OGH vom 22.10.2013, 4Ob157/13m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI M***** R*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johannes Bügler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 27.500 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 37.500 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 34/13a 36, mit welchem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 23 Cg 8/11v 32, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird im Ausspruch über das Feststellungsbegehren zur Gänze und im Ausspruch über das Zahlungsbegehren in einem Teilbetrag von 7.500 EUR samt Zinsen aufgehoben, und es wird insofern in der Sache mit Teilurteil dahin erkannt, dass die Entscheidung lautet:
„Die Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 7.500 EUR samt 4 % Zinsen ab Zustellung der Klage zu zahlen, und es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für jenen künftigen Schaden am Luftfahrzeug Cessna F152 mit dem Kennzeichen OE-CMY hafte, den die klagende Partei durch die Unterlassung von Wartungs- und Konservierungsarbeiten an diesem Luftfahrzeug erleide, werden abgewiesen.“
Die Entscheidung über die auf diesen Teil des Streitgegenstands entfallenden Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Im Übrigen, also im Ausspruch über ein Zahlungsbegehren von 20.000 EUR samt Zinsen, wird der Aufhebungsbeschluss bestätigt.
Die auf diesen Teil des Streitgegenstands entfallenden Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer eines Flugzeugs, das er vertraglich einem (inzwischen aufgelösten) Verein zur Nutzung überlassen hatte. Die beklagte Gesellschaft leitet den Betrieb eines Flugplatzes in Niederösterreich, auf dem das Flugzeug abgestellt war. Die Wartung von Flugzeugen führt die Beklagte nicht durch.
In einem gegen den Verein geführten Exekutionsverfahren wurde das Flugzeug am gepfändet. Da der betreibende Gläubiger auch die Verwahrung beantragt hatte, „bestellte“ der Vollstrecker bei Vornahme der Pfändung die Beklagte „zum gerichtlichen Verwahrer“. Das Exekutionsgericht ordnete mit Beschluss vom „nachträglich“ die Verwahrung und die Bestellung der Beklagten zum Verwahrer an. Die Verwahrung war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz aufrecht. Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Beklagte zur Wartung und Konservierung des Flugzeugs verpflichtet war.
Werden Flugzeuge auf längere Zeit abgestellt, müssen sie zur Erhaltung der Flugtauglichkeit gewartet und konserviert werden. Die erforderlichen Maßnahmen darf nur setzen, wer über eine entsprechende Befugnis verfügt; die Beklagte hat diese Befugnis nicht. Auch beim Flugzeug des Klägers wären bestimmte Maßnahmen erforderlich gewesen, die von den Vorinstanzen im Einzelnen festgestellt wurden. Bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz hätten sie 5.000 EUR gekostet. Nach einer ordnungsgemäßen Wartung und Konservierung hätten die Kosten der Wiederinbetriebnahme 3.500 EUR betragen.
Die Beklagte stellte das Flugzeug in einem Hangar des von ihr betriebenen Flugplatzes ab. Ihre Verantwortlichen mussten annehmen, dass es zu einer längeren Verwahrung kommen würde. Sie wussten auch, dass Wartungs- und Konservierungsmaßnahmen erforderlich waren. Dennoch veranlassten sie keine solchen Maßnahmen, weil sie glaubten, dazu nicht verpflichtet zu sein. Auf eine diesbezügliche Anfrage des Klägers reagierte der Geschäftsführer der Beklagten nicht. Die Beklagte war nicht bereit, den Kläger Wartungsmaßnahmen durchführen zu lassen.
Das Unterbleiben der Maßnahmen führte zu einem Schaden am Motor, dessen Behebung 24.000 EUR kosten wird. Weiters ist deswegen eine Inspektion (gemeint: der anderen Teile des Flugzeugs) notwendig, deren Kosten 3.500 EUR betragen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von 27.500 EUR samt Zinsen sowie die Feststellung von deren Haftung für zukünftige Schäden. Die Beklagte sei als Verwahrer (§ 968 ABGB) auch gegenüber dem Kläger als Eigentümer des Flugzeugs verpflichtet gewesen, alle wirtschaftlich vertretbaren Maßnahmen durchzuführen, um die Flugtauglichkeit zu erhalten. Das bloße Einstellen im Hangar habe nicht ausgereicht. Durch die unterbliebene Wartung sei eine Überholung des Motors erforderlich, die 24.000 EUR koste; zudem müssten weitere Überprüfungen um 3.500 EUR vorgenommen werden. Beides führt zu keiner Werterhöhung. Dabei handle es sich jeweils um Nettobeträge. Rechtsgrundlage des Anspruchs sei ein Vertrag zwischen der Beklagten und dem Verein mit Schutzwirkung auch zugunsten des Klägers. Allfällige Ansprüche gegen den Verein könne der Kläger wegen dessen Auflösung nicht mehr geltend machen. Da die Verwahrung noch andauere, seien weitere Schäden zu erwarten, für die die Beklagte ebenfalls hafte. Daher bestehe ein rechtliches Interesse am Feststellungsbegehren.
Die Beklagte wendet ein, sie sei als vom Gericht bestellter Verwahrer nur verpflichtet gewesen, das Flugzeug vor Witterungseinflüssen und Beschädigungen durch Dritte zu schützen. Die Wartung und Konservierung des Flugzeugs habe nicht zu ihren Aufgaben gehört. Zudem sei das Flugzeug schon am Beginn der Verwahrung in einem schlechten Zustand gewesen und habe höchstens einen Wert von 5.000 EUR gehabt. Die Überholung des Motors und die Inspektion seien ohnehin notwendig gewesen und würden zu einer beträchtlichen Werterhöhung führen. Den im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwand, der Kläger sei gar nicht Eigentümer des Flugzeugs, hält sie im Rekursverfahren nicht mehr aufrecht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte über den eingangs genannten Sachverhalt hinaus fest, dass das Flugzeug vor Beginn der Verwahrung regelmäßig gewartet worden sei und einen Marktwert von 20.000 EUR gehabt habe. Der im Exekutionsverfahren bestellte Verwahrer sei Sequester iSv § 968 ZPO. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe ein (fiktiver) Verwahrungsvertrag zwischen dem Verpflichteten und dem Verwahrer. Auf der Grundlage dieses Vertrages sei die Beklagte verpflichtet gewesen, auch positive Handlungen zur Erhaltung der Sache zu tätigen. Dazu habe im vorliegenden Fall die Wartung und Konservierung des Flugzeugs gehört. Den durch die Unterlassung verursachten Schaden müsse sie ersetzen. Da noch ungewiss sei, wann der Kläger wieder über das Flugzeug verfügen könne, habe er auch ein Interesse an der begehrten Feststellung.
Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs ließ es zu.
Der Ersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung eines Verwahrungsvertrags stehe zwar an sich auch dann dem Hinterleger zu, wenn er nicht Eigentümer der Sache sei. Anderes gelte jedoch dann, wenn sich die Schutzwirkungen des Vertrags auch auf den Eigentümer erstreckten. Das sei hier der Fall. Aufgrund der gerichtlich angeordneten Verwahrung sei ein Verwahrungsvertrag zwischen dem Verpflichtetem und dem Verwahrer zu fingieren. Dieser Vertrag schütze auch den Kläger als Eigentümer des Flugzeugs. Zwar sei ein Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dann ausgeschlossen, wenn der Geschädigte kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem
Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger als Erfüllungsgehilfen beigezogen habe, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz habe. Das treffe hier aber nicht zu, weil der Kläger einen allfälligen Schadenersatzanspruch gegen den im Exekutionsverfahren verpflichteten Verein wegen dessen Auflösung nicht durchsetzen könne. Zu den Pflichten des Verwahrers gehörten alle Maßnahmen, die erforderlich seien, um die Sache zu erhalten und ihre Verschlechterung zu verhindern. Dieser Sorgfaltsmaßstab gelte auch bei einer öffentlich-rechtlichen Bestellung zum Verwahrer. Lediglich unwirtschaftliche Maßnahmen müsse der Verwahrer nicht ergreifen. Sei er dazu nicht in der Lage, müsse er den Hinterleger warnen, der dann - jedenfalls bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung - für eine anderweitige Verwahrung zu sorgen habe. Die Beklagte sei daher grundsätzlich zur Wartung und Konservierung verpflichtet gewesen. Wenn sie dazu nicht befugt gewesen sei, habe sie einen Gehilfen beiziehen oder das Exekutionsgericht informieren müssen. Beides habe sie unterlassen. Allerdings habe das Erstgericht keine Feststellungen zur Frage getroffen, ob die erforderlichen Wartungsarbeiten aus wirtschaftlicher Sicht zumutbar gewesen seien. Das hänge vom Wert des Flugzeugs bei Beginn der Verwahrung ab. Dass dieser Wert 20.000 EUR betragen habe, habe die Beklagte in der Berufung bekämpft. Da das Erstgericht diese Wertannahme nicht begründet habe, liege insofern ein Verfahrensmangel vor, der zur Aufhebung des Urteils führe. Dem Urteil könne auch nicht entnommen werden, auf welcher Grundlage der Zuspruch von 3.500 EUR erfolgt sei, der sich nach den Feststellungen mit den Kosten der Wiederinbetriebnahme nach ordnungsgemäßer Wartung und Konservierung decke. Das werde in der neuen Entscheidung klarzustellen sein. Das Feststellungsinteresse sei grundsätzlich zu bejahen, weil das Flugzeug noch immer ohne Konservierungsmaßnahmen abgestellt sei. Damit könne der Schaden noch nicht endgültig festgestellt werden.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob und auf welcher Grundlage der dritte Eigentümer einer gepfändeten Sache Ansprüche gegen den Verwahrer geltend machen könne, wenn der Verpflichtete, dem er die Sache vertraglich überlassen hatte, mittlerweile nicht mehr existiere.
Mit ihrem Rekurs strebt die Beklagte die Abweisung des Klagebegehrens an. Der Kläger habe einen deckungsgleichen Anspruch gegen den im Exekutionsverfahren verpflichteten Verein, was einen Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausschließe. Die Auflösung des Vereins sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Deliktische Handlungspflichten bestünden von vornherein nicht, auch aufgrund der Bestellung zum Verwahrer sei die Beklagte nicht zur Wartung und Konservierung des Flugzeugs verpflichtet gewesen. Da die festgestellten Reparaturkosten den von den Vorinstanzen angenommenen Wert des Flugzeugs um 37,5 % überstiegen, liege ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Der Kläger habe daher, wenn überhaupt, nur Anspruch auf Ersatz des gemeinen Werts, das darüber hinausgehende Zahlungs- und das Feststellungsbegehren sei jedenfalls abzuweisen.
Der Kläger hält dem in der Rekursbeantwortung entgegen, dass ein Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bestehe, die Beklagte darin begründete Pflichten verletzt habe und die Reparaturkosten auch bei Überschreitung des Zeitwerts vertretbar seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig , weil jüngere Rechtsprechung zur Rechtsstellung eines nach § 259 EO bestellten Verwahrers fehlt; er ist, wenngleich aus anderen Gründen, teilweise berechtigt .
1. Die Bestellung zum Verwahrer nach § 259 EO begründet Schutzpflichten gegenüber dem Eigentümer der gepfändeten Sache.
1.1. Die Beklagte wurde nach § 259 Abs 3 EO zum Verwahrer des gepfändeten Flugzeugs bestellt. Ihre Pflichten sind daher gem § 968 ABGB nach den Grundsätzen des Verwahrungsvertrags zu beurteilen (1 Ob 9/84 = SZ 57/83; RIS-Justiz RS0003712). Nach der Rechtsprechung besteht ein „fingiertes“ Vertragsverhältnis, aus dem persönliche Pflichten des Verwahrers abzuleiten sind (1 Ob 9/84 = SZ 57/83 mwN; 9 Ob 2169/96b = SZ 69/245; 1 Ob 186/97b = NZ 1999, 218).
1.2. Nach § 259 Abs 3 EO wird der Verwahrer in der Fahrnisexekution auf Gefahr des betreibenden Gläubigers bestellt; dieser hat nach § 259 Abs 4 EO „einstweilen“ also, außer bei Einstellung des Verfahrens, bis zur Berichtigung aus dem Meistbot ( Mohr in Angst 2 § 259 Rz 25) auch die Kosten der Verwahrung zu tragen. Daraus ist abzuleiten, dass das fingierte Vertragsverhältnis hier mit dem betreibenden Gläubiger zustande kommt (OGH Nr 14.966 = GlUNF 4001; vgl auch Heller / Berger / Stix , Kommentar zur Exekutionsordnung 4 II 1729 [„Rechtsbeziehung zwischen der betreibenden Partei und dem Verwahrer“]). Das entspricht den Interessen der Beteiligten: Die Verwahrung erfolgt in der Fahrnisexekution, um die bevorstehende Verwertung zur Tilgung der betriebenen Forderung zu sichern. Eine Verschlechterung der Sache trifft daher in erster Linie den betreibenden Gläubiger, dessen dingliches Recht dadurch entwertet wird. Damit unterscheidet sich diese Verwahrung von der jener wegzuschaffender Sachen nach einer zwangsweisen Räumung (§ 349 Abs 2 EO). Diese erfolgt nur dann, wenn bei der Räumung keine zur Übernahme befugte Person anwesend ist; sie liegt ausschließlich im Interesse des Verpflichteten.
1.3. Die in § 968 ABGB angeordnete Anwendung der Regeln des Verwahrungsvertrags bedeutet auf dieser Grundlage, dass der Verwahrer in der Fahrnisexekution aufgrund eines fingierten Vertragsverhältnisses jedenfalls dem Betreibenden, in der Räumungsexekution hingegen jedenfalls dem Verpflichteten haftet. Denn diese Personen sind die (primär) Berechtigten aus dem jeweils fingierten Vertrag. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Verwahrer „unmittelbar dem Verpflichteten“ haftet, hat sich folgerichtig in Fällen des § 349 Abs 2 EO entwickelt (vgl etwa Ob II 569/27 = SZ 9/253; 3 Ob 400/54 = SZ 27/264; 1 Ob 9/84 = SZ 57/83; 9 Ob 2169/96b = SZ 69/245). Für die Verwahrung im Interesse des Gläubigers kann sie nicht unmittelbar übernommen werden.
1.4. Ungeachtet dessen wird in der Lehre angenommen, dass ein nach § 259 EO bestellter Verwahrer auch gegenüber dem „Verpflichteten“ ( Heller / Berger / Stix aaO 1729) oder dem „Eigentümer“ der verwahrten Sache ( Mohr in Angst 2 § 259 Rz 15; Gschnitzer in Klang 2 IV/1 657) haftet; gelegentlich wird auch auf eine Differenzierung zwischen der Verwahrung nach § 259 EO und nach § 349 EO verzichtet und eine generelle Haftung jedes im Exekutionsverfahren bestellten Verwahrers gegenüber dem „Verpflichteten“ angenommen ( Karner in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.01 § 968 Rz 2; Griss in KBB 3 § 968 Rz 2). Alle genannten Autoren dürften dabei vom Regelfall ausgehen, dass der Verpflichtete zugleich Eigentümer der verwahrten Sachen ist; das hier zu beurteilende Dritteigentum erörtern sie nicht. Auch der Oberste Gerichtshof bejahte in einer frühen Entscheidung ein „direktes Klagerecht“ des Gegners der gefährdeten Partei gegen einen nach § 259 iVm § 382 Abs 1 Z 1 EO bestellten Verwahrer, wobei er zur Begründung auf die Generalklausel des § 1295 ABGB verwies (Ob III 118/25 = SZ 7/54). Die Frage des Dritteigentums stellte sich auch dort nicht.
1.5. Nach Auffassung des Senats ist ein nach § 259 EO bestellter Verwahrer auch gegenüber dem dritten dh nicht am Exekutionsverfahren beteiligten Eigentümer der gepfändeten Sachen zur sorgfältigen Verwahrung verpflichtet.
(a) Die in § 968 ABGB angeordnete Anwendung der Grundsätze des Verwahrungsvertrags deckt zunächst nur die Annahme einer Haftung gegenüber dem (fiktiven) Auftraggeber, also dem betreibenden Gläubiger. Denn auch bei einem privatautonom geschlossenen Verwahrungsvertrag ist Berechtigter zunächst der Hinterleger als Vertragspartner. Anderes ist jedoch dann anzunehmen, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliegt ( Binder in Schwimann 3 § 964 Rz 15; Schubert in Rummel 3 § 964 Rz 1; Griss in KBB 3 § 964 Rz 4; Koziol , Haftpflichtrecht I 3 Rz 13/15; vgl auch 2 Ob 101/99p). Das trifft nach allgemeinen Grundsätzen zu, wenn dritte Personen durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören (2 Ob 226/05g; Karner in KBB³ § 1295 Rz 19). Begünstigte Personen in diesem Sinne sind Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluss vorhersehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte, an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (2 Ob 210/10m mwN; RIS-Justiz RS0034594; grundlegend F. Bydlinski , Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 359 [363]).
(b) Diese Grundsätze können im vorliegenden Fall als Ausgangspunkt für die weiteren Erwägungen dienen. Ist der Verpflichtete zugleich Eigentümer, wirkt sich eine vom Verwahrer verursachte Verschlechterung der Sache jedenfalls auch auf ihn aus: Wird versteigert, ist der Erlös und damit die Tilgung geringer; wird eingestellt, erhält er eine geringerwertige Sache zurück. Dieser Umstand ist für den Verwahrer vorhersehbar. Weiters gehört der Verpflichtete bei wertender Betrachtung zur Interessensphäre des Gläubigers. Denn dieser hat durch die Veranlassung der Verwahrung die Gefahr einer dadurch verursachten Verschlechterung der Sachen verursacht; redlicherweise muss ihm daher daran gelegen sein, dass sich diese Gefahr nicht verwirklicht. An der in der Lehre auch für die Verwahrung nach § 259 EO einhellig bejahten Haftung des Verwahrers auch gegenüber dem Verpflichteten besteht daher nach Auffassung des Senats kein Zweifel.
(c) Nichts anderes gilt aber im Fall von Dritteigentum. Denn für den Verwahrer ist erkennbar, dass eine Verletzung von Obhutspflichten zu einem Schaden nicht nur des betreibenden Gläubigers, sondern auch des jeweiligen Eigentümers der Sachen führen kann. Dabei ist es für ihn unerheblich, um wen es sich beim Eigentümer handelt und ob dieser auch Verpflichteter des Exekutionsverfahrens ist. Umgekehrt muss der betreibende Gläubiger immer mit der Möglichkeit von Dritteigentum rechnen. Auch der dritte Eigentümer, dessen Gefährdung der Gläubiger durch die Veranlassung der Verwahrung verursacht, ist daher grundsätzlich seiner Interessensphäre zuzurechnen. Die Wertungen, die der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zugrunde liegen, sprechen daher auch im vorliegenden Fall für eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger.
(d) Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung ein schutzwürdiges Interesse des Dritten zu verneinen, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat. (1 Ob 601/92 = EvBl 1993/119; RIS-Justiz RS0022814; zuletzt etwa 2 Ob 4/13x). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil der Kläger in keiner Vertragsbeziehung mit dem betreibenden Gläubiger des Exekutionsverfahrens steht. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass auch dieser ihm haftet (Verwahrung „auf Gefahr“ des betreibenden Gläubigers; vgl Binder in Schwimann 3 § 968 Rz 23; Gschnitzer in Klang 2 IV/1 657; Heller / Berger / Stix , Kommentar zur Exekutionsordnung 4 II 1728). Eine vertragliche Sonderbeziehung zwischen dem betreibenden Gläubiger und einem dritten Eigentümer der gepfändeten Sachen besteht jedoch nicht. Insbesondere hat Letzterer den betreibenden Gläubiger, anders als einen Vertragspartner, nicht ausgewählt, sodass es nicht angebracht ist, ihm durch Verneinung des unmittelbaren Anspruchs gegen den Verwahrer das Risiko von dessen Insolvenz aufzuerlegen. Ein allfälliger Anspruch gegen den betreibenden Gläubiger steht einem Anspruch gegen den Verwahrer daher nicht entgegen. Hingegen kommt es auf die vom Berufungsgericht und im Rekurs erörterte Frage, ob der Vertrag des Klägers mit dem inzwischen aufgelösten Verein (dh dem Verpflichteten des Exekutionsverfahrens) einen Anspruch gegen die Beklagte ausschlösse, nicht an, weil das fingierte Vertragsverhältnis nach dem oben Gesagten zwischen der Beklagten und dem betreibenden Gläubiger bestand.
(e) An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn man die Annahme eines fingierten Vertrags hier zugunsten Dritter als „seltsame Fiktion“ ablehnt (vgl Oberhammer , „Änderung der Abgabestelle“ durch Delogierung und Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch, wobl 1994, 18 [bei FN 19]). Denn unabhängig von der dogmatischen Konstruktion kann dem in § 968 ABGB enthaltenen Verweis auf die Regelungen des Verwahrungsvertrags der Rechtsgedanke entnommen werden, dass der gerichtlich bestellte Verwahrer für die Verletzung seiner nach diesen Bestimmungen zu konkretisierenden Pflichten haften soll. Sieht man darin die Anordnung einer nicht von einem „fingierten“ Vertrag abhängigen Haftung, ist nicht erkennbar, weshalb der Eigentümer der verwahrten Sachen - als der neben dem betreibenden Gläubiger typischerweise Geschädigte - nicht vom Schutzzweck der Bestimmung erfasst sein sollte. Ob der Eigentümer in diesem Fall auch der Verpflichtete des Exekutionsverfahrens ist oder nicht, begründet auch bei dieser Sichtweise keinen tragfähigen Unterschied.
2. Die Beklagte war im konkreten Fall zur Wartung des Flugzeugs verpflichtet.
2.1. Die Obsorge im Sinne des § 957 ABGB umfasst nicht nur die passive Verwahrung, sondern auch die Verpflichtung zu positiven Handlungen, sofern diese nach der Natur der anvertrauten Sache zu ihrer Erhaltung bzw zur Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich sind (7 Ob 103/74 = JBl 1974, 622; RIS-Justiz
RS0019366 [T1]; zuletzt etwa 8 Ob 35/04m = ZVR 2005, 202). Davon sind grundsätzlich auch regelmäßig zu erbringende Handlungen erfasst (OGH Nr 1.959 = GlUNF 928; 7 Ob 103/74 = JBl 1974, 622).
2.2. Richtig ist, dass die in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen mehrheitlich nicht die Wartung der verwahrten Sache, sondern (aktive) Maßnahmen zur Verhinderung eines Diebstahls (3 Ob 594/83 = SZ 56/143; 2 Ob 540/84; 2 Ob 101/99p; 3 Ob 274/98k; 8 Ob 35/04m = ZVR 2005, 202) oder einer Beschädigung durch Dritte oder Witterungseinflüsse (1 Ob 2083/96x = ZVR 1997, 249; 6 Ob 249/03s = ZVR 2005, 17) betrafen. Es ist jedoch unstrittig, dass der Vertrag über die Verwahrung von Tieren auch deren Verpflegung und Versorgung erfasst (OGH Nr. 13.422 = GlUNF 3952; 8 Ob 517/94 = EvBl 1995/8; 6 Ob 72/08v = Zak 2008, 355). Weiters hat der Oberste Gerichtshof schon in einer frühen Entscheidung (Ob III 118/25 = SZ 7/54) angenommen, dass zu den Pflichten des Verwahrers grundsätzlich auch das „Ölen“ von verwahrten Maschinen gehöre, um deren „Verharzen“ zu verhindern. Er hat die Haftung dort nur deshalb vereint, weil der Verwahrer im konkreten Fall aufgrund seiner Erfahrungen als „Automobilist“ annehmen durfte, dass auch bei längerem Stillstand keine besonderen Maßnahmen notwendig seien, keine Übernahmefahrlässigkeit vorlag und der Kläger auch sonst kein ausreichendes Vorbringen zu einem Verschulden erstattet hatte. Zu den Pflichten des Verwahrers gehört daher auch eine nach den Umständen des Einzelfalls erforderliche Wartung.
2.3. Auf dieser Grundlage besteht kein Zweifel, dass die Beklagte im konkreten Fall verpflichtet war, für eine fachgerechte Wartung (Konservierung) des Flugzeugs zu sorgen. Erforderlichenfalls hatte sie dafür einem befugten Unternehmen einen Auftrag zu erteilen gehabt. Da ihr der betreibende Gläubiger nach § 259 Abs 4 EO auch die dabei anfallenden Kosten zu ersetzen hatte, war ihr dies auch ohne weiteres zumutbar. Mangelndes Verschulden kann die Beklagte nicht einwenden, da ihr die erforderlichen Maßnahmen als Flughafenbetreiberin und Halterin mehrerer Flugzeuge bekannt waren; zudem hatte sie der Kläger darauf hingewiesen.
2.4. Wegen der Pflicht des betreibenden Gläubigers, die Kosten der Verwahrung zu tragen, kam es im konkreten Fall für die Pflichten der Beklagten auch nicht auf die durch einen Vergleich von Wert des Flugzeugs und erforderlichem Aufwand zu ermittelnde wirtschaftliche Zumutbarkeit der Maßnahmen an. Zwar wird die Beklagte nach den in § 968 ABGB für anwendbar erklärten Grundsätzen des Verwahrungsvertrags verpflichtet gewesen sein, den betreibenden Gläubiger oder das Exekutionsgericht auf Verwahrkosten aufmerksam zu machen, die den Wert des Flugzeugs übersteigen. Dies hätte den Gläubiger zum Verzicht auf die weitere Verwahrung veranlassen können; sonst wäre die Exekution nach § 39 Abs 1 Z 8 EO einzustellen gewesen. Beides hätte einen Schaden verhindert. Nicht zulässig war es demgegenüber, die Entwertung des Flugzeugs durch Unterbleiben der notwendigen Maßnahmen sehenden Auges hinzunehmen.
3. Die Beklagte haftet daher dem Grunde nach für den Schaden des Klägers. Zutreffend weist sie aber im Rekurs darauf hin, dass nach den vom Kläger nicht bekämpften Feststellungen der Vorinstanzen ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt.
3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht dem Geschädigten der Ersatz der Reparaturkosten nur dann zu, wenn die Reparatur möglich und wirtschaftlich („tunlich") ist (RIS-Justiz RS0030285). Untunlichkeit liegt vor, wenn die Reparatur erheblich höhere Kosten verursachte, als der Wert der betroffenen Sache vor der Beschädigung ausmachte (RIS-Justiz RS0030487 [T2]; vgl auch RS0030534, RS0030559). Maßgebend sind dabei Kosten der Wiederbeschaffung (1 Ob 54/03b = JBl 2004, 657; 2 Ob 162/06x = ecolex 2007/212; Hinteregger in Kletečka / Schauer , ABGB-ON 1.01 § 1323 Rz 12 mwN). Eine starre Grenze, um wie viel die Reparaturkosten höher sein dürfen als der Wert, besteht nicht (8 Ob 197/76 = ZVR 1977, 210; RIS-Justiz RS0030487 [T6]). Überschreitungen bis 10 % werden regelmäßig toleriert ( Danzl in KBB 3 § 1323 Rz 7 mwN; vgl zuletzt etwa 2 Ob 162/06x = EvBl 2007/108 [9,4 %]); solche von mehr als 20 % nicht (2 Ob 190/79; 2 Ob 117/83).
3.2. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht den „Marktwert“ des Flugzeugs vor Beginn der Verwahrung mit 20.000 EUR festgestellt. Dabei handelt es sich, wie sich aus den zugrunde liegenden Ausführungen des Sachverständigen ergibt, um den Wiederbeschaffungswert. Um diesen Preis wäre also ein entsprechendes Gebrauchtflugzeug auf dem Markt zu erhalten gewesen. Der Kläger hat diesen Wert nicht bestritten, die Beklagte hat mit Beweisrüge einen deutlich geringeren Wert (5.000 EUR) geltend gemacht. Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass der Wert jedenfalls nicht über 20.000 EUR lag. Die vom Erstgericht festgestellten Kosten der Schadensbehebung (Motor, Inspektion der übrigen Teile) liegen mit 27.500 EUR mehr als ein Drittel darüber. Nach den dargestellten Grundsätzen ist daher ein (wirtschaftlicher) Totalschaden anzunehmen.
3.3. Zu ersetzen ist daher nach § 1332 ABGB nur die von der Beklagten verursachte Wertminderung, also die Differenz zwischen dem Wert vor Beginn der Verwahrung und dem derzeitigen Wert als dem „Wrackwert“ ( Danzl in KBB 2 § 1323 Rz 8; Hinteregger in Kletečka / Schauer , ABGB-ON 1.01 § 1323 Rz 2, beide mwN). Diese Wertminderung wird im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln sein. Alle anderen Streitpunkte sind abschließend erledigt.
3.4. Die Wertminderung kann allerdings auf keinen Fall über dem Marktwert vor Beginn der Verwahrung liegen. Dieser betrug nach der vom Kläger nicht bestrittenen Feststellung des Erstgerichts (höchstens) 20.000 EUR. Damit ist die Sache zum Teil spruchreif: Abzuweisen sind das 20.000 EUR übersteigende Zahlungsbegehren und das einen letztlich noch höheren Schadenersatzanspruch voraussetzende Feststellungsbegehren. Darüber ist mit Teilurteil in der Sache zu entscheiden, im Übrigen ist der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts, wenngleich aus anderen Gründen, zu bestätigen.
4. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
Ein nach § 259 EO bestellter Verwahrer haftet auch einem dritten Eigentümer der gepfändeten Sache für die Verletzung seiner Obhutspflicht. Diese umfasst nicht nur die passive Verwahrung, sondern auch die Verpflichtung zu positiven Handlungen, sofern diese nach der Natur der verwahrten Sache zu ihrer Erhaltung erforderlich sind. Bei Flugzeugen gehört dazu die im Einzelfall erforderliche Wartung und Konservierung.
5. Die Kostenentscheidung beruht in Bezug auf das Teilurteil auf § 52 Abs 2 ZPO, im Übrigen auf § 52 Abs 1 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00157.13M.1022.000