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OGH vom 27.05.1986, 2Ob526/86

OGH vom 27.05.1986, 2Ob526/86

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Marion K***, Kanzleileiterin, 1100 Wien,

Zur Spinnerin 53/7/13, 2. Randolf B***, Klimatechniker, 20093 Cologno Monzese, Via papa Giovanni XXIII/21/L/4/0, Italien, 3. Ralph B***, Offsetdrucker, 1100 Wien, Zur Spinnerin 29/2/11, alle vertreten durch Dr.Kurt Schneider, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hanna B***, Private, 1040 Wien Kolschitzkygasse 14-18/7/3, vertreten durch Dr.Walter Schuppich, Rechtsanwalt in Wien, wegen 970.258,80 S s.A. (Revisionsrekursinteresse je 248.318,89 S s.A.), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 11 R 7/85-11, womit infolge Rekurses der klagenden Parteien der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom , GZ 1 Cg 59/84-6, ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, den Klägern zu je einem Drittel die mit 20.153,06 S (darin 1.200 S Barauslagen und 1.723 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist die Witwe nach dem am verstorbenen österreichischen Staatsbürger Dkfm.Dr.Werner B***, die Kläger sind seine ehelichen Kinder aus einer Vorehe. Der Beklagten wurden auf Grund eines Testamentes der gesamte im Inland gelegene Nachlaß des Verstorbenen eingeantwortet.

Mit der vorliegenden Klage fordern die Kläger von der Beklagten die Bezahlung des Pflichtteils in Höhe von je 1/9-tel des Nachlasses, wobei sie sich gewisse Schenkungen anrechnen lassen. In die Bemessung des Pflichtteilsanspruches haben sie auch eine Liegenschaft des Verstorbenen in Spanien einbezogen, die umgerechnet 2,217.500 S wert sein soll.

Die Beklagte wendete hinsichtlich des ausländischen Vermögens die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und darüber hinaus den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit ein. Das Erstgericht wies die Klage, soweit sie hinsichtlich der drei Kläger den Betrag von je 248.318,89 S betrifft, zurück und hob die Kosten gegenseitig auf. Es meinte, daß die Pflichtteilsansprüche nur hinsichtlich jenes Nachlasses vor einem inländischen Gericht geltend gemacht werden könnten, der der österreichischen Jurisdiktion unterliege. Die Klage sei daher hinsichtlich des Betrages von je 248.318,89 S (rechnerisch richtig wäre 246.388,88 S), also jener Beträge, die den Klägern unter Zugrundelegung der Schätzung der spanischen Liegenschaften noch zustünden, zurückzuweisen. Infolge Rekurses der Kläger hob das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auch hinsichtlich 248.318,89 S s.A. für jeden Kläger unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund auf. Die Beklagte wurde mit ihrem Kostenrekurs auf diese Entscheidung verwiesen. Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 (§ 502 Abs 4 Z 1) ZPO für zulässig. Ob und inwiefern den Klägern auch Pflichtteile auch hinsichtlich des spanischen Liegenschaftsbesitzes zustehen, werde - unter Anwendung des verwiesenen Rechts und unter Berücksichtigung des von der ausländischen Abhandlungsbehörde verfügten rechtlichen Schicksals - bei der Ausmessung und Berechnung des Pflichtteils mitzuberücksichtigen sein, sodaß die Zurückweisung der Klage hinsichtlich je 248.318,89 S mangels inländischer Gerichtsbarkeit verfehlt gewesen sei.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts. Die Kläger beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§§ 528 Abs 2 iVm 502 Abs 4 Z 1 ZPO), er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht unter Berufung auf die Lehrmeinung von Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 geltend, daß der ausländische Spaltnachlaß bei Anwendung österreichischer Sachnormen außer Betracht zu bleiben und sein eigenes rechtliches Schicksal habe. Der Noterbe könne in diesem Fall nicht verlangen, daß sein Pflichtteil unter Einbeziehung des Wertes ausländischer Spaltnachlässe berechnet werde.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Wie das Rekursgericht zutreffend darlegte, ist - im gegenständlichen Fall eines Privatrechtsverhältnisses mit Auslandsbeziehung - gemäß § 28 IPRG die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu beurteilen. Nach dem Personalstatut des Erblassers richten sich auch die Fragen, welche Personen als Erben berufen sind, welche Erbteile ihnen zukommen und ob und in welcher Höhe ihnen ein Pflichtteil gebührt. Die Anknüpfung an das Personalstatut des Erblassers ist jedoch unter Einschluß von Rück- und Weiterverweisungen (§ 5 IPRG) zu verstehen. Regelt das IPRG des Personalstatuts des Erblassers verschiedene Teile des Nachlasses kollionsrechtlich verschieden ("Nachlaßspaltung"), ist gemäß § 5 Abs 2 IPRG auch dies vorbehaltlos zu befolgen. Das kann dazu führen, daß verschiedene Nachlaßteile letztlich verschiedenen Erbrechten unterliegen (Schwimann in Rummel II zu § 28 IPRG, Rdz 2). Gemäß § 32 IPRG ist der Erwerb und der Verlust dinglicher Rechte an körperlichen Sachen nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrundeliegenden Sachverhalts befinden. Gemäß § 32 IPRG ist der § 31 für dingliche Rechte an einer unbeweglichen Sache auch dann maßgebend, wenn diese Rechte in den Anwendungsbereich einer anderen inländischen Verweisungsnorm fallen. Daraus ergibt sich eine Verweisung der österreichischen Rechtsordnung hinsichtlich des Erbrechtes und damit auch hinsichtlich des Bestehens eines Pflichtteils an im Ausland gelegenen Liegenschaften auf das betreffende ausländische Recht.

Wie der Oberste Gerichtshof in der einen ähnlich gelagerten Fall betreffenden Entscheidung 3 Ob 603/81, teilweise veröffentlicht in EFSlg.40.989, ausgesprochen hat, erstreckt sich, wenn sich - wie auch im vorliegenden Fall - unbewegliches Nachlaßvermögen im Inland und im Ausland befindet, die Zuständigkeit der österreichischen Abhandlungspflege nur auf das in Österreich gelegene Vermögen. Vor dem österreichischen Gericht können in einem solchen Fall Pflichtteilsansprüche nicht hinsichtlich des gesamten Nachlasses, sondern nur hinsichtlich jenes Nachlaßteils, der der österreichischen Jurisdiktion unterliegt, geltend gemacht werden, während Pflichtteilsansprüche auf jenes Vermögen, das der österreichischen Verlassenschaftsabhandlung nicht unterliegt, vor dem für dieses Vermögen international zuständigen Gericht zu verfolgen sind (Köhler, Internationales Privatrecht 3 137, bei FN 57, die sich auf 3 Ob 237/57 bezieht = veröffentlicht in ÖHInt. 1958, 118).

Wenn aber infolge der so eintretenden Nachlaßspaltung auch verschiedene Teile des Nachlasses ein und derselben Person infolge der Verschiedenheit des darauf anzuwendenden Rechtes ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben können, weil die im Inland und die im Ausland abgeführte Nachlaßregulierung einander unabhängig gegenüberstehen und keine wechselseitigen Wirkungen äußern (EvBl 1974/188), so bedeutet dies doch nicht, daß das Schicksal des nicht in Österreich abzuhandelnden Nachlasses für die Berechnung eines den in Österreich abzuhandelnden Nachlaß betreffenden Pflichtteils unbeachtlich ist. Für die nach österreichischem Recht zu beurteilenden Fragen, wie der Pflichtteil den Noterben zu hinterlassen (§ 774 ABGB), wie er auszumessen und zu berechnen (§ 784 ABGB) und was auf ihn anzurechnen ist (§ 787 ABGB), muß auch der Wert der im Ausland gelegenen Liegenschaften und deren - wenn auch nach ausländischem Recht und von der ausländischen Abhandlungsbehörde verfügtes - rechtliches Schicksal berücksichtigt werden (vgl. SZ 24/237 und die Glosse von Hoyer zu 2 Ob 515/76 in ZfRV 1977, 296).

Der erkennende Senat sieht sich ungeachtet der gegenteiligen Lehrmeinung in Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 , 23 nicht veranlaßt, von der in der Entscheidung 3 Ob 603/81 dargelegten Rechtsauffassung abzugehen. Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, daß, da die beklagte Erbin ihren allgemeinen Gerichtsstand in Wien hat, die Kläger ihre Pflichtteilsansprüche, die Geldforderungen darstellen, vor dem zuständigen inländischen Gericht geltend machen können. Wie vom Rekursgericht angedeutet, wird bei der Berechnung der den Klägern zustehenden Pflichtteile auf das nach spanischem Recht, welches das Institut des Pflichtteils (Art. 806 ff CC) kennt, jedoch partikuläre Verschiedenheiten im Erbrecht enthält (Ferid-Firsching, Int. Erbrecht Spanien Grdz 1), von der spanischen Abhandlungsbehörde verfügte rechtliche Schicksal der in Spanien gelegenen Liegenschaft Bedacht zu nehmen sein. Damit hat die zweite Instanz aber ohne Rechtsirrtum das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit grundsätzlich auch hinsichtlich des in der Klage geltend gemachten Betrages von je 248.318,89 S bejaht und in diesem Umfang den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes aufgehoben. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 46 und 50 ZPO.