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OGH vom 22.09.2020, 4Ob149/20w

OGH vom 22.09.2020, 4Ob149/20w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.Prof. Dr. Brenn, Hon.Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) P***** GmbH, *****, Deutschland, und 2) S***** GmbH, ebendort, beide vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP Co KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 100.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 30 R 138/20i19, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 30 Cg 47/19t15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass lit b) des Spruchs der einstweiligen Verfügung lautet:

„...

b) Fernsehprogramme, hinsichtlich derer einer der Klägerinnen einzeln oder in welcher Kombination auch immer gemeinsam die Rechte des Rundfunkunternehmers und/oder des Urhebers zustehen ('ProSieben' und/oder 'kabel eins' und/oder 'sixx' und/oder 'SAT.1 Gold' und/oder 'ProSieben MAXX' und/oder Teile davon) ohne Zustimmung der jeweiligen Berechtigten an nicht im Haushalt des jeweiligen Nutzers befindliche Speicherplätze weiterzuleiten, sodass die Nutzer des Angebots 'DREI TV' auf die gespeicherten und vervielfältigten Fernsehprogramme zugreifen können, oder in sinngleicher Weise einen Online-Videorekorder/ netzbasierenden persönlichen Videorekorder anzubieten, der den Kunden einen Zugriff auf gespeicherte Fernsehprogramme der Klägerinnen oder von Teilen davon erlaubt, insbesondere durch Angebote wie die Aufnahmefunktionalität im Rahmen des Angebots 'DREI TV' und/oder vergleichbaren Angeboten.“

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerinnen sind Fernsehveranstalter mit Sitz in Deutschland, die ihre Programme unter anderem über Satellit verbreiteten. Ihre Programme werden auch als Live-Stream über Internet (OTT-Dienste) sowie über Apps für mobile Empfangsgeräte zur Verfügung gestellt.

Die Beklagte ist eine österreichische Betreiberin eines Mobil-Kommunikationsnetzes, die öffentliche Telefon- und Internetdienste anbietet.

Die Klägerinnen schlossen mit der deutschen Verwertungsgesellschaft VG Media für ihre Fernsehprogramme Wahrnehmungsverträge ab. Die Weitersendung über offene Netze (OTT-Dienste bzw internetbasierte Streamingdienste) wurde von der Rechtewahrnehmung durch die Verwertungsgesellschaft explizit ausgenommen. Die VG Media traf mit der österreichischen Verwertungsgesellschaft VG Rundfunk eine Repräsentationsvereinbarung über die Rechtewahrnehmung in Österreich.

Die Beklagte bietet einen Dienst an, mit dem ihre Kunden in Echtzeit Fernsehprogramme auf TV-Geräten, einem PC oder einem mobilen Endgerät empfangen können. Das TV-Angebot der Beklagten weist vor allem folgende technische Komponenten auf:

- Satellitenantenne: Diese dient dem Empfang des Rundfunksignals über Satellit;

- Serial Digital Interface (SDI): Eine digitale Videoschnittstelle zur Weiterleitung des Funksignals;

- Origin Server: Sie stellen den (in SD und HD) in Echtzeit aufbereiteten Live-Stream bereit;

- Content Delivery Network (CDN): Wird von der Beklagten betrieben, um alle Kunden in Echtzeit mit einem Live-Stream versorgen zu können, wobei eine Übertragung an einen konkreten Kunden nur dann erfolgt, wenn er sich zuvor über eine verschlüsselte Verbindung mittels Benutzername und Passwort authentifiziert hat;

- Variante 1 der abschließenden Weiterleitung:

Erfolgt über das Netzwerk der Beklagten, wenn der Kunde über die Internetzugangsdienste der Beklagten mit dem Internet verbunden ist;

- Variante 2 der abschließenden Weiterleitung:

Erfolgt über einen Internetzugang eines Fremdanbieters, etwa wenn der Kunde über ein WLAN mit dem Netz eines anderen Anbieters verbunden ist; in dieser Variante erfolgt das letzte Stück der Weiterleitung in Form eines passwortgesicherten „virtuellen Leitungsrohres“ über OTT-Dienste, über das die Beklagte keine Kontrolle hat.

Die Übertragung des Sendeprogramms im Rahmen des TV-Angebots der Beklagten erfolgt vollständig, gleichzeitig und unverändert.

Die von den Klägerinnen ausgestrahlten Fernsehprogramme sind im Portfolio des TV-Angebots der Beklagten enthalten. Die Klägerinnen haben der Beklagten keine Zustimmung zur Weitersendung ihrer Fernsehprogramme oder für ihren Live-Streaming-Dienst erteilt.

Die Beklagte bietet im Rahmen ihres TV-Angebots auch einen Online-Videorekorder an. Dieser ermöglicht es den Kunden, Fernsehprogramme abzuspielen und zeitentkoppelt zu konsumieren. Die Beklagte wendet dabei das De-Duplizierungsverfahren an, das über eine Speicherschicht und eine Aufnahmeschicht verfügt. In der Speicherschicht erfolgt die Speicherung der Vervielfältigungsstücke, wobei der Inhalt – unabhängig von der Anzahl der diesen Dienst für einen bestimmten Programmteil in Anspruch nehmenden Kunden – nur ein einziges Mal gespeichert wird; auf diese Weise soll die Anzahl der zu erstellenden Kopien minimiert und Speicherplatz gespart werden. Die Speicherung erfolgt auf einem Server der Beklagten, und zwar unabhängig davon, ob der Kunde die Aufnahme aktiviert hat. In der Aufnahmeschicht werden für den Kunden Zugriffsberechtigungen (Referenzen) in Bezug auf die gespeicherten Inhalte vorgesehen; über die jeweilige Referenz kann der Inhalt abgerufen werden.

Die Klägerinnen erhoben mehrere Unterlassungsbegehren samt Eventualbegehren, die sie auf das (Leistungsschutz-)Recht der Weitersendung ihrer Fernsehprogramme stützten; gleichzeitig beantragten sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Beklagte biete mit ihrem TV-Angebot einen OTT-Streamingdienst an, zu dessen Zurverfügungstellung sie nicht berechtigt sei. Eine Lizenzierung an die Beklagte sei nicht erfolgt. Von den Wahrnehmungsverträgen mit der Verwertungsgesellschaft sei das Streaming über das Internet ausdrücklich ausgenommen worden, weshalb die Klägerinnen zur Geltendmachung ihrer Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz legitimiert seien. Auch der Online-Videorekorder werde von der Beklagten ohne Berechtigung angeboten. Damit greife die Beklagte in das Vervielfältigungsrecht der Klägerinnen ein.

Die Beklagte entgegnete, dass es sich bei ihrem TV-Angebot bei der gebotenen technologieneutralen Betrachtungsweise um eine Kabelweiterleitung iSd § 59a UrhG handle. Die Lizenzierung sei von den Klägerinnen an Verwertungsgesellschaften übertragen worden, weshalb die Klägerinnen zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 59a UrhG, aber auch nach § 76a UrhG nicht legitimiert seien. Selbst wenn man von einer Aktivlegitimation der Klägerinnen ausgehen wolle, unterlägen die Klägerinnen einem Kontrahierungszwang. Der von ihr angebotene Online-Videorekorder sei ebenfalls zulässig, weil dieser Dienst von der Ausnahmeregelung für Privatkopien nach § 42 Abs 4 UrhG erfasst sei.

Das Erstgericht erließ – auch im zweiten Rechtsgang – die begehrte einstweilige Verfügung, mit der der Beklagten zusammengefasst verboten wurde,

a) Fernsehprogramme einer der Klägerinnen ohne Zustimmung der jeweiligen Berechtigten als Live-Stream über (offenes) Internet öffentlich wiederzugeben, weiter zu senden und/oder zur Verfügung zu stellen;

b) Fernsehprogramme einer der Klägerinnen ohne Zustimmung jeweiligen Berechtigten an nicht im Haushalt des jeweiligen Nutzers befindliche Speicherplätze weiter zu leiten, auf denen die Nutzer des TV-Angebots der Beklagten Vervielfältigungen von Fernsehprogrammen anfertigen können, oder in sinngleicher Weise einen Online-Videorekorder/netzbasierenden persönlichen Videorekorder anzubieten, der den Kunden eine Speicherung der Fernsehprogramme der Klägerinnen oder von Teilen davon erlaubt.

Die Aktivlegitimation der Klägerinnen sei gegeben, weil sie die Rechte aus der OTTWeiterleitung ihrer Fernsehprogramme und des Online-Videorekorders nicht an die Verwertungsgesellschaft übertragen hätten. Das letzte Stück der Weiterleitung erfolge – in der Variante 2 – über das Internet. Dafür liege keine Bewilligung der Klägerinnen vor. Damit greife die Beklagte in das Leistungsschutzrecht der Klägerinnen an ihrem Sendesignal nach § 76a UrhG ein. Beim Online-Videorekorder erfolge die Speicherung nicht beim Kunden, sondern in der Speicherschicht bei der Beklagten. Aus diesem Grund liege keine Privatkopie iSd § 42 Abs 4 UrhG vor.

Das bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerinnen seien zur Wahrnehmung der ihnen nach § 59a UrhG zustehenden Rechte aktiv legitimiert, weil sie diese nicht freiwillig auf eine Verwertungsgesellschaft übertragen hätten. Richtig sei, dass die Verwertungsgesellschaften einem Kontrahierungszwang unterlägen. Die Beklagte könne sich darauf allerdings nicht berufen, weil die inhaltlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Die aus § 59a UrhG abgeleiteten Unterlassungsansprüche seien berechtigt. Dies gelte auch für die geltend gemachten Ansprüche im Zusammenhang mit dem Online-Videorekorder, weil die freie Werknutzung der Privatkopieausnahme natürlichen Personen vorbehalten sei. Beim angewandten DeDuplizierungsverfahren sei die Speicherung der Beklagten zuzurechnen, weil dem Kunden nur ein virtuelles Zugriffsrecht eingeräumt werde. Auch die Ansprüche gemäß § 15 UrhG bestünden demnach zu Recht. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur (Kabel-)Weiterleitung über offenes Internet und zum Online-Videorekorder mit einem DeDuplizierungsverfahren noch nicht Stellung genommen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der der Beklagten, der auf eine Abweisung des gesamten Sicherungsbegehrens abzielt.

Mit ihrer beantragen die Klägerinnen, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Vorweg wird klargestellt, dass sich die Klägerinnen als Rundfunkunternehmerinnen auf ihr ausschließliches Recht der Weitersendung ihrer Fernsehprogramme (§§ 59a Abs 1, 76a Abs 1 UrhG) stützen. Mit ihrem Begehren zu lit a) der einstweiligen Verfügung beanstanden sie die Weitersendung ihrer Fernsehprogramme als LiveStream über Internet (OTTDienste). Das Verfahren betrifft daher nur die vom Erstgericht festgestellte „zweite Variante“ des Empfangs der Fernsehprogramme durch die Kunden der Beklagten mittels „virtuellem Leitungsrohr“. Die Weitersendung über das Mobilfunknetz der Beklagten ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

1.2 Die Klägerinnen sind hinsichtlich ihrer Fernsehprogramme die berechtigten (zuständigen) Rundfunkunternehmerinnen (§ 59a Abs 3 UrhG; vgl auch Art 11 der SatellitenRL 93/83/EWG) und machen hier Unterlassungsansprüche wegen Verletzung ihrer Urheberrechte bzw Leistungsschutzrechte geltend (§ 59a Abs 1 UrhG). Daraus folgt, dass den Klägerinnen das uneingeschränkte Verbotsrecht auch hinsichtlich der Weitersendung ihrer Fernsehprogramme zusteht (vgl 17 Ob 26/09m). Allfällige Wahrnehmungsbefugnisse von Verwertungsgesellschaften kommen daher nur insoweit in Betracht, als ihnen solche von den Klägerinnen vertraglich (freiwillig) eingeräumt wurden.

2. Zur Weitersendung der Fernsehprogramme der Klägerinnen im LiveStream über Internet steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass es sich bei den LiveStreams im Rahmen ihres TV-Angebots bei der gebotenen technologieneutralen Betrachtung um eine Kabelweiterleitung nach § 59a UrhG handle.

2.1 Die Beklagte gesteht selbst zu, dass sie in das Recht der Kabelweitersendung (§ 59a Abs 1 UrhG) der Klägerinnen eingreift. Dies ist auch zutreffend:

Eine Kabelweitersendung nach § 59a Abs 1 UrhG erfordert zunächst eine vorgelagerte Rundfunksendung, die zur Weitersendung übernommen wird (RISJustiz RS0076975). Dieses Merkmal ist hier unstrittig erfüllt. Eine Kabelweitersendung muss zudem den Integralgrundsatz wahren. Dieser erfordert die gleichzeitige, vollständige und unveränderte Weitersendung des Programms (RS0123994; 4 Ob 89/08t). Auch diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen erfüllt. Die bloße Bearbeitung der Bildqualität (SD, HD) bleibt ohne Bedeutung.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfordert eine Kabelweitersendung nach österreichischem Urheberrecht aufgrund des maßgebenden technologieneutralen Ansatzes nicht zwingend, dass das Signal tatsächlich über Kabel weitergeleitet wird, sondern erfasst auch die Weiterleitung mittels Mikrowelle oder UMTS (4 Ob 89/08t; 4 Ob 68/11w; vgl auch Wittmann, IPTV und kollektives Rechtemanagement, ipCompetenz 2013, 68 [80]). Nach der hier gegenständlichen Variante 2 des Nutzerempfangs erfolgt die Weiterleitung der Fernsehprogramme aber ohnedies über Kabel und nicht über das Mobilfunknetz der Beklagten.

Eine Beschränkung des Kabelweitersenderechts auf solche Verfahren, bei denen die Verbreitung der Sendungen des Erstsenders in einem vom Weitersende-Unternehmer durchgängig kontrollierten Kommunikationsnetz erfolgt, wie dies Lusser/Krassnigg-Kulhavy (in Kucsko/Handig, urheber.recht2§ 59a UrhG Rz 51) verlangen, lässt sich § 59a Abs 1 UrhG nicht entnehmen und widerspräche auch – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – dem technologieneutralen Ansatz dieser Bestimmung. Hinzu kommt, dass aus der Sicht des Nutzers kein Unterschied besteht, ob die abschließende Weiterleitung über Internet (OTTDienste) oder über ein Mobilfunknetz erfolgt; oft weiß der Nutzer gar nicht, über welche Datenverbindung er auf die Inhalte zugreift. Auf die Kontrolle des Kommunikationsnetzes oder auch nur des „virtuellen Leitungsrohrs“ durch die Beklagte kommt es daher nicht an (siehe dazu auch die bis umzusetzende OnlineSatCapRL 2019/798/EU, die ausdrücklich auch die Weiterverbreitung über OTT umfasst, soweit der Betreiber von Weiterverbreitungsdiensten berechtigten Nutzern einen sicheren Weiterverbreitungsdienst erbringt; vgl Charisse, Weitersendung von Fernsehen und Hörfunk in Zeiten von Streaming und OTT, ZUM 2019, 541 [544]).

2.2 Abgesehen von diesen Überlegungen liegt
– entsprechend der Beurteilung des Erstgerichts – auch ein Eingriff in das Weitersenderecht nach § 76a Abs 1 UrhG vor. Nach dieser Bestimmung haben die Klägerinnen als Rundfunkunternehmerinnen mit den vom Gesetz bestimmten Beschränkungen das ausschließliche (Leistungsschutz-)Recht, die von ihnen ausgestrahlten Sendungen gleichzeitig über eine andere Sendeanlage weiter zu senden. Das Weitersenderecht ist ein Anwendungsfall der öffentlichen Wiedergabe (siehe dazu ausführlich 4 Ob 124/18s mwN). Die dafür notwendigen Elemente der „Handlung der Wiedergabe“ und der „Öffentlichkeit der Wiedergabe“ sind hier ebenfalls erfüllt. In diesem Sinn hat auch der EuGH ausgesprochen, dass es sich um eine öffentliche Wiedergabe handelt, wenn ein anderes Unternehmen als das ursprüngliche Sendeunternehmen mittels Online-Streaming Inhalte zugänglich macht (C607/11, ITV Broadcasting, Rn 26; C275/15, TV CatchUp, Rn 23). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geht § 76a Abs 1 UrhG zulässigerweise über Art 8 Abs 3 der Vermiet- und VerleihRL 2006/115/EG hinaus und erfasst sowohl drahtlose als auch draht- und kabelgebundene Weitersendungen (4 Ob 124/18s mwN). Das TV-Streaming über Internet (Variante 2 des Nutzerempfangs) ist eine Form der drahtgebundenen Weitersendung.

3. Das Hauptargument der Beklagten besteht darin, dass die Klägerinnen hinsichtlich des Rechts der Kabelweiterleitung nicht aktiv legitimiert seien, weil sie dieses Recht an die VG Rundfunk übertragen hätten. Maßgebend sei die Repräsentationsvereinbarung zwischen der VG Media und der VG Rundfunk. Aus Punkt 4.2.b. dieser Vereinbarung ergebe sich, dass die VG Rundfunk auch mit der treuhändigen Wahrnehmung aller Rechte nach § 59a UrhG betraut worden sei. Aufgrund des vertragsergänzenden Begleitschreibens vom gelte die Repräsentationsvereinbarung auch für die Zweitklägerin.

3.1 Wie bereits ausgeführt, würde es an der Aktivlegitimation der Klägerinnen nur dann fehlen, wenn diese ihre Rechte der Weitersendung freiwillig an eine Verwertungsgesellschaft übertragen hätten. Die Beklagte beruft sich im Verhältnis zu beiden Klägerinnen auf die Repräsentationsvereinbarung in Beilage ./N (Punkt 4.2.b.), die die VG Media mit der VG Rundfunk abgeschlossen hat.

Die Beklagte übersieht dabei, dass die VG Media nicht mehr an Rechten zur treuhändigen Wahrnehmung an die VG Rundfunk übertragen konnte, als ihr selbst von der (Erst-)Klägerin eingeräumt wurden. Einen gutgläubigen Erwerb von Rechten gibt es im Urheberrecht nicht (4 Ob 13/10v Pkt 4.3. mwN).

Im zugrunde liegenden Wahrnehmungsvertrag wurde die VG Media zwar mit der Wahrnehmung der Rechte nach § 20b dUrhG betraut, der Live-Stream über Internet wurde aber ausdrücklich ausgenommen. Die von der Beklagten im Revisionsrekurs ins Treffen geführte Bevollmächtigung der VG Media (Annex 4-1 zu Beilage ./N) ändert daran nichts, weil sich auch die Vollmacht auf die „jeweiligen Nutzungsrechte“, also nur auf die der VG Media übertragenen Nutzungsrechte erstreckt.

3.2 Zudem ist zu berücksichtigen, dass mit einer treuhändigen Wahrnehmungsbefugnis einer Verwertungsgesellschaft – ähnlich einer Werknutzungsbewilligung – nur die (konstitutive) Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte verbunden ist und dem Rundfunkunternehmer dadurch nicht das Recht genommen wird, Verstöße gegen sein Leistungsschutzrecht selbst zu verfolgen (vgl § 59a Abs 1 UrhG; in diesem Sinne auch BGH I ZR 152/11 Rn 25 ff = NJWRR 2014, 112). Beauftragt ein leistungsschutzberechtigter Rundfunkunternehmer eine Verwertungsgesellschaft freiwillig mit der treuhändigen Rechtewahrnehmung, so bleibt seine Aktivlegitimation für die Verfolgung von Verstößen seines Urheberrechts bzw seiner Leistungsschutzrechte somit bestehen.

3.3 Die Aktivlegitimation beider Klägerinnen ist somit – ungeachtet der Auslegung des Pkt 4.2.b. der Repräsentationsvereinbarung zwischen der VG Media und der VG Rundfunk – gegeben.

4. Für den Fall, dass die Aktivlegitimation der Klägerinnen bejaht wird, stützt sich die Beklagte auf einen Kontrahierungszwang der Klägerinnen nach § 59b Abs 2 UrhG. Analog zu § 36 Abs 3 VerwGesG gelte die Bewilligung ex lege als erteilt, wenn eine Sicherheitsleistung hinterlegt werde; dies könne von der Beklagten auch mittels Einrede geltend gemacht werden.

4.1 § 59b Abs 2 UrhG schafft – bei Vorliegen der inhaltlichen Voraussetzungen (insbesondere Verstoß gegen Treu und Glauben) – einen Anspruch auf Erteilung der Bewilligung (Lizenz) durch den berechtigten Rundfunkunternehmer zu angemessenen Bedingungen. Eine vertragliche (Zwangs)Lizenz muss grundsätzlich geltend gemacht und durchgesetzt werden. Die Bezugnahme der Beklagten auf die ex legeLizenz nach § 36 Abs 3 VerwGesG (analog) scheitert schon daran, dass die Beklagte keine Lizenzgebühren hinterlegt hat (vgl 4 Ob 17/02g im kartellrechtlichen Zusammenhang; so auch BGH I ZR 152/11 = NJWRR 2014/112 für den Anspruch des Kabelunternehmers gegen den Rundfunkunternehmer; vgl auch Walter, VerwGesG16§ 36 Rz 2.4, wonach zumindest der unstrittige Teil hinterlegt werden muss).

4.2 Auch auf das Bestehen einer Zwangslizenz kann sich die Beklagte damit nicht berufen.

5. Zu dem von ihr angebotenen Online-Videorekorder führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass keine Kabelweiterleitung vorliege, weil keine gleichzeitige Übertragung an den Nutzer stattfinde. Es gehe auch nicht um die Frage, ob eine Privatkopie vorliege, weil das noch strittige Eventualbegehren auf die Unterlassung der Weiterleitung von Programmen auf Speicherplätze gerichtet sei. Sollte man jedoch das Vorliegen von Vervielfältigungsstücken bejahen, so handle es sich bei den mit dem Online-Videorekorder erstellten Kopien um Privatkopien.

Auch mit diesen Ausführungen ist die Beklagte nicht im Recht:

5.1 Das Begehren (der Spruch) zu lit b) der einstweiligen Verfügung bezieht sich auf die Weiterleitung der Fernsehprogramme der Klägerin an Speicherplätze zu Zwecken der Speicherung und damit Vervielfältigung. Damit beziehen sich die Klägerinnen auf das dem Urheber nach § 15 Abs 1 UrhG zustehende Vervielfältigungsrecht.

5.2 Mit dem Online-Videorekorder wird eine digitale Vervielfältigung der Fernsehprogramme der Klägerinnen vorgenommen, die unter § 15 Abs 1 UrhG fällt (RS0111448; RS0111447; 4 Ob 196/18d). Ist die im Rahmen des angewandten DeDuplizierungsverfahrens technisch erstellte Kopie der Programme der Beklagten zuzurechnen, so könnte sie sich als Unternehmerin von vornherein nicht auf die Privatkopieausnahme des § 42 Abs 4 UrhG berufen.

Dazu ist anerkannt, dass es für die Frage, wer die Vervielfältigung vornimmt, nicht darauf ankommt, wem das Speichermedium gehört (EuGH C467/08, Padawan, Rn 48). Natürliche Personen können auch eine Vervielfältigungsdienstleistung durch einen Dritten in Anspruch nehmen (EuGH C-265/16, VCast Lt., Rn 35).

5.3 Der BGH stellt in seiner Rechtsprechung zur Zurechnung eines Vervielfältigungsvorgangs auf die technischen Gesichtspunkte sowie darauf ab, ob der Hersteller der Kopie sich darauf beschränkt, gleichsam „an die Stelle des Vervielfältigungsgeräts“ zu treten und als „notwendiges Werkzeug“ des anderen tätig zu werden, oder ob er eine urheberrechtlich relevante Nutzung in einem Ausmaß und einer Intensität erschließt, die sich mit den Erwägungen, die eine Privilegierung des Privatgebrauchs rechtfertigen, nicht mehr vereinbaren lässt. Im Rahmen dieser an normativen Maßstäben ausgerichteten Prüfung sei zudem darauf abzustellen, ob der Auftraggeber die Organisationshoheit über das Aufnahmegeschehen hat (BGH I ZR 32/19 = GRUR 2020, 735). Zu unterscheiden sei weiters, ob die Kopie nur für den jeweiligen konkreten Nutzer (technisch) erstellt wird, oder ob von der Fernsehsendung eine Masterkopie (im Sinn einer zentralen Kopiervorlage) angefertigt und jedem Nutzer, der sie ansehen will, nur der Zugriff darauf gewährt wird (BGH I ZR 216/06 = MMR 2009, 620; I ZR 151/11 = ZUMRD 2013, 114).

5.4 Speziell zur hier angewandten DeDuplizierung wird der differenzierende Ansatz des BGH von Fischer (Der Network Personal Videorecorder und die Rechteinhaber, MR 2015, 198) geteilt. Dieser geht davon aus, dass ohnehin nur eine Kopie angefertigt wird, die zu gewerblichen Zwecken (nämlich der Zugänglichmachung auch an andere User) erstellt werde.

Zib (nPVR – Network Personal Video Recorder und Urheberrecht, MR 2015, 143) vertritt hingegen die Ansicht, dass bei einer Gesamtsicht die Erstkopie im DeDuplizierungsmodell keine Kopie des Anbieters sei, sondern zur sinnvollen Speicherplatzverwaltung diene und unter der Kontrolle des Nutzers stehe.

5.5 Die Überlegungen des BGH sind auf das österreichische Urheberrecht und den vorliegenden Fall übertragbar: Bei dem von der Beklagten angewandten Verfahren der DeDuplizierung hat die Beklagte die Organisationshoheit über das Aufnahmegeschehen, erfolgt doch die Speicherung (und Vervielfältigung) initiativ durch die Beklagte auf ihren Servern; der Nutzer hat nur ein Zugriffsrecht auf die Kopie. Auf die Frage, ob eine „Masterkopie“ oder eine sonstige „Kopiervorlage“ zur Verfügung gestellt wird, kommt es damit nicht weiter an. Der gegenteiligen Ansicht von Zib kann nicht gefolgt werden.

5.6 Im Anlassfall ist die Vervielfältigung der Fernsehsendungen der Klägerinnen im Rahmen des angewandten DeDuplizierungsverfahrens somit der Beklagten zuzurechnen. Sie kann sich nicht auf die Privatkopieausnahme des § 42 Abs 4 UrhG berufen.

6.1 Dazu führt die Beklagte aus, dass der Spruch falsch abgefasst sei, wenn der Nutzer keine Kopie „anfertige“.

6.2 Wie bereits ausgeführt, bezieht sich das in Rede stehende Sicherungsbegehren auf die Speicherung der Fernsehprogramme der Klägerin und die dadurch erfolgte Vervielfältigung. Mit Rücksicht auf das Vorbringen der Klägerinnen wird der Beklagten vorgeworfen, den Nutzern die Speicherung zu ermöglichen oder die Speicherung selbst vorzunehmen und dem Nutzer den Zugriff auf die Kopie zu ermöglichen.

Nach der hier vorgenommenen Beurteilung ist die Speicherung und die Vervielfältigung der Fernsehprogramme im Rahmen des angewandten DeDuplizierungsverfahrens der Beklagten zuzurechnen, was im Spruch der einstweiligen Verfügung zum Ausdruck zu bringen ist.

Dazu ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Gericht dem Spruch eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende Fassung geben kann, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im Wesentlichen mit seinem Begehren deckt (RS0039357; RS0041254; 4 Ob 226/19t). Eine diesen Anforderungen genügende Neufassung des Spruchs kann auch von Amts wegen und im Rechtsmittelverfahren erfolgen (4 Ob 225/19t mwN).

6.3 Demnach ist richtig, dass die Kopien nicht von den Nutzern angefertigt werden, sondern die Nutzer auf die von der Beklagten gespeicherten und vervielfältigten Fernsehprogramme der Klägerinnen nur zugreifen können. Bei dieser Anpassung des Spruchs zu lit b) der einstweiligen Verfügung handelt es sich lediglich um eine Präzisierung und nicht um eine inhaltliche Änderung, weshalb eine Maßgabenbestätigung zu erfolgen hat.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit den dargelegten Grundsätzen im Einklang. Die Vorinstanzen haben die einstweilige Verfügung damit zu Recht erlassen. Der Spruch der einstweiligen Verfügung zu lit b) war – in Form einer Maßgabenbestätigung – an die technischen Gegebenheiten anzupassen und in dieser Hinsicht im Rahmen des Gewollten zu präzisieren. Dem Revisionsrekurs der Beklagten war damit der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO78, 402 EO iVm § 41, 50 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00149.20W.0922.000

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