OGH vom 13.04.2011, 3Ob168/10t

OGH vom 13.04.2011, 3Ob168/10t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Robin D*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die verpflichtete Partei Claude Louis D*****, vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 18.500.000 EUR sA, hier wegen Hinterlegung bei Gericht gemäß § 307 EO durch die Drittschuldnerin B***** AG, *****, vertreten durch Arnold Rechtsanwälte GmbH in Wien, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Erlagsgegner 1. der betreibenden Partei und 2. der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 289/10f 31 (AZ 46 R 302/10t), womit deren Rekurse gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 63 E 5255/04y 19, zurückgewiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über die Rekurse der Erlagsgegner unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

2. Die Drittschuldnerin hat die Kosten für ihre Äußerung vom selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Aufgrund des vollstreckbaren Notariatsakts vom wurde der Betreibenden zur Hereinbringung einer Forderung von 18.500.000 EUR sA die Exekution nach § 294 EO durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung von dem Verpflichteten zustehenden Geldforderungen aus einem bei der Drittschuldnerin eingerichteten Verrechnungskonto, die Exekution durch Pfändung des Anspruchs des Verpflichteten wider die Drittschuldnerin auf Herausgabe von Wertpapieren iSd § 296 EO und die Exekution nach § 331 EO durch Pfändung der Rechte des Verpflichten aus Depotverträgen mit der Drittschuldnerin und aus dem dem Verpflichteten zustehenden Miteigentum an Wertpapieren, die in Sammelurkunden verbrieft sind, bewilligt.

Über Antrag der Drittschuldnerin B***** AG nahm das Erstgericht den Erlag von 1.616.585 Stück Anteilen an einem von der G***** Aktiengesellschaft aufgelegten Investmentfonds sowie eines Geldbetrags von 7.278,07 EUR gemäß § 307 EO an (Punkt I), bestellte die Drittschuldnerin zur Verwahrerin und Verwalterin der Anteile am Investmentfonds (Punkt II) und sprach aus, dass Verfügungen über den Gerichtserlag nur durch das Erstgericht, jedoch erst nach einvernehmlichem Antrag beider Erlagsgegner oder durch eine die Zustimmung eines Erlagsgegners ersetzende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, bzw nach rechtskräftiger Entscheidung sämtlicher anhängiger Verfahren erfolgen würden (Punkt III).

Die dagegen von der Betreibenden und der Republik Österreich als Erlagsgegner erhobenen Rekurse wies das Rekursgericht als unzulässig zurück, weil gegen die Annahme eines freiwilligen Erlags kein Rechtsmittel zulässig sei, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Der Revisionsrekurs der Betreibenden, mit dem sie die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und eine inhaltliche Entscheidung durch das Rekursgericht anstrebt, und jener der weiteren Erlagsgegnerin, die dieses Ergebnis in eventu, primär aber die Abweisung des Erlagsantrags begehrt, sind zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Drittschuldner steht es frei, den Betrag der Forderung, deren Pfändung und Überweisung ausgesprochen wurde, bei Gericht zu erlegen, wenn die Forderung außer vom betreibenden Gläubiger noch von einer anderen Person in Anspruch genommen wird. § 307 EO dient insoweit dem Schutz des Drittschuldners ( Oberhammer in Angst 2 § 307 Rz 1; Resch in Burgstaller/Deixler , EO,§ 307 Rz 5; Reischauer in Rummel ABGB³ § 1425 Rz 52). Der Erlag nach § 307 EO bleibt im Allgemeinen ohne Einfluss auf die materiell rechtliche Stellung des Verpflichteten und der sonstigen Beteiligten, sodass sie die Annahme des vom Drittschuldner erlegten Betrags zu Gericht in der Regel nicht mit Rekurs bekämpfen können ( Resch aaO Rz 27; Heller/Berger/Stix , EO III, 2202; RIS Justiz RS0002281; RS0004176). Daran hat der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der Lehre auch für die Rechtslage nach der EO Novelle 1991 festgehalten (3 Ob 255/03a). Eine Einschränkung dieses Grundsatzes wird jedoch insoweit anerkannt, als der Beschluss über die reine Annahme des Erlags hinausgeht und unzulässige Aufträge enthält ( Resch aaO Rz 27; Heller/Berger/Stix , aaO 2201). Auch wird den Erlagsgegnern ein rechtliches Interesse daran zugebilligt, dass ein Erlag nicht nach § 1425 ABGB erfolgt sondern als solcher nach § 307 EO behandelt wird ( Zechner , Forderungsexekution, § 307 Rz 4). Hier liegt der Fall vor, dass der Beschluss des Erstgerichts über die Annahme des Erlags hinausgeht.

§ 307 EO stellt die lex specialis zu § 1425 ABGB dar ( Oberhammer aaO Rz 1). Der Unterschied in der Anfechtung ist durch die Vorschrift des § 307 Abs 2 EO gerechtfertigt (3 Ob 255/03a). Danach hat das Gericht wie sonst der Drittschuldner die Verteilung nach den Grundsätzen der §§ 285 bis 287 EO vorzunehmen. Das Exekutionsgericht hat zu klären, wer der Forderungsberechtigte ist ( Resch aaO Rz 41). Erst über Widerspruch gegen eine Anmeldung (§ 286 EO verweist auch auf § 213 EO) kann das Exekutionsgericht, wenn strittige Tatumstände vorliegen (§ 231 EO), auf den Rechtsweg verweisen ( Oberhamme r aaO Rz 9).

Das Erstgericht hat den Erlag zwar unter Berufung auf § 307 EO angenommen, jedoch in Punkt III seines Spruchs jede weitere Verfügung über den Erlag ausdrücklich vom Einvernehmen der Erlagsgegner oder vom Vorliegen einer die Zustimmung eines Erlagsgegners ersetzenden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung abhängig gemacht. Unter „Verfügung“ muss auch die Ausfolgung des Erlags (seines Realisats) im Sinne der Verteilung verstanden werden. Damit ist zumindest unklar, ob das Erstgericht ungeachtet der Bezugnahme auf § 307 EO nicht doch einen Erlag nach § 1425 ABGB annahm, weil im Unterschied zur Verteilung nach § 307 Abs 2 EO die Ausfolgung bei einem Erlag nach § 1425 ABGB von der Zustimmung aller Erlagsgegner abhängt und bei Versagen der Zustimmung nur eines von mehreren Erlagsgegnern die Klage auf Zustimmung einzubringen ist ( Reischauer aaO Rz 38). Die Betreibende und die weitere Erlagsgegnerin haben ein rechtliches Interesse an der Klarstellung, dass der Erlag als solcher nach § 307 EO erfolgt, sodass sie durch die Entscheidung des Erstgerichts beschwert sind. Ihre Rechtsmittel waren entgegen der Auffassung des Rekursgerichts zulässig.

Hat das Gericht zweiter Instanz einen Rekurs aus formellen Gründen zurückgewiesen, kann der Oberste Gerichtshof infolge dagegen erhobener Rechtsmittel im Hinblick auf § 3 JN nicht in der Sache selbst entscheiden (5 Ob 211/10f; 3 Ob 67/08m; RIS Justiz RS0007037), es sei denn, dass die formelle Zurückweisung und die sachliche Abweisung inhaltlich übereinstimmen oder das Rekursgericht trotz formeller Ablehnung einer Entscheidung die Sache in den Gründen meritorisch behandelt hat ( E. Kodek in Rechberger ZPO³ § 526 Rz 1; Zechner in Fasching ² IV/4 § 526 Rz 21). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, sodass die Sache ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung an das Rekursgericht zurückzuverweisen ist.

Das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen ist - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmen auch vor dem Obersten Gerichtshof grundsätzlich einseitig (RIS Justiz RS0118686), sodass für die inhaltlich als Rechtsmittelbeantwortung ausgestaltete Äußerung der Drittschuldnerin schon aus diesem Grund keine Kosten gebühren.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 78 EO.