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OGH vom 30.11.2016, 7Ob181/16t

OGH vom 30.11.2016, 7Ob181/16t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch die Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Q***** GmbH, *****, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 279.111,12 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 84/16i 20, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 5 Cg 65/15d 16, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.716,81 EUR (darin enthalten 1.135,75 EUR an USt und 10.902 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen besteht ein Rahmenvertrag, der die Besorgung der Beförderung von Kaffee der Klägerin zu fixen Kosten durch die Beklagte beinhaltet. Die Beklagte besorgte für die Klägerin ua im Zeitraum Jänner bis August 2013 mittels LKW 20 Kaffeesendungen von Österreich über Deutschland nach Belgien, Dänemark, Luxemburg und in die Niederlande. Die Beklagte führte die Transporte nicht selbst durch, sondern beauftragte damit Frachtführer.

Das Hauptzollamt Erfurt beanstandete anlässlich einer Verkehrskontrolle vom den 20. und letzten dieser Transporte und stellte den vorgefundenen Kaffee sicher.

Am wurde ein Mitarbeiter der Klägerin informiert, dass gegen den Fahrer des tschechischen (Sub-)Frachtführers ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Die Klägerin leistete in weiterer Folge eine vom Hauptzollamt Erfurt zur Freigabe der Ware festgesetzte Sicherheitsleistung in Höhe der Kaffeesteuer von 5.552,26 EUR.

Mit Bescheid vom , der Klägerin zugestellt am , setzt das Hauptzollamt Erfurt die Kaffeesteuer für 2.527 kg Kaffee mit 5.552,26 EUR fest. Kaffee unterliege im Steuergebiet gemäß § 1 dt Kaffeesteuergesetz (KaffeeStG) der Verbrauchssteuer. Wer Kaffee durch das Steuergebiet durchführen will, habe dies dem Hauptzollamt vorher anzuzeigen (§ 17 Abs 4 Satz 2 KaffeeStG). Gelange Kaffee aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet, entstehe die Steuer gemäß § 17 Abs 2 KaffeeStG. Dies gelte nicht, wenn der in Besitz gehaltene Kaffee nicht für das Steuergebiet bestimmt sei und unter Berücksichtigung des Absatzes 4 Satz 2 durch das Steuergebiet befördert werde. Die Klägerin sei – als Versenderin und Besitzerin – Steuerschuldnerin nach § 17 Abs 2 KaffeeStG. In diesem Bescheid wurde weiters festgehalten, dass die Kaffeesteuer mit der bereits geleisteten Sicherheit verrechnet wird. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid keine Rechtsmittel.

Die Klägerin ließ beim nächsten Ladeauftrag vom folgenden Vermerk anbringen: „Achtung, die Durchfuhr durch Deutschland beim Zollamt Stuttgart vorher anmelden (betreffend Ablauf Herrn .... kontaktieren).“

Bis zu diesem Vermerk der Klägerin war der Beklagten die Existenz einer Kaffeesteuer in Deutschland nicht bekannt. Dem Geschäftsführer der Klägerin sowie deren Prokuristen war die Existenz einer Kaffeesteuer insofern bekannt, als eine solche bei einer Einfuhr von Kaffee nach Deutschland entsteht. Dass eine Steuer auch bei Durchfuhr von Kaffee durch deutsches Steuergebiet entstehen kann und dass in diesem Zusammenhang eine Anmeldung des Transports beim zuständigen Hauptzollamt notwendig ist, war der Klägerin unbekannt. Im Zuge der gemeinsamen Recherchen der Streitparteien erlangten beide vom genauen Tatbestand des § 17 KaffeeStG Kenntnis.

Im Februar 2014 erstellte die Klägerin – über Aufforderung der deutschen Zollbehörden – eine Liste über die im Zeitraum 2012–2014 erfolgten Durchfuhren von Kaffee. Die Liste enthielt die hier klagsgegenständlichen – vor dem oben dargestellten 20. Transport durchgeführten – 19 Transporte.

Die Klägerin ging spätestens im Februar 2014 davon aus, dass die klagsgegenständlichen 19 Transporte durch deutsches Steuergebiet geführt worden sind. Ihr war auch bewusst, dass die Ermittlungen der deutschen Zollbehörden viele ihrer Lieferungen betrafen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war ihr jedenfalls bekannt, dass es sich bei den 19 klagsgegenständlichen Fällen um die Durchfuhr von Kaffee durch Deutschland handelte und eine Anmeldung beim Hauptzollamt Stuttgart im Sinne des § 17 KaffeeStG seitens der Beklagten nicht erfolgt war.

Der Bescheid des Hauptzollamts Erfurt vom , mit welchem gegenüber der Klägerin als Steuerschuldnerin für die klagsgegenständlichen 19 Transporte die Kaffeesteuer mit 279.111,12 EUR festgesetzt wurde, wurde der Klägerin am zugestellt.

Über einen Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wurde bis zum Schluss der Verhandlung noch nicht rechtskräftig entschieden. Die Klägerin bezahlte am den Klagsbetrag zuzüglich eines Säumniszuschlags auf das Konto des Hauptzollamts Erfurt.

Mit der am eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 279.111,12 EUR sA. Nach den vereinbarten AÖSp habe die Beklagte auch die ordnungsgemäße Verzollung der Versendung zu übernehmen. Durch das Unterlassen der Anzeige der Kaffeedurchfuhren durch Deutschland beim Hauptzollamt Stuttgart habe die Beklagte grob fahrlässig gehandelt. Sie als Spediteur habe die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmens zu verrichten. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Es habe weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigend übernommene Vertragspflicht der Beklagten in Bezug auf die Kaffeesteuer gegenüber der Klägerin bestanden. Es liege kein Fall einer „Verzollung“ vor, weshalb § 25 lit a AÖSp nicht einschlägig sei. Die Beklagte habe als Spediteurin die gegenständlichen Transporte nicht selbständig durchgeführt, sondern durch Frachtführer durchführen lassen. Sie sei daher weder Versender noch Besitzer oder Verwender des transportierten Kaffees im Sinne des § 17 Abs 2 letzter Satz KaffeeStG gewesen.

Weder die Beklagte noch ihr beauftragter Frachtführer noch deren Unterfrachtführer hätten Kenntnis von der in der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Verbrauchssteuer in Form einer Kaffeesteuer haben müssen. Es handle sich um eine nur eine spezielle Warengruppe betreffende Steuer, die in den Verbrauchssteuersystemen in den übrigen EU Mitgliedstaaten kein Gegenstück habe. Im Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen wäre es an der Klägerin gelegen, dieses Wissen zu präsentieren. Spätestens mit der Zustellung des Bescheids des Hauptzollamts Erfurt vom sei die Klägerin nicht nur in Kenntnis einer Kaffeesteuerpflicht, sondern auch darüber gewesen, dass in den vorangegangenen 19 klagsgegenständlichen Fällen vollkommen gleichartige Sachverhalte verwirklicht worden seien. Die Unkenntnis einer Sondervorschrift des deutschen Verbrauchssteuerrechts sei für sich allein nicht grob fahrlässig. Die erhobene Forderung sei sowohl nach den AÖSp als auch nach den CMR verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Unkenntnis des Steuertatbestands des § 17 Abs 2, 4 und 5 KaffeeStG könne der Beklagten nicht als grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Weder die Klägerin, welche im internationalen Kaffeehandel tätig sei, noch die Beklagte hätten diesen Steuertatbestand gekannt. Auch wenn sich die Beklagte nicht darauf berufen könne, die Bestimmungen des Kaffeesteuergesetzes überhaupt nicht kennen zu müssen, so sei die Unkenntnis derartiger nur für Röstkaffee und löslichen Kaffee geltenden Sondervorschriften, welche in den übrigen Mitgliedstaaten kein vergleichbares Pendant hätten, nicht als auffällige, in die Augen fallende Sorgfaltswidrigkeit zu werten.

Die Klägerin sei im Februar 2014 in Kenntnis aller notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anspruchsverfolgung gewesen. Die Ansprüche würden sich daher zur Zeit der Einbringung der Klage am als verjährt erweisen, dies sowohl unter Zugrundelegung des Art 32 CMR als auch des § 64 AÖSp.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in eine gänzliche Klagsstattgebung ab. Die Beklagte hätte sich über die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen informieren müssen, wenn sie die Beförderung von Kaffee durch Deutschland anbiete. Eine dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB unterliegende Spedition wäre bei einer einfachen Google-Recherche (nach Beil ./9 vom ) leicht zu den in § 17 KaffeeStG und § 26 KaffeeStV enthaltenen Vorschriften gelangt. Ihre Unkenntnis der sie betreffenden deutschen Verwaltungsvorschriften sei der Beklagten als grobes Verschulden anzulasten. Der Anspruch sei nicht verjährt. Die nach § 413 UGB gebotene Anwendung der CMR Bestimmungen führe zur Unwirksamkeit einer allfälligen Vereinbarung über die Geltung der AÖSp. Nach Art 23 Z 1 CMR betrage die Verjährungsfrist bei Vorsatz oder bei einem Verschulden das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichstehe, drei Jahre. Unter dem Vorsatz gleichstehendem Verschulden sei grobe Fahrlässigkeit zu verstehen. Angesichts des im Februar 2013 angenommenen Generalofferts und der zwischen Jänner und August 2013 durchgeführten Transporte seien die bereits mit der am eingebrachten Klage erhobenen Ansprüche nicht verjährt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu bestehe, inwieweit bei einem Speditionsvertrag nach § 413 UGB der Verstoß des Spediteurs gegen eine ausländische Verwaltungsvorschrift unabhängig von einer vertraglichen Pflichtenübernahme die Rechtswidrigkeit für einen daraus entstehenden Steuerschaden des Versenders begründe und inwieweit die kurze Verjährungsfrist nach § 64 AÖSp der längeren nach Art 32 CMR vorgehe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Nach § 1 Abs 1 KaffeeStG unterliegen Kaffee sowie in das Steuergebiet beförderte kaffeehaltige Waren im Steuergebiet der Kaffeesteuer. Steuergebiet ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Hegoland. Die Kaffeesteuer ist eine Verbrauchssteuer im Sinn der Abgabenordnung. Nach § 2 Abs 1 KaffeeStG beträgt die Kaffeesteuer für Röstkaffee 2,19 EUR je kg.

Nach § 17 Abs 2 KaffeeStG entsteht die Kaffeesteuer, wenn der Kaffee aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet – anders als in den in Abs 1 genannten Fällen – gelangt, dadurch, dass der Kaffee im Steuergebiet im Besitz gehalten oder verwendet wird. Dies gilt gemäß § 17 Abs 2 Nummer 1 KaffeeStG nicht, wenn der in Besitz gehaltene Kaffee nicht für das Steuergebiet bestimmt ist und unter Berücksichtigung des Abs 4 Satz 2 durch das Steuergebiet befördert wird. Steuerschuldner ist, wer den Kaffee versendet, im Besitz hält oder verwendet.

Gemäß § 17 Abs 4 KaffeeStG hat, wer Kaffee nach Abs 1 oder Abs 2 Satz 1 beziehen, in Besitz halten oder verwenden will, dies dem Hauptzollamt vorher anzuzeigen und für die Steuer Sicherheit zu leisten. Wer Kaffee nach Abs 2 Nummer 1 durch das Steuergebiet durchführen will, hat dies dem Hauptzollamt vorher anzuzeigen. Nach § 17 Abs 5 leg cit hat der Steuerschuldner für den Kaffee, für den die Steuer entstanden ist unverzüglich eine Steuermeldung abzugeben. Die Steuer ist spätestens am 20. Tag des auf die Steuermeldung folgenden Monats fällig. Wird das Verfahren nach Abs 4 nicht eingehalten, ist die Steuer sofort fällig. Nach § 26 der deutschen Verordnung zur Durchführung des Kaffeesteuergesetzes (Kaffeesteuerverordnung – KaffeeStV) ist die Anzeige nach § 17 Abs 4 Satz 2 des Gesetzes vom Beförderer vor der Durchfuhr beim Hauptzollamt Stuttgart abzugeben.

2. Die Klägerin argumentiert, die Beklagte sei Fixkostenspediteurin; sie treffe nicht nur nach § 25 AÖSp, sondern auch aufgrund der getroffenen Vereinbarung (diese Feststellung wurde vom Berufungsgericht nicht geprüft) die Verpflichtung zur Verzollung.

3. Vorweg ist zu prüfen, ob Speditions oder Frachtrecht zur Anwendung gelangt.

3.1 Im vorliegenden Fall liegt unstrittig eine Spedition zu fixen Kosten nach § 413 UGB (Spedition zu festen Spesen) vor. Hat sich der Spediteur mit dem Versender über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt, so hat er ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers (§ 413 Abs 1 UGB). Damit wird zwingendes Frachtrecht unabdingbar (7 Ob 188/12s mwN; vgl RIS Justiz RS0049336 zu CMR).

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 7 Ob 188/12s – unter Darstellung der deutschen Rechtslage – auch für den österreichischen Rechtsbereich ausgesprochen, dass sich die Anordnung der Geltung des Frachtrechts auf die Leistungen beziehe, die der Spediteur wie ein Frachtführer erbringe, nicht jedoch auf für den Spediteur typische Leistungen. Der in § 413 UGB geregelte Vertrag werde im Gesetz auch nicht als „Frachtvertrag“ bezeichnet, sondern (weiterhin) als „Speditionsvertrag“, was indiziere, dass er mehr sei als ein „reiner“ Frachtvertrag, nämlich ein Speditionsvertrag mit der Besonderheit, dass der Spediteur (zusätzlich) selbst als Frachtführer tätig werde.

3.2 Zu den Nebenpflichten des Speditionsvertrags gehört auch die Verzollung. Erfordert die Ausführung des übernommenen Speditionsgeschäfts eine Verzollung, so hat der Spediteur für die ordnungsgemäße Verzollung zu sorgen ( Csoklich in Jabornegg/Artmann UGB 2 § 407 Rz 25 mwN; vgl auch RIS Justiz RS0019459). Die Verzollung zählt aber auch zu den Nebenpflichten des Frachtführers ( Csoklich aaO § 425 Rz 16; Helm in Großkommentar HGB 4 § 425 Rn 144; Ulbrich in BeckOK HGB § 451a Rn 30; Thume in MüKoHGB § 407 Rn 67).

Daraus folgt, dass die Verzollung keine für den Spediteur im Verhältnis zum Frachtführer typische Leistung ist. Der Fixkostenspediteur erbringt sie wie ein Frachtführer, sodass im vorliegenden Fall Frachtrecht zur Anwendung gelangt.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Anzeige der Durchfuhr des Kaffees im Sinne der genannten Bestimmungen einen Verzollungsvorgang oder zumindest einen einem solchen in seinen Wirkungen gleichenden Vorgang darstellt und die Beklagte dann verpflichtet gewesen wäre. Selbst wenn man mit der Klägerin zu ihren Gunsten davon ausgeht, ergibt sich Nachstehendes:

4. Da die Transporte von Österreich – über Deutschland – in die Niederlande, nach Dänemark, Luxemburg und Belgien (alles Mitgliedstaaten der CMR) mittels Kraftfahrzeugen erfolgten, unterliegen sie den CMR (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr).

5. Kommen nach § 413 UGB die CMR Bestimmungen zur Anwendung, führt dies zur Unwirksamkeit einer allfälligen Vereinbarung über die Geltung der AÖSp (RIS Justiz RS0049336). Nach Art 41 CMR sind Vereinbarungen, soweit diese von den Bestimmungen der CMR abweichen, nichtig (RIS Justiz RS0049343).

6. Alle Ansprüche, die sich aus einer den CMR unterliegenden Beförderung ergeben, also unter Umständen auch solche Ansprüche, die gar nicht aus den CMR selbst abgeleitet werden, sind der Verjährungsregelung des § 32 CMR unterworfen (RIS Justiz RS0074001, Demuth in Thume, CMR-Kommentar² Art 32 CMR Rn 46, Csoklich aaO Art 32 Rz 1).

7.1 Die Verjährungsfrist nach Art 32 CMR beträgt ein Jahr und bei Vorsatz oder bei einem Verschulden, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichkommt drei Jahre. Sie beginnt nach Abs 1 lit c leg cit mit dem Ablauf einer Frist von drei Monaten nach dem Abschluss des Beförderungsvertrags.

7.2.1 Dem Vorsatz gleichstehende Fahrlässigkeit bedeutet in Österreich grobe Fahrlässigkeit (RIS Justiz RS0073961, RS0062591).

7.2.2 Die Unkenntnis verwaltungsrechtlicher Vorschriften begründet ein Schadenersatzansprüche auslösendes Verschulden nur dann, wenn sie auf der Außerachtlassung der im besonderen Fall gebotenen Aufmerksamkeit beruht (RIS-Justiz RS0008651). Als grobe Fahrlässigkeit gilt nach ständiger Rechtsprechung eine Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt, die in ihrer Schwere die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich übersteigt und den Eintritt nachteiliger Folgen als wahrscheinlich vorhersehbar macht (RIS Justiz RS0030477; RS0030359). Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (RIS Justiz RS0030477 [T15]). Die Einstufung eines Verschuldens als grob fahrlässig erfordert ferner, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS Justiz RS0030272; RS0031127).

7.2.3 Die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit trifft grundsätzlich den Geschädigten ( Demuth aaO Art 32 Rn 105 mwN; Bahnsen in EBJS CMR Art 32 Rn 39; Fremuth/Thume Frachtrecht Art 32 Rn 31; vgl RIS Justiz RS0062591 zu Art 29 CMR).

7.2.4 Im vorliegenden Fall verwies die Klägerin im erstgerichtlichen Verfahren darauf, dass die Tätigkeit der Beklagten regelmäßig die Verzollung von Gütern umfasse, die auch Teil ihrer Berufsausbildung und Berufsbeschreibung sei. Die Unkenntnis der Bestimmungen über das Nichtentstehen der Kaffeesteuer bei Anzeige der Durchfuhr von Kaffee stelle daher grobes Verschulden dar.

Die Unkenntnis der Bestimmungen des deutschen Kaffeesteuergesetzes und der deutschen Kaffeesteuerverordnung indiziert für sich alleine – wie die folgenden Ausführungen zeigen – das grobe Verschulden nicht:

Zu berücksichtigen ist, dass von einer „Verzollung“ in der Regel nur bei die EU Zollgrenzen überschreitenden Beförderungen auszugehen ist. Weiters ist die deutsche Kaffeesteuer eine Verbrauchssteuer (§ 1 Abs 1 KaffeeStG). „Verbrauchssteuern sind auf Abwälzbarkeit angelegte Steuern auf die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende steuerliche Leistungsfähigkeit, die nur auf einer Stufe grundsätzlich auf den konsumtiven Verbrauch von ausgewählten Waren erhoben werden und bei denen der Steuerentstehungstatbestand an einen tatsächlichen Vorgang oder Zustand anknüpft.“ Verbrauchssteuern werden abhängig von unterschiedlichen tatsächlichen Anknüpfungspunkten in den einzelnen Verbrauchssteuergesetzen (Herstellung, Entnahme aus dem Steuerlager oder aus dem Versorgungsnetz, etc) ua auch bei der Einfuhr von Nicht- gemeinschaftswaren neben den Einfuhrabgaben nach dem Zollkodex erhoben und sind Einfuhrabgaben nach dem deutschen Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) (§ 1 Abs 1 ZollVG), dies allerdings nur dann, wenn sie beim unmittelbaren Verbringen von Waren aus einem Drittland in die EU anfallen ( Harder , Handbuch Wirtschafts und Steuerstrafrecht 4 22. Kapitel Zoll VII Rn 96 unter Hinweis auf BGH, 1 StR 561/10). So gilt auch der Zollkodex (Richtlinie 2008/118) nicht unmittelbar für Verbrauchssteuern. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat bei der Harmonisierung der Verbrauchssteuern das Steuerrecht mit dem Zollrecht aber in den Fällen miteinander verzahnt, in denen die Verbrauchssteuern mit der Einfuhr der verbrauchssteuerpflichtigen Waren aus Drittländern anfallen ( Voß in Grabnitz/Hilf , Das Recht der Europäischen Union 40 Art 23 Rn 51).

Hier wurde der Kaffee nicht aus einem Drittland in die Europäische Union, sondern lediglich innerhalb der Europäischen Union verbracht, sodass zumindest zweifelhaft ist, dass die Anmeldung der Durchfuhr des Kaffees durch Deutschland, die das Entstehen der Kaffeesteuer verhindert hätte, einen Verzollungsvorgang oder einen zollgleichen Vorgang darstellt. Nur für einen solchen hätte die Beklagte Sorge zu tragen. Berücksichtigt man, dass die Beurteilung steuerrechtlicher Fragen jedenfalls nicht zu den von der Beklagten übernommenen Verpflichtungen gehört, die eine Verbrauchssteuer darstellende Kaffeesteuer – nach den obigen Ausführungen – auch nicht eindeutig als Einfuhrabgabe eingeordnet werden kann und insbesondere mit der Notwendigkeit einer Verzollung bei Warentransporten innerhalb des EU-Raums nicht zu rechnen ist, so begründet – selbst bei Anwendung des erhöhten Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB – die Unkenntnis der hier einschlägigen Steuerbestimmungen für sich allein kein grobes Verschulden der Beklagten.

7.2.5 Soweit das Berufungsgericht argumentiert, dass sich die grobe Fahrlässigkeit der Beklagten aus der unterbliebenen, leicht möglichen Internetrecherche ergebe, übersieht es einerseits, dass die Klägerin einen derartigen Vorwurf zur Dartuung des qualifizierten Verschuldens der Beklagten nicht erhob und andererseits die vom Berufungsgericht zu dieser Beurteilung herangezogene „google-Anfrage Beil ./9“ vom datiert und keinen Rückschluss auf allfällige Suchergebnisse für den Zeitraum der durchgeführten Beförderungen (1–8/2013) zulässt. Die Frage, ob die Beklagte unter den gegebenen Umständen zu einer derartigen Abfrage überhaupt verpflichtet gewesen wäre, kann daher dahingestellt bleiben.

7.2.6 Da der Klägerin der Beweis der groben Fahrlässigkeit der Beklagten nicht gelang, beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr.

7.3 Nach Art 32 Abs 1 lit c CMR beginnt die Verjährungsfrist drei Monate nach Abschluss des Beförderungsvertrags. Bei Rahmenverträgen ist der Zeitpunkt des Zustandekommens der einzelnen Transportaufträge maßgeblich ( Csoklich aaO Art 32 Rz 7, Demuth aaO Art 32 Rn 42). Da die klagsgegenständlichen Transporte im Zeitraum zwischen dem und durchgeführt wurden, war die einjährige Verjährungsfrist nach Art 32 CMR zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage am bereits abgelaufen.

Der Oberste Gerichtshof hat aber auch bereits ausgesprochen, dass die Verjährung erst zu jenem Zeitpunkt zu laufen beginnen könne, in dem das Recht an sich ausgeübt hätte werden können, dass seiner Geltendmachung also kein objektives rechtliches Hindernis mehr entgegenstehe. Dazu komme, dass die Regelung der Verjährung in Art 32 CMR nicht vollständig sei. Es müsse daher allenfalls eine Berichtigung der Auslegung des Art 32 Abs 1 lit c CMR vorgenommen werden, wobei nationales Recht anzuwenden sei (7 Ob 74/11z mwN).

Nach österreichischem Recht beginnt die Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt geworden sind. Lehre und Rechtsprechung legen diese Bestimmung dahin aus, dass dies der Fall ist, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann (RIS Justiz RS0034524), er also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS Justiz RS0034524 [T24]). Das bedingt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und – bei verschuldensabhängiger Haftung – auch die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen (RIS Justiz RS0034524 [T14, T 27, T 29]; RS0034603; RS0034951).

Seit der Entscheidung eines verstärkten Senats (1 Ob 621/95) wird in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die kurze Verjährungsfrist nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnt (RIS-Justiz RS0083144).

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Schaden entstanden ist, sind zwei Lagen miteinander zu vergleichen: Die wirkliche, die durch das in Frage stehende Ereignis eingetreten ist, und die, welche ohne dieses Ereignis bestand – eine gedachte hypothetische Lage. Ist die wirkliche Lage gegenüber der Gedachten zum Nachteil des Betroffenen, dann liegt ein Schaden im Rechtssinn vor (RIS Justiz RS0022477). Ein Vermögensschaden tritt bereits mit der Begründung einer Verbindlichkeit ein. Vermögensverminderung ist nämlich nicht bloß die Einbuße an Aktiven, sondern auch jedes Anwachsen der Passiven (RIS Justiz RS0022568).

Nach § 17 Abs 2 Satz 1 KaffeeStG ist die Kaffeesteuer aufgrund fehlender Anzeige nach § 17 Abs 2 Satz 2 Nummer 1 durch das erstmalige Besitzhalten im Steuergebiet entstanden, sie ist nach § 17 Abs 5 KaffeeStG sofort fällig.

Die mit Steuerbescheid vom bekräftigte Steuerschuld der Klägerin war daher bereits im Zeitpunkt der jeweiligen Beförderungen – zwischen und – entstanden.

Aufgrund des – den Kaffeetransport vom betreffenden – Bescheids vom , der Klägerin zugestellt am , war diese in Kenntnis, dass sie von den Behörden als Steuerpflichtige in Anspruch genommen wird, wenn von ihr beauftragte Kaffeetransporte ohne entsprechende Anzeige durch deutsches Steuergebiet befördert werden. Spätestens im Februar 2014 wusste sie, dass die Ermittlungen der deutschen Zollbehörden viele ihrer Lieferungen betrafen, insbesondere war ihr bekannt, dass es sich bei den 19 klagsgegenständlichen Fällen um Kaffeedurchfuhren durch Deutschland handelte und eine Anmeldung beim Hauptzollamt Stuttgart im Sinne des § 17 KaffeeStG durch die Beklagte nicht erfolgt war.

Die Klägerin war daher auch spätestens im Februar 2014 in Kenntnis des Sachverhalts, der den Grund ihres Entschädigungsanspruchs darstellt, sodass sie zumindest eine Feststellungsklage hätte erheben können. Die einjährige Verjährungsfrist begann daher im Februar 2014 zu laufen und war bei Einbringung der Klage am abgelaufen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00181.16T.1130.000