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OGH vom 29.01.2019, 4Ob239/18b

OGH vom 29.01.2019, 4Ob239/18b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin S***** Bau Ges mbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek und Dr. David Plasser, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Beklagte S***** Bau Service GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterlassung, Firmenänderung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 125/18m-13, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 71/18i-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Mit ihrem Antrag nach § 47 JN wird die Klägerin auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die im Jahr 1997 gegründete S***** Bau GmbH begehrt mit ihrer Klage, die seit 2014 im selben Landesgerichtssprengel ansässige Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, Dienstleistungen des Baubereichs unter der Firma „S***** Bau Service GmbH“ oder einer anderen, mit ihrer Firma verwechselbar ähnlichen Bezeichnung zu erbringen, die Firma zu ändern und Rechnung zu legen, sowie ihr die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung zu erteilen. Sie stützt sich dabei ausschließlich auf den Schutz ihrer prioritätsälteren Firma nach § 9 Abs 1 UWG. Zur Zuständigkeit weist sie darauf hin, dass die Reichweite des § 53 JN unklar sei, weswegen sie die Klage am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten einbringe.

Das Landesgericht Klagenfurt wies die Klage a limine zurück, weil eine Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts geltend gemacht werde, wofür gemäß § 53 JN das Handelsgericht Wien ausschließlich zuständig sei.

Aufgrund eines Überweisungsantrags der Klägerin hob das Landesgericht Klagenfurt die Zurückweisung auf und überwies die Rechtssache gemäß § 230a ZPO an das nicht offenbar unzuständige Handelsgericht Wien.

Die Beklagte erhob in ihrer Klagebeantwortung unter Hinweis auf § 51 Abs 2 Z 10 JN den Einwand der örtlichen (und sachlichen) Unzuständigkeit.

Die Klägerin berief sich in einer freigestellten Äußerung darauf, dass die Rechtsansicht des Landesgerichts Klagenfurt richtig sei.

Das Handelsgericht Wien (Erstgericht) wies die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit zurück und verpflichtete die Klägerin zum Ersatz der Kosten der Klagebeantwortung. Weder aus dem Wortlaut, noch aus den erläuternden Bemerkungen zu § 53 JN lasse sich eindeutig ableiten, was unter den dort genannten „gewerblichen Schutzrechten“ zu verstehen sei. Da die Bestimmung im Zuge der Patent- und Markenrechtsnovelle 2014 beschlossen worden sei, spreche aber viel dafür, diese neue ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien auf Markenrechte zu beschränken. Eindeutige Anhaltspunkte dafür, dass § 53 JN über die Z 9 des § 51 Abs 2 JN, die laut Regierungsvorlage aufgehoben hätten werden sollen, hinausgehen solle, lägen nicht vor.

Einen nachfolgenden Antrag der Klägerin auf (Rück-)Überweisung der Rechtssache an das Landesgericht Klagenfurt wies das Erstgericht mit gesondertem und inzwischen rechtskräftigem Beschluss als verspätet iSd § 261 Abs 6 ZPO zurück, weil ein solcher bereits mit der freigestellten Äußerung hätte gestellt werden können und müssen.

Das Rekursgericht bestätigte die Klagszurückweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Klarstellung der Reichweite des § 53 JN durch den Obersten Gerichtshof geboten sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Zurückweisungsantrag der Beklagten abzuweisen und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens aufzutragen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, dass der Begriff „gewerbliche Schutzrechte“ nicht nur sondergesetzlich geregelte Immaterialgüterrechte umfasse, sondern auch die in § 9 UWG genannten Unternehmenskennzeichen. Für diese Auslegung spreche auch die teleologische Interpretation, zumal zwischen registrierten und nicht registrierten Kennzeichenrechten kein wesensmäßiger Unterschied bestehe.

Der Senat hält dem gegenüber die – im Folgenden näher darzustellende – gegenteilige Auffassung der Vorinstanzen für zutreffend.

1.1. § 51 JN, in dem die sachliche Zuständigkeit der „Handelsgerichte“ geregelt ist, bestimmt ua:

(2): Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes gehören vor die Handelsgerichte: [...]

Z 9: Streitigkeiten aus den Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz und den Gebrauch von Erfindungen, Mustern, Modellen und Marken beziehen, insoweit hiefür nicht andere gesetzliche Vorschriften bestehen;

Z 10: Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs – sofern es sich nicht um eine Arbeitsrechtssache handelt –, nach dem Urheberrechtsgesetz, nach den § 28 bis 30 des Konsumentenschutzgesetzes und nach Artikel V des

(3): Wo ein selbständiges Handelsgericht nicht besteht, wird die Gerichtsbarkeit in allen vorgenannten Rechtsstreitigkeiten durch die Handelssenate der Landesgerichte ausgeübt.

1.2. Schon in der Stammfassung RGBl 1895/111 normierte § 51 JN in seiner damaligen Z 4 eine streitwertunabhängige Zuständigkeit der Handelsgerichte für Streitigkeiten „aus den Rechtsverhältnissen, welche sich auf den Schutz und den Gebrauch von Marken, Mustern, Modellen und Privilegien beziehen“.

1.3. § 51 Abs 2 Z 10 JN wurde mit der ZVN 1983 (BGBl 1983/135) eingeführt, ersetzte die Zuständigkeitsbestimmungen in § 22 f UWG,§ 30 KSchG und brachte eine Eigenzuständigkeit der Handelsgerichte auch für Urheberrechtsstreitigkeiten. Weiters wurde damit eine neue Bestimmung zur örtlichen Zuständigkeit im Sinn eines ausschließlichen Gerichtsstands eingeführt, nämlich § 83c JN betreffend „Streitigkeiten aus Urheberrecht und gewerblichem Rechtsschutz sowie Verbandsklagen“.

In der Regierungsvorlage (669 BlgNR 15. GP 38) heißt es dazu:

„Wie schon zum § 51 erwähnt worden ist, sind derzeit die Zuständigkeitsregelungen für Klagen nach dem UrhRG, nach dem UWG und nach dem KSchG, aber etwa auch nach dem MSchG verschieden und überdies auf verschiedene Vorschriften verteilt. Dies ist kaum sachlich gerechtfertigt, sondern geht auf den geschichtlichen Werdegang der Regelungen zurück. Die Verschiedenheit der Zuständigkeit kann vor allem dann Schwierigkeiten hervorrufen, wenn sich aus dem selben Sachverhalt Ansprüche nach verschiedenen Vorschriften ableiten lassen. So wie die sachliche Zuständigkeit soll deshalb auch die örtliche Zuständigkeit zusammengefasst und hier in der allgemeinen Verfahrensvorschrift geregelt werden. [...] Eine Spezialbestimmung, die dadurch ausdrücklich nicht berührt werden soll, ist die Anordnung der singulären Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien für Patentstreitigkeiten im § 162 des PatentG 1970.“

1.4. Mit der Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, wurde folgender § 53 JN eingeführt:

„Für Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten ist das Handelsgericht Wien in erster Instanz ausschließlich zuständig. In diesen Rechtssachen kommt dem Handelsgericht Wien auch die ausschließliche Zuständigkeit für einstweilige Verfügungen zu.“

Die ursprüngliche Regierungsvorlage sah gleichzeitig eine Aufhebung von § 51 Abs 2 Z 9 JN vor und hielt in den Erläuterungen (2358 BlgNR 24. GP 14) fest:

„Die Zuständigkeit bei Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten in Markenangelegenheiten soll nunmehr ebenso wie bei allen anderen Schutzrechtsarten (vgl zB bei Patenten § 162 Abs 1 Patentgesetz 1970, bei Gebrauchsmustern § 44 Abs 1 Gebrauchsmustergesetz, bei Mustern § 38 Abs 1 Musterschutzgesetz) beim Handelsgericht Wien zentralisiert werden.“

Die geänderte Regierungsvorlage (2358 BlgNR 24. GP 14) verzichtete auf die Aufhebung von § 51 Abs 2 Z 9 JN und führte aus:

„Die Zuständigkeit für Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten wird beim Handelsgericht Wien zentralisiert. Davon nicht umfasst sind jedoch Angelegenheiten, die schon bisher in die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte gefallen sind.“

1.5. Mit der Novelle 2014 wurde zudem folgender § 56a MSchG geschaffen:

„Für Klagen und einstweilige Verfügungen nach diesem Abschnitt ist ausschließlich das Handelsgericht Wien zuständig“

Dazu heißt es in den Erläuterungen zur geänderten Regierungsvorlage (2358 BlgNR 24. GP 10):

„Im Art 11 (Änderung der Jurisdiktionsnorm) wird in § 53 JN die Zuständigkeit bei Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten beim Handelsgericht Wien zentralisiert. Dies wird – vergleichbar den diesbezüglichen Regelungen in den anderen einschlägigen Materiengesetzen sowie zur Sonderbestimmung des § 69d Abs 1 MSchG (Gemeinschaftsmarkengericht) – nunmehr auch für die Verletzung nationaler und internationaler Marken explizit im MSchG normiert.“

2.1. Wiltschek (Der Gerichtsstand für gewerbliche Schutzrechte, in FS Sonn, 283 ff) führt die Änderung der Regierungsvorlage auf die Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zurück, in der dieser auf die unklare Einordnung von § 9 UWG und die Notwendigkeit der Adaption von § 83c JN hingewiesen habe. Dies lege den Schluss nahe, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch die im UWG geregelten gewerblichen Schutzrechte von § 53 JN erfasst werden sollten. Schon der Gesetzgeber der ZVN 1983 habe bei der Überschrift des § 83c JN unter „gewerbliche Schutzrechte“ offenbar die in § 51 Abs 2 Z 9 und Z 10 JN geregelten Streitigkeiten verstanden. Abgesehen von der vorliegenden Diskussion sei es zudem herrschende Auffassung, dass die § 9, 11 und 12 UWG (allenfalls auch § 2 Abs 3 Z 1 UWG) „gewerbliche Schutzrechte“ begründeten. Soweit bei der Anknüpfung Widersprüche bestünden, würden die § 51 Abs 2 Z 9 und 10, 83c JN daher durch die jüngere und speziellere Bestimmung des § 53 JN derogiert.

2.2. Plasser (Die wichtigsten Änderungen durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014 aus Sicht der Parteienvertreter, ÖBl 2013, 60 [253]) führt demgegenüber aus, es könne fraglich sein, ob nicht auch Bestimmungen des UWG (etwa dessen § 9) „gewerbliche Schutzrechte“ iSv § 53 JN nF gewähren. Eine systematische Zusammenschau mit § 83c Abs 1 JN spreche aber gegen eine solche Auslegung: Danach sei in den in § 51 Abs 1 Z 8b und Abs 2 Z 9 und 10 JN angeführten Streitigkeiten – soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften bestünden – grundsätzlich ausschließlich das Gericht zuständig, in dessen Sprengel das beklagte Unternehmen liege. Unter § 51 Abs 2 Z 9 JN fielen Streitigkeiten aus den Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz und den Gebrauch von Erfindungen, Mustern, Modellen und Marken bezögen, unter dessen Z 10 ua Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs, sofern es sich dabei nicht um eine Arbeitsrechtssache handle. Als gewerbliches Schutzrecht im Sinn der JN gelte daher nur das, was in deren § 51 Abs 2 Z 9 genannt werde. § 53 JN nF derogiere den ausschließlichen Gerichtsstand nach § 83c Abs 1 JN somit nur für die in § 51 Abs 2 Z 9 JN genannten Schutzrechte.

2.3. Dem folgt auch Thiele (Ad § 53 JN – Zwischenruf aus der Provinz, ecolex 2014, 52 [54]), wonach § 53 JN idF BGBl I 2013/126 in seinem Anwendungsbereich teleologisch auf den Sinngehalt des § 51 Abs 2 Z 9 JN zu reduzieren sei. Demzufolge gehörten Verletzungs-streitigkeiten aus gewerblichen Schutzrechten, wie Patenten, Gebrauchsmustern, Marken und Geschmacksmustern sowie aus Halbleiter-, Sortenschutz- und Schutzzertifikatsrechten einschließlich der zugehörigen Sicherungsverfahren vor die Wiener Handelsgerichtsbarkeit, und Streitigkeiten nach dem UrhG sowie dem UWG nach wie vor an die jeweils örtlich zuständigen Landesgerichte als Handelsgerichte in den Bundesländern; in Gemengelagen zwischen § 51 Abs 2 Z 9 und 10 JN bestehe ein Wahlrecht des Klägers für die örtliche Zuständigkeit der Kausalgerichtsbarkeit. Gänzlich unberührt von § 53 JN blieben schutzrechtliche Streitigkeiten zB aus Diensterfindungen oder Lauterkeitsprozesse von und gegen (ausgeschiedene) Arbeitnehmer iSd § 50 Abs 1 ASGG, die nach wie vor bei den gemäß § 4 Abs 1 ASGG zuständigen Arbeitsgerichten verhandelt werden könnten.

2.4. Simotta (in Fasching/Konecny3§ 51 JN Rz 125, § 53 JN Rz 5) zählt § 9 UWG nicht zu den „gewerblichen Schutzrechten“ iSd § 53 JN, ohne sich jedoch mit dieser Problematik näher auseinanderzusetzen. Auch Mayr (in Rechberger4§ 53 JN Rz 2) und Schumacher (Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, ecolex 2013, 718 [719]) gehen nicht auf diese Frage ein.

3. Der Oberste Gerichtshof führte in einem Unionsmarkenstreit im Zusammenhang mit einem Delegationsantrag nach § 31 JN zu 4 Nc 18/15g (vgl auch 4 Ob 15/15g; mit zustimmender Glosse von Cizek in ecolex 2016/28 [64]) aus, dass es sich bei § 69d MSchG bzw § 53 JN um eine individuelle Zwangszuständigkeit handelt, bei der eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen ist (vgl Mayr in Rechberger4§ 53 JN Rz 2; Simotta in Fasching/Konecny3§ 53 JN Rz 9, Vor § 83a, 83b JN Rz 11 und § 104 JN Rz 151/2). Bei Vorliegen eines Zwangsgerichtsstands ist eine besonders sorgfältige Prüfung der Zweckmäßigkeitsprüfung notwendig (Mayr in Rechberger4§ 31 JN Rz 1 und 4). Hier ist vor allem der Zweck der Konzentration der Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten beim Handelsgericht Wien zu berücksichtigen. Dadurch, dass über Klagen wegen Verletzung von gewerblichen Schutzrechten ein und dasselbe Gericht zu entscheiden hat, soll eine einheitliche rechtliche Beurteilung bei der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten erreicht werden. Die Konzentrierung dieser Verfahren beim Handelsgericht Wien trägt dazu bei, dass sich Richter auf dieses Fachgebiet spezialisieren können (Simotta in Fasching/Konecny3§ 53 JN Rz 7).

4. Das Rekursgericht schloss daraus, dass kein erklärter Wille des Gesetzgebers der ZVN 1983 und der Patent- und Markenrechts-Novelle 2014 nachweisbar sei, wonach mit § 53 JN eine ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien für Streitigkeiten, die über die in den Materiengesetzen gesondert geregelten hinausgehen, begründet werden sollte, insbesondere für einzelne Ansprüche nach dem UWG, wie sie pauschal in § 51 Abs 2 Z 10 JN (ausgenommen Arbeitsrechtssachen) angeführt seien. Auch dem Entwurf zur UWG-Novelle 2018 sei kein derartiges Verständnis zu entnehmen. Eine Verweisung von § 9 UWG an das Handelsgericht Wien möge zwar im Sinne einer Konzentration der Streitigkeiten über die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten beim Handelsgericht Wien liegen, allerdings konkurriere § 9 UWG nicht nur mit Ansprüchen aus einer Marke (die allein beim Handelsgericht angesiedelt seien), sondern auch mit solchen aus der Generalklausel des § 1 UWG, mit jenen nach § 2 UWG oder mit dem Namensrecht nach § 43 ABGB, für die keine ausschließliche Zuständigkeit bestehe. Zudem vermittelten Kennzeichen – anders als Marken – nur für jenes Gebiet ein Ausschließlichkeitsrecht, auf das der Zeichengebrauch ausstrahle, sodass eine regionale Anknüpfung der Zuständigkeit in diesem Bereich zweckmäßig erscheine. Für die vorliegende Klage wegen einer Verletzung der Firma nach § 9 Abs 1 UWG sei daher für die sachliche Zuständigkeit an § 51 Abs 2 Z 10 JN und für die örtliche an § 83c JN und den Unternehmenssitz der Beklagten anzuknüpfen, sodass das Erstgericht die Klage zu Recht zurückgewiesen habe.

5.1. Der Senat hält diese Rechtsauffassung für zutreffend. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass bei reiner Wortinterpretation Ansprüche nach § 9 UWG betreffend eine Firma der gebräuchlichen Definition von „gewerblichen Schutzrechten“ entsprechen. Gesetzliche Kriterien für eine derartige Qualifikation bestehen zwar nicht. Gemeinhin werden unter gewerblichen Schutzrechten (ieS) aber aus Normen des gewerblichen Rechtsschutzes (iwS) ableitbare, subjektive Ausschließlichkeitsrechte an gewerblichen Leistungen oder Kennzeichen mit Vermögenswert verstanden (Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Grundriss – Allgemeiner Teil, Rz 104; Kucsko, Geistiges Eigentum 99 f). Sie zählen damit neben dem Urheberrecht zu den „Immaterialgüterrechten“ (RIS-Justiz RS0076817; RS0127137). Der in § 9 Abs 1 UWG vorgesehene Immaterialgüterrechtsschutz der Firma erfüllt diese Definition (17 Ob 6/11y, alcom-international.at [Pkt 3.1]; Wiltschek, Der Gerichtsstand für gewerbliche Schutzrechte, in FS Sonn 283 [285]). Der Oberste Gerichtshof hat darauf in seiner Stellungnahme zur Patent- und Markenrechts-Novelle 2014 ausdrücklich hingewiesen.

5.2. Die dort zu erwartende Klarstellung unterblieb jedoch, obwohl die Regierungsvorlage samt Erläuterungen noch einmal geändert worden war, ohne dass den Materialien eine Begründung zu entnehmen ist.

5.3. Hinsichtlich der systematischen Interpretation ist auf die oben zitierten Aufsätze von Thiele (ecolex 2014, 52) und Plasser (ÖBl 2013, 244 [253]) zu verweisen. Thiele geht allerdings zu Unrecht davon aus, dass bei reiner Wortauslegung des § 53 JN alle Ansprüche nach dem UWG erfasst wären, zumal zwischen „gewerblichem Rechtsschutz“ und „gewerblichen Schutzrechten“ zu unterscheiden ist. Wie sich insbesondere aus der Marginalrubrik des § 83c JN ergibt, ist „Gewerblicher Rechtsschutz“ auch, aber nicht nur in der Systematik der JN der weitere Begriff. Er umfasst außer den in § 51 Abs 1 Z 9 JN aufgezählten Rechten, die unstrittig „gewerbliche Schutzrechte“ sind, auch den gesamten Bereich des Lauterkeitsrechts, also alle Ansprüche nach dem UWG im Sinn des § 51 Abs 1 Z 10 JN.

Damit fällt zwar jedes gewerbliche Schutzrecht in den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes; nicht jeder Anspruch des gewerblichen Rechtsschutzes betrifft aber umgekehrt ein gewerbliches Schutzrecht. Wie etwa zu 17 Ob 6/11y, alcom-international.at [Pkt 3.1] aufgezeigt wurde, gilt dies insbesondere für die Firma, die einerseits durch § 9 UWG in Form eines gewerblichen Schutzrechts gestärkt ist, darüber hinaus aber auch ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Rechtsschutz (etwa durch § 2 Abs 3 Z 1 UWG) genießt. § 53 JN betrifft aber ausdrücklich nur gewerbliche Schutzrechte.

5.4. Ansprüche nach § 9 UWG werden daher nicht von § 53 JN umfasst. Die Klagszurückweisung durch das Handelsgericht Wien als Erstgericht erfolgte somit zu Recht, weshalb dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge zu geben ist.

6. Für einen Antrag nach § 47 JN bleibt bei der hier vorliegenden Konstellation nach Entscheidung der Zuständigkeitsfrage kein Raum. Die Klägerin ist daher mit ihrem Antrag nach § 47 JN auf diese Entscheidung zu verweisen.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 50 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00239.18B.0129.000

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