OGH vom 19.09.2013, 2Ob111/13g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** E*****, vertreten durch die Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung ***** GmbH, *****, vertreten durch die Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen zuletzt 5.813,82 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 35 R 408/12b 18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 27 C 1004/10i 14, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen deren mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht hat die Revision zu den Rechtsfragen zugelassen, ob der Unzulänglichkeit des Treuhandvermögens der Entschädigungseinrichtung für den an den einzelnen Anleger jeweils auszuzahlenden Betrag Relevanz zukomme, und ob die vom Kläger begehrten, vom Berufungsgericht jedoch unbekämpft abgewiesenen Zinseszinsen auch für die nach Klagszustellung fällig werdenden Zinsen zustehen.
Die Beklagte macht als im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO erheblich geltend, dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, wonach Entschädigungsansprüche erst neun Monate nach deren Legitimierung fällig würden. Im Übrigen fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Beklagte die geschädigten A*****-Anleger in Analogie zu § 16 Abs 2 EKHG und § 156 Abs 3 VersVG quotenmäßig zu befriedigen habe, wenn das dafür zur Verfügung stehende Treuhandvermögen nicht zur vollständigen Erfüllung sämtlicher Ansprüche ausreiche. Der Zugriff der Anleger auf die Gelder/Fondsanteile der S*****-Fonds mindere die Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte. Das Berufungsgericht habe die Zug um Zug Einrede der Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt, denn mangels Legalzession bedürfe es einer Abtretung, um der Beklagten im Fall ihrer Verurteilung zur Entschädigung den notwendigen Rückgriffsanspruch gegen die Liquidationsmasse der S***** Fonds zu gewähren. Schließlich hätte es einer Präzisierung im Urteilsspruch bedurft, wonach (nur) in das Treuhandvermögen gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 107/2007 zu exekutieren sei.
Die Revision ist, ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen ( Zechner in Fasching/Konecny 2 VI/1 § 502 Rz 32 mwN; E. Kodek in Rechberger 3 § 502 Rz 18; RIS Justiz RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich gegebene Erheblichkeit fällt weg, wenn die Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (7 Ob 196/12t ua, RIS Justiz RS0112921 [T5]).
Das ist hier der Fall. Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile in zahlreichen Entscheidungen zu den auch hier entscheidungswesentlichen Rechtsfragen Stellung genommen.
2. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung vom , 2 Ob 171/12d, mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass die Entschädigungsforderung des Anlegers nach dem WAG unabhängig vom Konkursverfahren anzumelden und nach der vorgesehenen Prüfung durch die Beklagte ohne Rücksichtnahme auf den Verfahrensstand im Konkursverfahren des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (WPDLU), aber auch der S***** Fonds zur Zahlung fällig ist. Weiters wurde ausgeführt, es gelte das Prioritätsprinzip; die § 16 Abs 2 EKHG,§ 156 Abs 3 VersVG oder § 336 ASVG seien im gegenständlichen Entschädigungsverfahren nicht analog anzuwenden (vgl auch 2 Ob 77/13g mwN). Dass allenfalls weitere Zahlungen aus den S***** Fonds zu erwarten sind, stehe dem Anspruch gegen die Beklagte nicht entgegen (so auch 4 Ob 40/13f).
3. Der erkennende Senat hat in der zitierten Entscheidung 2 Ob 171/12d auch ausgesprochen, die vom Berufungsgericht angenommene Prüffrist von drei Monaten sei angesichts der beiden zu prüfenden jeweils nur eine Seite umfassenden Urkunden zur Legitimation (Anlegerzertifikat, Einzahlungsbeleg) nicht zu kurz bemessen (vgl auch 4 Ob 182/12m; 9 Ob 37/13a).
Auch im vorliegenden Fall ist die Annahme der Angemessenheit einer Prüffrist von drei Monaten im Einzelfall vertretbar (Einmalerlag).
4. Zum Eventualantrag der Beklagten, nur Zug um Zug gegen Abtretung allfälliger Ansprüche des Klägers gegenüber der S***** Liquidationsmasse leisten zu müssen, wurde jüngst judiziert, dass die Beklagte mit der Zahlung an den geschädigten Anleger gemäß § 1358 ABGB in dessen Rechte eintritt und, selbst wenn man die Anwendbarkeit des § 1358 ABGB verneinen sollte, die Regressregel des § 896 ABGB zum selben Ergebnis führen würde; eine Verurteilung Zug um Zug erübrige sich daher (9 Ob 37/13a; 2 Ob 77/13g).
5. Zur begehrten Präzisierung im Urteilsspruch hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 40/13f (vgl auch 4 Ob 243/12g; 1 Ob 21/13i) ausgeführt, dass lediglich ein (einheitliches) Treuhandvermögen existiere, das nicht auf Entschädigungsfälle vor und nach der WAG Novelle BGBl I 2009/39 aufzuteilen sei. Weder aus dem (novellierten) Gesetz noch aus den Materialien ergäben sich Anhaltspunkte für die Annahme, dass zwei unterschiedliche Treuhandvermögen für verschiedene Zeiträume bestünden. Das Problem einer „Rückwirkung“ der durch die WAG Novelle BGBl I 2009/39 geschaffenen neuen Rechtslage bei der Aufbringung der Beiträge zum Treuhandvermögen stelle sich nicht, denn hier gehe es nicht um die Beitragspflicht der Mitgliedsinstitute, sondern um die Frage, ob es gerechtfertigt sei, den Zugriff der früher Geschädigten auf einen Teil des Treuhandvermögens zu beschränken.
6. Sohin hat das Berufungsgericht die vom Berufungsgericht und der Revisionswerberin als erheblich bezeichneten Rechtsfragen im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung vertretbar gelöst. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision aufgezeigt.