OGH vom 11.11.1971, 1Ob183/71
Norm
Kopf
SZ 44/170
Spruch
Der Übernehmer kann auch seine eigenen Forderungen befriedigen, wenn er als zuvorgekommen gelten kann
(OLG Innsbruck 1 R 2/71; LG Innsbruck 6 Cg 58/70)
Text
Die Klägerin begehrte mit der seit anhängigen Klage, den Beklagten zur ungeteilten Hand mit den bereits durch Versäumungsurteil verurteilten V & M KG, Herbert V und Adolf Hermann M (letztere als Komplementäre der Firma V & M KG) zur Bezahlung von S 29.309.- samt 8% Verzugszinsen zu verhalten. Sie brachte hiezu vor, sie habe der Firma V & M Waren geliefert und dafür mit insgesamt 12 Rechnungen zwischen 2. 2. und den angemessenen und vereinbarten Kaufpreis von zusammen S 29.309.- in Rechnung gestellt. Die Firma V & M habe ihr Unternehmen an den Beklagten veräußert, somit habe auch er für die Forderung einzustehen, deren Bestand er bei Übernahme des Unternehmens gekannt habe oder kennen habe müssen.
Der Beklagte hat das Klagebegehren bestritten und insbesondere eingewendet, die Firma V & M habe dem Beklagten nie ihr Unternehmen überlassen. Im übrigen sei der Klägerin am ein Großteil der Ware im Wert von rund S 18.000.- zurückgestellt worden.
Mit Teilanerkenntnisurteil vom wurde der Beklagte verhalten, an die Klägerin S 694.- samt 8% Zinsen ab für vier vom Beklagten verkaufte Pullover zu bezahlen.
Der Erstrichter hat das übrige Klagebegehren von S 28.615.- sA abgewiesen. Er hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Die Klägerin hat der Firma V & M, Erzeugung von Damen- und Herrenbekleidung in Lochau, über deren Bestellung mit Rechnungen aus der Zeit vom 2. 2. bis nach Lochau Waren geliefert, deren Bezahlung zur Zeit der Klagseinbringung mit dem Betrag von S 29.308.- noch offen war. Zahlungskondition war: "Bei Zahlung innerhalb zehn Tagen 3%, innerhalb 30 Tagen 2% Skonto oder 60 Tage rein netto ... Bei Terminüberschreitung 8% Verzugszinsen." Neben der Erzeugung von Damenoberbekleidung in Lochau betrieb die Firma V & M in Bregenz ein Detailgeschäft, hauptsächlich zum Abverkauf von selbsterzeugter Ware.
Der Beklagte, der sich als Industrieberater bezeichnet, wurde im Februar 1968 von der Firma V & M beauftragt, ihre Organisation in Verkauf und Produktion zu koordinieren. Da die Firma in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und sie sein Honorar nicht bezahlen konnte, kundigte der Beklagte seine Tätigkeit zum auf. Er will zu dieser Zeit bereits einen Honoraranspruch in der Höhe von S 62.000.- gehabt haben, wovon S 10.000.- in bar bezahlt worden seien.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bewogen die Firma V & M, ihr Verkaufsgeschäft in Bregenz zu liquidieren. Adolf Hermann M machte dem Beklagten im April 1968 den Vorschlag, sowohl die Mietrechte an dem Geschäftslokal als auch das dort befindliche Inventar und das Warenlager zu übernehmen. Es kam am zu folgender Vereinbarung (Beilage C): "Vereinbarungsgemäß treten wir Ihnen unsere Mietrechte laut beigeschlossener Unterlagen ab ab. Das Inventar und das Warenlager werden mit getrennter Rechnung übergeben. Die Miete wurde von uns bis Ende April beglichen und haben Sie daher ab selbst für diese aufzukommen. Die Angestellte (Verkäuferin) übernehmen Sie ebenfalls ab . Anfallende Löhne bis zu diesem Zeitpunkt werden von uns getragen. Unsere Gewerbeberechtigung lassen wir bis zum 30. 6. bestehen und haben Sie bis zu diesem Zeitpunkt für eine eigene Berechtigung zu sorgen. Ebenso obliegt es Ihnen, sich mit dem Vermieter der Lokalität auseinanderzusetzen."
Der Beklagte war seit 1967 Geschäftsführer der B-GesmbH, die in Bregenz ein Bürolokal hatte, für das monatlich S 3500.- Miete zu bezahlen war. Der Mietzins für das Lokal der Firma V & M betrug S 3000.- monatlich. Der Beklagte war an der Übernahme dieses Lokales interessiert, weil er sich damit sowohl die Büromiete für die B-GesmbH zu ersparen als auch eine zumindest teilweise Abdeckung seiner Honorarforderung durch Übernahme und Abverkauf von Ware der Firma V & M erhoffte. Mit dem Hauseigentümer des Hauses, in dem sich das Geschäftslokal der Firma V & M befand, hatte der Beklagte abgesprochen, daß er das Geschäftslokal zu den mit der Firma V & M vereinbarten Bedingungen nur so lange benützen werde, bis der Hauseigentümer einen neuen Dauermieter gefunden habe.
Zur Abdeckung seiner Honorarforderung machten die Gesellschafter der Firma V & M dem Beklagten den Vorschlag, die in dem Verkaufslokal befindliche Ware zum Großhandelspreis zu übernehmen und durch Verkauf zu Geld zu machen. Der Beklagte war mit diesem Vorschlag einverstanden. Die im Geschäftslokal vorhandene Einrichtung und das Warenlager wurden inventarisiert und vom Beklagten zum Teil übernommen, der ab bis Anfang September 1968 das übernommene Warenlager abverkaufte und sich hiebei der Angestellten der Firma V & M bediente. Der Verkauf wurde unter keinem bestimmten Namen durchgeführt, eine Geschäftsbezeichnung war während des Abverkaufes am Laden nicht vorhanden. Der Beklagte hatte von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eine bis Oktober 1968 befristete behördliche Bewilligung zum Abverkauf vorhandener Warenbestände in dem genannten Geschäftslokal erhalten. Er benützte das Lokal bis einschließlich Jänner 1969, mit wurde es von der Firma "A & O" übernommen.
Der Beklagte übernahm auf Grund der Vereinbarung vom auf Abschlag der ihm zustehenden Honorarforderung von der Firma V & M Ware im Wert von etwa S 40.000.-, wobei die Firma Nachlässe gegenüber den normalen Preisen zugestand. Unter den vom Beklagten übernommenen Waren befanden sich auch 117 Damenpullover und Damenwesten, die von der Klägerin an die Firma V & M geliefert worden waren. Daß diese Ware noch nicht bezahlt war, wußte zwar der Beklagte nicht, konnte es sich aber denken, da ihm die Situation der Firma V & M bekannt war.
Bei der am zwischen dem Beklagten und der Firma V & M getroffenen Vereinbarung ging es darum, dem Beklagten durch die Übernahme der Mietrechte an dem Geschäftslokal vorübergehend Räumlichkeiten für die B-GesmbH zu verschaffen, und andererseits dem Beklagten die Möglichkeit zu geben, durch Abverkauf der übernommenen Waren seine Honorarforderung gegenüber der Firma V & M hereinzubringen. Die Übernahme eines Unternehmens lag dem Beklagten fern, es war von vornherein klar, daß das Verkaufsgeschäft im genannten Geschäftslokal nur dem Abverkauf der vorhandenen Bestände dienen werde, und daher zeitlich begrenzt sei. Daß der Beklagte im Sommer 1968 sich bei der Verkaufstätigkeit nicht allein auf die vorhandenen Bestände beschränkte, sondern in einem geringen Umfang auch neue Ware einkaufte, tat dem keinen Abbruch, weil neue Ware nur so weit hereingenommen wurde, als dies zur Förderung der Verkaufstätigkeit erforderlich war.
Die Klagsbehauptung, der Beklagte habe im April 1968 von der Firma V & M ein Unternehmen übernommen, könne - so führte der Erstrichter in diesem Zusammenhang aus - nicht als erwiesen angenommen werden.
Im übrigen stellte der Erstrichter noch fest:
Mit Schreiben vom teilte die Firma V & M dem Beklagten mit, daß er die Bezahlung der von ihm "en bloc" übernommenen Waren der Klägerin direkt mit der Lieferfirma regulieren müsse, da die Ware mit einem Eigentumsvorbehalt belastet sei. Am teilte die Firma V & M der Klägerin mit, daß die Firma liquidiert und im Rahmen der Liquidation das Detailgeschäft in Bregenz dem Beklagten an Zahlungs Statt übergeben worden sei; der Beklagte habe schriftlich bestätigt, daß er die im Geschäft lagernde Ware - also auch die Ware der Klägerin - übernehme und bezahle.
Auf Grund einer Absprache zwischen dem Beklagten und der Firma V & M stand es dem Beklagten frei, die Ware der Klägerin zu übernehmen und zu bezahlen oder aber an die Klägerin zurückzustellen. Der Beklagte, der von der Ware der Klägerin im Geschäft in Bregenz nur 117 Damenpullover, sohin nur einen Teil der Ware, deren Bezahlung die Klägerin begehrt, übernommen und in der Folge vier Pullover abverkauft hatte, schickte die restlichen 113 Stück am an Rudolf M zurück, der damals Provisionsvertreter der Klägerin war. Der Beklagte verständigte von der Rücksendung der Ware an M auch die Firma V & M. Am schrieb M dem Beklagten, er habe von der Klägerin erfahren, daß die zurückgestellte Ware von der Firma V & M oder vom Beklagten übernommen und bezahlt werde, er bitte um Mitteilung, wohin er die Ware senden könne. Hierauf richtete am der Beklagte an die Klägerin ein Schreiben, in dem er seinen Standpunkt darlegte und die Übernahme und Bezahlung der an M zurückgeschickten Ware ablehnte.
Mit Schreiben vom bestätigte die Firma V & M dem Beklagten, daß von einer Geschäftsübergabe oder Nachfolge nie die Rede gewesen sei und daß die im Geschäft vorhandenen Waren vom Beklagten ordnungsgemäß gekauft worden seien.
M war von der Klägerin nicht ermächtigt, eine mit der Firma V & M getroffene Kaufvereinbarung zu stornieren oder die vom Beklagten zurückgestellte Ware zu übernehmen. Als die Klägerin von der Zurückstellung der Ware an M erfahren hatte, wies sie diesen an, die zurückgestellte Ware zur Verfügung des Beklagten bei sich zu behalten. Anläßlich eines Zusammentreffens in Amstetten teilte M dem Beklagten anfangs Juni 1968 mit, daß er bezüglich einer Stornierung der Lieferung bzw einer Zurücknahme der gelieferten Ware nicht verfügen könne, daß er aber bereit sei, bis zu einer Entscheidung durch die Klägerin noch im Besitz des Beklagten befindliche Ware in Verwahrung zu nehmen. Der Wert der vom Beklagten an M übergebenen Ware betrug etwa S 18.000.-.
Daß sich der Beklagte jemals in einer für die Klägerin anspruchsbegrundenden Weise verpflichtete, die von ihm im Geschäftslokal vorgefundene Ware der Klägerin zu bezahlen, sah der Erstrichter nicht als erwiesen an. Die Behauptung des Beklagten, er habe eine derartige Verpflichtungserklärung gegenüber der Klägerin nie abgegeben, sei unwiderlegt geblieben.
Zusammenfassend verwies der Erstrichter darauf, daß nach den Beweisergebnissen der Beklagte das ihm von der Firma V & M übergebene Lokal samt Warenposten im Übergabewert von rund S 40.000.- nicht übernommen habe, um dort ein Unternehmen fortzuführen, sondern deshalb, um durch den Abverkauf der übernommenen Ware seine Honorarforderung gegenüber der Firma V & M abzudecken und sich als Geschäftsführer der B-GesmbH die Miete so lange zu ersparen, bis der Hauseigentümer einen neuen Mieter für das Geschäftslokal gefunden habe. Unter diesen Umständen könne von einer Unternehmensübertragung iS des § 1409 ABGB keine Rede sein. Da auch die von der Klägerin behauptete Schuldübernahme durch den Beklagten nicht erwiesen werden konnte, bestehe die restliche Klagsforderung nicht zu Recht.
Die gegen dieses Urteil aus den Gründen der unrichtigen Beweiswürdigung, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstrichters als das Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung übernommen, wenngleich es der Klägerin darin beigepflichtet hat, daß die Frage, ob der Beklagte von der Firma V & M ein Unternehmen im Sinne des § 1409 ABGB übernommen hat, eine Rechtsfrage und keine Beweisfrage darstellt. Das Gericht zweiter Instanz hat aber die Rechtsansicht des Erstrichters, daß keine Unternehmensübergabe iS des § 1409 ABGB vorliege, gebilligt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und hob die Urteile beider Untergerichte auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Bestimmung des § 1409 ABGB knüpft die Haftung für die Schulden, die auf einem Vermögen oder Unternehmen haften, an eine Übernahme dieses Vermögens oder Unternehmens durch denjenigen, der haften soll. "Übernahme" ist nach dem Sprachgebrauch des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches das Gegenstück zu "Übergeben" (vgl §§ 315, 425, 1050 ABGB). Beide Handlungen zusammen ergeben den Tatbestand eines Verpflichtungsgeschäftes, so daß der Tatbestand, an welchen die Haftung geknüpft ist, der eines Rechtsgeschäftes und zwar der eines Veräußerungsgeschäftes sein muß (Wolff in Klang[2] VI 356, SZ 25/266, 1 Ob 187/70 = JBl 1971, 134).
Bei Beurteilung der Frage, ob es sich danach gegenständlich um die Übernahme eines Vermögens oder Unternehmens iS des § 1409 ABGB handelt, ist davon auszugehen, daß der Beklagte von der Firma V & M das Detailgeschäft in Bregenz, dessen Mietrechte, einen Teil des Inventars, die Angestellte und die dort noch lagernde Ware zum Abverkauf übernommen hat und zwar auf Abschlag seiner noch unberechtigten Honorarforderung.
Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen erachtet der OGH damit alle Voraussetzungen der Übernehmerhaftung iS des § 1409 Abs 1 ABGB gegeben, denn es hat eine rechtsgeschäftliche Unternehmensübernahme tatsächlich stattgefunden. Der Beklagte hat das Detailgeschäft der Firma V & M, sohin eine selbständig organisierte Erwerbsgelegenheit samt Inventar und Waren zum Weiterbetrieb (vgl SZ 32/74) als Abschlagszahlung auf seine Honorarforderung übernommen. Hiebei spielt es keine Rolle, daß sich die Firma V & M zu diesem Zeitpunkt bereits in Liquidation befunden hat (über ihr Vermögen wurde in der Folge der Konkurs eröffnet), denn auch im Zuge der Liquidation einer Handelsgesellschaft ist die Veräußerung des von dieser betriebenen Unternehmens oder eines abgesonderten Teiles desselben - wie gegenständlich eines Detailgeschäftes - möglich. Es fällt auch nicht ins Gewicht, daß der Beklagte den Abverkauf der Ware nur für eine begrenzte Zeit geplant hatte, zumal er nach den Feststellungen der Untergerichte zu den übernommenen Warenbeständen noch weitere Ware zum Verkauf angeschafft hat.
Zwecks Verdeutlichung, welche Bewandtnis es mit der dem Beklagten nach Annahme der Unterinstanzen von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz erteilten, bis Oktober 1968 befristeten behördlichen Bewilligung zum Abverkauf vorhandener Warenbestände in dem Geschäftslokal hatte, hat der OGH versucht, den diesbezüglichen Akt von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz beizuschaffen. Abgesehen davon, daß die Bezirkshauptmannschaft Bregenz daraufhin am unter der Zl. II-1412/1968 mitteilte, daß der Beklagte eine solche Genehmigung gar nicht hatte, geht aus der genannten Mitteilung hervor, daß der Beklagte am eine Gewerbeanmeldung für den Handel mit Textilwaren mit dem Standorte Bregenz, Rstraße NR 67, eingebracht hatte, diese aber auf Grund des negativen Gutachtens der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft, Sektion Handel, Feldkirch, vom Beklagten selbst am zurückgezogen wurde. Dies bestätigt, worauf nur der Vollständigkeit halber hingewiesen sei, abermals die Richtigkeit der Wertung der festgestellten Vorgänge als Unternehmensübernahme.
Hat aber der Beklagte von der Firma V & M ein Unternehmen iS des § 1409 ABGB übernommen, haftet er - unbeschadet der fortdauernden Haftung der Veräußerer - grundsätzlich den Gläubigern und damit auch der Klägerin aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, soweit er diese bei Übergabe kannte oder kennen mußte, mit seinem ganzen Vermögen bis zur Höhe des Wertes des übernommenen Vermögens oder Unternehmens. Dieser Wert ist nach objektivem Maßstab, und zwar für den Zeitpunkt der Übergabe zu ermitteln (siehe hiezu Wolff in Klang[2] VI 354, Ehrenzweig[2] System § 335 11/2, Gschnitzer, Lehrbuch, Schuldrecht/Allgemeiner Teil, 106). Auf das vereinbarte Entgelt und auf den von den Parteien dem Veräußerungsgeschäft zugrunde gelegten Wert kommt es nicht an.
Zur Behauptung des Beklagten, er sei zur Rücksendung der (im Geschäft vorgefundenen) Ware an die Klägerin berechtigt gewesen, hat schon das Berufungsgericht ausdrücklich ausgeführt, diese Rückgabe sei - zu Handen M's - rechtsunwirksam gewesen, was auch mit den Feststellungen des Erstrichters übereinstimmt. Der Beklagte hat diese Frage weder in zweiter noch in dritter Instanz mehr aufgerollt. Es muß daher der Entscheidung zugrunde gelegt werden, daß die Forderung der Klägerin - soweit sie nicht durch das Teilanerkenntnisurteil vom erledigt wurde - noch offen ist.
Freilich ist die Sache nicht spruchreif, denn die Unterinstanzen haben von der nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend, es liege keine Unternehmensübernahme vor, keine Feststellungen über den objektiven Wert des übernommenen Unternehmens getroffen. Beide Vorinstanzen haben zwar übereinstimmend angenommen, es habe der Wert der übernommenen Waren zirka S 40.000.- betragen. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß der Wert eines Unternehmens auch andere Aktionen (Inventar, good will, Außenstände usw) umfaßt, die bisher unberücksichtigt blieben. Auf die Aktiva aber kommt es bei der Wertermittlung an (HS 5034, JBl 1967/206, JBl 1971/259).
Der Übernehmer haftet für die Schulden des übernommenen Vermögens oder Unternehmens nicht etwa bloß mit den übernommenen Aktiven, sondern persönlich mit seinem ganzen Vermögen, aber nicht über den Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens im Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe hinaus. Er muß also die Schulden so lange bezahlen, so lange dieser Wert reicht; er ist aber frei, sobald dieser Wert erschöpft ist. Der Übernehmer hat nicht etwa schlechthin die Passiven verhältnismäßig zu berücksichtigen, es entscheidet vielmehr das Zuvorkommen. Zuvorgekommen ist aber derjenige, dessen Forderung früher zahlbar ist - sei es durch Mahnung, Präsentation eines Wertpapieres oder Eintritt des Termins. Sonst kommt es darauf an, wer die Zahlung zuerst verlangt (siehe hiezu SZ 9/46, SZ 9/131, Wolff in Klang[2] aaO 354, Gschnitzer aaO). Daß das Zuvorkommen maßgebend ist, hat zur Folge, daß der Unternehmer vor allem auch seine eigenen Forderungen befriedigen kann (siehe auch hiezu SZ 9/46, Wolff in Klang[2] aaO, Ehrenzweig, aaO).
Behauptungen über die Bezahlung anderer Schulden hat der Beklagte nicht aufgestellt. Im übrigen haben die Unterinstanzen zwar festgestellt, daß er das Unternehmen auf Abschlag seiner ihm gegen die Veräußerer zustehenden Honorarforderung übernommen hat, aber keine exakte Feststellung über deren Höhe getroffen. Diesbezüglich hat sich der Erstrichter mit dem Hinweis begnügt, daß der Beklagte am eine Forderung von rund S 62.000.- gehabt haben wolle, wovon nur etwa S 10.000.- bar bezahlt werden konnten. Bezüglich dieser erst verläßlich zu ermittelnden Forderung des Beklagten, von der bisher auch nicht feststeht, wann sie fällig war, wäre er iS obiger Ausführungen selbst als Gläubiger des übernommenen Unternehmens anzusehen, zumal sich seine Tätigkeit für die Veräußerer auch auf das übernommene Detailgeschäft bezogen hatte, es sich also jedenfalls um eine Geschäftsschuld handelte. Eine quotenmäßige Aufteilung derselben auf das veräußerte und auf das nicht veräußerte Teilunternehmen, wie sie seinerzeit gelegentlich vorgenommen wurde (vgl JBl 1936, 231) hat nicht zu erfolgen (vgl Klang in JBl 1948, 444, Wellacher in ÖJZ 1950, 489, sowie in ÖJZ 1957, 312, SZ 10/364, SZ 25/266, SZ 32/74). Ebenso handelt es sich auch bei der ganzen noch offenen Forderung der Klägerin um eine das vom Beklagten übernommene Unternehmen belastende Geschäftsschuld und nicht etwa nur bei jenem Teil ihrer Forderung, der sich auf die vom Beklagten im übernommenen Geschäft vorgefundenen Pullover bezieht. Ob er allerdings vom Bestand der ganzen noch offenen Forderung wissen mußte, läßt sich nach den bisherigen Feststellungen nicht mit Sicherheit beurteilen. Unbedenklich bejaht wurde es vom Erstrichter jedenfalls bezüglich der auf die im Geschäft vorgefundenen Pullover entfallenden Teilforderung.
Sollte es sich nun im fortgesetzten Verfahren ergeben, daß der Beklagte hinsichtlich seiner - der Höhe nach noch festzustellenden - Forderung der Klägerin iS obiger Ausführungen erlaubterweise zuvorgekommen ist, und sollte sich ferner ergeben, daß der nach objektiven Maßstäben festzustellende Wert des übernommenen Unternehmens im Zeitpunkte der Übergabe niedriger oder gleich hoch war als seine Forderung, dann wäre für einen Haftungsrahmen iS des § 1409 ABGB kein Raum mehr. Im übrigen - immer unter der Voraussetzung, daß der Beklagte als zuvorgekommen gilt - würde er der Klägerin gegenüber nur noch bis zur Höhe des Wertes persönlich und mit seinem ganzen Vermögen haften, der sich nach Abzug seiner eigenen Forderung vom objektiven Wert des übernommenen Unternehmens im Zeitpunkte der Übergabe ergibt.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß dem auch die Entscheidung SZ 19/294 nicht entgegensteht, weil im damals entschiedenen Fall Veräußerer und Übernehmer dem Veräußerungsgeschäft nicht den objektiven Wert des Unternehmens, sondern einen wesentlich niedrigeren Betrag zugrunde gelegt hatten und der Übernehmer bloß diesen niedrigeren Betrag durch Berichtigung fremder und eigener Forderungen bezahlt, sich allerdings eine Mehrforderung vorbehalten hatte. Daraus folgte aber - wie der OGH in der genannten Entscheidung ausgesprochen hat - daß der Übernehmer des Unternehmens nur Leistungen im Umfang dieses niedrigeren Betrages erbracht und an sich selbst nicht mehr als Zahlung im Wege der Aufrechnung geleistet hatte, so daß er den nicht aufgerechneten Teil seiner Forderung nicht als von ihm berichtigte Schuld iS des § 1409 ABGB anrechnen konnte.
Im fortgesetzten Verfahren wird daher der Erstrichter auf Klarstellung aller oben aufgezeigten, noch offenen Fragen zu dringen haben, zumal dies zur wahrheitsmäßigen Feststellung des Tatbestandes der von den Parteien behaupteten Rechte und Ansprüche notwendig erscheint (§ 182 ZPO). Daraus ergibt sich aber die Notwendigkeit, die Urteile der Unterinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.