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OGH vom 23.01.2020, 6Ob236/19b

OGH vom 23.01.2020, 6Ob236/19b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Mag. J*****, vertreten durch DDr. Heinz-Dietmar Schimanko, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Dr. R*****, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung, Herausgabe/Beseitigung und Feststellung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 13 R 157/19g-19, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 25 Cg 39/19t-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich der bestätigten Teile lautet:

„1. Zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei gegen den Gegner der gefährdeten Partei auf Unterlassung von Persönlichkeitsverletzungen, worauf das Klagebegehren gerichtet ist, wird dem Gegner der gefährdeten Partei bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits verboten,

a. ohne Einverständnis der gefährdeten Partei von Äußerungen der gefährdeten Partei Tonaufnahmen herzustellen oder herstellen zu lassen, oder Gespräche der gefährdeten Partei aufzuzeichnen oder aufzeichnen zu lassen, wenn Äußerungen oder Gespräche der gefährdeten Partei nicht öffentlich erfolgen,

b. ohne Einverständnis der gefährdeten Partei von der gefährdeten Partei Bildaufnahmen (Lichtbilder) oder Filmaufnahmen anzufertigen oder anfertigen zu lassen, wenn sie sich nicht in der Öffentlichkeit befindet.

2. Das darüber hinausgehende Sicherungsbegehren wird abgewiesen.

3. Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 488,40 EUR bestimmten anteiligen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin 81,40 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu einem Drittel vorläufig und zu zwei Dritteln endgültig selbst zu tragen.“

Die gefährdete Partei ist weiters schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 990,60 EUR (darin 381,27 EUR Pauschalgebühr und 101,60 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit 1.208,04 EUR (darin 477 EUR Pauschalgebühr und 121,84 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz zu einem Drittel einstweilen und zu zwei Dritteln endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei (künftig: Kläger) war Politiker der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), zuletzt unter anderem stellvertretender Bundesparteiobmann der FPÖ, geschäftsführender Landesparteiobmann in Wien, geschäftsführender Klubobmann der FPÖ im Parlament und Vizebürgermeister und Landeshauptmann-Stellvertreter in Wien.

Der Gegner der gefährdeten Partei (künftig: Beklagte)r ist ein selbständiger Rechtsanwalt.

Im Mai 2019 wurde das als „Ibiza-Video“ bekannt gewordene Video öffentlich. In diesem sind der Kläger und H***** in einem Gespräch mit einer vermeintlichen „russischen Oligarchin“ zu sehen. Das Video dauert sechs bis sieben Stunden, von denen nur einige Minuten öffentlich bekannt wurden. Weitere Sequenzen des Videos wurden als Transkript veröffentlicht. Der Kläger trat in der Folge als Obmann des Klubs der Abgeordneten der FPÖ zum Nationalrat und zum Bundesrat zurück.

Die Filmaufnahmen wurden geplant und nur dadurch möglich, dass eine Schauspielerin sich als reiche Nichte eines „russischen Oligarchen“ mit einem falschen Namen ausgab. Der Beklagte hat für diese Schauspielerin eine Legende aufgebaut, welche auf den Kläger ausgerichtet war.

Auf Ibiza fand am abseits der Öffentlichkeit in einem privaten Umfeld ein mehrstündiges Gespräch zwischen dem Kläger, H*****, der Schauspielerin und deren Begleiter statt. Der Kläger und H***** nahmen wegen der vom Beklagten initiierten Täuschung an, dass sie an einem vertraulichen Gespräch mit einer reichen Russin und deren Begleiter teilnehmen, bei dem es keine Beobachter gäbe und keine Film- oder Tonaufnahmen hergestellt würden, die dann von anderen Personen oder der Öffentlichkeit gesehen und gehört würden.

Der Beklagte ließ das gesamte Gespräch vom Begleiter der Schauspielerin heimlich mit Bild und Ton filmen, um das Video gewinnbringend zu verkaufen.

Er bot das Video mehrfach entgeltlich verschiedenen Interessenten, unter anderem, aber nicht ausschließlich Medien an. Schließlich haben die Medieninhaber der „Süddeutschen Zeitung“ und des „Der Spiegel“ die Aufnahmen bekommen und Teile des Videos sowie in Artikeln auch Inhalte der Gespräche veröffentlicht. Der Beklagte hat noch Zugriff auf eine digitale Kopie der Aufnahme.

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt der , dem Beklagten bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu verbieten,

a. ohne Einverständnis des Klägers von Äußerungen des Klägers Tonaufnahmen herzustellen oder herstellen zu lassen, oder Gespräche des Klägers abzuhören oder aufzuzeichnen, oder abhören oder aufzeichnen zu lassen, wenn Äußerungen oder Gespräche des Klägers nicht öffentlich erfolgen, und es zu unterlassen, solche Tonaufnahmen oder Transkripte davon ganz oder teilweise zu veröffentlichen, zu verbreiten oder anderen Personen vorzuspielen, zugänglich zu machen oder zu überlassen,

b. ohne Einverständnis des Klägers vom Kläger Bildaufnahmen (Lichtbilder) oder Filmaufnahmen anzufertigen oder anfertigen zu lassen, oder Bildaufnahmen (Lichtbilder) oder Filmaufnahmen, in denen der Kläger erkennbar ist, oder Transkripte von solchen Filmaufnahmen ganz oder teilweise zu veröffentlichen, zu verbreiten, oder anderen Personen vorzuspielen, zugänglich zu machen oder zu überlassen, wenn der Kläger darauf zu sehen ist, wenn er sich nicht in der Öffentlichkeit befindet,

c. die in seinem Auftrag hergestellte, in der Öffentlichkeit mit der Bezeichnung „Ibiza-Video“ bezeichneten Filmaufnahmen von einem am erfolgten Treffen des Klägers, dessen Ehefrau und des H***** mit zwei Personen auf der Mittelmeerinsel Ibiza, von der Teile am von den Medieninhabern der „Süddeutsche Zeitung“ und des Magazins „Der Spiegel“ im Internet veröffentlicht wurden, wie sie in dem angeschlossenen Artikel der Wiener Zeitung vom (Beilage ./D), der einen integrierten Bestandteil des Urteils bildet, beschrieben sind, oder Teile dieser Filmaufnahmen oder ein Transkript dieser Filmaufnahmen oder Teile eines solchen Transkripts zu veröffentlichen, zu verbreiten, oder anderen Personen vorzuspielen, zugänglich zu machen oder zu überlassen.

Der trat dem Sicherungsantrag entgegen.

Das erließ die beantragte einstweilige Verfügung.

Das gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu ähnlichen Sachverhaltskonstellationen und Abwägungsfragen vorliege.

Rechtlich führte es aus, die geltend gemachten Ansprüche seien nach österreichischem Recht zu beurteilen. Es müsse im Einzelnen geprüft werden, durch welche vom Unterlassungsbegehren erfassten Handlungen der Beklagte gegen Unterlassungspflichten verstoßen habe.

Das Herstellen und Herstellen-Lassen von Tonaufnahmen verstoße gegen § 16 ABGB, der einen über § 120 Abs 1 StGB hinausgehenden Schutz gewähre. Das „Recht am gesprochenen Wort“ verbiete die nicht genehmigte Aufnahme eines nicht in der Öffentlichkeit geführten Gesprächs unabhängig davon, ob die Aufzeichnung durch einen Gesprächsteilnehmer erfolge oder der Gesprächspartner eine Person des öffentlichen Interesses sei.

Das Recht am eigenen Bild nach § 78 UrhG verbiete nur das öffentliche Zugänglichmachen von Bildnissen. Die unbefugte Herstellung von Bildnissen verstoße aber gegen § 16 ABGB, wenn dadurch das Recht auf Achtung des Privat und Familienlebens verletzt werde. Die kombinierte Ton und Bildaufzeichnung (Video) stelle regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, vor allem, wenn sie systematisch, verdeckt und identifizierend erfolge. Sie könne bei einem legitimen Informationsinteresse des Auftraggebers gerechtfertigt sein, wenn die Videoüberwachung das schonendste Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks sei.

Im vorliegenden Fall komme keine Rechtfertigung in Betracht, weil der Beklagte keinen Grund für die Notwendigkeit einer Bild- und Tonaufzeichnung behaupte, der darüber hinausgehe, durch den reißerischen Effekt die Vermarktung zu erleichtern. Er habe auch kein Informationsinteresse gehabt, weil er bei Erteilung des Auftrags zur Aufnahme nicht habe erwarten können, dass Tatsachen von allgemeinem Interesse zu Tage gefördert würden.

Die Bildaufnahme sei darüber hinaus mangels eines in § 12 Abs 3 DSG beschriebenen überwiegenden Interesses nach § 12 DSG unzulässig. Eine auf Art 10 EMRK gestützte Rechtfertigung scheide aus, weil mit dem Auftrag, ein Gespräch aufzuzeichnen, keine Meinungsäußerung verbunden sei. Auch die Voraussetzungen für verdeckte Recherchen laut dem Ehrenkodex der österreichischen Presse seien nicht vorgelegen, sodass eine Rechtfertigung durch die Informationsfreiheit ausscheide. Der Auftrag zur Herstellung des Videos sei daher rechtswidrig.

Die Weitergabe des Videos verstoße gegen § 120 Abs 2 StGB und § 78 UrhG, weil auch bei Politikern die Verbreitung von Bildern unzulässig sei, die die Intim und Privatsphäre beträfen und den Abgebildeten der Neugierde und Sensationslust preisgebe. Das sei hier der Fall, weil der Kläger in Freizeitkleidung und beim Konsum von Alkohol und Zigaretten gezeigt werde.

Der Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten sei das Interesse an der Bildnisveröffentlichung gegenüberzustellen. Dabei sei auf den Beitrag der inkriminierten Handlung zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die Bekanntheit der betroffenen Person und den Gegenstand des Berichts, das vorangegangene Verhalten des Betroffenen, die Art der Entstehung des Materials, die Form und Auswirkungen der Veröffentlichung und die Schwere der verhängten Sanktion abzustellen.

Das Video liefere einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse, weil darin der Kläger als bedeutender Vertreter der drittgrößten österreichischen Parlamentspartei einen angedachten Umgang mit öffentlichen Mitteln offenlege. Der Berufung auf Art 10 EMRK stehe aber entgegen, dass das Videomaterial durch Täuschung und in Gewinnerzielungsabsicht erlangt worden sei. Hinsichtlich der Auswirkungen der Veröffentlichung sei zu beachten, dass der Beklagte auf die Art und die Länge der Veröffentlichung keinen Einfluss gehabt habe. Der Kläger sei aus kommerziellen Interessen unverhältnismäßig bloßgestellt worden. Der Inhalt der öffentlich interessierenden Äußerungen hätte auch verschriftlicht ohne Bilder veröffentlicht werden können, sodass der Konsum von Alkohol und die angedeutete Verwendung einer Faustfeuerwaffe nicht bekannt geworden wären. Die Methode der Informationsbeschaffung sei in besonderem Maß unredlich und in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig; die Weitergabe sei besonders geeignet gewesen, die Persönlichkeitsrechte des Klägers zu verletzen.

Bei der Beurteilung der Pressefreiheit einerseits und der allgemeinen Informationsfreiheit seien unterschiedliche Maßstäbe anzuwenden, weil es die Rolle der Medien sei, Material von öffentlichem Interesse zutage zu fördern, sie sich aber auch einer Selbstbindung an Grundsätze journalistischen Arbeitens unterwerfen würden. Der Beklagte habe sich hingegen bloß eine Einnahmequelle erschließen wollen. Zu Lasten des Beklagten schlage weiters aus, dass er in seiner Funktion als Rechtsanwalt vorgegeben habe, auch die Interessen des Klägers zu wahren. Daher sei im Ergebnis auch die Weitergabe des Videos an Medienunternehmen nicht durch das Recht auf Informationsfreiheit gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist . Er ist auch .

A.

1. Tritt der Rechtsmittelwerber der Beurteilung einer selbständigen Rechtsfrage durch das Rekursgericht in seinem Revisionsrekurs nicht entgegen, ist diese Rechtsansicht nicht mehr zu überprüfen (RS0043338 [T18]; vgl RS0041570 [T8]; Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze4§ 503 ZPO Rz 188 ff).

2. Der Beklagte zieht die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die geltend gemachten Ansprüche nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen seien, im Revisionsrekurs nicht mehr in Zweifel (vgl dazu RS0121351 [T1]). Auf die selbständig zu beurteilende Rechtsfrage des anwendbaren Rechts ist daher nicht einzugehen.

B.

1.1. Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Sinn des § 16 ABGB (RS0128659; RS0123001).

Bereits die Herstellung eines Bildes ohne Einwilligung des Abgebildeten kann einen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht begründen (6 Ob 256/12h „Zur Belustigung“; RS0128659). Hingegen schützt § 78 UrhG nur vor der öffentlichen Ausstellung und Verbreitung von Bildnissen von Personen, wenn eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Abgebildeten vorliegt (6 Ob 256/12h).

1.2. Analog zum Recht am eigenen Bild ist in der Judikatur auch das „Recht am eigenen Wort“ anerkannt, das ebenfalls aus § 16 ABGB abgeleitet wird (RS0031784 [T2]; 9 ObA 215/92 mwN). Der Schutzbereich des zivilrechtlichen „Rechts am gesprochenen Wort“ geht über § 120 StGB hinaus (9 ObA 215/92; 6 Ob 190/01m; RS0031784 [T5]). Bereits die Tonbandaufnahme einer Besprechung ohne Zustimmung des Gesprächspartners ist grundsätzlich rechtswidrig (vgl RS0031784 [T1]; 6 Ob 82/18d).

1.3. Schutzgegenstand des Rechts am eigenen Bild und des Rechts am eigenen Wort sind die Privatheit der Person und ihrer nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Äußerungen (vgl RS0009003 [T10, vgl T 11]). Es geht um die schützenswerte objektivierte Erwartung des Betroffenen, das Ausmaß der „Öffentlichkeit“ seines eigenen Handelns und Kommunizierens grundsätzlich selbst bestimmen zu können (vgl Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 16 ABGB Rz 134).

2.1. In diesem Sinn anerkennt die Rechtsprechung, dass heimliche Tonaufnahmen in jedes Gespräch das Gefühl von Argwohn und Misstrauen einführen würden (vgl 9 ObA 215/92; 6 Ob 82/18d) und dass das Gefühl der dauernden Überwachung und Kontrolle die Privatsphäre beeinträchtigt (vgl RS0107155 [insb T 8]). Geheime Bildaufnahmen im Privatbereich und eine fortdauernde unerwünschte Überwachung stellen daher eine Verletzung der Geheimsphäre dar (RS0107155 [insb T 10]; vgl RS0120422). Anerkannt ist auch, dass das (gezielte) fotografische Festhalten einer bestimmten Tätigkeit oder Situation vom Abgebildeten als unangenehm empfunden werden und ihn an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern kann (6 Ob 256/12h „Zur Belustigung“).

2.2. Dabei bedarf es allerdings – wie stets bei der Ermittlung von Umfang und Grenzen von Persönlichkeitsrechten – einer umfassenden Güter und Interessenabwägung im Einzelfall, bei der dem Interesse am gefährdeten Gut die Interessen der Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen (RS0008990 [T3]; 6 Ob 256/12h „Zur Belustigung“).

3.1. Liegt ein Eingriff in das geschützte Recht auf Achtung der Geheimsphäre vor, trifft den Verletzer die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er in Verfolgung eines berechtigten Interesses handelte und dass die gesetzte Maßnahme ihrer Art nach zur Zweckerreichung geeignet war. Entspricht er dieser Behauptungs- und Beweislast, kann der Beeinträchtigte behaupten, dass die Maßnahme nicht das schonendste Mittel zur Zweckerreichung darstellt. Stellt sich heraus, dass die Maßnahme nicht das schonendste Mittel war, erübrigt sich die Vornahme einer Interessenabwägung (RS0120423; 6 Ob 6/19d „Oberstleutnant L“).

3.2. Lediglich der höchstpersönliche Lebensbereich, das ist der Kernbereich der geschützten Privatsphäre, ist einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich. Dieser höchstpersönliche Kernbereich ist nicht immer eindeutig abgrenzbar, es gehören jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie dazu (RS0008990 [T11]).

3.3. Allgemein ist der Ermessensspielraum bei der Rechtfertigung eines Eingriffs in das von Art 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umso eingeschränkter, je mehr wesentliche Aspekte der Existenz oder Identität einer Person betroffen sind (Meyer-Ladewig/Nettesheim in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK4 [2017] Art 8 Rz 112). Bei der Interessenabwägung kommt es daher auch auf den Grad der Vertraulichkeit des Gesprochenen und den Lebensbereich, dem dieses zugeordnet ist, an (Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4§ 16 Rz 34). Ebenso ist zu berücksichtigen, ob eine Bildaufnahme in einer Situation stattfindet, in der die freie Entfaltung der Person bereits eingeschränkt ist (6 Ob 6/19d „Oberstleutnant L“ zur Bildaufnahme eines Polizisten während des Polizeieinsatzes).

4.1. Bei der Beurteilung von Veröffentlichungen hat eine Abwägung zwischen der von Art 8 EMRK geschützten Privatsphäre und der in Art 10 EMRK garantierten Meinungsäußerungsfreiheit stattzufinden. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass es den Medien möglich sein muss, ihre Rolle eines „public watchdog“ in einer demokratischen Gesellschaft zu erfüllen (RS0123667 mit Nw der Rsp des EGMR).

4.2. In diesem Zusammenhang billigt der EGMR den Vertragsstaaten für Einschränkungen politischer Äußerungen oder Diskussionen in Angelegenheiten des öffentlichen Interesses kaum Raum für Beschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit zu (EGMR , BswNr 21830/09, Haldimann Rz 59; vgl RS0123667).

4.3. Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass sich ein „Verwertungsverbot“ für rechtswidrig erlangte Informationen, wonach Medien Informationen, die sie unter Verletzung von Verschwiegenheitspflichten durch Dritte erhalten haben, nicht veröffentlichen dürften, aus der Rechtsordnung nicht ableiten lässt und auch mit der vom EGMR postulierten Rolle der Medien als „public watchdog“ unvereinbar wäre (RS0123667 [T9] = 6 Ob 110/18x „Luxusimmobilie I“; vgl BGH VI ZR 490/12 Rz 20).

4.4. Allerdings haben auch Politiker oder sonst allgemein bekannte Personen Anspruch darauf, dass die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nimmt. Daher ist auch die Intimsphäre dieser Personen geschützt und die Verbreitung von Bildern, die entstellend wirken oder den Abgebildeten im Zusammenhang mit der Bildunterschrift oder dem Begleittext der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgeben, oder ihn mit Vorgängen in Verbindung bringen, mit denen er nichts zu tun hat, unzulässig (RS0077903 [T1]). Im Kernbereich der geschützten Privatsphäre kann die Interessenabwägung daher – auch bei Politikern – nur dann zugunsten des Äußernden ausfallen, wenn ein allgemeines Informationsinteresse besteht oder der Verletzte seine privaten Lebensumstände selbst öffentlich gemacht hat (RS0077903 [T8]).

5.1. Art 10 EMRK schützt sowohl das Empfangen von Informationen und Ideen als auch deren Weitergabe. Die Weitergabe muss dabei nicht zwingend gegenüber der Allgemeinheit erfolgen; auch ein Brief an einen einzigen Empfänger fällt unter Art 10 (Daiber in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK4 Art 10 Rz 16 f).

5.2. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bereits die Zulässigkeit des gezielten Einsatzes einer verdeckten Kamera zur Dokumentation eines Missstandes im Zusammenhang mit einem für das öffentlichen Interesse relevanten Themenbereich, sowie die nachfolgende mediale Veröffentlichung der heimlich hergestellten Aufnahmen zu beurteilen (EGMR , BswNr 21830/09, Haldimann).

5.2.1. Gegenstand der Entscheidung war eine in einer Verbraucherschutzsendung ausgestrahlte Reportage über missbräuchliche Geschäftspraktiken von Versicherungsmaklern. Die Redakteure nahmen im Vorfeld der Sendung ein Gespräch zwischen einem Versicherungsmakler und einer sich als Kundin ausgebenden Journalistin heimlich in Bild und Ton auf und verwendeten Ausschnitte der Aufnahme in der Reportage. Dabei wurde das Gesicht des Maklers verpixelt und seine Stimme technisch unkenntlich gemacht.

5.2.2. Der EGMR beurteilte den Eingriff in die Privatsphäre des Maklers durch die Herstellung der Aufnahme und ihre Veröffentlichung als nach Art 10 EMRK gerechtfertigt. Entscheidend dafür waren die Anerkennung als Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse und der Umstand, dass der Eingriff in die Privatsphäre des Maklers – dessen „reasonable expectation of privacy“ hinsichtlich des Gesprächs anerkannt wurde (Rz 60) – nur von geringerem Gewicht war, weil der Fokus des Beitrags auf den Praktiken der Branche und nicht auf seiner Person lag. Berücksichtigt wurde darüber hinaus, dass den beschwerdeführenden Journalisten kein vorsätzlicher Verstoß gegen ihr Berufsethos vorgeworfen werden konnte. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wurde daher insgesamt als überwiegend beurteilt.

5.3. Allgemein stellt der EGMR zur Abwägung eines Eingriffs in die von Art 8 EMRK geschützte Privatsphäre gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK auf den Beitrag der veröffentlichten Informationen zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, auf den Bekanntheitsgrad und das vorherige Verhalten der betroffenen Person, auf die Art der Erlangung der Informationen und ihren Wahrheitsgehalt sowie auf den Inhalt, die Form und die Auswirkungen der zu beurteilenden Veröffentlichung ab (EGMR , BswNr 39954/08, S. AG gegen Deutschland Rz 89 ff; vgl RS0129575 und die dort zitierte Rechtsprechung des EGMR).

5.4. Der Umstand, dass ein Rechtssubjekt kommerzielle Interessen verfolgt, führt nicht zum Verlust der von Art 10 EMRK garantierten Rechte (EGMR , BswNr 12726/87, Autronic gegen die Schweiz Rz 47). In der Interessenabwägung zur Rechtfertigung der Weitergabe vertraulicher Informationen kann es aber zu Lasten des die Information Weitergebenden ausschlagen, wenn er aus Animosität oder zu seinem eigenen finanziellen Nutzen handelt (Daiber in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK4 Art 10 Rz 65 unter Hw auf EGMR , BswNr 40238/02, Bucur ua gegen Rumänien Rz 93).

C.

1.1. Nach § 12 Abs 2 Z 4 DSG ist eine Bildaufnahme unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 13 DSG (Besondere Datensicherheitsmaßnahmen und Kennzeichnung) zulässig, wenn im Einzelfall überwiegende berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten bestehen und die Verhältnismäßigkeit gegeben ist. § 12 Abs 3 DSG enthält eine demonstrative Aufzählung zulässiger Bildaufnahmen, § 12 Abs 4 DSG eine Aufzählung unzulässiger Bildverarbeitungen.

1.2. Nach § 12 Abs 5 DSG dürfen im Wege einer zulässigen Bildaufnahme ermittelten persönlichen Daten im erforderlichen Ausmaß übermittelt werden, wenn für die Übermittlung eine der Voraussetzungen des Abs 2 Z 1 bis 4 gegeben ist, wobei Abs 4 sinngemäß gilt.

1.3. Ausweislich der Materialien soll § 12 DSG hinsichtlich der Voraussetzungen zwischen dem ersten Schritt des bloßen Einsatzes einer Bildaufnahme und dem – mit einem weiteren Eingriff verbundenen – zweiten Schritt des Übermittelns einer Aufnahme unterscheiden und für beide Fälle eine abschließende Regelung treffen (ErläutRV 1664 BlgNR 25. GP 14). § 12 Abs 5 DSG solle klarstellen, dass die Zulässigkeit der Übermittlung von Bildaufnahmen davon abhängig gemacht werde, dass die Daten zulässigerweise nach § 12 DSG ermittelt worden seien und zweitens einer der Fälle des § 12 Abs 2 DSG vorliegen müsse (Erläut AB abgedruckt bei Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger, DSG3 45; vgl ErläutRV 1664 BlgNR 25. GP 15).

2.1. Nach § 120 Abs 2 StGB ist es untersagt, ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonaufnahme einer nicht öffentlich gemachten Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich zu machen oder eine solche Aufnahme zu veröffentlichen.

2.2. § 120 Abs 2 StGB pönalisiert die Weitergabe oder Veröffentlichung nicht nur von strafrechtswidrig gewonnenen, sondern auch von sonstwie erlangten Tonaufnahmen einer nicht öffentlichen Äußerung an Unberechtigte ohne Einverständnis des Sprechenden (Lewisch/Reindl-Krauskopf in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 120 Rz 1). Die Kommentarliteratur anerkennt die Rechtfertigung durch Notwehr, rechtfertigenden Notstand, mutmaßliche Einwilligung und gesetzliche Befugnisse, lehnt aber eine Rechtfertigung durch „überwiegende rechtliche Interessen“ grundsätzlich ab (Thiele in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum StGB, § 120 Rz 75 ff; Lewisch/Reindl-Krauskopf in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 120 Rz 25). Anerkannt ist aber, dass – insbesondere im Zusammenhang mit investigativem Journalismus – auch die Vorgaben des (im Verfassungsrang stehenden) Art 10 EMRK in ihrer Auslegung durch den EGMR zu beachten sind (Lewisch/Reindl-Krauskopf in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 120 Rz 25).

D.

1. Der Unterlassungsanspruch wird durch zwei Elemente konkretisiert: Eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird (RS0037660 [T7]). Bei der Gefahr des Zuwiderhandelns ist zu unterscheiden, ob der zu einer bestimmten Unterlassung Verpflichtete bereits einmal zuwidergehandelt oder ob er sich bisher rechtmäßig verhalten hat. Im ersten Fall wird vermutet, dass er wieder zuwiderhandeln werde (Wiederholungsgefahr) im zweiten Fall muss das Zuwiderhandeln unmittelbar drohend bevorstehen (Erstbegehungsgefahr) (RS0037661 [T2]).

2. Auch vom mittelbaren Störer – das ist von jenem, der die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit hat, die auf ihn zurückgehende, seiner Interessenwahrung dienende, aber unmittelbar von Dritten vorgenommene Störhandlung zu steuern und gegebenenfalls auch zu verhindern – kann Unterlassung und nicht bloß Einwirkung auf den unmittelbaren Störer begehrt werden (RS0103058). Der Unterlassungsanspruch ist gegeben, wenn die Störungshandlung zwar nicht vom Beklagten selbst begangen, aber doch von ihm direkt veranlasst wurde, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzung dafür schuf, dass der Dritte die Störung begehen konnte (RS0011737 [T5]; 6 Ob 6/19d „Oberstleutnant L“).

E.

1. Aus diesen Grundsätzen ergibt sich :

1.1. Die gezielte und den Kläger identifizierende Anfertigung einer Bild- und Tonaufnahme des Gesprächs, an dem der Kläger teilnahm, ohne seine Zustimmung und Kenntnis sowie die Weitergabe der Aufnahmen an Dritte greift zunächst in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein, weil der Kläger aufgrund der Gesprächssituation an einem nicht öffentlich zugänglichen Ort berechtigt darauf vertrauen durfte, dass keine Aufzeichnungen des Gesprächs stattfänden.

1.2. Der höchstpersönliche Lebensbereich des Klägers, der einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung entzogen wäre – seine Gesundheit, seine Sexualsphäre und sein Leben in und mit der Familie (vgl RS0008990 [T11]) – ist durch die vorliegenden Aufnahmen und deren nachfolgende Weitergabe nicht berührt.

1.3. Der Beklagte kann daher behaupten und beweisen, dass er in Verfolgung eines berechtigten Interesses handelte und die heimliche Aufnahme des Gesprächs und die Weitergabe der Aufnahme zur Zweckerreichung geeignet waren (vgl RS0120423).

1.4. Der Beklagte leitet die Rechtfertigung der Eingriffe aus dem überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich der beteiligten Personen und der Gesprächsinhalte ab.

1.5. Nach Rechtsansicht des Senats ist die Rechtswidrigkeit der Eingriffe in die Privatsphäre des Klägers einerseits durch die Herstellung der Videoaufnahme, andererseits durch ihre Weitergabe, gesondert zu beurteilen.

1.6. Es trifft zwar zu, dass der EGMR in der Rechtssache Haldimann sowohl die heimliche Aufnahme des Gesprächs mit dem Versicherungsmakler als auch die Veröffentlichung der Aufnahme – gleichsam als einheitlichen Vorgang – als durch den Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse gerechtfertigt ansah. Die Garantien des Art 10 EMRK wurden damit bereits bei der Beurteilung der Herstellung der Aufnahme berücksichtigt.

1.7. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem der Rechtssache Haldimann zugrunde liegenden Sachverhalt dadurch, dass die verdeckte Tonbandaufnahme in jenem Fall dazu eingesetzt wurde, um bereits bekannte und dokumentierte Missstände beim Vertrieb von Lebensversicherungen exemplarisch für eine konkret geplante Verbraucherschutz-Sendung darzustellen. Hingegen wurde im vorliegenden Fall unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – falscher Identitäten der Gesprächspartner sowie eines fingierten Interesses an Investitionen und Zusammenarbeit mit einer politischen Partei – eine atypische Gesprächssituation geschaffen, offenkundig in der Hoffnung, dadurch inkriminierende und wirtschaftlich verwertbare Aufnahmen zu erlangen. Der Beklagte kann sich – nach dem im Sicherungsverfahren bescheinigten Sachverhalt – nicht darauf stützen, dass er die Aufnahme zu dem Zweck herstellen ließ, um mit der nachfolgenden Veröffentlichung einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse zu leisten. Aus dem im Sicherungsverfahren bescheinigten Sachverhalt ergibt sich vielmehr seine Absicht, die erlangten Aufnahmen gewinnbringend zu verkaufen. Dazu bot er die Aufnahme in der Folge auch anderen Interessenten als Medienunternehmen an. Die Herstellung der Aufnahmen steht daher – anders als in der Rechtssache Haldimann – nicht in einem derart engen Zusammenhang mit der nachfolgenden Veröffentlichung, dass die Beurteilung als einheitlicher Vorgang gerechtfertigt wäre.

2.

2.1. Im vorliegenden Fall schlägt die Interessenabwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Achtung seiner Persönlichkeit und dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung hinsichtlich der Herstellung der Ton- und Bildaufnahmen zugunsten des Klägers aus.

2.2. Bei Durchführung der Interessenabwägung fällt – wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausführte – zugunsten des Beklagten ins Gewicht, dass es sich beim Kläger um eine Person der Zeitgeschichte handelt. Das aufgenommene Gespräch fand zwar an einem nicht öffentlich zugänglichen Ort statt, die dem Gericht bekannten Gesprächsinhalte betreffen aber nicht das Privatleben des Klägers. Der Gesprächsinhalt steht vielmehr ausschließlich im Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit.

2.3. Nach dem bescheinigten Sachverhalt diente das Gespräch – vermeintlich – der Kontaktaufnahme der vorgeblichen reichen Ausländerin mit Vertretern einer politischen Partei. Der Kläger kann sich daher nicht etwa darauf stützen, er hätte gegenüber nahestehenden Personen in unbedachter Weise Meinungen geäußert. Er musste vielmehr davon ausgehen, dass ihm seine Äußerungen von den Gesprächsteilnehmern in seiner Funktion als Repräsentant seiner politischen Partei und als Träger öffentlicher Ämter zugerechnet würden. Aus dem Inhalt des aufgezeichneten Gesprächs ergibt sich eine Schutzwürdigkeit der Privatsphäre umso weniger, als er Anlass zur Einleitung staatsanwaltlicher Ermittlungen war (vgl die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vom , AB 3745 26. GP). Die mit der inkriminierten Videoaufnahme dokumentierten Verhaltensweisen sind für die Meinungsbildung der Öffentlichkeit über die persönliche Eignung des Klägers zur Ausübung politischer Ämter daher in hohem Ausmaß relevant.

2.4. Zu Lasten des Beklagten ist aber die verpönte Art der Erlangung der Aufnahme zu berücksichtigen. Es ist bescheinigt, dass der Beklagte durch vorsätzliche Täuschung über die Identität und die Absichten der Gesprächspartnerin – der vermeintlichen reichen Ausländerin – überhaupt erst die Voraussetzungen dafür schuf, dass das Gespräch zustande kam, in dem unter anderem über verdeckte Parteienfinanzierung zugunsten der FPÖ und die im Gegenzug mögliche Einflussnahme auf die Vergabe öffentlicher Aufträge gesprochen wurde.

2.5. Wie bereits ausgeführt, kann sich der Beklagte nicht darauf stützen, mit der Veranlassung der heimlichen Videoaufnahme das Motiv verfolgt zu haben, zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beizutragen. Auszugehen ist vielmehr von dem im vorliegenden Sicherungsverfahren bescheinigten Sachverhalt, wonach er die Aufnahme veranlasste, um das Video gewinnbringend zu verkaufen. Mit der bloßen Weitergabe gegen Entgelt, allenfalls an einen sehr eingeschränkten Personenkreis, ist aber noch kein Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse verbunden.

2.6. Daraus ergibt sich kein von Art 10 EMRK geschütztes Interesse des Beklagten, das höher zu bewerten wäre als das Interesse des Klägers, während eines nicht in der Öffentlichkeit geführten Gesprächs nicht heimlich in Bild und Ton aufgenommen und nicht über die Identität seiner Gesprächspartner getäuscht zu werden.

2.7. Die Vorinstanzen haben dem Sicherungsantrag daher insofern zutreffend stattgegeben, als sie die Herstellung von Tonaufnahmen und Aufzeichnung von Gesprächen und die Anfertigung von Bild- und Filmaufnahmen sowie die Veranlassung dieser Handlungen untersagten.

2.8. Dem Revisionsrekurs des Beklagten ist aber insofern Folge zu geben, als die Vorinstanzen in Punkt 1.a. der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung auch das Abhören oder Abhören-Lassen nichtöffentlich getätigter Äußerungen des Klägers untersagten.

2.9. Unter dem Abhören (im Gegensatz zum Aufzeichnen) eines Gesprächs versteht man allgemein, durch technische Mittel ein Mithören eines Gesprächs in Echtzeit zu ermöglichen (vgl Lewisch/Reindl-Krauskopf in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 120 Rz 6). Eine derartige Eingriffshandlung ergibt sich aus dem bescheinigten Sachverhalt aber nicht, sodass insofern keine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Der bescheinigte Sachverhalt legt auch nicht nahe, dass ein derartiger Eingriff unmittelbar drohe. Damit ist der auf die Eingriffshandlung des Abhörens (der Veranlassung des Abhörens) gerichtete Sicherungsantrag nicht berechtigt.

3.

3.1. Nach dem bescheinigten Sachverhalt bot der Beklagte die Bild- und Tonaufnahme mehrfach verschiedenen Interessenten an; schließlich erhielten zwei Medienunternehmen die Aufnahme. Diese veröffentlichten Teile des Videos sowie Artikel über Gesprächsinhalte.

3.2. Der Beklagte überließ demnach die Aufnahme zwei Medienunternehmen und machte sie diesen damit auch zugänglich. Er hat dadurch auch die Voraussetzung dafür geschaffen, dass diese die Aufnahme veröffentlichen, verbreiten und anderen vorspielen, sowie Transkripte herstellen und diese ihrerseits verbreiten (etc) konnten (vgl RS0011737 [T5]), sodass er diese Eingriffshandlungen in das Persönlichkeitsrecht des Klägers faktisch erst ermöglicht hat.

3.3. Hinsichtlich dieser Eingriffshandlungen kann sich der Beklagte aber – anders als hinsichtlich der Herstellung der Aufnahmen – zur Rechtfertigung des dadurch bewirkten Eingriffs in die Privatsphäre des Klägers auf die von Art 10 EMRK geschützte Meinungsäußerungsfreiheit stützen, weil die hier zu beurteilende Eingriffshandlung tatsächlich einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse leistete.

3.4. Durch die Weitergabe des Videos an zwei Medienunternehmen und die dadurch ermöglichte Veröffentlichung wird die Öffentlichkeit in die Lage versetzt, sich selbst ein Bild über die persönliche Integrität (unter anderem) des Klägers zu machen und daraus Schlüsse auf seine Eignung zur Ausübung hoher politischer Ämter zu ziehen.

3.5. Dabei erweist sich die Veröffentlichung der Ton- und Bildaufnahme auch als das gelindeste Mittel zur Zweckerreichung. Die Rückschlüsse auf die Eignung (unter anderem) des Klägers zur Bekleidung hoher öffentlicher Ämter ergeben sich nämlich im vorliegenden Fall nicht nur aus dem Inhalt des Gesprächs, sondern auch aus den äußeren Gegebenheiten, die nur durch Anschauen der Aufnahme, nicht aber durch ein Transkript des Gesprächs erfassbar sind.

3.6. Inhalt des Gesprächs waren unter anderem verdeckte Parteispenden, eine Beteiligung an der „Kronen-Zeitung“, das Angebot von Staatsaufträgen für den Fall einer Regierungsbeteiligung der FPÖ, die Privatisierung der österreichischen Wasserversorgung, die Kontrolle der österreichischen Medienlandschaft und die Privatisierung des ORF (vgl die Zusammenfassung des Gesprächsinhalts im Bericht der Wiener Zeitung vom , Beilage ./D, die der Kläger zum Bestandteil seines Unterlassungsbegehrens erhebt).

3.7. Es ist von Bedeutung, dass derartige Themen, die unter anderem Dispositionen der öffentlichen Hand betreffen, nicht im Rahmen eines geschäftlich ausgestalteten Arbeitstreffens, sondern an einem Urlaubsort bei reichlich Alkoholkonsum diskutiert wurden. Gerade dieses Umfeld und die Art der Diskussion ermöglichen die Beurteilung der Integrität und des Verantwortungsbewusstseins des (unter anderem) Klägers als Politiker und Inhaber öffentlicher Ämter.

3.8. Die Veröffentlichung der Videoaufnahme leistete einen außergewöhnlich großen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse. Dieser Beitrag ist im vorliegenden Fall höher zu gewichten als das Interesse des Klägers an der Wahrung der Vertraulichkeit des stattgefundenen Gesprächs.

3.9. Die dargestellte Interessenabwägung ist nicht nur hinsichtlich des aus § 16 ABGB abgeleiteten Persönlichkeitsrechts des Klägers an seinem gesprochenen Wort und am eigenen Bild vorzunehmen, sondern auch im Hinblick auf das Verbot des § 120 Abs 2 StGB und des § 12 Abs 5 DSG.

3.10. Es wurde bereits ausgeführt, dass das Verbot des § 120 Abs 2 StGB das – im Verfassungsrang verankerte – Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art 10 EMRK nicht abzubedingen vermag, sondern die Garantien des Art 10 EGMR bei der Beurteilung nach § 120 Abs 2 StGB zu beachten sind.

3.11. Auch der Konflikt des Grundrechts des Klägers auf Datenschutz mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK ist im Wege einer umfassenden Interessenabwägung zu lösen, bei der die dargelegten Wertungen maßgeblich sind. Auch im Hinblick auf § 12 Abs 5 DSG schlägt die Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen hinsichtlich der hier zu beurteilenden Datenweitergabe (Weitergabe der Bild- und Tonaufnahme an zwei Medienunternehmen) daher zugunsten des Beklagten aus.

3.12. Klarzustellen ist, dass dem Senat nur jene Teile der Aufnahme von wenigen Minuten Dauer bekannt sind, die allgemein zugänglich veröffentlicht wurden. Eine sich allenfalls aus der Weitergabe der übrigen Teile der Aufnahme ergebende Rechtswidrigkeit kann – mangels Kenntnis der übrigen Teile der Aufnahme – nicht erkannt werden.

3.13. Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der Revisionsrekurs hinsichtlich der in den Punkten 1.a. und 1.b. der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung als berechtigt, soweit damit das Abhören, die Veröffentlichung, die Verbreitung, das Vorspielen gegenüber anderen Personen, das Zugänglich-Machen oder das Überlassen der Tonaufnahmen oder der Bild(Film)Aufnahmen des Klägers oder von Transkripten dieser Aufnahmen verboten wurden.

3.14. Ebenso berechtigt ist der Revisionsrekurs aus den dargelegten Erwägungen hinsichtlich des ausschließlich auf die Eingriffshandlungen des Veröffentlichens, Verbreitens, Vorspielens, Zugänglich-Machens oder Überlassens abzielende Sicherungsbegehren zu Punkt 1.c. der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Sicherungsverfahrens beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 43 Abs 1 ZPO hinsichtlich des Klägers und auf § 402, 78 EO iVm § 43 Abs 1 ZPO hinsichtlich des Beklagten, in den Rechtsmittelverfahren jeweils iVm § 50 ZPO.

Der Kläger hat die von ihm in die Punkte a., b. und c. gegliederten Unterlassungsanträge jeweils mit 5.000 EUR bewertet. Er ist mit seinen Anträgen zu den Punkten a. und b. mit rund der Hälfte, mit seinem Antrag zu Punkt c. nicht durchgedrungen; er war daher insgesamt mit rund einem Drittel seines Sicherungsbegehrens erfolgreich.

Für den mit Beschluss vom abgewiesenen Fristerstreckungsantrag des Beklagten vom besteht schon mangels Erfolgs kein Kostenersatzanspruch. Für die Äußerung zum Sicherungsantrag gebührt lediglich der einfache Einheitssatz.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00236.19B.0123.000
Schlagworte:
Ibiza‑Video,

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