OGH vom 08.11.1972, 1Ob189/72
Norm
Ehegesetz §§15 ff;
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz § 6;
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz § 7;
Kopf
SZ 45/116
Spruch
Bei einem Unterhaltsanspruch aus einer im Jahre 1949 zwischen einem britischen Offizier und einer Österreicherin vor einem Funktionär der britischen Besatzungsmacht in Österreich geschlossenen "hinkenden" Ehe, die nach britischem Recht gültig, nach österreichischem Recht hingegen nicht gültig zustandegekommen ist, ist an das Personalstatut des Mannes anzuknüpfen; der Unterhaltsanspruch ist also anzuerkennen, wenn er nach britischem Recht gegeben ist
(LGZ Wien 45 R 72/72; BG Fünfhaus 5 C 31/72)
Text
Die Klägerin begehrte vom Beklagten Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages in der Höhe von S 5500.- mit der Behauptung, daß sie den Beklagten am in der (damaligen) St Michael's Church im Schloß Schönbrunn nach englischem Recht geheiratet habe und mit dem Beklagten seither in aufrechter Ehe lebe.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete insbesondere ein, daß er mit der Klägerin in keiner für den österreichischen Rechtsbereich gültigen Ehe lebe.
Die Parteien stellten außer Streit, daß a) der Beklagte die britische Staatsbürgerschaft besitze und diese auch zur Zeit der Eheschließung besessen habe, b) die Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung österreichische Staatsbürgerin gewesen sei und c) die Parteien von einem österreichischen Standesbeamten ihren Ehewillen nicht erklärt haben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von diesen Außerstreitstellungen und folgenden zusätzlichen Feststellungen ausging: Die Parteien haben am in der St Michael"s Church (Schloßkapelle) im Wiener Schloß Schönbrunn vor einem Funktionär der damaligen britischen Besatzungsmacht geheiratet. Die genannte Kapelle habe in der Nachkriegszeit lediglich unter der faktischen Verfügungsgewalt der britischen Besatzungstruppen gestanden, die österreichische Rechtsordnung habe aber grundsätzlich auch für diese Kapelle gegolten, wenngleich ihre Durchsetzbarkeit nicht gewährleistet gewesen sei. Eine spezielle Ordinance der britischen Besatzungsmacht hinsichtlich dieser Kirche habe es nicht gegeben.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß eine für den österreichischen Rechtsbereich gültige Ehe der Streitteile nicht bestehe und der Beklagte deshalb auch zu keiner Unterhaltsleistung aus dem Titel der Ehe verpflichtet sei. Selbst wenn nach britischem Recht eine Ehe zwischen den Parteien anerkannt werde, könne die Klägerin Unterhalt nicht mit Grund vom Beklagten fordern, weil die Vorfrage, ob es zwischen den Parteien zu einer gültigen Eheschließung gekommen sei, gemäß § 6 Abs 3 der 4. DVzEheG nach österreichischem Recht zu beurteilen sei.
Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 7 bis 13 der 4. DVzEheG hänge davon ab, ob eine gemäß § 6 der 4. DVzEheG für den österreichischen Rechtsbereich wirksame Ehe bestehe oder ob dies nicht der Fall sei. Die Form eines im Inland geschlossenen Ehevertrages bestimme sich ausschließlich nach den im Inland geltenden Gesetzen (§ 6 Abs 3 der 4. DVzEheG). Für den österreichischen Rechtsbereich bedeute dies einen klaren Verweis auf § 15 Abs 1 EheG demzufolge eine Ehe nur zustande komme, wenn die Eheschließung vor einem österreichischen Standesbeamten stattgefunden habe. Im gegenständlichen Fall sei die Erklärung der Parteien, die Ehe miteinander eingehen zu wollen, in Österreich abgegeben worden, sie sei jedoch nicht vor einem österreichischen Standesbeamten erfolgt. Das BG , BGBl 117, lasse eine für den österreichischen Rechtsbereich gültige Eheschließungsform bei Erklärung des Ehewillens vor einem Funktionär der Besatzungsmacht nur für die Zeit vom bis zu. Die Erklärung des Ehewillens der Parteien vor einem Funktionär der britischen Besatzungsmacht sei aber erst am . sohin außerhalb des beschriebenen Ausnahmezeitraumes erfolgt. Nach englischem Recht könne die Ehe der Parteien allenfalls gültig sein, für den österreichischen Rechtsbereich sei jedoch eine der Vorschrift des § 15 Abs 1 EheG entsprechende Eheschließung nicht zustande gekommen. Die Anwendung des § 7 der 4. DVzEheG habe zur Voraussetzung, daß die Parteien in einer nach österreichischem Recht gültigen Ehe leben. Da es an dieser Voraussetzung fehle, könne der Beklagte auch nicht zur Leistung des Unterhaltes an die Klägerin iS des § 91 ABGB verhalten werden.
Der Oberste Gerichtshof, der die Revision als den Grund des Anspruches betreffend für zulässig erachtete (JB 60 neu = SZ 27/177), hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Streitsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß nach § 6 Abs 1 der 4. DVzEheG die Eingehung der Ehe in Ansehung eines jeden Verlobten nach den Gesetzen des Staates zu beurteilen ist, dem er zur Zeit der Eheschließung, also vor einer allfälligen Änderung seiner Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung, angehört hat (Köhler, Internationales Privatrecht[3], 72; Loewe, Österreichische Hefte für die Praxis des internationalen und ausländischen Rechtes 1958, 112). Bezüglich der Form von Inlandstrauungen bestimmt § 6 Abs 3 der 4. DVzEheG, daß diese Trauungen (für den österreichischen Bereich) nur dann gültig zustandekommen, wenn unabhängig vom Heimatrecht der Ehewerber die Formvorschriften des österreichischen Rechtes (§§ 15 ff EheG) eingehalten werden (Mänhardt, Das internationale Personen- und Familienrecht Österreichs 34 f).
Im vorliegenden Fall war die Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses der Ehe österreichische Staatsbürgerin, während der Beklagte damals die britische Staatsbürgerschaft besessen hat und diese weiterhin besitzt. Die Parteien haben nach dem Inhalt der von ihnen als echt und richtig anerkannten Heiratsurkunde am in der Kapelle des Schlosses Schönbrunn (Wien) "according to the Rites and Ceremonies of the Church of England" vor einem Funktionär der britischen Besatzungsmacht nach den Bestimmungen des Foreign Marriage Act 1947, sohin nach dem Heimatrecht des beklagten Ehemannes, geheiratet. Die Eheschließung wurde am auf Grund des "Registration of Births, Death and Marriages (Special Provisions) Act, 1957" vom General Register Office, London, registriert. Die Ehe wird daher, übrigens auch nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten, von seinem Heimatstaat als rechtswirksam anerkannt. Die Ehe der Parteien ist also, um eine Formulierung Raapes zu zitieren (Internationales Privatrecht[5], 238), nach englischem Recht gesund, nach österreichischem Recht hingegen krank. Es handelt sich um eine sogenannte hinkende Ehe (matrimonium claudicans), die immerhin der Klägerin im Heimatstaat des Beklagten (Großbritannien) alle Rechte gibt, die einer rechtsgültig verheirateten Ehefrau nach britischem Ehe- und Familienrecht zustehen. Es erhebt sich nun die Frage, welche der beiden in Betracht kommenden Rechtsordnungen bei der Entscheidung über die Berechtigung des erhobenen Unterhaltsanspruches zu gelten hat. Gemäß der einseitigen Kollisionsnorm des § 7 Abs 1 der 4. DVzEheG, welche zu einer vollständigen (zweiseitigen) Kollisionsnorm zu erweitern ist (EvBl 1954/414 u a), werden die persönlichen Rechtsbeziehungen österreichischer Ehegatten zueinander nach den österreichischen Gesetzen beurteilt, uzw auch dann, wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz im Ausland haben. Nach der Rechtsprechung (SZ 27/217; SZ 40/95) und der überwiegenden Rechtslehre (Raape aaO 402; Köhler, Internationales Privatrecht[3], 73; Kegel, Internationales Privatrecht[3], 313) ist bei verschiedenem Personalstatut der Eheleute an das Personalstatut des Ehemannes anzuknüpfen. Unter den "persönlichen Rechtsbeziehungen" der Ehegatten sind die in den §§ 89 bis 92 ABGB behandelten Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten zu verstehen. Die praktisch wichtigste persönliche Ehewirkung ist zweifellos der Unterhaltsanspruch der Ehefrau (Kegel aaO 315, vgl auch Wentzel in Klang[2] I/1, 356). Nach dem Personalstatut des Ehemannes, an das nach den vorstehenden Ausführungen bei der Beurteilung der Berechtigung des gegenständlichen Unterhaltsbegehrens anzuknüpfen ist, besitzt die Klägerin gegenüber dem Beklagten, mit dem sie in einer nach englischem Recht formgültigen und aufrechten Ehe lebt, einen Unterhaltsanspruch. Diesen englischem Recht begrundeten Unterhaltsanspruch macht die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit geltend. Dazu ist grundsätzlich festzuhalten, daß auch nach englischem Recht den Mann eine generelle Unterhaltspflicht gegenüber der Frau trifft (Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht[3] III, Großbritannien, 28). Allerdings wird das englische Internationale Privatrecht auf dem Gebiete des Familienrechtes vom Domizilprinzip beherrscht (SZ 42/166; Bergmann aaO 19). Es kommt daher der im bisherigen Verfahren noch unerörtert gebliebenen Frage nach dem Domizil der beiden Ehegatten besondere Bedeutung zu. Dabei ist zu beachten, daß der Domizilbegriff des englischen Rechtes mit dem österreichischen Wohnsitzbegriff nicht identisch ist. Domizil bedeutet nach englischem Rechtsvorstellungen die Zugehörigkeit zu einem Rechtsgebiet. Es gibt also keinen Domizilort, sondern nur ein Domizilgebiet. Jede Person muß ein Domizil, kann aber nur ein einziges Domizil haben. Der Mann erwirbt mit der Geburt ein "domicile of origin" (Ursprungsdomizil), das er solange behält, bis er sich in einem anderen Rechtsgebiet niederläßt, um dort für immer oder doch für unbestimmte Zeit zu verbleiben. Ehefrauen teilen das Domizil des Ehemannes (Bergmann aaO 19). Wechselt der Mann während der Ehe sein Domizil, so ändert sich auch das Domizil der Ehefrau. Der Domizilwechsel setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, nämlich der Aufgabe des alten Domizils und dem Erwerb eines neuen Domizils. Aufgabe des bisherigen und Erwerb eines neuen Wahldomizils sind nur anzunehmen, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Wechsel der residence und die Absicht, die neugewählte residence für immer oder für unbestimmte Zeit beizubehalten, wobei diese Ansicht den Willen einschließen muß, nicht mehr in das Land des ursprünglichen Domizils zurückzukehren (Henrich, Der Domizilbegriff im englischen Internationalen Privatrecht, RabelsZ 1960„462).
Eine Klärung der Frage des Domizils des Beklagten, das nach den vorstehenden Ausführungen von der Klägerin geteilt wird, erscheint deshalb erforderlich, weil - ausgehend von der Gültigkeit der Ehe nach englischem Recht und daher auch von der grundsätzlichen Bejahung der Unterhaltspflicht des Beklagten - sich erst dann beurteilen läßt, ob bei der Prüfung der mit der Berechtigung des Unterhaltsbegehrens zusammenhängenden Fragen (zB einer Unterhaltsverwirkung) die materiellrechtlichen Vorschriften des österreichischen oder des englischen Rechtes anzuwenden sind, ob also die Klägerin Unterhalt begehren kann, wie er einer Ehefrau nach englischem oder nach österreichischem Recht gebührt. Sollte der Beklagte sein Ursprungsdomizil beibehalten haben und demzufolge auch in diesem Belange englisches Recht Anwendung zu finden haben, dann werden die in Betracht kommenden Rechtsnormen allenfalls gemäß § 271 Abs 2 ZPO zu ermitteln sein.
Die Anerkennung eines Unterhaltsanspruches der Klägerin steht im Einklang mit der von Schwind (RabelsZ 1958, Von der Zersplitterung des Privatrechtes durch das Internationale Privatrecht und ihre Bekämpfung 461, 465) erhobenen Forderung, im Internationalen Privatrecht auch die tatsächlichen Lebensverhältnisse als Anknüpfungspunkt heranzuziehen. In diesem Zusammenhang drängt sich der Hinweis auf, daß die Klägerin doch nur durch Erfüllung der ihr als Ehefrau nach englischem Recht obliegenden Pflicht zur Herstellung der Lebensgemeinschaft (vgl Bergmann aaO 28) in die Lage kam, den ihr nach dem Heimatrecht des Ehemannes grundsätzlich zustehenden Unterhaltsanspruch vor einem österreichischen Gericht zu verfolgen.