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OGH vom 18.11.2014, 5Ob167/14s

OGH vom 18.11.2014, 5Ob167/14s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr.

Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen Dr. Gerda M*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Enkels der Erblasserin Ing. Alexander M*****, vertreten durch Birnbaum Toperczer Pfannhauser Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom , GZ 2 R 37/14z 32, mit dem infolge Rekurses des Enkels der Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts Zwettl vom , GZ 2 A 449/12p 21, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin hinterließ einen Sohn, eine Tochter, eine Enkelin sowie einen Enkel (Revisionsrekurswerber). In ihrem Testament vom vermachte sie den Hauptteil ihres Geschäftsanteils an einer GmbH ihrem Enkel, die restlichen Anteile ihren beiden Kindern, eine Eigentumswohnung ihrer Tochter, das Inventar ihrer zuletzt bewohnten Wohnung ihren Kindern und beiden Enkeln sowie ihre Ersparnisse zu je einem Drittel ihren Kindern und ihrem Enkel.

Ihre Kinder und ihr Enkel gaben aufgrund dieses Testaments jeweils eine (bedingte) Erbantrittserklärung ab, wobei sie sich die Angabe einer Quote vorbehielten. Der Enkel begründete seine Erbberechtigung damit, dass die Erblasserin mit ihren Anordnungen zum Schicksal ihres Geschäftsanteils über den wesentlichen Teil ihres Vermögens verfügt hätte. Über seinen Antrag wurde die Wohnung der Erblasserin versiegelt. Der Gerichtskommissär forderte alle Erben schriftlich auf, innerhalb einer gesetzten Frist ihre Erbquote anzugeben, und wies darauf hin, dass bei einem Ausbleiben einer Antwort davon ausgegangen werde, dass alle drei Erben zu gleichen Teilen die Erbantrittserklärung abgegeben hätten. Die Tochter und der Enkel bezifferten in ihren Schriftsätzen die Quote mit jeweils einem Drittel. Der Sohn reagierte hingegen in erster Instanz nicht. Erst im Rechtsmittelverfahren gab er die Quote mit einem Drittel an.

Das Erstgericht antwortete die Verlassenschaft allen drei Erben je zu einem Drittel aufgrund der zum Testament vom abgegebenen bedingten Erbantrittserklärungen ein (Punkt 1) und ermächtigte sie, ungeachtet einer Klausel oder Sperre frei über sämtliche Vermögenswerte zu verfügen (Punkt 3). Die beiden anderen Punkte (2 und 4) des Einantwortungsbeschlusses sind im Revisionsrekursverfahren nicht relevant.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Enkels ausgenommen zu Punkt 4 (Bestimmung der Gerichtskommissärsgebühren) nicht Folge. In der rechtlichen Beurteilung folgerte es zusammengefasst, dass der Gerichtskommissär dem Rekurswerber ohnehin durch Ladung zu den Schätzungsterminen im Verfahren zur Errichtung des Inventars rechtliches Gehör gewährt habe. Zwar sei das Schreiben einer Gläubigerin, deren Forderung in die Passiva aufgenommen worden sei, den Parteien nicht übermittelt worden. Der Rekurswerber habe dies aber nicht konkret gerügt, weshalb er auch die Bedeutung der angeblichen Verletzung seines rechtlichen Gehörs als nur relativ wirkenden Nichtigkeitsgrund nicht aufgezeigt habe. Der Gerichtskommissär habe § 157 Abs 1 AußStrG entsprechend die nach der Aktenlage als Erben in Frage kommenden Personen aufgefordert, zu erklären, ob und wie sie die Erbschaft antreten oder ob sie diese ausschlagen. Alle drei Erben hätten die Erbantrittserklärung in der dafür vorgeschriebenen Form abgegeben. Dass ein Miterbe trotz Aufforderung durch den Gerichtskommissär seine Erbquote nicht bekannt gegeben habe, rechtfertige nicht den vom Rekurswerber gewünschten Ausschluss dieses Miterbens vom Verlassenschaftsverfahren im Sinn des § 157 Abs 3 AußStrG. Die Versiegelung der Wohnung der Erblasserin sei nach § 147 Abs 2 AußStrG bereits vor der erstinstanzlichen Beschlussfassung faktisch durch Ausfolgung des Schlüssels an einen Miterben aufgehoben worden.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit einem 30.000 EUR übersteigenden Betrag und ließ den Revisionsrekurs nicht zu, soweit es die Bekämpfung der ersten drei Spruchpunkte des Beschlusses des Erstgerichts betraf.

Rechtliche Beurteilung

Der nur vom Sohn der Erblasserin beantwortete außerordentliche Revisionsrekurs des Enkels ist zur Klarstellung der Rechtslage nach dem AußStrG 2005 zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Der Revisionsrekurswerber bemängelt die nicht erfolgte Zustellung des Inventars in erster Instanz und sieht darin eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs sowie die Schmälerung seines Erbteils durch Aufnahme einer nicht zur Kenntnis gebrachten Forderung. Das Inventar wird nach Rechtsprechung und Lehre nur für Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens aufgenommen und entfaltet keine über dieses Verfahren hinausgehende konstitutive Wirkungen (RIS Justiz RS0007784; Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 166 Rz 2 ff; Grün in Rechberger , AußStrG² § 166 Rz 4), wie hier auf die Berechtigung einer in die Passiva aufgenommenen Forderung. Von der befürchteten Schmälerung des Erbteils kann deshalb keine Rede sein.

2. Nach § 178 Abs 3 AußStrG sollen gleichzeitig mit der Einantwortung auch alle übrigen noch offenen Verfahrenshandlungen, insbesondere die Aufhebung von Sperren, Sicherstellungen (§ 176 Abs 2) und die Bestimmung von Gebühren, vorgenommen werden.

2.1 Der Revisionsrekurswerber vermisste in seinem Rekurs die ausdrückliche Aufhebung der im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens angeordneten Versiegelung der Wohnung der Erblasserin. Das Erstgericht ermächtigte die Erben und die Enkelin als Legatarin ohnehin in eigenen, gleichzeitig mit dem Einantwortungsbeschluss erlassenen, unbekämpft gebliebenen Beschüssen, über das in der Wohnung vorhandene Inventar jeweils zu einem bestimmten Prozentsatz zu verfügen (ON 23 26). Diese ausdrücklich auf das Inventar bezogene Ermächtigung beinhaltet die Aufhebung der vom Gerichtskommissär nach § 127 Abs 2 AußStrG angeordneten Sicherungsmaßnahme.

2.2 § 177 AußStrG verpflichtet das Gericht, die Verlassenschaft einzuantworten, wenn die Erben und ihre Quoten feststehen und die Erfüllung der übrigen Voraussetzungen nachgewiesen ist. Wendet sich der Revisionsrekurswerber gegen die Umstände der Versiegelung und deren faktische Aufhebung noch während des erstinstanzlichen Verfahrens, so berühren diese Themen die Einantwortung und die damit verbundene Verfügungsbefugnis der Erben nicht.

3. Eine Erbantrittserklärung hat nach § 159 Abs 1 AußStrG zwingend bestimmte persönliche Daten des Erbansprechers, die Berufung auf einen Erbrechtstitel und die ausdrückliche Erklärung, die Erbschaft unbedingt oder bedingt anzutreten, zu enthalten. Ist dies im Zeitpunkt der Abgabe möglich, so ist auch die Erbquote anzugeben (Abs 2). Die Erklärung ist vom Erbansprecher oder seinem ausgewiesenen Vertreter eigenhändig zu unterschreiben (Abs 3).

3.1 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum AußStrG 1854 (5 Ob 508/94 = NZ 1994, 210; 7 Ob 164/01w; RIS Justiz RS0013480) gehörte die Anführung der in Anspruch genommenen Erbquote nicht zum notwendigen Inhalt einer Erbserklärung (so schon NZ 1927, 35). Die Funktion der Erbserklärung erschöpfe sich danach in der Geltendmachung des Anspruchs auf Einantwortung des Nachlasses, über die sodann vom Verlassenschaftsgericht in einem amtswegig durchzuführenden Verfahren zu entscheiden ist. Die vorausschauende Bezifferung der Erbquote sei bei Abgabe der Erbserklärung oft gar nicht möglich; folgerichtig lasse die Judikatur die nachträgliche Änderung der in der Erbserklärung angegebenen Erbquote zu.

3.2 Auch nach dem neuen AußStrG führt die fehlende Angabe einer Quote nicht zur Unwirksamkeit der Erbantrittserklärung ( Metzler , Die Anerkennung des Erbrechts, ÖJZ 2006, 515 [521]; Grün aaO § 159 AußstrG Rz 2; Fucik , Das neue Verlassenschaftsverfahren, Rz 177; ErlRV 224 BlgNR 22. GP 103).

3.3 Der Gerichtskommissär hat nach § 157 Abs 1 Satz 1 AußStrG die nach der Aktenlage als Erben in Frage kommenden Personen aufzufordern, zu erklären, ob und wie sie die Erbschaft antreten oder ob sie diese ausschlagen. Versäumt ein potentieller Erbe die im Sinne des des § 157 Abs 2 AußStrG zur Abgabe der Erbantrittserklärung gesetzte Frist, ist er nach § 157 Abs 3 Satz 1 AußStrG dem weiteren Verfahren nicht mehr beizuziehen, solange er die Erklärung nicht nachholt. Rechtsfolge einer unterlassenen Erklärung ist nach herrschender Meinung nur das (vorläufige) Fehlen der Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren (RIS Justiz RS0007926 [T12, T 13]; RS0006398 [T14, T 15, T 17]; Grün aaO § 157 Rz 9; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 157 Rz 5) und nicht der Verlust des Erbrechts (6 Ob 3/09y = RIS Justiz RS0125147 = EF Z 2010/19 [krit Volgger ]; Sailer aaO Rz 4).

3.4 Im vorliegenden Fall haben alle drei, in der Folge eingeantwortete Erben vor dem nach § 164 AußStrG maßgeblichen Zeitpunkt der bindenden Erlassung des erstinstanzlichen Einantwortungsbeschlusses Erbantrittser-klärungen abgegeben, die den in § 159 Abs 1 und Abs 3 AußStrG zwingend geregelten Inhalts und Formerfordernissen entsprochen haben. Jener Miterbe, der im Gegensatz zu den beiden anderen seine bedingte Erbantrittserklärung nach Aufforderung durch den Gerichtskommissär nicht um die Angabe der beanspruchten Quote ergänzte, ist demnach nicht im Sinn des § 157 Abs 3 AußStrG vom Verlassenschaftsverfahren auszuschließen, wie der Revisionsrekurswerber meint. Zu prüfen bleibt allerdings, wie in dieser Konstellation, in der zwei Erben jeweils ein Drittel des Nachlasses beanspruchen und der dritte Erbe zur Quote schweigt, weiter zu verfahren ist.

3.5 Stehen Erbantrittserklärungen im Widerspruch zueinander, hat der Gerichtskommissär nach § 160 AußStrG darauf hinzuwirken, dass das Erbrecht zwischen den Parteien anerkannt wird; gelingt dies nicht, so hat er den Akt dem Gericht vorzulegen. Dieses hat nach § 161 Abs 1 AußStrG im Rahmen des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisanbote das Erbrecht der Berechtigten festzustellen und die übrigen Erbantrittserklärungen abzuweisen. Darüber kann mit gesondertem Beschluss (§ 36 Abs 2) oder mit dem Einantwortungsbeschluss entschieden werden. Das neue Außerstreitgesetz kennt also keine der bisherigen Annahme der Erbserklärung entsprechende Vorgehensweise mehr (RIS Justiz RS0122476 [T2]; Höllwerth aaO § 160 Rz 6 ff; Fucik , Das neue Verlassenschaftsverfahren Rz 192).

3.6 Einander widersprechende Erbantrittser-klärungen, die das in den §§ 160 ff AußStrG geregelte Verfahren über das Erbrecht auslösen, liegen nur dann vor, wenn die von den Erbanwärtern geltend gemachten Erbquoten insgesamt mehr als ein Ganzes betragen, somit von vornherein klar ist, dass der Nachlassumfang nicht ausreicht, um allen Erbanwärtern die von ihnen beanspruchte Quote zukommen zu lassen ( Ferrari in Ferrari/Likar Peer Erbrecht 463; Verweijen , Verlassenschaftsverfahren 137).

3.7 Die Materialien (ErlRV 224 BlgNR 22. GP 104) halten in diesem Zusammenhang fest, dass gar keine widersprechenden Erbantrittserklärungen vorliegen, wenn etwa zwei gesetzliche Erben unabhängig voneinander ihre Erklärungen abgeben, ohne auf die Quote des anderen vorläufig Bedacht zu nehmen. Hier werde sich der „Widerspruch“, dass sich nämlich beide Erbantrittserklärungen auf die gesamte Verlassenschaft beziehen, einfach ausräumen lassen, weil in der Regel das andere Erbrecht nicht bestritten wird, es sei denn, es würden Erbunwürdigkeits oder Enterbungsgründe behauptet. In einem solchen Fall wird es nicht einmal erforderlich sein, die ursprünglich überschießenden, nämlich nicht quotenbeschränkten Erbantrittserklärungen teilweise abzuweisen (in diesem Sinn auch Maurer/Schrott/Schütz AußStrG § 160 Rz 1; Metzler aaO 521, der bei einem derartigen schlichten „Quotenproblem“ gar keinen richtigen Widerspruch sieht, weil sich dieser auf etwas bezieht, das nicht zwingend Gegenstand der Erbantrittserklärung gewesen sei und durch die Parteien im Wege einer wechselseitigen Quotenanerkennung klargestellt werden könne).

3.8 Auch hier lag ausschließlich ein derartiges „Quotenproblem“ vor, nachdem alle Erben wirksame Erbantrittserklärungen aufgrund eines Testaments abgegeben hatten. Kein Erbe hat jemals das Erbrecht der anderen bestritten, und zwar weder hinsichtlich des Erbrechtstitels noch der Quote. Allen war aufgrund der Aufforderung durch den Gerichtskommissär bekannt, dass im Fall der unterlassenen Angabe der Quote im weiteren Verlassenschaftsverfahren von einer Inanspruchnahme des Nachlasses zu gleichen Teilen ausgegangen werde. Selbst der Revisionsrekurswerber führt keinerlei Gründe an, die aus materiell rechtlicher Sicht dem Erbrecht des Sohnes der Erblasserin entgegenstünden.

3.9 Hat sich ein Erbe in seiner Erbantrittserklärung, die nach herrschender Meinung eine rein prozessuale und nicht nach den Regeln des ABGB auszulegende Erklärung ist (RIS Justiz RS0113461; Sailer aaO § 159 Rz 4), die Quote noch vorbehalten und widerspricht er der vom Gerichtskommissär in Aussicht gestellten Interpretation einer gleichteiligen Quote von jeweils einem Drittel nicht, so ist die Annahme berechtigt, dass auch dieser Miterbe nicht mehr als die anderen beansprucht und der Nachlass demnach nicht insgesamt zu mehr als 100 % ausgeschöpft werden soll. Damit lagen vergleichbar der vom Gesetzgeber als Beispiel erwähnten gesetzlichen Erbfolge auch in diesem Fall der testamentarischen Erbfolge gar keine widersprechenden Erbantrittserklärungen vor. Der Nachlass wurde daher zu Recht ohne förmliches Verfahren über die Feststellung des Erbrechts allen drei Erben zu je einem Drittel eingeantwortet.

4. Der Revisionsrekursgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).

5. Ein Verfahren mit mündlicher Verhandlung über das Erbrecht (§ 162 Satz 1 AußStrG) fand nicht statt (und war auch nicht notwendig), weshalb ein Kostenersatz ausgeschlossen ist (§ 185 AußStrG).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00167.14S.1118.000