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OGH vom 21.06.2007, 6Ob119/07d

OGH vom 21.06.2007, 6Ob119/07d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz FN ***** eingetragenen D***** Gesellschaft mbH, mit dem Sitz in L***** und der Geschäftsanschrift *****, über den Revisionsrekurs der Geschäftsführerin Hannelore D*****, vertreten durch Mag. Georg J. Tusek, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 63/07k-68, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom , GZ 13 Fr 1818/03v-65, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz ist zu FN ***** seit die D***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in L***** eingetragen. Vertretungsbefugte Geschäftsführerin ist seit Hannelore D*****. Eine Offenlegung von Jahresabschlüssen (§ 277 UGB) erfolgte bisher nicht. Auch wurden bisher Merkmale, die für die Einordnung gemäß § 221 UGB erforderlich sind (§ 277 Abs 4 UGB), nicht bekannt gegeben.

Zur Durchsetzung der Offenlegung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2001/2002 wurden bisher über die Geschäftsführer im Verfahren 13 Fr 1818/03v LG Linz folgende Zwangsstrafen rechtskräftig verhängt:

Beschluss vom über Manfred und

Hannelore D***** je EUR 1.600,--

Beschluss vom über

Hannelore D***** EUR 3.600,--

Beschluss vom über Marco

D***** EUR 1.600,--

Beschluss vom über Hannelore

D*****. EUR 3.600,--

Beschluss vom über

Hannelore D***** EUR 3.600,--

Beschluss vom über Marco

D***** EUR 3.600,--

Beschluss vom über Hannelore

D***** EUR 3.600,--

Vor Verhängung der Zwangsstrafe von EUR 3.600,-- mit Beschluss vom informierte das Landesgericht Linz die Geschäftsführerin Hannelore D***** mit Strafandrohung vom darüber, dass mit dem Publizitätsrichtlinie-Gesetz (BGBl I 103/2006) die Höchstbeträge von Zwangsstrafen bei „großen Kapitalgesellschaften" auf EUR 21.600,-- angehoben wurden (s § 283 Abs 3 HGB nF).

Gleichzeitig mit dem Strafbeschluss vom forderte das Erstgericht die Geschäftsführerin Hannelore D***** auf, binnen zwei Monaten nach Rechtskraft dieses Strafbeschlusses dem Auftrag zur Offenlegung der Unterlagen gemäß §§ 277 ff HGB (Jahresabschluss etc) für das Geschäftsjahr 2001/2002 nachzukommen oder darzutun, dass die Verpflichtung nicht bestehe, widrigens eine weitere Zwangsstrafe von EUR 21.600,-- verhängt werde.

In der Folge verhängte das Erstgericht über die Geschäftsführerin zur Erzwingung der Offenlegung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2001/2002 die mit Beschluss vom angedrohte Zwangsstrafe von EUR 21.600,--.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Gegen § 283 Abs 3 UGB bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Je „größer" eine Kapitalgesellschaft ist, umso größer sei das Interesse Dritter, vor allem Gläubiger oder Vertragspartner der Gesellschaft, an Informationen über die finanzielle Lage der Gesellschaft, und umso größer sei daher auch die Notwendigkeit einer effizienten Durchsetzung der Erfüllung der Obliegenheitspflicht. Nachdem bisher noch nie ein Jahresabschluss vorgelegt worden sei und auch die Merkmale für die Einordnung in einer Größenklasse bisher nicht bekannt gegeben worden seien, sei das Erstgericht zu Recht davon ausgegangen, dass größenklassenabhängige Erleichterungen für die Offenlegung und folglich auch für die Geschäftsführerin günstigere Kriterien für die Strafbemessung nicht herangezogen werden könnten. Aus § 282 Abs 2 UGB ergebe sich, dass dann, wenn sich die Größenklassen infolge Nichtmitwirkung der Gesellschaft bzw der Geschäftsführer nicht ermitteln lassen, davon auszugehen sei, dass die Merkmale des § 221 UGB überschritten würden und es sich daher um eine „große" Gesellschaft handle. Im Hinblick auf die hartnäckige Verweigerung der Erfüllung der Offenlegungspflicht sei die Verhängung der Höchststrafe mit dem angefochtenen Beschluss nicht zu beanstanden.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 283 Abs 3 UGB und zur Höchststrafe bei nicht bekannten Größenklassen vorliege.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 FBG).

Rechtliche Beurteilung

2.1. Nach § 283 Abs 3 UGB (idF PUG BGBl I 2006/103) beträgt, wenn die gesetzlichen Vertreter einer mittelgroßen (§ 221 Abs 2) Kapitalgesellschaft ihren Verpflichtungen auch nach Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe nicht nachkommen, der Höchstbetrag das Dreifache, wenn die gesetzlichen Vertreter einer großen (§ 221 Abs 3) Kapitalgesellschaft ihren Verpflichtungen auch nach Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe nicht nachkommen, der Höchstbetrag das Sechsfache des in § 283 Abs 2 UGB enthaltenen Betrages. Als Grundlage für die Größenklasse kann der zuletzt vorgelegte Jahresabschluss herangezogen werden.

2.2. Nach den Gesetzesmaterialien (1427 BlgNR 22. GP 10) sollen durch diese Neuregelung Zweifel an der ordnungsgemäßen Umsetzung des Art 6 der Richtlinie 68/151/EWG ausgeräumt und bei wiederholten Zuwiderhandlungen der Strafrahmen für mittlere und große Kapitalgesellschaften in gestaffelter Form deutlich erhöht werden.

3.1. Art 6 der Publizitätsrichtlinie verlangt die Einführung geeigneter Sanktionen. Der EuGH hat in seiner Entscheidung „Daihatsu" (Slg 1997-I, 6843) ausdrücklich ausgesprochen, dass die Sanktion einer Zwangsstrafe nur dann als geeignete Maßregel und damit als entsprechende Umsetzung der Publizitätslinie angesehen werden kann, wenn sie auch abschreckend ist. Der Umstand, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich die Verhängung geeigneter Sanktionen verlange, belege die Bedeutung, die er diesen Sanktionen beimesse (EuGH aaO Nr 20).

3.2. Im Schrifttum wurde das Zwangsstrafverfahren vor Inkrafttreten des PUG teilweise als zu wenig effektiv ausgestaltet beurteilt (vgl G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 26). In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass zwar dem innerstaatlichen Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zukomme. Allerdings seien die zur Erfüllung der Offenlegungspflicht vorgesehenen Sanktionen zwar etwas schärfer als zur Durchsetzung anderer Pflichten im Zusammenhang mit dem Firmenbuch, aber deutlich milder als die zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche vorgesehenen Mittel, sodass der Gesetzgeber der Bedeutung, die der Gemeinschaftsrechtsgesetzgeber der Einführung von Sanktionen in diesem Zusammenhang beimesse, nicht ausreichend Rechnung trage. Dies betreffe schon die Strafhöhe von (damals) EUR 3.600,--, welche - zumindest bei großen Gesellschaften - weder absolut noch im Verhältnis zur Strafobergrenze des § 359 Abs 1 EO (EUR 100.000,-- je Antrag!) ausreichend sei. Noch schwerer wiege, dass die Strafe nicht für jeden Tag des Zuwiderhandelns verhängt werden kann, sondern erst zwei Monate nach Rechtskraft des letzten Strafverhängungsbeschlusses verhängt werden könne, wodurch im Ergebnis nicht vorlagewilligen Gesellschaften ein monate-, ja sogar jahrelanger Aufschub zugestanden werde. Dass gerade einige große Gesellschaften seit 1996 beharrlich die Offenlegungspflicht verweigerten, zeige, dass hier Handlungsbedarf bestehe (G. aaO).

4.1. Durch das PUG hat der Gesetzgeber diesen Bedenken immerhin teilweise Rechnung getragen. Allerdings erfolgte lediglich eine gewisse - immer noch deutlich unter den in der EO vorgesehenen Strafsätzen liegende - Anhebung des Strafsatzes für mittlere und große Unternehmen; hingegen griff der Gesetzgeber die Bedenken gegen die grundsätzliche Systematik der Zwangsstrafe nach § 283 UGB, wonach eine weitere Strafe nur nach Rechtskraft des vorherigen Strafbeschlusses verhängt werden könne, nicht auf. Damit besteht aber weiter ein deutliches Vollzugsdefizit. Wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Gesellschaft seit mittlerweile mehr als 10 Jahre keinen einzigen Jahresabschluss offengelegt hat und somit eklatant gegen ihre innerstaatlichen und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen verstößt, obwohl das Firmenbuchgericht die ihm zur Verfügung stehenden gesetzlichen Maßnahmen voll ausgeschöpft hat, zeigt dies, dass das vom Gesetzgeber vorgesehene Sanktionssystem nicht ausreichend ist. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich teilweise in anderen Rechtsordnungen pro Tag bemessene Zwangsstrafen finden; im innerstaatlichen Bereich hat der österreichische Gesetzgeber diesen Weg insbesondere im Kartellrecht beschritten. So sind nach § 35 Abs 1 Kartellgesetz Zwangsgelder bis zu einem Höchstbetrag von 5 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs festzusetzen.

4.2. Vor dem Hintergrund der Österreich treffenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Vorsehung wirksamer Sanktionen erscheint weder die vom Gesetzgeber vorgesehene absolute Höhe der Strafobergrenzen des § 283 UGB noch die Anknüpfung an auch sonst das Rechnungslegungsrecht prägende Größenkriterien verfassungsrechtlich bedenklich. Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass bei größeren Gesellschaften auch ein größeres Informationsbedürfnis der Allgemeinheit bestehe; ergänzend ist darauf zu verweisen, dass typischerweise Organe größerer Gesellschaften auch über ein höheres Einkommen verfügen. Wenn der Gesetzgeber im Interesse der erleichterten Vollziehbarkeit den Strafrahmen sohin an generalisierende Größenmerkmale knüpft, ist dies nicht zu beanstanden. Dass die verhängte Strafe nicht ihrer eigenen konkreten Leistungsfähigkeit entspricht, hat die Revisionsrekurswerberin zudem während des gesamten Verfahrens nicht vorgebracht, sondern nur die ihrer Ansicht nach verfassungswidrige Obergrenze der Strafe bekämpft.

4.3. Im Hinblick auf das eingangs dargelegte gemeinschaftsrechtliche Gebot der Effektivität von Zwangsmaßnahmen müssen diese auch administrierbar sein. In diesem Sinne ist die Auffassung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, dass bei Nichtvorlage von Bilanzen und Unterlassung der Bekanntgabe der Größenmerkmale im Sinne des § 282 Abs 2 UGB vom Vorliegen einer großen Gesellschaft auszugehen ist. Hier ist ergänzend darauf zu verweisen, dass eine Konstellation wie im vorliegenden Fall, dass noch überhaupt keine Bilanz vorgelegt wurde, obwohl die Gesellschaft bereits längere Zeit besteht, einen besonders krassen Pflichtverstoß der Organe der Gesellschaft indiziert, sodass an der Beendigung dieses pflichtwidrigen Zustandes auch ein besonders großes öffentliches Interesse besteht. Ob anderes dann gilt, wenn die Größenklassen auf Grund aktenkundiger Umstände verlässlich beurteilt werden können, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil dem Firmenbuchakt derartige Informationen nicht zu entnehmen sind. Die im Revisionsrekurs vertretene Auffassung, das Firmenbuchgericht hätte von Amts wegen die Größenklassen zu erheben, würde im Ergebnis dazu führen, dass die Offenlegungsverpflichtung nicht administrierbar wäre.

5. In Anbetracht der mittlerweile 10 Jahre andauernden Säumnis trotz mehrfacher Verhängung von Zwangsstrafen im Ausmaß der seinerzeitigen Höchstgrenzen kann die Ausschöpfung der Strafobergrenze des § 283 Abs 3 UGB jedenfalls auch nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.

Der angefochtene Beschluss erweist sich sohin als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.