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OGH vom 18.12.2014, 3Ob178/14v

OGH vom 18.12.2014, 3Ob178/14v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. A***** KG, *****, 2. Dipl. Ing. W*****, 3. F***** GmbH, *****, alle vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 16.574,38 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 101/14d 11, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 6 Cg 98/13w 7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das die Klage abweisende Urteil erster Instanz samt der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 4.832,81 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten 544,42 EUR an USt und 1.566,30 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Die Bekanntgabe der beklagten Parteien vom wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erst- und die Drittbeklagte sind Teilnehmer einer Planungsgemeinschaft, die von der Stadt Wien mit der Generalplanung für den Neu- und Umbau eines Geriatriezentrums beauftragt wurde. Der Zweitbeklagte ist unbeschränkt haftender Gesellschafter der Erstbeklagten. Bauherr war die Stadt Wien, vertreten durch den Wiener Krankenanstaltenverbund. Bauführer war eine Hoch- und Tiefbaugesellschaft mbH. Einer Ziviltechnikergesellschaft mbH oblag die örtliche Bauaufsicht. Der zwischen der Planungsgemeinschaft (im Weiteren: die Beklagten) und der Stadt Wien geschlossene Vertrag über die Generalplanerleistungen enthält ua folgende (unstrittige) Bestimmungen:

„ […]

II GENERALPLANERVERTRAG

[...]

§ 2. GENERALPLANERLEISTUNGEN - LEISTUNGSUMFANG

[...]

10 PRÜFINGENIEUR GEM WIENER BAUORDNUNG

10.1 Rohbauphase

Die Überprüfungen umfassen insbesondere folgende Punkte:

Die Beschau des Untergrundes für alle aufgehenden Tragkonstruktionen vor Beginn der Fundierungs- oder Betonierungsarbeiten.

Die Beschau jener Bauteile, die nach deren Fertigstellung nicht mehr möglich sind: Fundamente, Stahleinlagen, Träger, Stützen, Schweißverbindungen u.ä. In diesem Sinne sind auch Fertigteile während ihrer Herstellung und deren Zusammenbau zu überprüfen.

Die Überprüfung der konstruktiven Bauteile auf lage- und höhenmäßige Übereinstimmung mit den Konsensplänen. Allfällige Abweichungen sind unverzüglich der Baupolizei anzuzeigen.

Die o.a. Leistungen werden in einem Rohbaubeschaubericht zusammengefasst.

10.2 Ausführungsphase

Die Überprüfungen umfassen insbesondere folgende Punkte:

Wenn sich im Zuge der Bauausführung ergibt, dass bei Einhaltung des Bauplanes, der nach der Bauordnung für Wien ausgeführt werden darf, oder der Auflagen der Baubewilligung eine Abweichung von den Bauvorschriften entsteht, ist der Prüfingenieur verpflichtet, dies der Behörde unverzüglich zu melden.

Überdies ist der Prüfingenieur verpflichtet, der Behörde zu melden,

- wenn im Zuge der Bauausführungen von den Bauplänen, die nach der Bauordnungen für Wien ausgeführt werden dürfen, in einer solchen Art oder in solchem Umfang abgewichen wird, dass die Abweichung über ein bewilligungsfähiges Bauvorhaben hinausgeht

- wenn bei der Bauausführung nicht entsprechende Baustoffe verwendet werden oder entsprechende Baustoffe unfachgemäß verwendet werden

- wenn Konstruktionen mangelhaft ausgeführt werden.

11 Fertigstellungsanzeige

Durchführen der Fertigstellungsanzeige gem. § 128 der Wiener Bauordnung.

[...]

§ 4. ÜBERBINDEN DER AUFGABE DES PLANUNGSKOORDINATORS GEM. BauKG

Der Auftraggeber überträgt und der Auftragnehmer übernimmt die Funktionen des Planungskoordinators gem. BauKG [...] .

Die Aufgabe des Planungskoordinators erstreckt sich insbesondere auch auf den Abbruch der Gebäude des derzeitigen Geriatriezentrums und die im Zuge des Garten- und Landschaftsbaus zu erbringenden Leistungen.

Auf die Sicherheitserfordernisse des Baus bei gleichzeitigem Fortbetrieb bestehender Anlagenteile ist besonders Bedacht zu nehmen.

[...]“

Am langte beim Magistrat der Stadt Wien, MA 37, die Teilfertigstellungsanzeige für den Bereich LH/4. Obergeschoss inklusive Fluchtweg für das Projekt ein. Mit E-Mail vom wies der zuständige Mitarbeiter der MA 37 den Leiter der technischen Angelegenheiten beim Wiener Krankenanstaltenverbund darauf hin, dass die mit der Teilfertigstellungsanzeige vorgelegten Unterlagen noch nicht vollständig seien; die Fertigstellungsanzeige gelte daher als noch nicht erstattet. Am langten die Unterlagen vollständig bei der MA 37 ein.

Der Kläger begehrt Schadenersatz. Er sei als Beamter der Stadt Wien am um 6 Uhr morgens in seiner dienstrechtlichen Funktion in der provisorischen Dienststelle des Geriatriezentrums im 4. Obergeschoss tätig gewesen und im weder geräumten oder gestreuten noch beleuchteten Eingangsbereich auf einer nicht wahrnehmbaren Eisplatte ausgerutscht, wobei er sich Verletzungen zugezogen habe.

Er legt den Beklagten soweit in der Berufung aufrecht erhalten folgende Fehler zur Last:

Sie hätten die provisorische „Besiedlung“ der Dienststelle des Klägers in den Neubau bereits Anfang Jänner 2013 veranlasst, obwohl - auch zum Zeitpunkt des Unfalls noch keine (von ihnen durchzuführende) vollständige Fertigstellungsanzeige nach § 128 Abs 5 der Bauordnung (BO) für Wien vorgelegen sei, weshalb das Bauwerk noch nicht benützt hätte werden dürfen (§ 128 Abs 4 BO für Wien).

Noch im März 2013 sei die „Alarmierungssituation im Brandschutzfall“ für das 4. OG nicht ausgeführt gewesen und erst am sei die Beleuchtung des Eingangsbereichs angebracht gewesen. Die Beklagten hätten darauf in ihrer Funktion als bestellte und für die Bestätigung „zur Fertigstellung“ zuständige Prüfingenieure gemäß BO für Wien sowohl den Bauherrn als auch die Behörde hinweisen müssen, was jedoch nicht geschehen sei.

Wäre die Besiedelung des 4. OG erst später erfolgt, wäre der Arbeitsunfall des Klägers nicht erfolgt, jedenfalls wäre zu diesem späteren Zeitpunkt eine Beleuchtung und Streuung/Räumung veranlasst worden. Die Beklagten hätten einen „Besiedlungsstopp“ erwirken müssen. Es bestehe eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger wegen mangelhaft erbrachter Leistung „in Bezug auf die Wirkung einer der BO für Wien entsprechenden gültigen Fertigstellungsanzeige“, und zwar sowohl wegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als auch deliktisch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes.

Im Zeitpunkt des Unfalls sei das Gebäude/Werk noch nicht an die Bauherrin übergeben gewesen, sodass die Beklagten zur ungeteilten Hand als deren Besitzer iSd § 1319 ABGB, dessen Teil der Sturzbereich sei, zu qualifizieren gewesen seien. Sie hätten daher für eine gefahrlose Benützbarkeit sorgen müssen.

In § 4 des Vertrags seien den Beklagten Arbeitnehmerschutzvorschriften iSd § 8 ASchG übertragen worden.

Eine Haftung der Beklagten bestehe aber auch aufgrund der vertraglichen Bestellung zu Planungskoordinatoren nach dem Baukoordinationsgesetz (BauKG), wobei den Beklagten auch die Verpflichtung überbunden worden sei, auf die Sicherheitserfordernisse des Baus bei gleichzeitigem Fortbetrieb bestehender Anlageteile besonders Bedacht zu nehmen. Damit sei den Beklagten ein über den bereits im BauKG normierten Arbeitnehmerschutz hinausgehender Schutz für die Dienstnehmer der Stadt Wien vertraglich übertragen worden. Die Beklagten hätten dafür Sorge tragen müssen, dass der Eingangsbereich entsprechend beleuchtet und von Eis und Schnee geräumt gefahrlos zu begehen sei. Gemäß § 5 BauKG hätten die Beklagten einen dem Baufortschritt angepassten Sicherheits-/Gesundheitsplan zu entwerfen und die daraus folgenden Kontrollpflichten vorzunehmen. Der Kläger falle als Arbeitnehmer des Vertragspartners der Beklagten unter den Schutzzweck der Normen des BauKG.

Die Beklagten bestritten und wendeten ua ein, sie hätten keinen Besitz am Gebäude iSd § 1319 ABGB gehabt. Angestellte der Bauherrin würden den übernommenen Planungsleistungen nicht nahestehen. Weder die Schneeräumung noch die Installation einer Beleuchtung zähle zu den Pflichten eines Prüfingenieurs, der auch nicht in § 128 Abs 4 BO für Wien erwähnt sei. Eine ordnungsgemäße, für die Arbeit des Klägers gar nicht erforderliche Teilfertigstellungsanzeige habe seit vorgelegen, als die am von der Baubehörde verlangten Dokumente nachgereicht worden seien. Die Alarmierungssituation stehe in keinem Zusammenhang mit der Fertigstellungsanzeige und sei kein Thema der nachgeforderten Unterlagen gewesen. Die Besiedlung des Gebäudes sei zwar von den Beklagten geplant, nicht jedoch veranlasst worden. Zwischen dem Sturz des Klägers und allenfalls fehlendem Brandschutz, der gar nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehört habe, bestehe keinerlei Kausalität. Die Beklagten seien weder als Baustellenkoordinator bestellt gewesen noch hätten sie die Einhaltung von § 8 AschG zugesagt. Der Kläger sei nicht als Bauarbeiter, sondern als Sicherheitsbeauftragter tätig gewesen und falle deshalb nicht in den Schutzbereich des BauKG.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Ausgehend von den eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen verneinte es die Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB, weil es nicht um durch Einsturz oder Ablösen von Teilen eines Gebäudes oder Werks verursachte oder sich aus der Höhe und Dynamik eines Werks ergebende Schäden gehe. Im Unfallszeitpunkt habe eine Fertigstellungsanzeige bei der Baubehörde bereits bestanden. Die Einhaltung des § 128 Abs 4 BO für Wien sei den Beklagten vertraglich nicht überbunden worden. Diese seien nicht Baustellenkoordinatoren gewesen, sodass sich der Kläger nicht auf eine Verletzung der Pflicht nach § 5 BauKG berufen könne. Bei den Pflichten des Planungskoordinators gemäß § 4 Abs 2 BauKG handle es sich um die Pflichten, die in der bereits abgeschlossen gewesenen Vorbereitungsphase eines Bauprojekts einzuhalten gewesen seien; für die nach deren Abschluss eingetretenen Verletzungen sei daher daraus nichts zu gewinnen. Eine Übertragung der Arbeitnehmerschutzvorschriften iSd § 8 ASchG finde sich in § 4 des Generalplanervertrags nicht.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erstatteten Berufung Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Bei einer Bewertung im Zwischenbereich erklärte es den Rekurs für zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob sich der persönliche Schutzbereich des BauKG auch auf Dienstnehmer des Bauherrn erstrecke.

Es verwarf die Mängelrüge und bestätigte die Rechtsansichten des Erstgerichts, den Beklagten sei die Einhaltung des § 128 Abs 4 BO für Wien nicht überbunden worden, eine Teilfertigstellungsanzeige sei zum Zeitpunkt des Unfalls des Klägers bereits erstattet gewesen, die Beklagten seien nicht zu Baustellen-, sondern Planungskoordinatoren bestellt worden, den Beklagten seien die Arbeitnehmerschutzvorschriften iSd § 8 AschG nicht übertragen worden und § 1319 ABGB sei nicht anwendbar. Eine Veranlassung der „Besiedelung“ der Dienststelle des Klägers durch die Beklagten sei nicht festgestellt; eine solche Benützung entspreche auch nicht einem im Generalplanervertrag erwähnten Fortbetrieb bestehender Anlagenteile. Der gesetzliche Pflichtenkreis eines Prüfingenieurs gemäß der BO für Wien (§§ 125 Abs 2 und 127 Abs 3 leg cit) erstrecke sich auf nachträglich auftretende Abweichungen von den ursprünglich vorausgesetzten Gegebenheiten oder offensichtliche Fehler in den der Bauausführung zugrunde liegenden Unterlagen; derartige Abweichungen oder Fehler seien aber nicht festgestellt. Gefahren aus allfälligen Unterlassungen der Beklagten zur Alarmierungssituation im Brandschutzfall hätten sich beim Unfall des Klägers nicht verwirklicht.

Der Schutzzweck des BauKG liege zwar darin, Leben und Gesundheit von Arbeitnehmern verschiedener Unternehmen bei ihrer beruflichen Tätigkeit auf der Baustelle zu schützen; der Anwendungsbereich dieser Schutznorm iSd § 1311 ABGB erstrecke sich aber nach der Judikatur auch auf den Schutz solcher Personen, die wie der Kläger befugterweise in den Gefahrenbereich gelangen. Dem bestellten Planungskoordinator obliege die Durchführung der im § 4 BauKG genannten Aufgaben für die Vorbereitungsphase (die Berufung des Klägers auf § 5 BauKG schade nicht), die beim Unfall des Klägers bereits abgeschlossen gewesen sei; damals seien daher Baustellenbesuche von den Beklagten nicht durchzuführen gewesen. Im von den Beklagten als Planungskoordinatoren zu erstellenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (§ 4 Abs 2 Z 2 iVm § 7 Abs 4 BauKG) sei ua festzulegen, welches Unternehmen für das Herstellen gemeinsamer Einrichtungen und für die Durchführung der festgelegten Maßnahmen, die der Sicherheit und dem Schutz mehrerer Arbeitnehmer dienten, verantwortlich sei; insbesondere betreffe das etwa auch Verkehrswege und Zugänge. Die Beklagten hätten damit, falls sie nach den Kriterien des § 7 Abs 1 BauKG einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan auszuarbeiten hatten, darin konkrete Schutzmaßnahmen und -einrichtungen auch zur Verhinderung eines Sturzes durch Glatteisbildung auf den von den Arbeitnehmern zu betretenden Flächen (Räumen, Streuen) und/oder aufgrund von Dunkelheit (Beleuchtung) festzulegen gehabt. Daher sei es nicht schon wegen der Beendigung der Vorbereitungsphase ausgeschlossen, dass sich ein allfälliges Unterlassen der Berücksichtigung solcher Gefahren im Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan durch die Beklagten auch noch nach Beginn der Ausführungsphase iSd Kausalität für den Sturz des Klägers ausgewirkt habe. Die Beklagten hätten bisher dazu nicht Stellung genommen, sodass zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung das Ersturteil aufzuheben sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen, hilfsweise auf Zurückverweisung an die zweite, eventuell an die erste Instanz.

Der Kläger erstattete eine Rekursbeantwortung , in der er sowohl die Zulässigkeit des Rekurses als auch dessen Berechtigung bestreitet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig , weil die Auslegung des Klagevorbringens durch das Berufungsgericht korrekturbedürftig ist, und im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt .

1. Aus Anlass eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts hat der Oberste Gerichtshof nicht nur die aufgeworfene Rechtsfrage, sondern die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung zu überprüfen (RIS-Justiz RS0043903 [T1]; RS0043934) und gegebenenfalls in der Sache selbst zu erkennen.

2. Es ist daher Folgendes aufzugreifen: In einem vom Verhandlungsgrundsatz beherrschten Verfahren bestimmen die Parteien den Inhalt und die Auswirkungen ihrer Sachanträge und damit nicht nur, über welche Ansprüche sie ein Urteil des Gerichts begehren, sondern auch, aufgrund welcher Tatsachen die Entscheidung gefällt werden soll (RIS Justiz RS0037331). Allein das Vorbringen des Klägers ergibt das Substrat, aus dem die Berechtigung des Begehrens abzuleiten ist; andere Tatsachen dürfen vom Gericht nicht unterstellt werden (RIS-Justiz RS0037870; RS0037002; RS0037375). Die Auslegung des Prozessvorbringens einer Partei stellt dann keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar, wenn den Vorinstanzen dabei anders als hier keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0044273 [T47]; RS0042828 [T15]).

3. Das Berufungsgericht geht aufbauend auf seiner Rechtsansicht, der Kläger sei vom Schutzzweck des BauKG erfasst erkennbar davon aus, der Kläger habe den Beklagten als Rechtswidrigkeit vorgeworfen, sie hätten als Planungskoordinatoren keinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt oder zumindestens keinen, der konkrete Schutzmaßnahmen und -einrichtungen auch zur Verhinderung eines Sturzes durch Glatteisbildung auf den von den Arbeitnehmern zu betretenden Flächen (Räumen, Streuen) und/oder aufgrund von Dunkelheit (Beleuchtung) enthalte; die unrichtige Berufung auf § 5 BauKG in diesem Zusammenhang (anstelle auf § 4 BauKG) schade nicht (vgl Berufungsentscheidung Punkt 2.6.3. aE). Nur diese Auslegung des Klagevorbringens macht die für erforderlich angesehene Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit und dem Inhalt des von den Beklagten auszuarbeitenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans (§ 4 Abs 2 Z 2 BauKG) nachvollziehbar.

4. Ein solcher Vorwurf ist dem Klagevorbringen jedoch nicht zu entnehmen.

4.1. Das Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) setzt die Richtlinie 92/57/EWG des Rates vom über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz um. Ziel des BauKG ist nach seinem § 1 Abs 1, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auf Baustellen durch die Koordinierung bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauarbeiten zu gewährleisten.

Es unterscheidet in zeitlicher Hinsicht zwischen a) der Vorbereitungsphase vom Beginn der Planungsarbeiten bis zur Auftragsvergabe (§ 2 Abs 4 BauKG), b) der Ausführungsphase von der Auftragsvergabe bis zum Abschluss der Bauarbeiten (§ 2 Abs 5 BauKG) und c) der Phase späterer Arbeiten am Bauwerk (§ 8 Abs 1 BauKG), in die Nutzung, Wartung, Instandhaltung, Umbauarbeiten oder Abbruch fallen (§ 8 Abs 2 BauKG). In funktioneller Hinsicht erfolgt eine Unterscheidung dahin, dass der Bauherr einen Planungskoordinator zu Beginn der Planungsarbeiten für die Vorbereitungsphase und einen Baustellenkoordinator spätestens bei Auftragsvergabe für die Ausführungsphase zu bestellen hat (§ 3 Abs 1 und 4 BauKG). Nach § 2 Abs 6 BauKG ist der Planungskoordinator ausschließlich für die Vorbereitungsphase, der Baustellenkoordinator gemäß Abs 7 leg cit für die Ausführungsphase bestellt; eine über die Vorbereitungsphase hinausgehende Verpflichtung des Planungskoordinators besteht nicht (VwGH Ro 2014/02/0057; 2008/02/0072; 2007/02/0108).

4.2. Obwohl der Kläger im vorbereitenden Schriftsatz vom , ON 5, die Tätigkeit der Beklagten als Generalplaner außer Streit stellte (S 2) und dementsprechend auf die vertragliche Überbindung der Aufgabe des Planungskoordinators nach dem BauKG hinwies (S 14), macht er ihnen in der Folge (S 16) zum Vorwurf, sie „hatten gem. § 5 BauKG einen dem Baufortschritt angepassten Sicherheits-/Gesundheitsplan zu entwerfen und die daraus folgenden Kontrollpflichten vorzunehmen. Bei einer Baustelle dieses Ausmaßes sind üblicherweise zwei wöchentliche Baustellenbegehungen durchzuführen, bei einer derartigen Vorgangsweise hätten die beklagten Parteien in ihrer Funktion als Prüfingenieure nach der BO f. Wien, Sicherheits- und Gesundheitskoordinator und Baustellenkoordinator die bestehenden Mängel […] wahrnehmen müssen. Der Baustellenkoordinator haftet […] nicht nur deliktisch [...], sondern auch vertraglich […].“

Die Beklagten wiesen in ihren Einwendungen (im dem einvernehmlich zum Inhalt des Protokolls vom , ON 6, erklärten Aktenvermerk ./I) unmissverständlich darauf hin, dass sie nicht zu Baustellenkoordinatoren bestellt worden seien und deshalb auch nicht deren Pflichten wahrzunehmen gehabt hätten (./I S 5). Dennoch hielt der Kläger sein Vorbringen in erster Instanz unverändert aufrecht (S 4 zu ON 6) und wiederholte es sogar wortwörtlich in seiner Berufung (ON 8 S 8).

4.3. Schon dieses Beharren trotz eines Hinweises der Beklagten schließt eine Interpretation des klägerischen Vorbringens dahin aus, der Kläger habe sich bloß bei der Paragraphenbezeichnung versehentlich vergriffen (§ 5 [der die Aufgaben eines Baustellenkoordinators regelt] statt § 4 BauKG [dessen Abs 2 die Pflichten des Planungskoordinators festlegt]); abgesehen davon spricht er die Beklagten mehrfach ausdrücklich als Baustellenkoordinatoren an und legt ihnen die Verletzung deren Überwachungspflichten in der Ausführungsphase (arg „Baustellenbegehungen“) zur Last, sodass auch inhaltlich vom Vorwurf der Verletzung der im § 5 BauKG geregelten Pflichten des Baustellenkoordinators ausgegangen werden muss.

4.4. Der (unter bestimmten Voraussetzungen [§ 7 Abs 1 BauKG] schon in der Planungsphase zu erstellende) Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan wird vom Kläger nur im Zusammenhang mit den von ihm (irrig) angenommenen Überwachungspflichten der Beklagten während der Ausführungsphase erwähnt; eine unterlassene oder eine unvollständige, fehlerhafte Ausarbeitung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans durch die Beklagten wird hingegen an keiner Stelle der anspruchsbegründenden Behauptungen des Klägers als Fehler der Beklagten geltend gemacht; ebensowenig andere konkrete Planungsfehler.

4.5. Die Auslegung des Klagevorbringens im Widerspruch zu dessen unzweifelhaftem Inhalt bedeutet eine grob unzutreffende Interpretation durch das Berufungsgericht, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen ist.

Da richtig zu unterstellen ist, dass der Kläger den Beklagten zur Anspruchsgrundlage „BauKG“ (nur) die Verletzung der im § 5 BauKG geregelten Pflichten des Baustellenkoordinators zur Last legt, hatte sich das Berufungsgericht hier mit der Ausarbeitung und dem Inhalt eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans der Beklagten in der Vorbereitungsphase gar nicht auseinanderzusetzen; die darauf gegründete Aufhebung des Ersturteils erweist sich somit als unzutreffend.

4.6. Auf Basis der dargelegten Auslegung des Klagevorbringens ist dieses als unschlüssig anzusehen, weil bei zugestandener Bestellung (nur) zum Planungskoordinator der Vorwurf an die Beklagten, sie hätten den Baustellenkoordinator treffende Überwachungspflichten verletzt, nicht nachvollziehbar ist. Auch für den Standpunkt des Klägers, den Beklagten sei ein über die Verpflichtungen nach dem BauKG hinausgehender Arbeitnehmerschutz (nach § 8 AschG/bei [Fort-]Betrieb bestehender oder fertiger Anlageteile) iSv Überwachungspflichten, die auch die Beleuchtung und Räumung/Streuung des Eingangsbereichs erfassen, auch für den Kläger als Dienstnehmer der Bauherrin vertraglich überbunden worden, findet sich jedenfalls für den Zeitraum außerhalb der hier beim Unfall zweifellos bereits beendeten Vorbereitungsphase im festgestellten Inhalt des Generalplanervertrags keine Grundlage. Konkrete Planungsfehler der Beklagten macht der Kläger aber wie bereits dargelegt nicht geltend.

4.7. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs hat § 182a ZPO nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RIS-Justiz RS0122365). Dieser Fall liegt hier vor, weil der Kläger von den Beklagten schon in erster Instanz auf die Unschlüssigkeit hingewiesen wurde, die somit keinen Grund für eine Verfahrensergänzung darstellt.

4.8. Es erübrigt sich daher eine Beantwortung der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage ebenso wie eine Stellungnahme zu den weiteren Argumenten der Beklagten im Rekurs im Zusammenhang mit dem BauKG.

5. Die restlichen in der Berufung vom Kläger aufrecht erhaltenen Anspruchsgrundlagen wurden vom Berufungsgericht zutreffend verneint. Da der Kläger dazu in seiner Rekursbeantwortung nicht Stellung nimmt, reicht es, auf diese Ausführungen zu verweisen und kurz Folgendes zu ergänzen (§ 500a iVm § 513 ZPO).

5.1. Eine Veranlassung der „Besiedlung“ der Dienststelle durch die Beklagten wurde nicht festgestellt; der Kläger vermochte auch nicht, eine diese angebliche Befugnis der Beklagten tragende Rechtsgrundlage aufzuzeigen.

5.2. Den Beklagten wurde zwar die Durchführung der Fertigstellungsanzeige vertraglich auferlegt; die Einhaltung der (gesetzlich den Bauwerber und Eigentümer des Bauwerks treffenden) Verpflichtung, vor Erstattung der vollständig belegten Fertigstellungsanzeige das Bauwerk nicht zu benützen (§ 128 Abs 4 BO für Wien), wurde nach dem festgestellten Inhalt des Generalplanervertrags jedoch nicht übertragen. Eine grundsätzlich zulässige (vgl § 128 Abs 5 BO für Wien) Teilfertigstellungsanzeige für die provisorische Dienststelle des Klägers wurde aber nach dem bindend festgestellten Sachverhalt noch vor dem Unfall des Klägers vollständig belegt erstattet, sodass § 128 Abs 4 der BO für Wien der behaupteten Benützung des Bauwerks durch den Kläger beim Unfall nicht entgegenstand.

5.3. Die vom Berufungsgericht zutreffend dargestellten gesetzlichen Aufgaben eines Prüfingenieurs gemäß der BO für Wien erfassen den vom Kläger bemängelten Zustand des Eingangsbereichs zum Zeitpunkt des Unfalls nicht. Das gilt auch für die im Generalplanervertrag vereinbarten (zum Teil inhaltlich gleichen) Aufgaben während der Rohbau- und Ausführungsphase, auf die sich der Kläger ohnehin nicht berufen hat.

5.4. Die Verneinung der Anwendbarkeit des § 1319 ABGB ist nicht zu beanstanden, weil sich keine typischen Gefahren eines mangelhaften Gebäudes verwirklichten, die sich aus der Höhe oder Tiefe eines Werks oder dessen Statik und Dynamik ergeben ( Huber in Schwimann TaKom 2 § 1319 Rz 2 mwN; Danzl in KBB 4 § 1319 Rz 1 mwN). Das Entstehen von Glatteis im Eingangsbereich eines Gebäudes stellt nämlich keine derartige, mit dem Werk verbundene typische Gefahr dar (vgl 2 Ob 90/98v).

6. Zusammengefasst ist somit das Erstgericht zutreffend von der mangelnden Berechtigung des erhobenen Schadenersatzbegehrens ausgegangen, weshalb das Ersturteil einschließlich der unbekämpft gebliebenen Kostenentscheidung wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50 und 41 ZPO. Der ERV-Zuschlag für den Rekurs beträgt nur 1,80 EUR (1 Ob 111/14a).

7. Die Bekanntgabe der Beklagten vom , die sich inhaltlich als Ergänzung des Rekurses darstellt, war zurückzuweisen, weil sie gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verstößt (RIS Justiz RS0041666 ua).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00178.14V.1218.000