zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 29.11.2017, 7Ob178/17b

OGH vom 29.11.2017, 7Ob178/17b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Dr. C***** H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr LL.M., Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Dipl.-Ing. J***** H*****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, wegen einstweiliger Verfügung nach §§ 382b und 382e EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 91/17g-34, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person den an sie gerichteten Auftrag zum Verlassen der Wohnung gemäß § 382b EO rechtfertigt, ist, weil dabei immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind, grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO (RISJustiz RS0118857; RS0123926). Diese Einzelfallbeurteilung der Vorinstanzen ist jedenfalls vertretbar:

Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO, aber auch des Zusammentreffens nach § 382e EO sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität der bereits – auch schon länger zurückliegenden – angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe sowie bei – ernst gemeinten und als solche verstandenen – Drohungen die Wahrscheinlichkeit deren Ausführung (RISJustiz RS0110446).

Dass die Drohungen des Antragsgegners hier teilweise schon länger zurücklagen, hindert daher – entgegen seinem Rechtsmittelvorbringen – nicht deren Einbeziehung in die Beurteilung.

2. Gerade die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung 9 Ob 286/01a, weist auf die Entschärfung der Voraussetzungen durch das Gewaltschutzgesetz, BGBl 1996/759, und auch darauf hin, dass effektiver physischer Angriff oder die Drohung damit ausreichen. Nach der Judikatur entspricht jeder körperliche Angriff und jede ernsthafte und substanzielle Drohung mit einem solchen dem Unzumutbarkeitserfordernis. Als Verfügungsgrund genügt so bereits eine einmalige und ihrer Art nach nicht völlig unbedeutende tätliche Entgleisung, weil das persönliche Recht auf Wahrung der körperlichen Integrität absolut wirkt (RISJustiz RS0110446 [T5]).

Das Verhalten des Antragsgegners war immer wieder aggressiv. Er ohrfeigte die Antragstellerin zu Beginn der Ehe 2009 und drohte ihr im Juli 2015 mit einem Faustschlag ins Gesicht und im Mai 2014, am und am mit dem Umbringen. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers kann beim Vorfall vom im Wegschieben der Antragstellerin mit solcher Vehemenz, dass sie dabei auf die Couch fiel, keineswegs von einem „gelindesten Mittel“, um ihren Angriff („Griff ins Gesicht“) abzuwehren, und daher von einer „bloßen Abwehrhandlung“ gesprochen werden. Im Zusammenhalt mit seinem sonstigen Verhalten ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dies rechtfertige die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO, nicht zu beanstanden.

3. Die Relevanz einer Verzeihung ist – anders als bei der Scheidung in § 56 EheG – gesetzlich nicht angeordnet. Selbst dort ist aber nach der Judikatur – und entgegen dem wiederholten Vorbringen des Rechtsmittelwerbers – ein nachfolgender Geschlechtsverkehr für sich keineswegs als Verzeihung zu werten, sondern nur im Zusammenhang mit dem Gesamtverhalten, das hier jedenfalls kein ausreichendes Substrat für eine Verzeihung ergibt, zu beurteilen (RISJustiz RS0057075; vgl auch Aichhorn in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe und Partnerschaftsrecht, § 56 EheG Rz 6 mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur). Auf die Frage braucht daher nicht weiter eingegangen werden.

Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00178.17B.1129.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.