OGH vom 08.05.2008, 6Ob232/07x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Leoben zu FN ***** zur Eintragung angemeldeten 3***** Limited mit dem Sitz in L*****, Großbritannien, und deren Zweigniederlassung Österreich mit dem Sitz in K***** über den Revisionsrekurs des Geschäftsführers Christian S*****, Deutschland, vertreten durch Jäger Url Rechtsanwälte GmbH in Knittelfeld, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 115/07z-9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Leoben vom , GZ 24 Fr 4665/06g-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die 3***** Limited wurde am unter Company No. ***** als Private Limited Company gegründet und im Companies House in C*****, Großbritannien, registriert. Geschäftsführer und einziger Gesellschafter ist Christian S*****.
Dieser meldete am die Errichtung einer inländischen Zweigniederlassung der Gesellschaft mit Sitz in K***** an. Als deren Tätigkeit gab er „Unternehmensberatung für Sicherheitsdienstleistungen, strategische Entwicklungen und technische Lösungen" an. Der Gründungsvertrag der Gesellschaft enthält in Punkt 3. (Zweck der Gesellschaft) allerdings unter anderem den Bestimmungen des Bankwesengesetzes unterliegende Tätigkeiten, nämlich das Einlagengeschäft, das Kreditgeschäft, das Diskontgeschäft, das Effektengeschäft und das Wertpapieremissionsgeschäft. Über eine Konzession der Finanzmarktaufsicht für diese Tätigkeiten gemäß § 4 Abs 1 BWG verfügt die Gesellschaft ebenso wenig wie über eine Zulassung in Großbritannien als Kreditinstitut, Wertpapierdienstleister, Finanzinstitut oder Tochterunternehmen.
Am bestätigte die Wirtschaftskammer Steiermark die tatsächliche Errichtung der Zweigniederlassung in K*****.
Nachdem das Erstgericht dem Geschäftsführer mitgeteilt hatte, dass die Errichtung einer Zweigniederlassung gemäß § 5 BWG im Hinblick auf den in Punkt 3. des Gründungsvertrags vorgesehenen Gesellschaftszweck der Vornahme von Bankgeschäften nicht eingetragen werden könne, legte dieser einen Werbeprospekt der Zweigniederlassung und eine eidesstättige Erklärung vor, wonach die Gesellschaft und ihre Zweigniederlassung in Österreich keine Bankgeschäfte oder sonstigen konzessionspflichtigen Geschäfte im Sinne des Bankwesengesetzes betreiben würden.
Das Erstgericht wies das Eintragungsbegehren ab. Diesem stehe § 5 Abs 2 BWG entgegen; die geforderten Konzessionen könnten durch eine eidesstättige Erklärung nicht ersetzt werden.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Konzessionspflicht nach dem Bankwesengesetz für Zweigniederlassungen von ausländischen Gesellschaften. In der Sache selbst ergänzte das Rekursgericht die Ausführungen des Erstgerichts dahin, dass es an sich zweifelhaft sei, wem gegenüber und mit welcher Wirkung der Geschäftsführer die eidesstättige Erklärung abgegeben habe und wer daraus Rechte ableiten könnte; jedenfalls wäre aber bei einem Wechsel der Geschäftsführung der neue Geschäftsführer an diese Erklärung nicht mehr gebunden, sodass dann lediglich der Unternehmensgegenstand laut Gründungsvertrag Rechtsgrundlage wäre; für die Eintragung wäre daher eine Satzungsänderung erforderlich, durch welche die Bestimmungen über die Bankgeschäfte zu entfernen wären.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Der erkennende Senat hat erst jüngst (6 Ob 146/06y) klargestellt, dass - abgeleitet aus der in Art 43 und 48 EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit - die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat - unabhängig von dem Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes - in der Rechtsform anzuerkennen ist, in der sie gegründet wurde. Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft im Ausland nur ihren gründungs- bzw satzungsmäßigen Sitz hat, während sie von vornherein ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Österreich nimmt, hier auch ihre Geschäfte betreibt und so bewusst die Gründungsvorschriften am Ort ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit umgeht. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit der in einem Mitgliedstaat errichteten Gesellschaft beurteilt sich demnach nach dem Gründungsrecht, auch wenn sie im Gründungsstaat nur ihren statutarischen Sitz hat und dort keine Geschäftstätigkeit entfaltet; ihr Gesellschaftsstatut ist das Recht des Gründungsstaats. Das Gesellschaftsstatut (Personalstatut der Gesellschaft) ist für die Partei- und Prozessfähigkeit, für die Rechte und Pflichten der Organe und deren Vertretungsmacht und auch für das Ende der Gesellschaft (ihrer Rechtsfähigkeit) maßgeblich.
2. Allerdings hat das Oberlandesgericht Wien bereits im Jahr 2003 bei einem mit dem im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden nahezu identen Sachverhalt ausgesprochen, dass die Eintragung einer Limited gemäß § 5 Abs 2 BWG abzulehnen sei, wenn der Gegenstand des Unternehmens Tätigkeitsgebiete enthält, die nach dem Bankwesengesetz konzessionspflichtig wären, also etwa das Einlagen- und Kreditgeschäft; die Ausnahmetatbestände nach §§ 9, 11, 13, 103 Z 5 BWG könnte die Limited nur in Anspruch nehmen, wenn sie über eine entsprechende Zulassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügt; eine eidesstättige Erklärung des Geschäftsführers, dass die Zweigniederlassung tatsächlich keine derartigen Tätigkeiten ausüben werde, ändere daran nichts (OLG Wien 28 R 338/03m = GeS 2004, 308; ebenso 28 R 217/04v = NZ 2006/62). Diese Entscheidung fand in der Literatur breite Zustimmung (Ratka, Keine Möglichkeit zur Umgehung der Konzessionspflicht des BWG durch Gründung einer Private Limited Company, GeS 2004, 308; Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Die englische Private Company Limited in Österreich - gesellschaftsrechtliche Fragen, SWI 2005, 477; G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 13 HGB Rz 23; Kalss/Adensamer in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften² [2006] § 20 Rz 42; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 1 Rz 11).
3. Insbesondere Ratka (aaO) betont dabei zutreffend, dass diese Entscheidung auch mit der Niederlassungsfreiheit nach Art 43 und 48 EG-Vertrag völlig in Einklang stehe; diese ende jedenfalls außerhalb des Gesellschaftsrechts, wenn es um konzessionspflichtige Geschäfte geht, wobei die diesbezüglichen Vorschriften nicht diskriminierend seien; das Oberlandesgericht Wien habe diese Vorschriften auch im Einklang mit den maßgeblichen sekundärrechtlichen Koordinierungs- und Anerkennungsrichtlinien zur Anwendung gebracht. Den Ausführungen des Geschäftsführers in seinem Revisionsrekurs, die Entscheidungen der Vorinstanzen verstießen gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit, eine Rechtfertigung für deren Beschränkung liege nicht vor, ist damit nicht zu folgen.
3. Der Geschäftsführer hält der Auffassung des Rekursgerichts, das sich ausdrücklich auf die unter 2. erwähnte Entscheidung gestützt hat, weiters entgegen, die Bestimmungen des Bankwesengesetzes seien nicht anwendbar, weil er ja eidesstättig erklärt habe, dass die Zweigniederlassung tatsächlich keine konzessionspflichtigen Bankgeschäfte betreiben werde; diese Erklärung sei selbstverständlich der Gesellschaft zuzurechnen und binde auch einen neuen Geschäftsführer.
3.1. Nach § 3 Z 5 FBG ist unter anderem eine kurze Bezeichnung des Geschäftszweigs nach eigener Angabe ins Firmenbuch einzutragen. Aus der Formulierung „nach eigener Angabe" wird überwiegend geschlossen, dass diese Angabe überhaupt freiwillig erfolgt (Schenk in Straube, HGB³ [2003] Anh I § 8 [§ 3 FBG Rz 2]; G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 3 Rz 11; aA Eiselsberg/Schenk/Weißmann, FBG [1991] § 3 Rz 9). Allerdings ist nach § 12 Abs 3 UGB bei inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger außerdem die Tätigkeit der Zweigniederlassung einzutragen; diese Angaben sind zwingend, die Verpflichtung gründet sich auf Art 2 Abs 1 lit b der Elften Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen (G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 13 HGB Rz 33). Der Geschäftszweig (Tätigkeit) muss dabei dem Unternehmensgegenstand entsprechen (Eiselsberg/Schenk/Weißmann, FBG [1991] § 3 Rz 9; G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, aaO § 3 Rz 11).
Im vorliegenden Verfahren umfasst der Unternehmensgegenstand der Gesellschaft nach ihrem Gründungsvertrag unter anderem in Österreich konzessionspflichtige Bankgeschäfte.
3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Eintragung im Firmenbuch unter anderem dann unzulässig, wenn sie sachlich unrichtig ist (6 Ob 156/06v; 6 Ob 132/07s). Dabei besteht eine Prüfungsbefugnis des Firmenbuchgerichts im Sinne einer Prüfungspflicht insbesondere dann, wenn Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Gesuch zugrunde liegenden Tatsachen bestehen (6 Ob 57/01b).
3.3. Unabhängig davon, ob nun die eidesstättige Erklärung des Geschäftsführers die Gesellschaft und/oder auch seinen allfälligen Nachfolger bindet, kann sie nicht Grundlage einer Eintragung der Zweigniederlassung unter Angabe der darin genannten Tätigkeit sein, weil diese Tätigkeit nicht - jedenfalls aber nicht umfassend - dem Unternehmensgegenstand entspricht; die eidesstättige Erklärung bestätigt vielmehr, dass weder die Gesellschaft noch die Zweigniederlassung in Österreich jene Tätigkeiten entfalten, die dem Unternehmensgegenstand entsprechen. Würde man nun dennoch eine Eintragung vornehmen, würde eine bewusst falsche Satzung in die Urkundensammlung aufgenommen (Ratka, GeS 2004, 308).
Irgendein schützenswertes Interesse der Gesellschaft daran ist nicht erkennbar; sie braucht ja lediglich ihren Gründungsvertrag den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Damit war aber dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.