OGH 17.12.2013, 4Ob149/13k
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 40.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 55/13s-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Steyr vom , GZ 2 Cg 134/12t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird in Ansehung des Eventualunterlassungsbegehrens Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die in der Abweisung des Hauptunterlassungsbegehrens bestätigt werden, werden im übrigen dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, blickfangmäßig hervorgehoben auszuloben, dass bei Hartlauer bei Neuanmeldung eines Handyvertrags bei einem Netzbetreiber oder einer Handyvertragsverlängerung bzw bei einer Neuanmeldung oder Verlängerung eines Datentarifvertrags innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine Million EUR in bar zu gewinnen sei, insbesondere mit Ankündigungen wie: 'Die Sensation: 1 Mio. € in bar gewinnen! Einfach Handy-oder Datentarif anmelden bzw verlängern!', 'Mit Ihrer Handynummer 1 Mio. € in bar gewinnen!', 'Handy anmelden und 1 Mio € in bar gewinnen!' oder sinnähnlich, wenn nach den Spielregeln des Gewinnspiels nicht sichergestellt ist, dass zumindest ein Teilnehmer des Gewinnspiels den ausgelobten Gewinn von einer Million EUR in bar auch tatsächlich erhält.
2. Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den stattgebenden Teil des gesamten Urteilsspruches und den Urteilskopf samt vorangehender Überschrift 'Im Namen der Republik' auf Kosten der beklagten Partei in einer Sonntagausgabe der Zeitschrift 'Kronen Zeitung' sowie in einer Ausgabe des Hartlauer-Katalogs, jeweils halbseitig im Textteil, mit Normallettern, wie für redaktionelle Artikel verwendet, mit Fettdruckumrandung, Fettdrucküberschrift und fett und gesperrt gedruckten Prozessparteien veröffentlichen zu lassen, sowie weiters nach den vorstehenden Modalitäten auf der Einstiegsseite der Website unter der Domain www.hartlauer.at oder auf einer an die Stelle dieser Website tretenden Website in der Größe zumindest eines Drittels der Einstiegseite, in jenem Bereich, welcher sich ohne Scrollen nach unten bei einem ersten Aufruf der Website zeigt, für die Dauer von 30 Tagen zu veröffentlichen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.729,24 EUR (darin 734,54 EUR USt und 1.322 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 9.273,20 EUR (darin 789,20 EUR USt und 4.538 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Statutengemäßer Zweck des klagenden Verbandes zur Wahrung wirtschaftlicher Unternehmerinteressen ist ua die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Mit seiner Klage wendet er sich gegen ein von der Beklagten veranstaltetes Gewinnspiel, das er deshalb für unlauter hält, weil es aggressiv und irreführend beworben werde und nicht sichergestellt sei, dass ein Gewinnspielteilnehmer tatsächlich gewinne, weil die Gewinnchance gegen Null tendiere. Es liege ein Verstoß gegen Z 31 lit a bzw Z 19 Anhang UWG vor.
Die Beklagte handelt mittels eines dichten Filialnetzes ua mit Handys und Computern und bietet Dienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Produkten an. Sie bewirbt ihre Produkte und Dienstleistungen intensiv österreichweit ua im Internet und mit österreichweiten Postwurfsendungen. Im zweiten Halbjahr 2012 bewarb die Beklagte ein groß hervorgehoben als „Sensation“ bezeichnetes Gewinnspiel, bei dem eine Million Euro in bar zu gewinnen sei. Sie begehrte die Abweisung des Klagebegehrens; ihr Gewinnspiel sei nicht unlauter, da die Teilnahmebedingungen und die Gewinnchancen in den Werbeankündigungen detailliert dargestellt seien und damit keine irreführende Geschäftspraktik vorliege, und da sie auch die berufliche Sorgfalt durch Abklärung des Gewinnspiels mit ihrem Rechtsanwalt eingehalten habe.
Die Beklagte bewarb ihr Gewinnspiel in ihrem Prospekt wie folgt (Titelseite und Folgeseite):
Die Kopfzeile über verschiedenen Handy-Angeboten in diesem Prospekt lautet: „Mit Ihrer Handy-Nummer 1 Mio Euro in bar gewinnen!“.
Ein weiterer Prospekt der Beklagten enthält auf der Titelseite die Ankündigung
und im Inneren folgende Ankündigung:
Die in den Filialen der Beklagten im Aktionszeitraum aufliegenden Handzettel hatten folgendes Aussehen:
Der Spezialkatalog der Beklagten für Handys im Dezember 2012 enthielt folgende Ankündigungen:
Die Beklagte verweist auch in ihrem Internet-Auftritt wiederholt auf das eine-Million-EUR-Gewinnspiel und bewarb es auch in „social medias“, wie etwa auf www.youtube.com.
Einer Empfehlung ihres Rechtsanwalts folgend hat die Beklagte in sämtlichen Katalogen, auf den verteilten Handzetteln und auf ihrer Website folgende nähere Informationen über das Gewinnspiel (wenn auch nicht blickfangartig herausgestellt) angekündigt, die auch als „Teilnahmebedingungen“ auf jenem Formular aufgedruckt sind, das die Teilnehmer am Gewinnspiel ausfüllen und ausgehändigt erhalten.
Das Teilnahmeformular enthält folgende (auszugsweise wiedergegebenen) Teilnahmebedingungen:
„Alle Kunden, die im Zeitraum von bis bei Hartlauer in einem Geschäft eine Erstanmeldung, Vertragsverlängerung oder Datenkartenanmeldung bei den Marken T-mobile, Telering, A1, 3, Red Bull Mobile oder Orange durchführen, spielen beim Handy-Gewinnspiel mit, wenn diese Teilnahmebedingungen akzeptiert und diese Teilnahmeerklärung bei der Anmeldung unterschrieben werden. Bei minderjährigen Kunden ist die Zustimmung eines Erziehungsberechtigten Voraussetzung. Es können nur im Gewinnspielzeitraum bei Hartlauer angemeldete oder per Vertragsverlängerung abgeschlossene Rufnummern mitspielen, die durch die Gewinnspiellogik abgedeckt sind. Alle anderen Rufnummern sind vom Gewinnspiel ausgenommen, zum Beispiel Wertkarten und Starterpakete. Ändert der Kunde nach dem Vertragsabschluss die Rufnummer, nimmt er nur mit der Rufnummer, die auf der Teilnahmebestätigung abgedruckt ist teil.
Gewinnspiellogik:
Aus allen möglichen 11 bzw. 12-stelligen Rufnummern (inkl. Vorwahl) wird die Gewinnnummer nur einmal mittels Drehrad wie folgt zufällig ermittelt. Zuerst wird die 4-stellige Vorwahl gezogen. Die folgenden sechs Vorwahlen stehen zur Auswahl: 0676 (T-Mobile) 0650 (Telering) 0664 (A1) 0660 (3) 0664-75 (Red Bull Mobile) 0699-1 (Orange). Hierbei gilt die aktuelle verwendete Vorwahl. Diese kann bei Verträgen mit Netzbetreiberwechsel und Mitnahme der Telefonnummer mit dem aktuellen Netzbetreiber nicht mehr übereinstimmen. Bei dem Anbieter Red Bull Mobile kommt nach der 4-telligen Vorwahl immer die Ziffer '75'. Bei Orange kommt nach der 4-stelligen Vorwahl immer die Ziffer '1'. Beide Ziffern gehören zur Anschlussnummer. Bei der Ziehung werden diese Ziffern der Vorwahl zugeordnet, gehören aber zur 8-stelligen Telefonnummer und müssen daher nicht gezogen werden. Nach und abhängig von der gezogenen Vorwahl werden die restlichen Ziffern der Rufnummer ausgehend von der ersten Ziffer gezogen. Der Kontrollleiter prüft anhand der Teilnehmerdaten, ob eine teilnahmeberechtigte Person die Handynummer besitzt, die dazugehörende Teilnahmeerklärung unterschrieben ist und die mit der gezogenen Gewinnnummer in der richtigen Reihenfolge übereinstimmt. Wird die Rufnummernlogik während des Gewinnspiel-zeitraumes vom Netzbetreiber geändert, spielen nur Rufnummern mit, die in die Gewinnspiellogik auch weiterhin fallen. Es gilt jene Rufnummer als teilnahmeberechtigt, die auf dieser unterfertigten Teilnahmeerklärung abgedruckt ist. Diese Rufnummer muss ident sein mit der Rufnummer auf dem Anmeldeformular. Sollte eine Rufnummern-portierung im Zuge der Anmeldung durchgeführt worden sein, muss diese Nummer, unter der der Kunde dann erreicht wird, auf dieser Teilnahmebestätigung vermerkt sein. Fehlerhaft ausgefüllte Teilnahmeerklärungen nehmen nicht an der Verlosung teil, für die Richtigkeit der Daten ist Hartlauer nicht verantwortlich. Die Teilnehmerzahl ist mit 300.000 begrenzt. Die Ziehung erfolgt nur einmalig nach dem und wird am veröffentlicht.
Wer gewinnt:
Besitzt einer der am Gewinnspiel teilnehmenden Personen die bei der Ziehung ermittelte Rufnummer, so erhält dieser Gewinner den Betrag von 1 Mio EUR in bar. [...]“
Die mathematische Wahrscheinlichkeit, dass einer der auf 300.000 begrenzten maximalen Teilnehmer den Gewinn erhält, tendiert gegen 0 %: Die Wahrscheinlichkeit, dass aus den sechs möglichen Vorwahlen der Telefonbetreiber die Vorwahl eines Telefonbetreibers gewählt wird, ist 1/6, sodann gibt es bei den sechs Anbietern je 10 Mio Rufnummer-Kombinations-Möglichkeiten, woraus sich eine Wahrscheinlichkeit von 1,6 mal 10 hoch minus 8 und damit eine Wahrscheinlichkeit von 0,000000X % errechnet, dass im Rahmen des Gewinnspiels eine im Gewinnspiel-Zeitraum bei der Beklagten angemeldete oder verlängerte Handynummer gezogen wird.
Der Kläger stellte folgende - mit einem Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung verbundenes -Unterlassungsbegehren:
Die Beklagte ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, es werde bei Hartlauer bei Teilnahme an einem Gewinnspiel durch Neuanmeldung eines Handyvertrags bei einem Netzbetreiber oder einer Handyvertragsverlängerung bzw bei Neuanmeldung oder Verlängerung des Datentarifvertrags mit der Handynummer ein Preis von 1 Mio € in bar gewonnen, insbesondere durch Ankündigungen wie „Die Sensation: 1 Mio. € in bar gewinnen! Einfach Handy- oder Datentarif anmelden bzw verlängern“, „Mit Ihrer Handynummer 1 Mio € in bar gewinnen!“, „Handy anmelden und 1 Mio. € in bar gewinnen!“ oder sinnähnlich, wenn in Wahrheit die Wahrscheinlichkeit, dass der ausgelobte Gewinn überhaupt jemals tatsächlich an einen Teilnehmer des Gewinnspiels ausbezahlt werde, gegen Null tendiert, insbesondere unter einer Wahrscheinlichkeit von nicht einmal 1 % liegt;
hilfsweise: Die Beklagte ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, blickfangmäßig hervorgehoben auszuloben, dass bei Hartlauer bei Neuanmeldung eines Handyvertrags bei einem Netzbetreiber oder einer Handyvertragsverlängerung bzw bei einer Neuanmeldung oder Verlängerung eines Datentarifvertrags innerhalb eines bestimmten Zeitraumes 1 Mio € in bar zu gewinnen sei, insbesondere mit Ankündigungen wie: „Die Sensation: 1 Mio. € in bar gewinnen! Einfach Handy- oder Datentarif anmelden bzw verlängern!“, „Mit Ihrer Handynummer 1 Mio. € in bar gewinnen!“, „Handy anmelden und 1 Mio. € in bar gewinnen!“ oder sinnähnlich, wenn nach den Spielregeln des Gewinnspiels nicht sichergestellt ist, dass zumindest ein Teilnehmer des Gewinnspiels den ausgelobten Gewinn von 1 Mio. € in bar auch tatsächlich erhält.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine irreführende Geschäftspraktik liege nicht vor. Der Tatbestand der Z 31 lit a Anhang UWG sei nicht erfüllt, da eine geringe Gewinnchance dem gänzlichen Fehlen eines Preises nicht gleichzusetzen sei. Die Beklagte habe deutlich auf die Teilnahmebedingungen hingewiesen und den Ablauf der Gewinnermittlung offengelegt. Dem Durchschnittsverbraucher habe klar sein müssen, dass die Gewinnchance gegen Null tendiere. Auch die Ankündigung „Mit Ihrer Handynummer 1 Mio. EUR in bar gewinnen!“ sei zulässig. Der Tatsachenkern dieser Ankündigung liege darin, dass das werbende Unternehmen ein Gewinnspiel veranstalte. Die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns müsse nicht bekanntgegeben werden. Auch das Eventualbegehren sei unbegründet, weil nicht zugesagt worden sei, dass die Gewinnsumme tatsächlich ausgeschüttet werde.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Z 31 Anhang UWG liege nicht vor, weil eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 0,000000X % dem Nichtexistieren eines Preises nicht gleichzusetzen sei und deutlich zum Ausdruck gekommen sei, dass der Gewinner erst ermittelt werden müsse. Auch der Tatbestand nach Z 19 Anhang UWG sei nicht erfüllt, habe doch eine - wenn auch sehr geringe - Gewinnchance bestanden und wäre der Gewinn unter den ausgelobten Umständen auch ausbezahlt worden. Die Ankündigung sei auch nicht irreführend. Die blickfangartig herausgestellte Ankündigung „1 Mio. EUR in bar gewinnen“ habe vom Publikum nur als Hinweis auf ein Gewinnspiel verstanden werden können. Ihr für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung maßgebender Gesamteindruck sei eine „marktschreierische Anpreisung“ mit dem richtigen „Tatsachenkern“, dass die Beklagte ein Gewinnspiel veranstalte, bei dem unter bestimmten Voraussetzungen eine Million Euro in bar gewonnen werden könnten. Die Beklagte habe auch in einer nach der Übung des redlichen Verkehrs zu erwartenden Form auf die Teilnahmebedingungen und die Art der Ermittlung des Gewinners („Gewinnspiellogik“) hingewiesen. Die Ungewissheit, ob ein Teilnahmeberechtigter die ermittelte Handy-Gewinnnummer besitze und die Gewinnsumme tatsächlich ausbezahlt werde, sei für ein Gewinnspiel typisch; dieser Umstand werde vom Publikum regelmäßig in Rechnung gestellt. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher habe durch die blickfangartige Ankündigung des Gewinnspiels der Beklagten nicht in seiner geschäftlichen Entscheidung manipuliert werden können. Das an Gewinnspiele gewöhnte Publikum sei sich bewusst, dass eine Million Euro nur unter bestimmten Voraussetzungen gewonnen werden könnten und die Wahrscheinlichkeit, dass man gewinne - vor allem unter Berücksichtigung der „Gewinnspiellogik“ - sehr gering sei. Bei so hohen Gewinnsummen könne man dem Durchschnittsverbraucher durchaus zumuten, skeptisch zu sein. Auch eine aggressive Geschäftspraktik liege nicht vor, weil der Durchschnittsverbraucher durch die zu beurteilende Ankündigung in keine Zwangssituation gebracht worden sei, die es ihm unmöglich gemacht hätte, eine sachliche und vernünftige Kaufentscheidung zu treffen und sich gegebenenfalls einem Geschäftsabschluss zu entziehen. Der Anlockeffekt der Ankündigung sei keinesfalls so hoch, dass er für einen aufmerksamen und kritischen Verbraucher - unter Ausschaltung rationaler Erwägungen - zum alleinigen Grund für den Abschluss bzw die Verlängerung eines Handyvertrags bei der Beklagten geworden wäre. Diese Überlegungen gälten auch für die Prüfung der Generalklausel des § 1 UWG. Der in Aussicht gestellte Gewinn beeinflusse den Durchschnittsverbraucher nicht wesentlich in seiner Entscheidung, gerade bei der Beklagten einen Handyvertrag abzuschließen oder zu verlängern. Dafür spreche auch der „intransparente Markt von Mobiltelefonverträgen“. Gerade hier informierten sich Verbraucher genau über Tarife und Vertragsbedingungen der verschiedenen Anbieter und ließen sich nicht wesentlich von einem Gewinnspiel in ihrer vernunftbasierten Kaufentscheidung beeinflussen, zumal der Abschluss bzw die Verlängerung von Handyverträgen mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. Wegen des abschließenden Charakters der „schwarzen Liste“ unzulässiger Geschäftspraktiken kann die Ankündigung von Zugaben nur mehr dann untersagt werden, wenn sie einen Tatbestand des Anhangs zum UWG erfüllt oder im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist (4 Ob 100/13d). Die Koppelung des Warenbezugs mit einem Gewinnspiel verstößt als solche nicht gegen das Lauterkeitsrecht (RIS-Justiz RS0126589).
2. Ein Tatbestand des Anhangs zum UWG nach Z 19 (Anbieten von Preisausschreiben, ohne dass die beschriebenen Preise vergeben werden) oder nach Z 31 lit a (Erwecken des unrichtigen Eindrucks, der Verbraucher werde einen Preis gewinnen, obwohl es in Wirklichkeit keinen Preis gibt) liegt allerdings - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen nicht vor. Der im Rahmen des angekündigten Gewinnspiels ausgespielte Preis kann ja - wenn auch nur mit äußerst geringer Wahrscheinlichkeit - tatsächlich gewonnen werden.
3. Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (4 Ob 29/13p - Internet-Apotheke mwN).
4.1. Nichts geändert hat die UWG-Novelle 2007 an der Rechtsprechung, wonach eine Ankündigung nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen ist (4 Ob 245/07v; vgl zur alten Rechtslage RIS-Justiz RS0043590 [T36, T39, T40]; RS0078470 [T13]).
4.2. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, da der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, bereits entscheidend geprägt werden kann. In solchen Fällen darf auch der blickfangartig herausgestellte Teil der Ankündigung für sich allein nicht irreführend im Sinne des § 2 UWG sein (vgl RIS-Justiz RS0078542).
4.3. Von einem Blickfang wird gesprochen, wenn in einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind; sie dürfen für sich allein genommen nicht zur Irreführung geeignet sein (4 Ob 112/11s mwN; 4 Ob 68/13y; RIS-Justiz RS0078535).
5.1. Die Ankündigungen der Beklagten richten sich an Verbraucher, die an einer Neuanmeldung eines Handys oder einer Verlängerung eines bestehenden Vertrags für ein Handy interessiert sind. Diese werden nach dem maßgebenden Gesamteindruck (RIS-Justiz RS0078352) dem als Blickfang besonders herausgestellten Teil der Ankündigung ohne jeden Zweifel entnehmen, dass sie bei Neuanmeldung oder Vertragsverlängerung im ausgelobten Aktionszeitraum „mit ihrer Handynummer eine Million EUR in bar gewinnen“ können. Dieses Verständnis entspricht zwar dem wahren Sachverhalt, gibt diesen aber in irreführender Weise nur unvollständig wieder:
5.2. Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher erwartet im Fall der Ankündigung eines Gewinnspiels, dass der ausgelobte Preis jedenfalls einem Teilnehmer des Spiels zufällt (und hofft, selbst der Glückliche zu sein). Diese Erwartung wird enttäuscht, wenn ihm verschwiegen wird, dass das Gewinnspiel nach seinen Regeln so gestaltet ist, dass der ausgelobte Gewinn mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99,9 %, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, gar nicht vergeben wird, weil schon vor Beginn des Glücksspiels feststeht, dass nach den aufgestellten Regeln so gut wie sicher kein Teilnehmer die Gewinnspielbedingungen erfüllen wird. Der Verbraucher wird damit über die Werthaltigkeit des mit Vertragsabschluss oder -verlängerung gekoppelten Gewinnspiels getäuscht.
5.3. Auch an der Eignung dieser Irreführung, die geschäftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen, ist nicht zu zweifeln. Dass der Durchschnittsverbraucher in Kenntnis der Regeln des Gewinnspiels seine geschäftliche Entscheidung, einen Vertrag bei der Beklagten neu abzuschließen oder dort einen bestehenden Vertrag zu verlängern und damit am Gewinnspiel teilzunehmen, möglicherweise anders getroffen hätte, liegt auf der Hand.
5.4. Der Hinweis der Beklagten, auch bei Lotto- und Totospielen sei nicht gesichert, dass es zu einem oder mehreren Gewinnern komme, überzeugt nicht, weil bei den genannten Spielen die in einer Spielrunde nicht ausgezahlten Beträge dem Spielkapital der nächsten Runde zugeschlagen werden, also - irgendwann - jedenfalls zur Auszahlung gelangen.
6. Ein aufklärender Hinweis kann eine Täuschung durch eine - wie hier - blickfangartig umfassend formulierte und daher in ihrer Unvollständigkeit irreführungsgeeignete Werbeaussage nur verhindern, wenn er von den angesprochenen Verkehrskreisen auch wahrgenommen wird. Das setzt im Regelfall gleiche Auffälligkeit voraus. Gleiche Auffälligkeit ist nicht erst dann gegeben, wenn die Schriftgröße übereinstimmt. Maßgebend ist vielmehr, ob ein durchschnittlich informierter, verständiger Verbraucher den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird (4 Ob 243/03v ua; RIS-Justiz RS0118488).
7.1. Hier ist die Gewinnspielankündigung in ihrer Auffälligkeit dreifach gestaffelt:
a) Zunächst wird als Blickfang die Auslobung eines Gewinnspiels angekündigt, bei dem eine Million EUR in bar gewonnen werden kann. Diese Information allein ist - wie die Revision zutreffend aufzeigt - irreführend unvollständig, weil auf die äußerst geringe Gewinnchance eines Teilnehmers (unter 1 % Wahrscheinlichkeit) nicht hingewiesen wird.
b) Sodann werden die Teilnahmebedingungen „im Überblick“ in deutlich kleinerer Schrift schlagwortartig zusammengefasst, wobei in diesem Teil der Ankündigung undifferenziert von einer „einmaligen Ziehung“ die Rede ist, wodurch der - weiterhin unrichtige - Eindruck erweckt wird, aus den Handynummern aller Teilnehmer am Gewinnspiel werde nach Ablauf des Aktionszeitraums der Gewinner gezogen.
c) Erst in dritter Linie und in - gegenüber dem „Überblick“ - nochmals kleinerer Schrift wird sodann auf die dem Gewinnspiel zu Grunde liegende „Gewinnspiellogik“ hingewiesen, aus der sich letztlich die wahre Gewinnchance auf Auszahlung des Preises errechnen lässt.
7.2. Diese Aufklärung über die Gewinnspiellogik kann keinesfalls den selben Aufmerksamkeitswert beanspruchen wie der Blickfang und verhindert damit die Irreführung über den im Blickfang verschwiegenen Umstand, dass der ausgelobte Preis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Auszahlung gelangen wird, nicht.
8. Aus diesen Gründen hat die Revision Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist dahin abzuändern, dass dem Eventualbegehren und dem Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung (das im Hinblick auf den Umfang der irreführenden Gewinnspielankündigung nicht überzogen ist) stattgegeben wird.
9. Die Anregung der Beklagten, dem EuGH ein Ersuchen auf Vorabentscheidung zur Auslegung der RL-UGP vorzulegen, war nicht aufzugreifen, weil die hier einschlägigen Fragen einerseits in der Rechtsprechung des EuGH hinreichend geklärt sind und andererseits die Gesamtwürdigung und Gewichtung der relevanten Umstände im konkreten Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist (EuGH, , C-245/02, Slg 2004, I S 10989 - Anheuser Busch Rn 84). Dass die Einhaltung der beruflichen Sorgfalt (hier: Einholung des Rates eines im Lauterkeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalts) im Zusammenhang mit irreführenden Geschäftspraktiken nicht zu prüfen ist, hat der EuGH erst jüngst ausgesprochen (Rs C-435/11 - CHS Tour).
10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Eine Berufungsverhandlung hat nicht stattgefunden, weshalb nur der dreifache Einheitssatz für die Berufung zusteht.
Unterliegt ein Kläger mit seinem Hauptbegehren, obsiegt er aber mit dem Eventualbegehren, so ist zwar nach der neueren Judikatur § 43 ZPO anzuwenden. Allerdings kann § 43 Abs 2 ZPO die Annahme eines vollständigen kostenmäßigen Obsiegens rechtfertigen, wenn der Verfahrensaufwand des Hauptbegehrens auch für die Erledigung des Eventualbegehrens verwertet werden konnte und der Kläger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ohnehin das erreichte, was er mit dem Hauptbegehren anstrebte (4 Ob 248/04a mwN).
Das war hier zweifellos der Fall. Der mit dem Eventualbegehren erzielte Erfolg ist nicht hinter jenem Erfolg zurückgeblieben, der mit dem Hauptbegehren erzielbar gewesen wäre, weshalb es auf eine Übereinstimmung der materiellen Anspruchsgrundlage von Haupt- und Eventualbegehren nicht weiter ankommt (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rn 117; ebenso M. Bydlinski in Fasching/Konecny2II/1 § 43 ZPO Rz 2, der allein auf die wirtschaftliche Gleichwertigkeit abstellt).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 40.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.000 EUR), im Verfahren über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 55/13s-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Steyr vom , GZ 2 Cg 134/12t-9, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Urteil vom , 4 Ob 149/13k, wird wie folgt berichtigt:
1. Die beiden ersten Sätze des Spruches haben nunmehr zu lauten:
„Der Revision wird in Ansehung des Eventualunterlassungsbegehrens Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die in der Abweisung des Hauptunterlassungsbegehrens bestätigt werden, werden im übrigen dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:“
2. In den Entscheidungsgründen hat Punkt 10. wie folgt zu lauten:
„Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Eine Berufungsverhandlung hat nicht stattgefunden, weshalb nur der dreifache Einheitssatz für die Berufung zusteht.
Unterliegt ein Kläger mit seinem Hauptbegehren, obsiegt er aber mit dem Eventualbegehren, so ist zwar nach der neueren Judikatur § 43 ZPO anzuwenden. Allerdings kann § 43 Abs 2 ZPO die Annahme eines vollständigen kostenmäßigen Obsiegens rechtfertigen, wenn der Verfahrensaufwand des Hauptbegehrens auch für die Erledigung des Eventualbegehrens verwertet werden konnte und der Kläger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ohnehin das erreichte, was er mit dem Hauptbegehren anstrebte (4 Ob 248/04a mwN).
Das war hier zweifellos der Fall. Der mit dem Eventualbegehren erzielte Erfolg ist nicht hinter jenem Erfolg zurückgeblieben, der mit dem Hauptbegehren erzielbar gewesen wäre, weshalb es auf eine Übereinstimmung der materiellen Anspruchsgrundlage von Haupt- und Eventualbegehren nicht weiter ankommt (Obermaier, Kostenhandbuch³ Rn 117; ebenso M. Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 43 ZPO Rz 2, der allein auf die wirtschaftliche Gleichwertigkeit abstellt).“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 150,76 EUR (darin 25,12 EUR USt) bestimmten Kosten des Berichtigungsantrags binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 225,07 EUR (darin 37,51 EUR USt) bestimmten Kosten der Äußerung vom binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Das Erstgericht hat den Parteien die Entscheidungsausfertigungen abzufordern und die Berichtigung darauf ersichtlich zu machen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Senat hat dem Eventualunterlassungsbegehren Folge gegeben, ohne die Abweisung des Hauptunterlassungsbegehrens durch die Vorinstanzen im Spruch formal zu bestätigen. Diese offenbare Unrichtigkeit in Spruch und Begründung war gemäß § 419 Abs 1 ZPO zu berichtigen. Die unrichtige Bezeichnung des Berichtigungsantrags als Ergänzungsantrag war unbeachtlich.
Über Kosten des Sicherungsverfahrens hat der Oberste Gerichtshof im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Für den Berichtigungsantrag stehen nur Kosten nach TP 1 II lit g RATG zu. Die Äußerung der Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass ein Antrag gemäß § 423 ZPO verfehlt ist, und diente damit der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Eine Million in bar.,Gewerblicher Rechtsschutz |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00149.13K.1217.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAD-43802