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OGH vom 25.11.2008, 1Ob208/08g

OGH vom 25.11.2008, 1Ob208/08g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Veronika H*****, vertreten durch Auer & Auer Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Roswita K*****, vertreten durch Mayrhofer & Rainer Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 126/08p-21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 9 C 120/06t-16, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Seit 1996 hatte die Beklagte einen Teil ihrer Hauptmietwohnung an ihren - mangels gemeinsamer Haushaltsführung nicht eintrittsberechtigten - Sohn und dessen Gattin für 10 Jahre befristet untervermietet. Ab Mai 2004 benutzte sie die Wohnung nicht mehr und zog in eine von ihr unbefristet angemietete Hauptmietwohnung. Der Grund dafür lag in immer heftiger werdenden Ehestreitigkeiten zwischen dem Sohn und dessen Gattin, mit welcher auch die Beklagte in Auseinandersetzungen geriet. Als Mitte Mai 2005 der Sohn im Zuge des Scheidungsverfahrens aus der Wohnung weggewiesen und die Wohnung nur mehr von dessen Ehegattin und deren Kindern benutzt wurde, kündigte die Beklagte am das Untermietverhältnis gegenüber ihrem Sohn und dessen Gattin gerichtlich zum unter Berufung auf den vertraglich vereinbarten Kündigungsgrund der Scheidung oder Trennung der Ehe des Sohnes auf; hinsichtlich der restlichen Wohnungsteile brachte sie eine Räumungsklage wegen titelloser Benützung ein. Diese (verbundenen) Verfahren waren noch anhängig, als ihr etwa 10 Monate später (am ) die verfahrensgegenständliche gerichtliche Aufkündigung des Hauptmietverhältnisses nach § 30 Abs 2 Z 4 erster und zweiter Fall MRG (Weitergabe des Mietgegenstands), in eventu nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG (Nichtbenützung der Wohnung) zugestellt wurde. Noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz in diesem Verfahren wurde mit Urteil vom die Aufkündigung des Untermietverhältnisses zum für rechtswirksam erkannt und dem Räumungsbegehren wegen titelloser Benützung der restlichen Wohnungsteile Folge gegeben. Das Untermietverhältnis endete somit zum .

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagte zur Übergabe der Wohnung. Der Kündigungsgrund der gänzlichen bzw dieser gleichzustellenden teilweisen Weitergabe des Mietgegenstands nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG sei erfüllt, weil die Wohnung zum Zeitpunkt der Einbringung der Kündigung des Hauptmietverhältnisses noch von den nicht eintrittsberechtigten Untermietern benützt worden und kein dringendes Wohnbedürfnis der Hauptmieterin gegeben sei.

Das Berufungsgericht wies das Begehren „auf geräumte Übergabe der Wohnung" ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Der Kündigungsgrund der gänzlichen bzw teilweisen Weitergabe des Mietgegenstands sei nicht verwirklicht, weil darauf Bedacht zu nehmen sei, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung bereits die Verfahren über die Aufkündigung des Untermietverhältnisses und über die Räumung des nicht untervermieteten Wohnungsteils anhängig gewesen seien, sodass „die willentliche Komponente der Weitergabe" weggefallen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist unzulässig.

1. Im Hinblick auf § 572 ZPO ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Kündigungsgrundes im Allgemeinen der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner (RIS-Justiz RS0070282; vgl MietSlg 30.464; Iby in Fasching/Konecny2 § 562 ZPO Rz 31; Würth in Rummel3 § 33 MRG Rz 5). Auch beim - hier maßgeblichen - Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG ist (grundsätzlich) auf den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung abzustellen (RIS-Justiz RS0106984). Auf nach Zustellung der Aufkündigung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetretene Umstände ist ausnahmsweise dann Bedacht zu nehmen, wenn dies im Interesse des Mieters erforderlich ist, um eine offenbar unbillige Entscheidung zu vermeiden (RIS-Justiz RS0044892). Insbesondere beim Kündigungsgrund des Eigenbedarfs oder bei Kündigungsgründen, die eine Zukunftsprognose erfordern, ist wegen der Besonderheit dieser Kündigungsgründe auch auf die nach Zustellung der Aufkündigung eingetretenen Umstände Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0044892). So ist etwa der vom Vermieter geltend gemachte Eigenbedarf nicht allein dann gegeben, wenn dieser im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung schon obdachlos war, sondern sind auch Umstände zu berücksichtigen, die zwar noch nicht eingetreten sind, aber nahe bevorstehen und aus denen sich der künftige Bedarf notwendigerweise ergibt (3 Ob 550/85).

2. Nach der Entscheidung 2 Ob 577/93 sind die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4 MRG auch dann gegeben, wenn zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Hauptmieter dieser die Räumungsklage gegen den Untermieter wegen Mietzinsrückstands bereits eingebracht hatte. Tragende Begründung dieses Erkenntnisses ist aber, dass im Fall einer Räumungsklage wegen Mietzinsrückstands zufolge § 33 Abs 2 MRG während des Verfahrens ein „Schwebezustand" herrscht, sich die gekündigte Partei aber nicht darauf berufen könne, dass die Untermieterin von der ihr eingeräumten Möglichkeit der Nachzahlung des Mietzinsrückstands keinen Gebrauch gemacht hat und (deshalb) dem Räumungsbegehren Folge gegeben worden sei. Dieses Argument ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Der für § 30 Abs 2 Z 1 MRG bzw § 1118 zweiter Fall ABGB anerkannte „Schwebezustand" (RIS-Justiz RS0020939) ist bei anderen Kündigungsgründen nicht gegeben, eine analoge Anwendung außerhalb des Geltungsbereichs des § 33 Abs 2 MRG verbietet sich (Würth aaO § 33 MRG Rz 6). Im vorliegenden Fall bestand für die Untermieter keine Möglichkeit, die berechtigte Kündigung des Untermietverhältnisses abzuwehren, die Entscheidung über die Aufkündigung hing sohin allein vom Kündigungswillen der Untervermieterin und von der Berechtigung des geltend gemachten Kündigungsgrunds ab.

3. Der Standpunkt der Revisionswerberin, es sei für die Frage, ob eine Weitergabe iSd § 30 Abs 2 Z 4 MRG vorliege, nur der Zeitpunkt der Gebrauchsüberlassung maßgeblich bzw allein darauf abzustellen, dass das Mietobjekt zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (faktisch) noch jemand anderem überlassen war, findet in den von ihr ins Treffen geführten Entscheidungen keine Stütze.

Aus der Entscheidung 3 Ob 657/77 (= MietSlg 30.464) ergeben sich nur die zu Punkt 1. wiedergegebenen Grundsätze. Dies gilt auch für die Entscheidung 3 Ob 142/97x und die weiteren Nachweise, wo aufgrund eines anders gelagerten Sachverhalts die hier relevante Frage nicht zu prüfen war.

Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten, dass zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Aufkündigung des Hauptmietverhältnisses der Wille der Hauptmieterin nicht mehr darauf gerichtet war, das Mietobjekt weiter zu geben und dass sie die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands (= keine Weitergabe) bereits in die Wege geleitet hatte. Die Beendigung des Untermietverhältnisses erfolgte sodann auch mit dem in der entsprechenden Aufkündigung genannten Zeitpunkt (), also rückwirkend (vgl RIS-Justiz RS0044908, RS0044763, RS0044917), sodass von einer Weitergabe des Mietobjekts am nicht mehr die Rede sein kann.

4. Der Meinung der Revisionswerberin, die Entscheidung des Berufungsgerichts erweise sich als grob unbillig, wird nicht beigetreten. War zum Zeitpunkt der Aufkündigung die ehemals bestandene (unzulässige) Weitergabe des Mietobjekts bereits - wenn auch rückwirkend urteilsmäßig festgestellt - beendet, dann lag zu diesem Zeitpunkt eben keine Weitergabe vor. Warum dieses Ergebnis unbillig sein sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Da die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz nicht im Widerspruch zur Judikatur des Obersten Gerichtshofs steht, die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt hat, und eine solche auch nicht ersichtlich ist, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).