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OGH vom 29.09.2010, 7Ob182/10f

OGH vom 29.09.2010, 7Ob182/10f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen B***** K*****, geboren am , und S***** K*****, geboren am , beide in Pflege und Erziehung der Mutter M***** K*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters H***** K*****, vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in Lilienfeld, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 300/10f 51, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung soll die einmal getroffene Regelung, welchem Elternteil alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) allein zustehen sollen, nicht bereits bei geringfügigen Veränderungen der Interessenlage, sondern nur dann geändert werden, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist (RIS Justiz RS0047916), wenn also im Interesse des Kindes ein Wechsel in den Pflege und Erziehungsverhältnissen dringend geboten ist, wobei bei der Beurteilung dieser Frage ein strenger Maßstab angelegt werden muss (RIS Justiz RS0048699; RS0047841). Nach ständiger Judikatur ist die Entziehung der Obsorge demnach nur dann geboten, wenn der das Kind betreuende Elternteil seine Erziehungspflichten vernachlässigt, seine Erziehungsgewalt missbraucht oder den Erziehungsaufgaben nicht gewachsen ist (7 Ob 47/06x mwN ua).

Ob dies zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher ebenso wie die Entscheidung, welchem Elternteil die Kindesobsorge (erstmals) übertragen werden soll keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG dar (RIS Justiz RS0115719; RS0007101; RS0114625). Nur wenn auf das im Vordergrund stehende Kindeswohl nicht ausreichend Bedacht genommen worden wäre, ist eine diesbezügliche Entscheidung revisibel (8 Ob 116/09f mwN uva).

Dies ist entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers hier nicht der Fall. Eine Gefährdung des Kindeswohls bei Verbleiben der Minderjährigen in der Obsorge der Mutter kann nach den vorliegenden Feststellungen weder nach der momentanen Situation noch nach der zu stellenden Zukunftsprognose (RIS Justiz RS0048632) erkannt werden.

Dem wesentlichen Einwand des Vaters, die Minderjährigen hätten sich selbst für einen Wechsel zu ihm ausgesprochen, ist entgegenzuhalten: Zwar trifft es zu, dass einem mündigen Kind nicht gegen seinen Willen die Erziehung durch einen Elternteil aufgezwungen werden soll. Je älter ein bereits einsichts und urteilsfähiges Kind ist, desto eher ist demnach seinem Wunsch nach einem Obsorgewechsel zu entsprechen (vgl RIS Justiz RS0048820 [T4]). Grundsätzlich ist etwa ab dem 12. Lebensjahr von der Urteilsfähigkeit eines Kindes bezüglich einer Obsorgezuteilung auszugehen (vgl RIS Justiz RS0048820 [T9]). Im vorliegenden Fall ist nun aber das Rekursgericht, das sich mit dieser Frage eingehend auseinandergesetzt hat, zur Ansicht gelangt, die (nunmehr 12 und 13 Jahre alten) Kinder hätten keineswegs unbeeinflusst und reflektiert ihren freien Willen geäußert, sondern seien aufgrund eingeschränkter Reife nicht in der Lage gewesen zu beurteilen, welcher Elternteil zur Obsorge besser geeignet sei. Das Rekursgericht folgte dabei dem psychologischen Gutachten der beigezogenen Sachverständigen Univ. Prof. Mag. Dr. U***** W*****, die nach Durchführung diverser Testverfahren die Beibehaltung der Obsorge durch die Mutter empfohlen hat. Als wesentlichen Aspekt, der gegen den vom Vater angestrebten Entzug der Obsorge spricht, hat das Rekursgericht insbesondere hervorgehoben, dass dann der im Sinn des Kindeswohls anzustrebende Kontakt der Kinder zu beiden Elternteilen nicht gewährleistet wäre.

Da eine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, die aus Gründen des Kindeswohls vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, nicht vorliegt, ist der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 71 Abs 3 AußStrG keiner weiteren Begründung.