OGH vom 08.11.2011, 3Ob174/11a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen Maria E*****, wegen Feststellung des Erbrechts, über den Rekurs der erblichen Nichte Johanna H*****, vertreten durch Dr. Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 172/11k 70, womit infolge Rekurses der erblichen Nichte der Beschluss des Bezirksgerichts Knittelfeld vom , GZ 4 A 178/10x 64, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Den Gegenstand des hier zu entscheidenden Erbrechtsverfahrens bilden die zwei Fragen:
a. Ob der von § 579 Satz 3 ABGB verlangte, auf die Zeugeneigenschaft hinweisende Zusatz bei der Unterschrift der Zeugen am fremdhändigen Testament auch „bildlich, also durch die räumliche Gestaltung“ bei klarer Trennung der unstrittig von den Zeugen stammenden Unterschriften von jener der Erblasserin erfolgen kann;
b. ob eine Notsituation iSd § 597 Abs 1 ABGB idF FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58, bei der Verfassung des Testaments vom vorlag und deshalb von einem gültigen mündlichen Nottestament auszugehen ist.
Beide Fragen wurden von den Vorinstanzen verneint. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu vergleichbaren Fällen nicht veröffentlicht sei.
Die Revisionsrekurswerberin strebt die Bejahung der beiden Fragen an, es gelingt ihr aber ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen. Wenn nämlich das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft, begründet auch das Fehlen einer einen unmittelbar vergleichbaren Fall betreffenden Rechtsprechung keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RIS Justiz RS0042656). Deshalb erweist sich das Rechtsmittel als nicht zulässig , was wie folgt kurz zu begründen ist (§ 71 Abs 3 AußStrG).
1. § 579 Satz 3 ABGB verlangt ausdrücklich, dass die „Zeugen […] auf der Urkunde selbst […] mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz unterschreiben“ müssen. Der Zweck dieser Formvorschrift wird zum einen darin gesehen, eine Verwechslung mit der Unterschrift des Erblassers zu vermeiden, anderseits fällt es Testamentsfälschern schwerer, Personen Unterschriften herauszulocken, die sie als Zeugenunterschriften ausgeben könnten (2 Ob 508/95; Koziol/Welser II 13 , 504). Schon begrifflich verlangt die Anbringung eines Zusatzes zur Unterschrift deren schriftliche Ergänzung, sodass die von der Revisionsrekurswerberin als ausreichend angesehene räumliche Gestaltung der Urkunde durch die Platzierung der Unterschriften dieses Formerfordernis keinesfalls zu ersetzen vermag; damit könnte überdies ihr Zweck, Testamentsfälschungen zu erschweren, nicht erfüllt werden.
Dementsprechend finden sich in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zwar Entscheidungen, die der Einhaltung dieser Formvorschrift großzügig gegenüber stehen (6 Ob 34/73 = SZ 34/73 [eigenhändig geschriebener Zusatz nicht erforderlich]; RIS Justiz RS0012478 [T1]; 3 Ob 195/22 = Sz 4/28 = RIS Justiz RS0015432 [nicht jeder Zeuge muss mit dem Beisatz unterschreiben]; 8 Ob 515/77 = RIS Justiz RS0012472 [Verwendung des Worts „Zeuge“ nicht unbedingt erforderlich]; 1 Ob 41/01p [Deutung des Zusatzes aus dem Text der letzwilligen Verfügung genügt]), nicht jedoch solche, die die Gültigkeit eines fremdhändigen Testaments ohne jede textliche Ergänzung der Unterschriften der Zeugen bejahen; ebenso wenig wird Derartiges in der aktuellen Lehre vertreten (zB Eccher in Schwimann ABGB TaKomm § 579 Rz 3).
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die jeden Zusatz auf die Eigenschaft der unterfertigenden Zeugen entbehrenden Testamente vom seien mangels Einhaltung der Formvorschrift des § 579 ABGB nach § 601 ABGB ungültig (für den hier bedeutsamen Zusatz: 2 Ob 508/95; Apathy in KBB³ § 579 Rz 3 uva), ist daher nicht korrekturbedürftig.
2. Seit der Änderung des § 597 ABGB durch das FamErbRÄG 2004 (in Kraft getreten am ) steht die Form des mündlichen Testaments vor zwei Zeugen nur noch als Notform zur Verfügung. Voraussetzung ist, dass unmittelbar die Gefahr droht, dass der Erblasser stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag. Nach dem klaren Wortlaut liegt die erforderliche Notsituation daher nur vor, wenn sowohl einerseits Lebensgefahr oder Gefahr des Verlusts der Testierfähigkeit als auch andererseits die (dadurch bedingte) Unmöglichkeit, in anderer Weise zu testieren, bestand (vgl Eccher in Schwimann ABGB TaKomm § 597 Rz 1; 1 Ob 102/11y).
Selbst wenn man annehmen wollte, dass sich die Erblasserin in einer durch objektive Umstände begründeten bedrohlichen Situation befand, die auch bei anderen Menschen in ihrer Situation den Eindruck erwecken würde, es bestünde wegen eines drohenden Schlaganfalls unmittelbar ernstliche Lebensgefahr oder die Gefahr des Verlusts der Testierfähigkeit (vgl 1 Ob 102/11y), kann nach den hier zu beurteilenden konkreten Umständen des Einzelfalls keine Rede von der Unmöglichkeit, in anderer Weise zu testieren, die Rede sein. Der Erblasserin, deren Unfähigkeit, den Text ihrer letzwilligen Verfügung selbst zu schreiben, nicht behauptet wurde und auch den Beweisergebnissen und Feststellungen nicht zu entnehmen ist, stand ja primär die einfachste und naheliegendste Form der Testamentserrichtung, nämlich die Verfassung eines eigenhändigen Testaments nach § 578 ABGB offen, zumal auch (von den herbeigerufenen Personen mitgebrachtes) Schreibmaterial zur Verfügung stand. Die Revisionsrekurswerberin hat aber trotz der Norm des § 161 Abs 1 AußStrG, die die zivilprozessualen Behauptungs- und Beweislastregeln in das Verfahren über das Erbrecht einführt (vgl Wruhs in Rechberger AußStrG § 161 Rz 3), wonach grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen rechtserzeugenden Tatsachen zu beweisen hat (RIS Justiz RS0037797; RS0106638) in ihrem Vorbringen nicht einmal versucht, plausibel zu machen, warum davon kein Gebrauch gemacht wurde; das geht zu Lasten der für die Gültigkeit des mündlichen Nottestaments behauptungs und beweispflichtigen Revisionsrekurswerberin.
Schon deshalb haben die Vorinstanzen zu Recht die Umdeutung eines formungültigen fremdhändigen Testaments in ein gültiges mündliches Nottestament verweigert, sodass ihnen keine unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen ist.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 Satz 1 iVm § 185 AußStrG. Das in diesen Bestimmungen enthaltene Erfolgsprinzip verbietet einen Kostenzuspruch an den Revisionsrekursgegner, weil er in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels mangels erheblicher Rechtsfrage nicht hingewiesen hat.