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OGH vom 21.04.2005, 6Ob237/04b

OGH vom 21.04.2005, 6Ob237/04b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte Angela T*****, vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, wegen 273.309,10 EUR, hilfsweise Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 88/04w-25, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 1 Cg 97/03i-21, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit insgesamt 14.215,72 EUR (darin enthalten 953,70 EUR USt und 8.494,- EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat im Dezember 1999 sogenannte Zero-Bonds (Nullkuponanleihen) über die Klägerin erworben. Zero-Bonds sind eine Anleiheform, die eine Nominalverzinsung von Null aufweist. Anstatt der jährlichen Zinszahlung fällt der gesamte Zahlungsstrom, bestehend aus Kapitaltilgung und Zinserträgen, am Ende der Laufzeit an. Die gesamte Verzinsung kommt in einem hohen Disagio zum Ausdruck, wobei das Nominale mit einem laufzeitadäquaten Kapitalmarktzins abgezinst wird. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Ausgabewert und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe gehört gemäß § 27 Abs 2 Z 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Bei einem kapitalertragssteuerpflichtigen Eigentümer der Anleihe ist von diesem Unterschiedsbetrag gemäß den §§ 95 f EStG von der als kuponauszahlende Stelle agierenden Bank Kapitalertragssteuer einzubehalten und abzuführen. Wird eine Nullkuponanleihe vor Ende der Laufzeit veräußert, so werden im Kaufpreis auch anteilige Kapitalerträge abgegolten. Von diesen Kapitalerträgen wird im Hinblick auf § 95 Abs 4 Z 3 EStG ein Kapitalertragssteuerabzug beim Veräußerer vorgenommen, sofern die Voraussetzungen für eine Besteuerung in Österreich vorliegen. Für den Erwerber der Nullkuponanleihe stellen die vom Veräußerer verrechneten anteiligen Kapitalerträge einen vorweggenommenen Kapitalertrag dar. Dies ergibt sich daraus, dass der zur Kuponfälligkeit enthaltene volle Kapitalertrag durch die Bezahlung der bisher angefallenen Zinsen vorbelastet ist. Der Erwerber erhält daher eine Kapitalertragssteuergutschrift. Da am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe Kapitalertragssteuer für den gesamten Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabepreis und Einlösewert anfällt, soll durch diese Gutschrift erreicht werden, dass die Steuerbelastung nur den Kapitalerträgen jenes Zeitraumes entspricht, in dem der Steuerpflichtige die Nullkuponanleihe auch tatsächlich gehalten hat. Nach der Verwaltungspraxis erhält der Erwerber die Kapitalertragssteuergutschrift allerdings auch dann, wenn der Veräußerer in Österreich nicht kapitalertragssteuerpflichtig ist und daher bei ihm kein Kapitalertragssteuerabzug erfolgt ist.

Die Beklagte erfuhr in dem Lokal, wo sie als Kellnerin arbeitete, dass es die Möglichkeit gebe, „schnelles Geld" zu verdienen. Nullkuponanleihen seien ein Geheimtipp, der auch von vielen Politikern wahrgenommen werde. Als sie Interesse zeigte, wurde ihr geraten, den Ankauf über die Klägerin abzuwickeln. Sie wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, was Nullkuponanleihen sind. Am suchte sie die Filiale der Klägerin in W***** auf. Sie war bis dahin nicht Kunde der Klägerin, hatte in dieser Filiale aber bereits Einzahlungen für ihren Arbeitgeber durchgeführt. Sie wurde an die für die Wertpapierabwicklung zuständige Mitarbeiterin Isabella M***** verwiesen. Die Beklagte hatte konkrete Vorgaben über die Art der zu erwerbenden Wertpapiere und fragte, ob die ihr empfohlenen Zero-Bonds „etwas wären". Isabella M***** antwortete, dass man damit schon ein Geschäft machen könne und dass die Wertpapiere eine interessante Möglichkeit seien, hohe Renditen zu erzielen. Sie fragte die Beklagte, ob ihr bewusst sei, dass sie bei Erwerb der Anleihen auch das gesamte eingesetzte Kapital verlieren könne. Dies bejahte die Beklagte. Sie unterfertigte ein Unterschriftenprobeblatt, ein Aufklärungsblatt über Risken der Wertpapiergeschäfte, Angaben zum Anlegerprofil, einen Buchstabencode und die entsprechende Codewortvereinbarung. Nach dem Inhalt des Aufklärungsblatts bestätigte die Beklagte, ausführlich über Chancen und Risken bei Veranlagungsgeschäften im Allgemeinen, Anleihen, Renten, Schuldverschreibungen, Aktien, Investmentfonds, Optionsscheinen, außerbörsliche Optionsgeschäften, Devisen-Optionsgeschäften und Wertpapier-Optionen und -Termingeschäften informiert worden zu sein. Tatsächlich sprach Isabella M***** mit der Beklagten nicht über die Art und die Besonderheiten der Zero-Bonds, die sie zu erwerben beabsichtigte. Über Gutschriften von Kapitalertragssteuer und entsprechende Belastungen wurde schon deshalb nicht gesprochen, weil Isabella M***** insoweit kein Fachwissen hatte. Ausgehend von den Vorgaben der Beklagten über die zu erwerbenden Nullkuponanleihen und ihren finanziellen Mitteln errechnete die Klägerin unter Berücksichtigung entsprechender Kapitalertragssteuergutschriften die Anzahl der Zero-Bonds, deren Erwerb mit den der Beklagten zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln möglich war. Die Beklagte zahlte rund 122.000 S (entspricht 8.866,09 EUR) ein. Mit diesem Betrag kaufte die Klägerin auftrags der Beklagten im Lauf des Dezember 1999 Rand-Nullkuponanleihen (Eskom) im Nominale von insgesamt 12 Mio Rand (ZAR) und Zloty-Nullkuponanleihen (Weltbank) im Nominale von insgesamt 75 Mio Zloty (PLN). Die Eskom-Wertpapiere hatte eine Laufzeit von 1997 bis 2032, die Weltbank-Wertpapiere eine solche von 1998 bis 2028). Der Kaufpreis der Wertpapiere betrug insgesamt 296.204,95 EUR, die erwartete KESt-Gutschrift 289.793,54 EUR. Der Beklagten wurden für den Erwerb der Wertpapiere lediglich 8.852,04 EUR angelastet. Die schriftlichen Aufträge zum Wertpapierankauf unterfertigte die Beklagte Ende Dezember 1999. Die Klägerin reihte die Wertpapiere in ein Depot der Beklagten ein. Nach Mitteilung der Klägerin an die Beklagte betrug der Kurswert per bei den Eskom-Wertpapieren 682.619,80 S und bei den Weltbank-Wertpapieren 4,423.183,42 S, woraus sich ein Kurswert von insgesamt 5,105.803,22 S 371.053,19 EUR) ergab.

Am erteilte die Beklagte der Klägerin den Auftrag zur Übertragung ihres Wertpapierdepots an die V***** AG (V*****). Die Klägerin übertrug die Wertpapiere per , ohne Kapitalertragssteuer einzubehalten. Von der V***** wurden die Wertpapiere noch im Jahr 2001 veräußert. Die Eskom-Wertpapiere hatten im Zeitpunkt des Verkaufs einen Kurswert von 414.000 ZAR, die Weltbank-Wertpapiere einen solchen von 1,192.500 PLN. Bei den Eskom-Wertpapieren zog die V***** eine KESt von 33.576 ZAR und bei den Weltbank-Wertpapieren eine KESt von 101.187,50 PLN ab. Für die Beklagte verblieben Auszahlungsbeträge von 52.572,85 EUR und 290.844,63 EUR, somit insgesamt 343.417,48 EUR. Während die Klägerin der Beklagten bei Erwerb der Wertpapiere eine nach der linearen Berechnungsmethode ermittelte KESt-Gutschrift anrechnete, führte die V***** die nach der finanzmathematischen Methode berechnete KESt ab. Dadurch kam es zu einer hohen KESt-Gutschrift bei Erwerb und einer vergleichsweise niedrigen KESt-Belastung bei der Veräußerung der Wertpapiere.

Hätte die Klägerin der Beklagten die KESt nicht nach der linearen, sondern nach der finanzmathematischen Berechnung gutgeschrieben, hätte sich die Summe der Gutschriften auf lediglich 16.484,44 EUR belaufen.

Aufgrund ungewöhnlich hoher KESt-Gutschriften in der KESt-Anmeldung mehrerer Banken veranlasste das Finanzamt für den 23. Wiener Gemeindebezirk im Jahr 2000 eine Prüfung gemäß § 151 BAO. Dabei stellte sich heraus, dass die Gutschriften aus dem Verkauf bestimmter Zero-Bonds stammten. Als Ergebnis der Prüfung vertrat die Finanzbehörde die Ansicht, dass die KESt-Gutschriften bei Wertpapieren mit derart langer Laufzeit nicht nach der linearen, sondern nach der finanzmathematischen Berechnung zu ermitteln seien. Die betroffenen Banken, unter anderem die Klägerin, wurden für die entsprechenden Differenzbeträge zur Haftung herangezogen. Das Finanzamt erließ einen Haftungsbescheid und belastete das Abgabenkonto der Klägerin mit der Summe aller ermittelten Steuerrückstände. Gegen den Haftungsbescheid erhob die Klägerin Berufung. Dem Aussetzungsantrag der Klägerin wurde mit Bescheid vom stattgegeben. Der Haftungsbescheid war im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch nicht rechtskräftig.

Die Klägerin begehrte 273.309,10 EUR, hilfsweise die Zahlung dieses Betrags an das Finanzamt für den 23. Wiener Gemeindebezirk oder an die Klägerin zur Weiterleitung an das Finanzamt, weiters hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin für den Ersatz der von der Klägerin an die Abgabenbehörde abzuführenden Kapitalertragssteuer von 273.309,10 EUR. Die Klägerin habe für die Beklagte auftragsgemäß im Wege von Effektenkommissionsgeschäften Nullkuponanleihen erworben und der Beklagten KESt-Gutschriften von insgesamt 289.793,54 EUR gewährt, die sie dem Wertpapierkonto der Beklagten gutgeschrieben habe. Die Berechnung der KESt habe die Klägerin gemäß dem Erlass des Bundesministeriums für Finanzen Z 140602/1-IV4/93 vom nach der linearen Berechnungsmethode vorgenommen. Das Bundesministerium für Finanzen habe aber die ständige Verwaltungspraxis der Abgabenbehörden dahin geändert, dass die KESt-Gutschriften nun nach der finanzmathematischen Abrechnung vorzunehmen seien. Infolge dieser Änderung habe das Finanzamt bei der Klägerin eine KESt-Nachschau gehalten und ihr hinsichtlich der von der Beklagten erworbenen Nullkuponanleihen einen Steuerrückstand von 273.309,10 EUR vorgeschrieben. Dieser Betrag ergebe sich aus der Differenz zwischen der linearen und der finanzmathematischen Berechnungsmethode. Das Berufungsverfahren sei noch anhängig. Die Klägerin werde für eine Schuld der Beklagten gegenüber dem Fiskus in Anspruch genommen. Die Beklagte habe der Klägerin aufgrund ihres Aufwandersatzanspruchs aus der Effektenkommission bzw aus den Rechtsgründen des Verwendungsanspruchs, des Befreiungsanspruchs und des Regressrechts den vorgeschriebenen Betrag zu ersetzen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liege nicht vor. Zwar sei mit der Beklagten über KESt-Gutschriften und KESt-Belastungen nicht gesprochen worden. Die Beklagte habe aber eine Risikobroschüre erhalten. Die nunmehrige Nachforderung sei auch nur dadurch zustande gekommen, dass die Beklagte die Depotbank gewechselt habe, die die finanzmathematische Berechnung angewendet und eine niedrigere KESt abgeführt habe. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergebe sich daraus, dass die Beklagte den Anspruch auf Ersatz der von der Abgabenbehörde geforderten Beträge bestreite und zudem eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Beklagten drohe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe den Wertpapierkauf nur auf Empfehlung zweier ihr nicht näher bekannten Lokalgäste durchgeführt. Die bei der Klägerin zuständige Sachbearbeiterin habe ihr hohe Renditen versprochen und sei als Anlagenberaterin tätig geworden. Über die Kapitalertragssteuer sei nicht gesprochen worden. Die Beklagte sei nicht über die Möglichkeit einer KESt-Nachzahlung aufgeklärt worden. Sie sei im Jahr 2000 mehrfach angerufen worden, dass Auszahlungen möglich wären. Die Beklagte habe diese Auszahlungen veranlasst und insgesamt 4,7 Mio S erhalten. Den Erhalt des Geldes habe sie als Lottotreffer empfunden. Die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, weil nicht sie, sondern die V***** die Wertpapiere verkauft habe. Die Klägerin habe durch die Nichtverrechnung der KESt auf eine Nachforderung verzichtet. Die Abgabenforderung sei noch nicht fällig, sodass ein Leistungsregress auf Zahlung ausscheide. Der Erwerb der Anleihen sei in Spekulationsabsicht geschehen, weshalb ein Differenzgeschäft und somit ein Glücksgeschäft vorliege. Der Erlös aus diesem Geschäft sei gutgläubig verbraucht worden. Die Ansprüche der Klägerin seien verjährt. Hilfsweise übe die Beklagte das Rücktrittsrecht nach § 3a KSchG aus. Ein etwaiger Regressanspruch der Klägerin entstehe erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung. Da keine ernsthafte Gefährdung der Rechtsposition der Klägerin gegeben sei und auch keine Verjährung drohe, sei ein Feststellungsinteresse zu verneinen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren und das erste Eventualbegehren ab und gab dem Eventualbegehren auf Feststellung statt. Der Klägerin stehe ein Regressanspruch im Sinn des § 1358 ABGB zu. Diese Bestimmung sei auch anzuwenden, wenn die Haftung für die fremde Schuld unmittelbar auf dem Gesetz beruhe. Es genüge, wenn aus der Pflicht des Hauptschuldners eine formell eigene, materiell aber fremde Schuld vorliege. Da die Klägerin noch keine Zahlung geleistet habe, seien die Leistungsbegehren abzuweisen. Das Feststellungsinteresse der Klägerin sei jedoch zu bejahen. Ein Differenzgeschäft liege nicht vor. Ein gutgläubiger Verbrauch sei nur bei Zahlungen mit Unterhaltscharakter beachtlich. Ob Aufklärungspflichten verletzt worden seien, sei ohne Belang, weil ein Schaden der Beklagten nicht ersichtlich sei. Sie habe die Wertpapiere vielmehr mit Gewinn verkauft. Der Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, der fehlenden Aktivlegitimation und des Verzichts auf die Nachforderung seien unberechtigt.

Das Berufungsgericht gab der gegen den stattgebenden Teil (Feststellungsbegehren) erhobenen Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren auch insoweit ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt habe, stehe der Klägerin zwar ein Regressanspruch gegen die Beklagte gemäß § 1358 ABGB zu. Der Regressanspruch des gemäß § 95 Abs 3 EStG Abzugsverpflichteten entstehe aber erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung. Da der Haftungsbescheid der Abgabenbehörde (im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz) noch nicht rechtskräftig (gewesen) sei, werde durch das Bestreiten der Beklagten keine ernsthafte Unsicherheit des bestehenden Rechtsverhältnisses hervorgerufen. Es sei vielmehr noch nicht rechtskräftig geklärt, ob die Abgabenforderung überhaupt bestehe. Das Vorbringen der Klägerin, es drohe eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Beklagten, rechtfertige eine Feststellungsklage ebenfalls nicht. Es fehle der Klägerin daher das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich die rechtliche Beurteilung auf eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stützen könne und der Entscheidung über den vorliegenden Einzelfall hinaus keine Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist jedoch zulässig, weil die Ansicht des Berufungsgerichts über das fehlende Feststellungsinteresse im Widerspruch mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 2 Ob 167/04d, steht, mit der eine außerordentliche Revision des Bankkunden gegen die Feststellung seiner Haftung (für den Ersatz der von der Bank an die Abgabenbehörde abzuführende Kapitalertragssteuer im Zusammenhang mit dem Erwerb von Nullkuponanleihen) durch die Vorinstanzen mangels erheblicher Rechtsfrage zurückgewiesen wurde. Zudem liegt keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Regresses der Bank gegen die Anleger im Zusammenhang mit der Kapitalertragssteuer vor.

Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung im Sinn des § 228 ZPO ist gegeben, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht. Dieser Anlass ist zu bejahen, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheint, zB wenn der Beklagte - so wie hier - ein Recht des Klägers bestreitet (RIS-Justiz RS0039007). Nach ständiger Rechtsprechung sind auch bedingte Rechtsverhältnisse feststellungsfähig, wenn der übrige rechtserzeugende Sachverhalt feststeht und nur die bereits genau bestimmt festgesetzte Bedingung noch nicht eingetreten ist (RIS-Justiz RS0039125). Dass die Klägerin ihre Zahlungspflicht gegenüber dem Finanzamt bestritten und gegen den Abgabenbescheid Berufung eingelegt hat, steht ihrem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Denn die Beklagte bestreitet nicht die allenfalls mögliche Haftpflicht der Klägerin für die Abgabenschuld, sondern dass sie im Fall der Rechtskraft des Abgabenbescheids der Klägerin gegenüber regresspflichtig sei. Sie kann sich daher zur Abwehr des Feststellungsbegehrens auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Regressanspruch ohnehin gesetzlich geregelt sei und dessen Verlust daher nicht drohe. Das Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung ist im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts zu bejahen. Für den Fall des Eintritts der im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch ausstehenden Bedingung - der voraussichtlichen Bestätigung des Abgabenbescheids - besteht der festzustellende Anspruch auch dem Grunde nach:

Die inhaltliche Überprüfung des Bescheids des Finanzamts ist dem Gericht verwehrt, sodass im Fall seiner Rechtskraft von der Abgabenschuld der Klägerin als kuponauszahlende Stelle im Sinn des § 95 Abs 3 EStG auszugehen sein wird. Über die Rechtmäßigkeit des Steuerabzugs haben ausschließlich die Finanzbehörden zu entscheiden. Umstände, die die Richtigkeit der dem Grunde und der Höhe nach festgestellten Steuerpflicht tangieren, können von der Beklagten im Regressverfahren nicht mehr releviert werden (8 ObA 293/99t mwN). Dafür, dass die Klägerin einen den Regressanspruch mindernden oder gegen ihn aufrechenbaren Schadenersatzanspruch infolge Verletzung der Interessen der Beklagten im Abgabenverfahren zu vertreten hätte (vgl 4 Ob 111/77), fehlen entsprechende Tatsachenbehauptungen der Beklagten. Hat daher die Klägerin die KESt wie im Abgabenbescheid vorgeschrieben abzuführen, kann dem Einwand der mangelnden Aktivlegitimation - der damit begründet wird, dass die Wertpapiere auf die V***** übertragen und von dieser verkauft worden seien, weshalb diese Bank und nicht die Klägerin zur Geltendmachung allfälliger Ansprüche aus der KESt gegenüber der Beklagten legitimiert sei - keine Berechtigung zuerkannt werden. Im Fall der Rechtskraft des Abgabenbescheids kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die nunmehr von der Abgabenbehörde angewendete finanzmathematische Berechnung unzutreffend sei. Die allfällige Vergeblichkeit des Bemühens der Klägerin um die Beibehaltung der linearen Berechnungsmethode nimmt ihr nicht den aus nachstehenden Gründen zu bejahenden Regressanspruch gegen die Beklagte.

Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, ist die Frage des Steuerschuldners und des Haftenden bei der KESt ähnlich jener im Bereich der Lohnsteuer geregelt. § 95 Abs 2 zweiter Satz EStG sieht vor, dass der Abzugsverpflichtete dem Bund für die (richtige) Einbehaltung und die Abfuhr (§ 96 EStG) der KESt haftet. Die Rechtsstellung des Verpflichteten entspricht dabei grundsätzlich jener des Arbeitgebers im Lohnsteuerrecht (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Band III § 95 EStG Tz 3 mwN). Die Person dessen, der die Steuer berechnet und abführt, deckt sich nicht mit jener des Steuerschuldners (vgl §§ 82, 83 EStG). Schuldner der Steuer ist der Gläubiger der Kapitalerträge (§ 95 Abs 2 erster Satz EStG). Dieser trägt zwar die Last des Steuerabzugs, hat aber mit der Einhebung der KESt nichts zu tun. Liegen - wie hier - die Voraussetzungen für eine unmittelbare Inanspruchnahme des Steuerschuldners nicht vor (vgl § 95 Abs 5 EStG), so ist die Inanspruchnahme des Haftenden nicht etwa in das Ermessen der Behörde gestellt. Der zum Abzug Verpflichtete haftet zwingend und jedenfalls für die KESt. Dies ist bei Forderungswertpapieren die kuponauszahlende Stelle, hier demnach die Bank, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Eigenemission der Bank handelt oder um eine fremde Emission, für die die Bank die Auszahlung übernommen hat (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch § 95 EStG Tz 2 ff).

Nach ständiger Rechtsprechung zu den §§ 82, 83 EStG bezahlt der Arbeitgeber bei der Abfuhr der vom Arbeitnehmer einbehaltenen Lohnsteuer an den Bund eine fremde Schuld im Sinn des § 1358 ABGB, für die er persönlich haftet. Wenn er daher wegen zu wenig bezahlter Lohnsteuer in Anspruch genommen wird, tritt er gemäß § 1358 ABGB insoweit in die Rechte des Gläubigers ein und ist befugt, vom Arbeitnehmer den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern (RIS-Justiz RS0032266; SZ 70/132; 14 ObA 80/87 = RdW 1988, 19; 8 ObA 293/99t; Fellner in Hofstätter/Reichel §§ 82, 83 EStG Tz 2 S. 3 mwN).

Folgend dieser Rechtsprechung ist im Hinblick auf die vergleichbare Rechtslage betreffend die Haftung der Bank für die KESt (Moritz, Zur Kapitalertragssteuer bei Zero-Bonds, SWK 2001, 361 Punkt 7.; Quantschnigg-Schuch aaO § 95 Tz 2; Fuchs aaO) auch der Bank bei der Nachforderung von KESt ein aus § 1358 ABGB erfließendes Regressrecht gegen den Anleger als Steuerschuldner zuzuerkennen. Wie schon das Erstgericht ausgeführt hat, geht § 1358 ABGB nach ständiger Rechtsprechung entgegen seinem Wortlaut über die Regelung des Bürgenregresses hinaus. Er findet ganz allgemein auf jeden Anwendung, der eine fremde Schuld begleicht, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensteilen haftet (RIS-Justiz RS0112742; RS0032424). Er tritt aufgrund des Gesetzes in die Rechte des Gläubigers ein. Der Begriff „fremde Schuld" erfasst grundsätzlich eine solche, für die eine Einstehungsverpflichtung besteht (8 Ob 32/02t mwN). § 1385 ABGB findet auch Anwendung, wenn die Haftung für die fremde Schuld unmittelbar auf dem Gesetz beruht (8 Ob 88/03d mwN). Wie der Arbeitgeber bei der Lohnsteuer hat auch die Bank bei der KESt für Anleihen eine fremde Schuld im aufgezeigten Sinn zu zahlen, sodass sie sich auf die Legalzession des § 1385 ABGB berufen kann.

Dem Einwand der Beklagten, der Regressanspruch der Klägerin aus der KESt-Nachzahlung sei verjährt, ist entgegenzuhalten, dass sie dem Klagebegehren (dem Zahlungsbegehren) unter anderem mit dem Einwand der mangelnden Fälligkeit, der mit dem Verjährungseinwand unvereinbar ist, entgegentrat, weil die Klägerin selbst noch keine KESt-Zahlung geleistet habe. Folgend diesem Einwand hat das Erstgericht die Zahlungsbegehren auch (rechtskräftig) abgewiesen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Regress des § 1358 ABGB durch die tatsächliche Zahlung des Regressierenden fällig wird. Erst die tatsächliche Zahlung setzt allfällige Fristen seiner Geltendmachung in Lauf (vgl 14 ObA 80/87 ua). Da die Klägerin unstrittig im Zeitpunkt der Klageeinbringung dem Abgabenbescheid noch nicht durch Zahlung entsprochen hat, kann ihr Regressanspruch noch nicht verjährt sein. Auf den Zeitpunkt der Erteilung der KESt-Gutschrift auf dem Wertpapierkonto der Beklagten kommt es nicht an.

In diesem Zusammenhang ist auch klarzustellen, dass die Bank mit einer Gutschrift zwar ein abstraktes Schuldversprechen abgibt (SZ 2002/62 mwN). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den betreffenden Gutbuchungen tatsächlich nicht erfolgter Gutschriften des Finanzamts aber um rein buchmäßige Vorgänge, denen weder eine tatsächliche Zahlung noch sonst eine Vermögenszuwendung eines Dritten an die Beklagte zugrunde lag. Die Tatsache der Gutbuchungen ist daher für den Regressanspruch ohne Belang (vgl 1 Ob 256/03h).

Das Argument der Beklagten, der Wertpapierkauf habe Glücksgeschäftscharakter, woraus sich ergebe, dass das immanente finanzielle Risiko nicht einseitig zu Lasten der Beklagten gehen könne, geht schon deshalb fehl, weil sich kein finanzielles Risiko verwirklicht hat. Die Beklagte hat vielmehr erhebliche, wenn auch bei weitem nicht die von ihr erwarteten Gewinne aus der Transaktion gezogen. Es gibt keinen von ihr „einseitig" zu tragenden Verlust. Ansprüche aus Differenzgeschäften sind zwar im Allgemeinen unklagbar, doch bietet der festgestellte Sachverhalt keinen Anhaltspunkt, dass die Streitteile ein Differenzgeschäft geschlossen hätten. Ein solches liegt vor, wenn der Vertrag nicht erfüllt werden soll, sondern nur die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und für Waren, Devisen oder Wertpapiere und dem höheren Kurs des Lieferungstags zu zahlen ist, wenn also keine wirkliche Lieferung erfolgen soll, sondern bloß eine Abrechnung der Differenz. Die Absicht der Parteien muss von vornherein darauf abzielen, nicht den Terminkontrakt zu erfüllen, sondern nur die Differenz zwischen dem vereinbarten und dem niedrigeren bzw höheren Preis am vereinbarten Stichtag auszugleichen (SZ 69/261). Auf einen solchen Vorgang war aber der Wille der Streitteile nicht gerichtet. Die Beklagte hat vielmehr nach Einreihung der Wertpapiere auf ihrem Depot über diese selbst durch Transferierung zu einer anderen Bank und Verkauf verfügt.

Darauf, dass sich die Beklagte auf den gutgläubigen Verbrauch der von der Klägerin auf den KESt-Gutschriften beruhenden Auszahlungen mangels Unterhaltscharakters nicht berufen kann, hat ebenfalls bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen (Rummel in Rummel, ABGB³ § 1437 Rz 12 mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0010193 zum Regressanspruch des Dienstgebers, der zur Bezahlung von zu wenig entrichteter bzw irrtümlich rückvergüteter Lohnsteuer verhalten wird und diese Leistungen vom Dienstnehmer als Steuerschuldner zurückfordert).

Abgesehen davon, dass die Beklagte weder Schadenersatzforderungen kompensando eingewendet noch Ansprüche aus der Rückabwicklung des Geschäfts geltend gemacht hat, bestehen für das Vorliegen einer Haftung der Klägerin für Verletzung von Aufklärungspflichten ebensowenig Anhaltspunkte wie für ein wucherisches Vorgehen der Klägerin im Sinn des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB. Auch in diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass die Beklagte durch den Ankauf der Anleihen keinen Verlust erlitten, sondern einen Gewinn erzielt hat. Sie kam zudem bereits mit ganz bestimmten Vorstellungen über die zu erwerbenden Wertpapiere in die Filiale der Klägerin. Von der Ausbeutung ihrer Unbeholfenheit zugunsten der Klägerin kann überhaupt keine Rede sein. Es war der Beklagten, wie ihre Transferierung des Wertpapierdepots zu einer anderen, die KESt-Abrechnung nach der finanzmathematischen Methode vornehmenden Bank offenbar auch bekannt, dass auf diese Weise die steuerliche Rechtslage am besten ausgenützt werden konnte (vgl Moritz aaO Punkt 4. und die dort aufgezeigten Gestaltungsalternativen im Zusammenhang mit dem Ankauf derartiger Anleihen). Dass der Gewinn nicht so hoch wie von der Beklagten angenommen ausfiel, hatte seine Ursache nicht in einem Wertverlust der Anleihen, sondern in einer Änderung der Art der Abgabenberechnung seitens der Abgabenbehörde, die erst nach dem Ankauf der Wertpapiere gehandhabt und publik gemacht wurde. Erst in den Einkommensteuerrichtlinien 2000 war die lineare Berechnungsmethode nicht mehr enthalten, während sie zunächst in mehreren Erlässen als zulässig genannt wurde (Moritz aaO Punkt 5.; Niescher, Kapitalertragssteuer beim Erwerb von Nullkuponanleihen [Zero-Bonds] während der Laufzeit, ÖStZ 2001/206 Punkt 4.; Schönstein, KESt und Zero-Bonds; lineare versus finanzmathematische KESt-Abgrenzung, SWK 2001, 403 und FN 3, 5, 6, 14). Vor allem aber wurde die Beklagte seitens der Klägerin ohnehin davor gewarnt, dass sie beim Erwerb der von ihr gewünschten Anleihen auch das gesamte eingesetzte Kapital verlieren könne. Der Beklagten musste daher umso mehr klar sein, dass es im Bereich des Möglichen lag, dass sich der erwartete Gewinn in Grenzen halten werde.

Das in § 3a KSchG geregelte Rücktrittsrecht des Verbrauchers, insbesondere im Sinn des Abs 2 Z 2 (Nichteintritt der in Aussicht gestellten steuerrechtlichen Vorteile), kann dem Regressanspruch der Klägerin schon deshalb nicht entgegengehalten werden, weil das Rücktrittsrecht durch Ablauf der in § 3a Abs 3 KSchG festgesetzten Monatsfrist bei dessen Geltendmachung in diesem Verfahren längst erloschen war. Es ist daher das dem Feststellungsbegehren stattgebende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Einheitssatz im Revisionsverfahren beträgt 50 % und nicht, wie verzeichnet, 150 %.