OGH vom 09.11.2016, 7Ob188/16x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** N*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien und 2. A***** Ltd, *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 61.084,35 EUR sA, über die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 208/15w 43, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Zweitbeklagte releviert ausschließlich, dass bei Geltendmachung eines – aus einer sich nach dem Erwerb einer Anlage ergebenen Wertminderung resultierenden – Schadens kein Anspruch auf Naturalrestitution bestehe, wenn der Anleger die Wertpapiere weiter halte. In diesem Fall sei keine Leistungsklage, sondern nur eine – hier nicht erhobene – Feststellungsklage zulässig.
Zur Begründung ihrer Argumentation verweist sie auf die Entscheidung 3 Ob 44/15i, in der die außerordentliche Revision zurückgewiesen wurde. Obwohl der behauptete Schaden der dortigen Klägerin gerade nicht im Erwerb der Wertpapiere, sondern in einer erst danach eingetretenen Wertminderung lag und sie auch nicht beabsichtigte, die Wertpapiere zu veräußern, begehrte sie den Ersatz des Kaufpreises für die Wertpapiere Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere. Diesen Sachverhalt beurteilte der Oberste Gerichtshof dahin, dass die Frage, ob, und wenn ja in welchem Ausmaß der Klägerin tatsächlich der geltend gemachte Vermögensschaden (Kursverlust) entstehen werde, vor einem Verkauf der Wertpapiere nicht geklärt werden könne. In diesem Fall sei daher das erhobene Begehren auf Schadenersatz durch Naturalrestitution verfehlt.
2. Im vorliegenden Fall steht hingegen fest, dass der Berater des Klägers, hätte er Kenntnis von der Nichtplatzierung der Kapitalerhöhungen im Februar 2007 gehabt, dem Kläger den Rat zum Verkauf gegeben hätte und der Kläger diesem Rat gefolgt wäre. Der Kläger hätte noch im Februar 2007 seine Zertifikate verkauft und sein eingesetztes Kapital erhalten.
3. In dem der Entscheidung 3 Ob 44/15i zugrundeliegenden Sachverhalt verknüpfte die dortige Klägerin ihr Begehren auf Naturalrestitution mit dem für den Erwerb aufgewendeten Kaufpreis und nicht mit dem von ihr behaupteten Schaden aus Wertminderung nach dem Erwerb.
Davon unterscheidet sich der gegenständliche Fall aber insoweit, als feststeht, dass der Kläger bei rechtmäßigem Verhalten der Zweitbeklagten die Wertpapiere so rechtzeitig verkauft hätte, dass er den Klagsbetrag als Verkaufserlös erzielt hätte. Aus der Entscheidung 3 Ob 44/15i ist daher für die Beklagte nichts zu gewinnen.
4. Mit Sachverhalten, die mit dem hier gegenständlichen vergleichbar sind, befasste sich der Oberste Gerichtshof aber bereits mehrmals:
So nahm er in der Entscheidung 8 Ob 129/10v (unter Hinweis auf weitere Entscheidungen) dahin Stellung, dass in Fällen, in denen der Anleger durch fehlerhafte Beratung vom geplanten Verkauf von Wertpapieren abgehalten worden sei, ihn der Berater so zu stellen habe, wie er ohne dessen schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Geschädigte könne die Zahlung des Verkaufspreises begehren, den er bei richtiger Beratung erzielt hätte, müsse aber – wenn die Wertpapiere nicht verkauft seien – zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung im Gegenzug die von ihm gehaltenen Wertpapiere an den Berater herausgeben. Da dem Anleger die Möglichkeit der Leistungsklage („Naturalrestitution“ durch Zahlung gegen Übertragung des Finanzprodukts) offen stehe, sei das rechtliche Interesse an einem Feststellungsurteil zu verneinen.
Zur Entscheidung 8 Ob 39/12m, der ein gleich gelagerter Fall zugrunde lag, verwies der Oberste Gerichtshof auf die tragende Begründung der Entscheidung 8 Ob 129/10v.
In der Entscheidung 2 Ob 17/13h sprach der Oberste Gerichtshof nach ausführlicher Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung aus, dass „Naturalrestitution“ in Form von Geldersatz gegen Rückgabe des Finanzprodukts auch in Fällen, in denen vom Verkauf einer gehaltenen Anlage fälschlicherweise abgeraten worden sei, grundsätzlich zulässig sei.
5. Die Beurteilung der Vorinstanzen, das auf „Naturalrestitution“ des erzielten Verkaufserlöses Zug um Zug gegen Übertragung der Finanzprodukte gerichtete Klagebegehren sei zulässig, hält sich damit im Rahmen bestehender oberstgerichtlicher Judikatur.
6. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00188.16X.1109.000