OGH vom 13.10.2009, 1Ob194/09z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Bosilijka B*****, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in Schladming, gegen den Antragsgegner Siegfried B*****, wegen Beschlussfassung nach § 98 EheG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 217/09z-17, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom , GZ 1 C 11/08m-14, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde am einvernehmlich geschieden. In der anlässlich der Scheidung gemäß § 55a Abs 2 EheG geschlossenen Vereinbarung kamen die Ehegatten überein, dass eine in ihrem gemeinsamen Eigentum stehende Liegenschaft vorerst im jeweiligen Hälfteeigentum bleiben, aber ehestmöglich zu einem Mindestkaufpreis von 130.000 EUR verkauft werden sollte. Für den Fall des Verkaufs zu diesem Mindestpreis verpflichteten sich die Streitteile den ihnen jeweils zufallenden Verkaufserlös zur Begleichung der auf der Liegenschaft sichergestellten Verbindlichkeiten zu verwenden. Sollten danach weitere Verbindlichkeiten verbleiben, verpflichtete sich der nunmehrige Antragsgegner gegenüber der nunmehrigen Antragstellerin, diese Verbindlichkeiten in sein alleiniges Zahlungsversprechen zu übernehmen und die Antragstellerin insoweit schad- und klaglos zu halten.
Mit Schriftsatz vom begehrte die Antragstellerin, das Erstgericht möge aufgrund dieser Scheidungsfolgenvereinbarung gegenüber den Gläubigern, zu deren Gunsten Pfandrechte auf der Liegenschaft einverleibt sind, aussprechen, dass unter Aufrechterhaltung der Sachhaftung der Antragsgegner Hauptschuldner und die Antragstellerin Ausfallsbürgin werde. Im Hinblick auf die aushaftenden Kreditsummen ergäben sich auch bei einer Veräußerung der Liegenschaft offen bleibende Verbindlichkeiten, die der Antragsgegner zu tragen habe und für die die Anwendung des § 98 EheG zulässig sei.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Aus dem Scheidungsvergleich ergebe sich eindeutig, dass der Antragsgegner die bücherlich sichergestellten Verbindlichkeiten nur für den Fall übernommen habe, dass nach Verkauf der Liegenschaft Verbindlichkeiten offen blieben. Diese Bedingung sei bisher nicht eingetreten. Der Ausspruch nach § 98 Abs 1 EheG könne aber nur eine eindeutige Zahlungspflicht im Innenverhältnis betreffen, nicht dagegen eine noch bedingte.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Ein gerichtlicher Beschluss nach § 98 EheG sei - soweit hier maßgeblich - nur auf der Grundlage einer Vereinbarung der Ehegatten über die Schuldentragung im Innenverhältnis gemäß § 97 Abs 2 bzw § 55a Abs 2 EheG zulässig. Diese Bestimmung sei einschränkend auszulegen. Hier habe der Antragsgegner eine Zahlungspflicht im Innenverhältnis unabhängig vom Verkauf der Liegenschaft nicht übernommen und sei die Liegenschaft noch nicht verkauft, weshalb der von der Antragstellerin begehrte Ausspruch durch die Vereinbarung vom nicht gedeckt sei.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Haben Ehegatten gemäß § 55a Abs 2 EheG entschieden, wer von beiden im Innenverhältnis zur Zahlung von Kreditverbindlichkeiten, für die beide haften, verpflichtet ist, so hat das Gericht auf Antrag nach § 98 Abs 1 EheG mit Wirkung für den Gläubiger auszusprechen, dass derjenige Ehegatte, der im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist, Hauptschuldner und der andere Ausfallsbürge wird. Dieser Antrag muss in der Frist des § 95 EheG gestellt werden.
In der Frage des Anwendungsbereichs des § 98 EheG ist, weil es sich um eine den Grundsatz der Vertragstreue beeinträchtigende Ausnahmeregel handelt, eine einschränkende Auslegung geboten (5 Ob 183/03b = SZ 2004/9; RIS-Justiz RS0118818). Dementsprechend können nur die in § 98 EheG ganz bestimmt bezeichneten Vereinbarungen Grundlage einer Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle sein und ist eine ausdehnende Auslegung nicht möglich (RIS-Justiz RS0057118). Haben es daher die Ehegatten verabsäumt, eine entsprechende Vereinbarung außergerichtlich oder im Rahmen der einvernehmlichen Scheidung zu treffen, kann § 98 EheG nicht mehr angewendet werden (Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, Komm z EheG,§ 98 Rz 3 mwN).
Hier haben die vormaligen Ehegatten im Scheidungsfolgenvergleich zwar eine Regelung über die vom nunmehrigen Antrag umfassten Kreditverbindlichkeiten getroffen - auf die kontroversiell diskutierte Frage, ob im Falle eines Verzichts auf den Aufteilungsanspruch dennoch eine Antragstellung gemäß § 98 EheG zulässig ist (vgl Deixler-Hübner aaO Rz 4 mwN sowie Hopf/Kathrein Eherecht² § 98 EheG Anm 3), muss daher nicht eingegangen werden -, diese Vereinbarung wurde allerdings mit einer Bedingung versehen, die bisher nicht eingetreten ist. Das nunmehr im Revisionsrekurs gestellte und von der Antragstellerin offenbar als „minus" betrachtete Begehren stellt kein „minus", sondern ein „aliud" dar, ignoriert es doch die von den vormaligen Ehegatten vereinbarte Bedingung für die Verpflichtung des Antragsgegners.
Es ist daher mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass mangels Eintritts der Bedingung der Antragsgegner nicht zur Übernahme der (restlichen) Kreditverbindlichkeit im Innenverhältnis verpflichtet ist und eine entsprechende Vereinbarung, die Grundlage eines Ausspruchs nach § 98 Abs 1 EheG sein könnte, fehlt. Dass - wie im Revisionsrekurs dargelegt - intern die Übernahme der Verbindlichkeit schon vorab hätte vereinbart werden können, ändert daran nichts. Die bloße Möglichkeit einer solchen Vereinbarung ist keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung nach § 98 Abs 1 EheG. Dass eine solche Vereinbarung möglich gewesen wäre, ändert auch nichts an der nunmehrigen „Beschwer" der Gläubiger, die von einem solchen Ausspruch betroffen wären. Auch der aus der anwaltlichen Praxis abgeleitete Bedarf an einer derartigen Möglichkeit ist keine taugliche Grundlage für einen im Gesetz nicht gedeckten Ausspruch. Vielmehr ist es umgekehrt Aufgabe der anwaltlichen Praxis, für taugliche Vereinbarungen Sorge zu tragen.