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OGH vom 11.10.2010, 6Ob112/10d

OGH vom 11.10.2010, 6Ob112/10d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. C***** R*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Michael Drexel, Rechtsanwalt in Graz, wegen Löschung und Unterlassung (Streitwert 21.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 156/09f 26, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 21 Cg 59/08p 21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben wie folgt:

„Die beklagte Partei ist schuldig, die in der Datenanwendung 'Warnliste der Banken' verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers binnen 14 Tagen zu löschen und dem Klagevertreter davon Mitteilung zu erstatten.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 5.561,60 EUR (darin 669,20 EUR Barauslagen und 815,15 EUR USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die mit 3.030,28 EUR (darin 934 EUR Barauslagen und 349,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.491,48 EUR (darin 1.234 EUR Barauslagen und 209,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei veranlasste die Einmeldung der Daten des Klägers in die Warnliste der österreichischen Kreditinstitute. Nachdem der Kläger Ende August 2005 vollständig Zahlung geleistet hatte, veranlasste die Beklagte die Einmeldung des Vermerks „vollständige Tilgung per “ in die Warnliste. Mit Schreiben vom erhob der Kläger Widerspruch gemäß §§ 27, 28 DSG 2000. Die von der Beklagten eingemeldeten Daten wurden nach Ablauf der Tilgungsfrist von drei Jahren am automatisch in der Warnliste „gelöscht“. Dies hat zur Folge, dass die Kreditinstitute nicht mehr auf diese zugreifen können. Die Daten werden allerdings archiviert, um später nachvollziehen zu können, wann jeweils Einmeldungen erfolgten. Das Rechenzentrum des KSV die BA CA Administration Services GmbH können auf das Archiv zugreifen.

Der Kläger begehrt die Löschung seiner personenbezogenen Daten aus der Warnliste, hilfsweise die Unterlassung der Weiterverarbeitung personenbezogener Daten des Klägers in der Datenanwendung „Warnliste“ trotz Widerspruchs bzw Löschungsantrags.

Das Erstgericht wies das Haupt und Eventualbegehren ab. Die Daten des Klägers seien im September 2008 gelöscht worden. Die vom KSV geführte Warnliste sei zwar öffentlich zugänglich; die Aufnahme der Daten beruhe jedoch auf § 39 Abs 2 BWG. Es liege eine gesetzlich angeordnete Aufnahme in eine öffentliche zugängliche Datei vor, weshalb kein unbeschränktes Widerspruchsrecht nach § 28 Abs 2 DSG 2000 vorliege.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwar handle es sich bei der Datenanwendung nicht um eine solche, für die die Datenaufnahme iSd § 28 Abs 2 DSG 2000 gesetzlich angeordnet wäre. § 39 Abs 2 BWG schreibe weder die Aufnahme bestimmter Daten in die Datenanwendung iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 noch den Betrieb eines betriebsübergreifenden Informationsverbundsystems über bonitätsrelevante Daten verpflichtend vor. Dadurch, dass die Daten aus der Warnliste entfernt und ins Archiv gestellt wurden, sei die Beklagte aber ihrer Löschungsverpflichtung nachgekommen. Die Gefahren, die von einer öffentlichen Zugänglichkeit der Datenanwendung ausgehen, seien nicht erst mit der physischen Vernichtung, sondern bereits mit dem Sperren der Daten gegen Zugriffe von außen gebannt.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht der Entscheidung 6 Ob 41/09m angeschlossen habe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

1.1. Bei der Verletzung von höchstpersönlichen Rechten, die einer Bewertung durch Geld unzugänglich sind, hat ein Bewertungsausspruch zweiter Instanz zu unterbleiben. Ein dennoch vorgenommener Bewertungsausspruch ist jedenfalls gegenstandslos (RIS Justiz RS0042418 [T9]). Die Zulässigkeit der Revision hängt daher nur vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Diese Voraussetzung ist nach Rechtsprechung (6 Ob 148/00h SZ 73/105; abweichend 6 Ob 2/10b) und herrschender Lehre ( Zechner in Fasching/Konecny ² § 502 ZPO Rz 154) und bei Streitigkeiten nach dem DSG erfüllt, zumal die Ansprüche nach dem DSG nicht notwendig auch vermögensrechtliche Folgen nach sich ziehen (vgl dazu 4 Ob 43/10t). Vielmehr handelt es sich um höchstpersönliche Ansprüche; der Anspruch auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten ist ein bloßes Begleitrecht bzw Nebenrecht ( Jahnel , Handbuch Datenschutzrecht Rz 2/3), das trotz seiner möglicherweise vermögensrechtlichen Konsequenzen im Einzelfall nicht zu einer Einstufung dieser Ansprüche als vermögensrechtlich führt.

1.2. Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil das Berufungsgericht von der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

2. Die Warnliste ist öffentlich zugänglich iSd § 28 Abs 2 DSG 2000 (RIS Justiz RS0124264; 6 Ob 275/05t). Die nicht bestrittene Passivlegitimation der beklagten Partei als Auftraggeber ist im vorliegenden Fall nicht zu bezweifeln (vgl 6 Ob 2/10b).

3. Aus der gewerberechtlichen Zulässigkeit bonitätsrelevanter Daten ist eine Einschränkung der ausdrücklich in § 28 Abs 2 DSG 2000 statuierten Rechte des Betroffenen nicht abzuleiten. Keinesfalls kann die Bestimmung des § 152 Abs 1 GewO als gesetzlicher Auftrag zur Datensammlung verstanden werden. Völlig zutreffend hat bereits das Berufungsgericht erkannt, dass § 39 Abs 2 BWG lediglich ein von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligtes überwiegendes berechtigtes Interesse an der Sammlung, Aufbewahrung und Weitergabe bonitätsrelevanter personenbezogener Daten iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 vorsieht, jedoch weder die Aufnahme bestimmter Daten in eine Datenanwendung iSd § 4 Z 7 DSG 2000 noch den Betrieb eines Kreditinstituts übergreifenden Informationsverbundsystems (§ 4 Z 13, § 50 DSG 2000) über bonitätsrelevante Daten verpflichtend vorsieht.

4.1. Der Revisionswerber erblickt eine erhebliche Rechtsfrage darin, ob durch die reine Beseitigung des Öffentlichkeitscharakters der Verarbeitung nach rechtmäßig erhobenem Widerspruch gemäß § 28 Abs 2 DSG 2000, welche keine physische Vernichtung der verarbeiteten Daten beinhaltet, dem aus dem Widerspruch resultierenden Löschungsanspruch des Betroffenen entsprochen wird.

4.2. Diese Rechtsfrage hat der erkennende Senat in der erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen Entscheidung vom , 6 Ob 41/10p mit eingehender Begründung bereits dahingehend beantwortet, dass nach dem völlig eindeutigen Gesetzeswortlaut bereits der Widerspruch nach § 28 Abs 2 DSG 2000 die Verpflichtung der beklagten Partei zur Löschung der den Kläger betreffenden Daten auslöst. Die nachträgliche Einschränkung des Zugriffs auf diese Daten nach einem gestellten Löschungsbegehren entspricht dem Löschungsgebot nicht. Auf diese Entscheidung, die mittlerweile auch im RIS veröffentlicht wurde, kann hier verwiesen werden. Die erst nach Schluss des Verfahrens erster Instanz in Kraft getretenen Änderung des § 28 DSG durch Anfügung eines Abs 5 durch das VKrG (dazu Bollenberger , ÖBA 2010, 617) ist auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden.

4.3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erfolgte der Widerspruch und die Aufforderung zur Löschung (Beilage ./B) mit Schreiben vom . Die beklagte Partei lehnte eine Löschung ausdrücklich ab. Erst am wurden die Daten wegen „Ablaufs der Tilgungsfrist“ von drei Jahren gelöscht. Allerdings kann das „Rechenzentrum“ des KSV, die BA CA Adminstration Services GmbH, auf die ins Archiv gestellten personenbezogenen Daten des Klägers weiterhin zugreifen. Die Daten werden archiviert, um später nachvollziehen zu können, wann jeweils Einmeldungen erfolgten. Im Hinblick auf die Entscheidung 6 Ob 41/10p reicht eine derartige Archivierung jedoch nicht aus, um der gesetzlichen Löschungsverpflichtung Rechnung zu tragen, sind doch die Daten weiterhin wenngleich einem eingeschränkten Kreis vollinhaltlich zugänglich. Eine derartige Einschränkung der Zugänglichkeit von Daten kann zwar den Wegfall der Eigenschaft als „öffentlich zugängliche“ Datenbank zur Folge haben. Ist aber bereits wie im vorliegenden Fall ein Löschungsverlangen gestellt, so reicht eine derartige Einschränkung des Zugriffs nicht aus; diesfalls ist vielmehr eine „physische“ Löschung der Daten erforderlich.

4.5. Die „Auslagerung“ des Rechenzentrums des KSV an eine dritte Gesellschaft hat keine andere Beurteilung zur Folge. Dabei handelt es sich zwar um eine eigenständige juristische Person, die aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Aufgabe eines „Rechenzentrums“ für den KSV erfüllt. Diesem „Rechenzentrum“ ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen weiterhin der Zugriff auf die Daten möglich, sodass mit einer derartigen Löschung dem Löschungsanspruch des Klägers gerade nicht entsprochen wurde.

4.6. In Anbetracht des Umstands, dass die beklagte Partei das nach dem Gesagten berechtigte Verlangen des Klägers auf Löschung der Daten ausdrücklich abgelehnt und ihren Standpunkt auch noch im Prozess verteidigt hat, kann auch das Vorliegen von Wiederholungsgefahr nicht bezweifelt werden (vgl 4 Ob 273/00a C-Compass MR 2001, 168 = ÖBl 2001, 279; 4 Ob 205/01b Schulungsveranstaltung ÖBl 2002, 291; G. Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek , UWG § 14 Rz 14).

5. Damit erweist sich das Hauptbegehren des Klägers aber als berechtigt. In Stattgebung der Revision waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.