu honorieren (vgl RIS-Justiz RS0123222; 7 Ob 83/13a).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00204.13W.0129.000