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OGH vom 13.11.2007, 4Ob148/07d

OGH vom 13.11.2007, 4Ob148/07d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Gugerbauer & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 6 R 104/07t-9, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1. Die Beklagte ist die österreichische Generalimporteurin für Kraftfahrzeuge einer bestimmten Marke; die Klägerin ist eine ihrer Vertragshändlerinnen und genießt als solche einen bestimmten Gebietsschutz. Die Beklagte kündigte den Vertrag zum auf.

Zur Sicherung ihres im Wesentlichen gleichen Unterlassungsbegehrens beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten „in Verletzung von Punkt 2.1. 2. Satz des [...] Händlervertrags einen anderen Händler für [...]-Neufahrzeuge für das Vertragsgebiet [...] zu ernennen und mit Händlern in Gespräche über eine solche Ernennung zu treten." Im Kündigungsschreiben fehle eine „objektive und transparente Begründung" iSv Art 3 Abs 4 der Verordnung (EG) Nr 1400/2002 (Kfz-GVO 2002). Das führe - ungeachtet einer Vertragsklausel, wonach die Begründungspflicht keine Auswirkung auf die Gültigkeit der Kündigung habe - zur Unwirksamkeit der Kündigung. Zudem habe die Beklagte mit der Kündigung ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Beides begründe (auch) einen Verstoß gegen § 1 UWG.

2. Die Vorinstanzen wiesen diesen Antrag mit unterschiedlicher Begründung ab. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Rechtliche Beurteilung

2.1. Der Unterlassungsanspruch wird durch zwei Elemente konkretisiert: einerseits durch die Unterlassungspflicht, andererseits durch die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird. Fehlt eines dieser Elemente, besteht der Unterlassungsanspruch nicht (RIS-Justiz RS0037660). Bei der Gefahr des Zuwiderhandelns ist zu unterscheiden, ob der zu einer bestimmten Unterlassung Verpflichtete bereits einmal zuwidergehandelt hat oder sich bisher rechtmäßig verhalten hat. Im ersteren Fall wird vermutet, dass er wieder zuwiderhandeln wird (Wiederholungsgefahr), im zweiten - hier zu beurteilenden - Fall muss das Zuwiderhandeln unmittelbar drohend bevorstehen (Erstbegehungsgefahr). Der Kläger muss in diesem Fall Umstände behaupten und beweisen, die die Annahme einer solchen Gefahr begründen (RIS-Justiz RS0037660, vgl auch RS0009357, insb T 13, T 17). Es müssen greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein wettbewerbswidriges Verhalten in naher Zukunft bevorsteht (OGH 4 Ob 22/04w = RdW 2004/483, 539 - Thunbergia Laurifolia).

2.2. Grundlage für den hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch kann nur der auf dem Vertrag beruhende Gebietsschutz der Klägerin sein. Vorfrage dafür ist - für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist, dh ab dem - die Wirksamkeit der Kündigung. Die Klägerin hat nun zweifellos ein rechtliches Interesse an der von ihr hilfsweise begehrten Feststellung, dass diese Kündigung unwirksam sei. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch ist demgegenüber - unabhängig von der Frage, ob die Verletzung des Gebietsschutzes überhaupt einen Verstoß gegen § 1 UWG begründete - nicht zu erkennen. Denn es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin den Gebietsschutz schon während der Kündigungsfrist verletzen würde. Das (allenfalls) wettbewerbswidrige Verhalten droht also frühestens Anfang 2009. Das kann auch bei weitester Auslegung nicht mehr als „in naher Zukunft" bzw „unmittelbar" bevorstehend angesehen werden. Bloße Vorbereitungshandlungen (zu denen auch der Abschluss eines Vertrags gehörte) verletzten als solche noch nicht den vertraglich vorgesehenen Gebietsschutz. Insofern handelt die Beklagte auf eigenes Risiko, da sich im Hauptverfahren die Unwirksamkeit der Kündigung und daher auch die Unzulässigkeit der Einsetzung eines weiteren Vertragshändlers ergeben könnte.

2.3. Mangels Gefahr einer unmittelbar drohenden Rechtsverletzung ist der Unterlassungsanspruch daher nicht bescheinigt. Für eine allenfalls denkbare einstweilige Verfügung zur Sicherung des hilfsweise erhobenen Feststellungsbegehrens (RIS-Justiz RS0011598) fehlt es aus demselben Grund (derzeit) an der konkreten Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens.

3. Schon aufgrund dieser Erwägungen muss der Sicherungsantrag scheitern. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens kommt es daher nicht auf die weiteren Abweisungsgründe der Vorinstanzen an, sodass auch die diesbezüglichen Erwägungen des Revisionsrekurses keine Rechtsfragen erheblicher Bedeutung aufzeigen. Es ist insbesondere nicht zu prüfen,

- ob Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 zwar nicht unmittelbar (EuGH Rs 10/86 = Slg 1986, 4071 - VAG France SA / Établissements Magne SA; Rs C-230/96

= Slg 1998 I 2055 = Cabour SA / Arnor „SOCO" SARL; 4 Ob 269/98g = ÖBl

1999, 132; 8 Ob 57/06z = ecolex 2007, 32), wohl aber mittelbar im Weg

der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe des nationalen Zivilrechts (vgl 9 Ob 2065/96h = wbl 1998, 340 [krit Eilmansberger]) zur Nichtigkeit jener Vertragsklausel führen könnte, nach der eine Verletzung der Begründungspflicht die Wirksamkeit der Kündigung nicht berührt; dazu fehlt allerdings tatsächlich jedes erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin;


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ob im Fall einer solchen Teilnichtigkeit die „objektiven" Gründe iSv Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 die Bedeutung „wichtiger" Gründe haben müssten, wie sie für die außerordentliche Kündigung eines Vertrags erforderlich wären, oder ob es nicht grundsätzlich ausreichte, dass die (wie immer gearteten) Gründe der Kündigung nicht in den nach Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 verpönten Motiven (dh in der Sanktionierung eines nach der Kfz-GVO 2002 erlaubten Verhaltens) liegen;
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ob die in diesem Fall erforderliche „Transparenz" der Begründung am Verständnis eines unbeteiligten Dritten oder an jenem des konkreten Erklärungsempfängers zu messen wäre;
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und ob schließlich aus der (grundsätzlich) marktbeherrschenden Stellung des Generalimporteurs gegenüber seinen Vertragspartnern (vgl etwa 4 Ob 62/98s = ÖBl 1998, 256 - Servicegutscheine, 4 Ob 62/00x = ÖBl 2001, 137 - SAV; differenzierend 4 Ob 187/02g = wbl 2003, 92 - Aufrechnungsverbot) tatsächlich eine Pflicht zur Weiterbelieferung abgeleitet werden könnte, die das Recht zur ordentlichen Kündigung beschränkte und nur bei Vorliegen wichtiger Gründe wegfiele (vgl aber BGH KZR 33/93 = GRUR 1995, 765), obwohl dieser Schutz des Besitzstands bei einer systemimmanent beschränkten Anzahl von Vertragshändlern zu einem Wettbewerbsnachteil für solche Unternehmen führte, die bisher noch nicht am Vertriebssystem teilnehmen, das aber anstreben.