OGH vom 20.01.2009, 4Ob153/08s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „Ö*****"-***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien
1.) K***** GmbH & Co KG, 2.) M***** GmbH & Co KG, beide *****, beide vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 70.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 70/08s-8, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 22 Cg 108/07z-4, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs der erstbeklagten Partei wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in Ansehung der gegen die zweitbeklagte Partei erlassenen einstweiligen Verfügung aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zurückverwiesen und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind in Ansehung der zweitbeklagten Partei weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin einer österreichweit erscheinenden Tageszeitung. Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin einer weiteren österreichweit erscheinenden Tageszeitung, die Zweitbeklagte deren Verlegerin und Eigentümerin des Druckwerks.
Mit der Ausgabe vom starteten die Beklagten die jährlich abgehaltene Wahl zum Fußballer des Jahres. Für die Teilnahme an dieser Wahl benötigte man Stimmzettel, die der Zeitung zu entnehmen waren. Darauf wurde auch ausdrücklich hingewiesen. Dem Bildbegleittext war darüber hinaus zu entnehmen, dass es für einige Leser im Vorjahr nicht nur VIP-Tickets für das große Abschlussfest, sondern auch für einen Besuch beim oberen Belvedere gegeben habe. Dieses Abschlussfest fand seit vielen Jahren statt. Dabei waren namhafte „Fußballgrößen" anwesend, was dem mit dem Gewinnspiel angesprochenen Personen- und Leserkreis hinreichend bekannt ist. Das Spiel selbst begann am mit der Veröffentlichung der ersten Stimmzettel zum Ausschneiden. Der Termin für das Schlussfest wurde für den angekündigt. In weiteren Ausgaben der Zeitung fanden sich auszuschneidende Stimmzettel. Die Klägerin begehrte zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb und/oder der Verbreitung von periodischen Druckwerken, die Teilnahme an Gewinnspielen, insbesondere der Wahl von „Fußball-Lieblingen des Jahres", bei denen nicht unbedeutende Preise, insbesondere VIP-Tickets für das große „Schlussfest" gewonnen werden können, anzukündigen und/oder zu gewähren, so der Kauf des Druckwerks für die Teilnahme an diesem Gewinnspiel förderlich ist und/oder erscheine. Die Erstbeklagte sei Medieninhaberin der Zeitung, die Zweitbeklagte nach dem Impressum Verlegerin. Die Zweitbeklagte behaupte in zahlreichen Gerichtsverfahren, Eigentümerin der Zeitung zu sein. Für die Wettbewerbsverstöße hafteten beide Beklagte, obwohl sich die Erstbeklagte bisweilen darauf berufe, als bloße Redaktionsgesellschaft auf vertriebliche Werbemaßnahmen keinen Einfluss nehmen zu können. Jedenfalls obliege der Erstbeklagten die Prüfung der Werbemittel, sie habe die rechtlichen Möglichkeiten dafür. Das von den Beklagten veranstaltete Gewinnspiel verstoße gegen § 9a UWG. Es werde der Eindruck erweckt, dass man die Zeitung kaufen müsse, um an einen Stimmzettel zu gelangen und damit die Gewinnchance für ein VIP-Ticket für das große „Abschlussfest" zu wahren. Ein solcher Abend sei zumindest für fußballinteressierte Leser viel Geld wert.
Die Beklagten wendeten ein, es liege keine verbotene Zugabe vor. Es werde kein Gewinnspiel angekündigt, die Teilnahme an der Fußballerwahl habe nichts mit dem Abschlussfest zu tun. Die Zweitbeklagte sei für einen allfälligen Lauterkeitsverstoß der Erstbeklagten nicht verantwortlich. Der redaktionelle Teil der Tageszeitung sei auf die Erstbeklagte als Redaktionsgesellschaft übertragen worden, die mittels Werkvertrags entsprechend beauftragt worden sei. Sie handle in ausschließlicher Eigenverantwortung und liefere der Zweitbeklagten vertragsgemäß den redaktionellen Teil der Tageszeitung. Die Zweitbeklagte erstelle den Anzeigenteil, führe beide Teile zusammen und besorge den Vertrieb. Die beanstandete Fußballerwahl sei keine vertriebliche Werbemaßnahme, sondern eine von der Erstbeklagten durchgeführte redaktionelle Aktion, auf die die Zweitbeklagte keinen Einfluss habe.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Den Lesern seien VIP-Tickets für das große „Abschlussfest" als Gewinnchance angekündigt worden, bei dem namhafte „Fußballgrößen" vertreten gewesen seien, was dem Leserkreis hinreichend bekannt sei. Die Ankündigung sei geeignet gewesen, beim durchschnittlichen Leser die Vorstellung hervorzurufen, dass die Teilnahme an der Fußballerwahl - auch in diesem Jahr - die Möglichkeit biete, an VIP-Karten für das „Abschlussfest" oder zu einem Besuch des oberen Belvederes oder zu ähnlichen Vorteilen zu kommen. Darin liege die verpönte Anlockwirkung einer Zugabe nach § 9a UWG, zumal der Leser nur mit einer in der Zeitung abgedruckten Originalstimmkarte wirksam an der Wahl teilnehmen hätte können.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und die Einzelfallbezogenheit der rechtlichen Beurteilung nicht zulässig sei. Die Ankündigung der Fußballerwahl vermittle bei gebotener Gesamtbetrachtung nach dem Maßstab des verständigen Durchschnittsverbrauchers den Eindruck eines Gewinnspiels, wobei der Gewinn die Teilnahme an der Schlussveranstaltung (mit dem gewählten Fußballer des Jahres) und die Möglichkeit zum Besuch des Schlosses Belvedere sei, was sich aus dem Bericht über die Vorjahresveranstaltung ergebe. Diese Gewinnspielankündigung sei zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung geeignet gewesen. Aufgrund des bestehenden Werkvertragsverhältnisses zwischen den Beklagten könne angenommen werden, dass die Zweitbeklagte die rechtliche Möglichkeit gehabt habe, für die Abstellung eines Lauterkeitsverstoßes zu sorgen. Ohne Bedeutung sei es hingegen, inwieweit konkret im Einzelfall die tatsächliche Möglichkeit bestanden habe, wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstbeklagten ist nicht zulässig, jener der Zweitbeklagten ist hingegen zulässig, weil die Vorinstanzen die Unternehmerhaftung des Verlegers unrichtig beurteilt haben. Das Rechtsmittel der Zweitbeklagten ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Zum Revisionsrekurs der Erstbeklagten:
Weder die Frage, wie eine Werbeankündigung im Gesamtzusammenhang auszulegen ist, noch die Beurteilung, ob eine Werbeaktion im Einzelfall als Zugabe mit einer Eignung zu einer nicht unerheblichen Nachfrageverlagerung aufzufassen ist, wirft aufgrund der nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Beurteilung - von hier nicht vorliegender krasser Fehlbeurteilung abgesehen - Rechtsfragen erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstbeklagten ist daher zurückzuweisen.
Zum Revisionsrekurs der Zweitbeklagten:
1. § 18 UWG regelt die Haftung des Unternehmers für Wettbewerbsverstöße, die im Betrieb seines Unternehmens begangen wurden. Im „Betrieb seines Unternehmens" werden Personen tätig, die im Auftrag des Unternehmers bestimmte Arbeiten für das Unternehmen verrichten. Handeln sie im Zusammenhang damit wettbewerbswidrig, so hat der Unternehmer für ihr Handeln einzustehen, wenn er kraft seiner Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, eine allfällige Verletzung des Lauterkeitsrechts zu verhindern oder abzustellen (RIS-Justiz RS0079809 [T1]; RS0079628 [T2, T 11]; RS0079799 [T5]). Diese Möglichkeit ist etwa dann zu bejahen, wenn der Handelnde Auftragnehmer des Unternehmens (etwa aufgrund eines Werkvertrags) ist und der Unternehmer daher befugt ist, ihm Weisungen zu erteilen. Entscheidend sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse (4 Ob 249/05d). Der Unternehmer ist aber nicht verpflichtet, seine vertraglichen Beziehungen zu Dritten so zu gestalten, dass er auf deren Verhalten rechtlich Einfluss nehmen kann (4 Ob 187/08s; 4 Ob 249/05d; 4 Ob 83/93 = ÖBl 1993, 256 - Vorsicht bei Lockvogelangeboten
II).
2. Die Zweitbeklagte hat unter Hinweis auf § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idgF geltend gemacht, der redaktionelle Teil der Zeitung werde von der Erstbeklagten in deren Alleinverantwortung erstellt, sie selbst habe nach dem mit der Erstbeklagten geschlossenen Werkvertrag keine rechtliche Möglichkeit, auf die Gestaltung des redaktionellen Teils der Zeitung Einfluss zu nehmen. Sie nehme nur die Funktion eines zivilrechtlichen Verlegers wahr, die Funktion des Medieninhabers komme ihr nicht zu.
3. Als zivilrechtlicher Verleger im Sinn des § 1172 ABGB wird derjenige verstanden, der berechtigt und verpflichtet ist, ein ihm vom Urheber überlassenes Werk auf eigene Rechnung zu vervielfältigen und zu vertreiben. Die (bloße) Eigenschaft als zivilrechtlicher Verleger der Zeitung begründet die für eine Haftung nach § 18 UWG erforderliche rechtliche Einflussmöglichkeit auf deren Inhalt (noch) nicht.
Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 4 Ob 4/02w (MR 2002, 172 - 107,5 gewinnt, Antenne verliert) leitete die Unternehmerhaftung der Zweitbeklagten für wettbewerbswidrige Inhalte im redaktionellen Teil der Zeitung aus § 1 Abs 1 Z 8 MedienG in der damals geltenden Fassung ab. § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idF vor der MedienG-Novelle 2005 stellte nämlich den medienrechtlichen „Verleger" begrifflich einem „Medieninhaber" gleich. Beide Bezeichnungen wurden synonym für diejenige (natürliche oder juristische) Person verstanden, die sowohl an der inhaltlichen Gestaltung, als auch an der Herstellung und Verbreitung des Mediums beteiligt ist (Brandstetter/Schmid, MedienG2 § 1 Rz 42, 44 und 47). Demgegenüber kennt das MedienG seit der MedienG-Novelle 2005 nur mehr den Begriff des „Medieninhabers". Darunter versteht § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idgF denjenigen, der „a) ein Medienunternehmen oder einen Mediendienst betreibt oder b) sonst inhaltliche Gestaltung eines Medienwerks besorgt und dessen Herstellung und Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst oder c) sonst im Fall eines elektronischen Mediums, dessen inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst oder d) sonst die inhaltliche Gestaltung eines Mediums zum Zweck der nachfolgenden Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung besorgt". Entscheidend ist demnach die Möglichkeit der Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung und die Verantwortung hiefür (Noll in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz2 § 1 Rz 30).
Mangels einer derartigen Einflussnahme auf redaktionelle Inhalte kann der (bloß) zivilrechtliche Verleger eines Mediums weder dem Medieninhaber im Sinn des § 1 Abs 1 Z 8 MedienG idgF, noch weniger einem Medienunternehmen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 6 MedienG idgF gleichgestellt werden (4 Ob 187/08s).
Sollte daher die Zweitbeklagte tatsächlich keine rechtliche Möglichkeit haben, auf die inhaltliche Gestaltung des redaktionellen Teils einzuwirken, um dadurch unlauteres Verhalten zu verhindern, kann sie auch nicht für einen derartigen Verstoß nach § 18 UWG in Anspruch genommen werden.
4. Eine abschließende Beurteilung einer allfälligen Unternehmerhaftung der Zweitbeklagten ist mangels Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen den Beklagten derzeit nicht möglich. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen über die zwischen den Streitteilen bestehenden Vereinbarungen zu treffen haben, die eine Beurteilung der Rechtsposition der Zweitbeklagten dahingehend zulassen, ob ihr eine (rechtliche) Einflussmöglichkeit auf redaktionelle Inhalte der Zeitung tatsächlich zukommt, oder ob dies nicht der Fall ist.
5. Im Hinblick darauf, dass eine Haftung der Zweitbeklagten für einen Lauterkeitsverstoß der Erstbeklagten nach § 18 UWG noch nicht feststeht, bedarf es in Ansehung des Revisionsrekurses der Zweitbeklagten (derzeit) keiner Befassung mit dem behaupteten Zugabenverstoß.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.