OGH vom 01.12.2005, 2Ob122/05p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei (nunmehr:) Verlassenschaft nach DI Dr. Herbert P*****, vertreten durch Bartl & Partner Rechtsanwalts-KEG in Graz, gegen die beklagte Partei Verein M*****, vertreten durch Dr. Gernot Schreckeneder, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen Feststellung (Streitwert EUR 5.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 495/04g-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom , GZ 2 C 685/04m-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf „Verlassenschaft nach DI Dr. Herbert P*****" berichtigt.
2. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Zu 1.: Die Klagevertreter teilten mit Schriftsatz vom dem Obersten Gerichtshof mit, dass der Kläger am verstorben sei. Sie beantragten, die Bezeichnung der klagenden Partei auf den ruhenden Nachlass richtig zu stellen. Die beklagte Partei erhob dagegen keinen Einwand. Die Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.
Zu 2.: Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ist die beklagte Partei ein Verein, der seinen Mitgliedern gegen eine Einmalzahlung und eine jährliche „Clubgebühr" Ferienwohnrechte in einem Appartementhotel anbietet (Time-Sharing). Der Verstorbene (in der Folge: Kläger) „kaufte" im Frühjahr 1990 von der beklagten Partei zwei Ferienwochen in einem bestimmten Appartement, das er im Jahr 1998 gegen einmalige Aufzahlung in ein größeres tauschte. Schon beim Vertragsabschluss im Jahr 1990 war für ihn ausschlaggebend, dass die beklagte Partei die Ferienwohnrechte mit dem Hinweis auf ein zu ihren Gunsten im Grundbuch einverleibtes Fruchtgenussrecht als „absolut sicher" präsentierte. Der beklagten Partei war bekannt, dass der Kläger den Vertrag „nur wegen der behaupteten grundbücherlichen Absicherung des Ferienwohnrechts in Form des Fruchtgenussrechts" abschloss. Aus den Statuten der beklagten Partei geht hervor, dass sie ihren Mitgliedern auf Dauer gesicherte Ferienwohnrechte im Appartementhotel verschaffe und sie deshalb ein grundbücherliches Fruchtgenussrecht an 113 Hotelzimmern und Appartements habe, welches sie ihren Mitgliedern zur Ausübung überlasse. Die mit dem „Kauf" der Ferienwohnrechte erworbene Mitgliedschaft des Klägers bei der beklagten Partei sollte auf immerwährende Zeit, „zumindest aber für 99 Jahre" gelten. Ein Kündigungsrecht sehen die Vereinsstatuten nicht vor. Am wurde das bis dahin vor dem besten Pfandrang einverleibte Fruchtgenussrecht der beklagten Partei im Grundbuch gelöscht. Nachdem der Kläger von der Löschung Kenntnis erlangt hatte, kündigte er das Vertragsverhältnis zur beklagten Partei mit Schreiben vom mit sofortiger Wirkung auf. Die beklagte Partei wies die Kündigung zurück.
Das Erstgericht gab dem auf die Feststellung, dass „das Dauerschuldverhältnis" zwischen den Streitteilen zum aufgelöst sei, gerichteten Klagebegehren mit einer Maßgabe statt.
Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Begründung des Zulassungsausspruches führte es aus, seinen grundsätzlichen Erwägungen komme über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu. Außerdem habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 71/141 den Austritt aus wichtigem Grund auch noch von der fehlenden Möglichkeit einer Veräußerung der Teilzeitnutzungsrechte zu marktgerechten Bedingungen abhängig gemacht, wobei der Auflösungsgrund damals allerdings in der Sphäre des Vereinsmitgliedes gelegen gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Aber auch in der Revision der beklagten Partei werden keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan.
Beim sogenannten Time-Sharing von Ferienwohnungen wird das Recht erworben, alljährlich für einen zuvor vereinbarten Zeitraum eine Ferienwohnung einer bestimmten oder einer gleichwertigen Anlage ausschließlich und uneingeschränkt zu nutzen. Dieses Ziel kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Die Hauptformen der Time-Sharing-Modelle basieren auf den Rechtsformen der AG, der GmbH und des Vereins. Bei der vereinsrechtlichen Konstruktion erwirbt der Verein ein dingliches Recht - gewöhnlich ein Fruchtgenussrecht - an den Ferienwohnungen, die den Vereinsmitgliedern jährlich für eine im Voraus bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt werden. Die Mitglieder zahlen einen einmaligen Betrag für den Erwerb der Mitgliedschaft und damit des Ferienwohnrechts. Daneben wird in der Regel jährlich ein bestimmter Betrag für die laufenden Erhaltungs- und Verwaltungskosten eingehoben (SZ 70/45; RdW 2000, 22; JBl 1999, 113; JBl 2001, 585; 7 Ob 171/02a; RIS-Justiz RS0110646; Villotti, Time-Sharing von Ferienwohnungen in Österreich, Wobl 1990, 149 [151]).
Im vorliegenden Fall wurde die Vereinsvariante gewählt und der beklagten Partei ein Fruchtgenussrecht eingeräumt. Der Fruchtnießer hat gemäß § 509 ABGB das dingliche Recht, eine fremde Sache ohne jede Einschränkung, aber unter Schonung der Substanz zu gebrauchen. Davon ist auch das Recht umfasst, die Sache in Bestand zu geben, sie also zu vermieten oder zu verpachten (SZ 60/28; JBl 1989, 242; JBl 2001, 585; 7 Ob 171/02a; RIS-Justiz RS0011877). Zudem ist anerkannt, dass der Fruchtnießer das dingliche Recht selbst „zumindest der Ausübung nach" (zuletzt 7 Ob 171/02a mwN; RIS-Justiz RS0011626), nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch der Substanz nach (EvBl 2004/13; vgl auch Koch in KBB, § 509 ABGB Rz 6) übertragen kann.
Ungeachtet der vereinsrechtlichen Konstruktion erwarb der Kläger durch die mit der beklagten Partei im Jahr 1990 abgeschlossene - hinsichtlich des Nutzungsobjektes später einvernehmlich geänderte - Vereinbarung nicht bloß Mitgliedsrechte an dem Verein, sondern auch Teilnutzungsrechte an einer bestimmten Ferienwohnung. Der zu beurteilende Vertrag ist somit rechtlich als gemischter Vertrag zu qualifizieren, der neben dem Beitritt zur beklagten Partei auch wesentliche andere Elemente enthält (JBl 1999, 113; RdW 2000, 22). Bei gemischten Verträgen ist für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende Vorschrift heranzuziehen; das ist nach der herrschenden Kombinationstheorie die Vorschrift jenes Vertragstyps, dem die einzelne Pflicht entstammt (JBl 1986, 648; JBl 1999, 113; RdW 2000, 22; 2 Ob 85/05x; RIS-Justiz RS0013941; Bollenberger in KBB, § 859 ABGB Rz 15). Für das Recht auf Kündigung des als Einheit aufzufassenden Vertrages kommt es auf die Hauptleistung, also den vorrangigen Vertragstyp an (RdW 2002, 84).
Das den Verbraucher in erster Linie interessierende Nutzungsrecht an der Ferienwohnung, das mit der Vereinsmitgliedschaft untrennbar verbunden ist (SZ 71/141; so auch § 6 der Vereinsstatuten) und - wie hier - durch Überlassung eines Fruchtgenussrechts (zur Ausübung) „verdinglicht" werden kann (RdW 2000, 22), ist nach seinem Inhalt ein befristetes Gebrauchsrecht an fremder Sache, also Miete (RdW 2002, 84; ZVR 2003/24; ebenso Niederberger, Time-Sharing im Verein, Wobl 1999, 123). Es liegt ein Dauerschuldverhältnis vor (SZ 71/141; JBl 2001, 585; RdW 2002, 84), das nach ständiger Rechtsprechung aus wichtigem Grund mit Wirkung ex nunc jederzeit einseitig aufgelöst werden kann (RIS-Justiz RS0018305, RS0018377, RS0027780, RS0018368, RS0018886). Vorausgesetzt ist hiefür, dass dem kündigenden Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist (RIS-Justiz RS0027780; Bollenberger aaO Rz 7). Genereller Maßstab für das Vorhandensein eines wichtigen Auflösungsgrundes sind Vertragsverletzungen, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt nach § 918 Abs 1 und § 920 erster Satz ABGB berechtigen, Verhaltensweisen, die nach den für bestimmte Dauerschuldverhältnisse normierten Beendigungstatbeständen eine fristlose Auflösung gestatten und Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zulassen, somit neben Vertragsverletzungen und dem dadurch bedingten Verlust des Vertrauens zum Vertragspartner solche erhebliche Änderungen der Verhältnisse, die eine weitere Aufrechterhaltung der vertraglichen Bindung unzumutbar erscheinen lassen (RdW 1999, 589 mwN; RIS-Justiz RS0018377 [T 12]). Die Berechtigung zur vorzeitigen Vertragsauflösung ist im Rahmen einer auf den Zeitpunkt der Auflösungserklärung bezogenen Gesamtbeurteilung und umfassenden Abwägung der Bestandsinteressen des einen Vertragspartners und des Auflösungsinteresses des anderen zu beurteilen. Gründe, mit denen schon beim Eingehen des Dauerschuldverhältnisses gerechnet werden musste, oder Veränderungen, die von den Vertragsparteien offensichtlich in Kauf genommen wurden, rechtfertigen dessen vorzeitige Auflösung jedenfalls nicht (SZ 71/141; RdW 1999, 589 ua). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien kann auch das Teilzeitnutzungsverhältnis an einer Immobilie als Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund jederzeit aufgelöst werden (RIS-Justiz RS0110645).
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang. Die Frage, ob ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und bildet - von einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0111817, RS0042834). Eine gravierende Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof wahrgenommen werden müsste, ist dem Berufungsgericht aber nicht unterlaufen. Seine Rechtsansicht, die - für den Kläger nicht vorhersehbare und ausschließlich der Sphäre der beklagten Partei zuzurechnende - Löschung des Fruchtgenussrechtes der beklagten Partei habe den Wegfall einer von den Streitteilen iSd § 901 ABGB zur Bedingung (demnach zur Geschäftsgrundlage) erhobenen grundbücherlichen Absicherung der Ferienwohnrechte des Klägers und damit deren „Entwertung" bewirkt, weshalb der Kläger zur Auflösung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt gewesen sei, hält sich im Rahmen des im Einzelfall verbleibenden Beurteilungsspielraumes.
War dem Kläger aber schon auf Grund der vertrags- und statutenwidrigen Löschung des Fruchtgenussrechts, welches ihm (teilweise) zur Ausübung überlassen worden war, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar, erübrigen sich die in der Revision angestellten Erwägungen zu der Frage, ob und welche Nachteile er bei Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu erwarten gehabt hätte.
Zu Recht bleibt in der Revision schließlich ungerügt, dass das Berufungsgericht die Anwendbarkeit des Teilzeitnutzungsgesetzes, BGBl I 1997/32, auf das beurteilte Vertragsverhältnis mangels Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich offen ließ.
Auf die weitere vom Berufungsgericht als erheblich erachtete und verneinte Rechtsfrage, ob die Übertragbarkeit der Teilzeitnutzungsrechte auch unter den hier vorgelegenen Voraussetzungen einer Auflösung aus wichtigem Grund entgegenstehen könnte (SZ 71/141; 2 Ob 199/00d), geht die Revision nicht ein. Selbst wenn das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berufung insoweit zu Recht ausgesprochen hätte, ist diese nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dennoch nicht gegeben, wenn im Rechtsmittel nur solche Rechtsfragen geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängig ist (RIS-Justiz RS0102059).
Dies trifft auf die Revision der beklagten Partei zu.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.