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OGH vom 31.10.2018, 7Ob175/18p

OGH vom 31.10.2018, 7Ob175/18p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. M***** L*****, Rechtsanwalt, *****, als Insolvenzverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der J***** GmbH, *****, gegen die beklagte Partei Z*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 43.962,91 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 129 R 50/18y-20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 41 Cg 26/17g-15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.218,32 EUR (darin enthalten 369,72 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt vom beklagten Rechtsschutzversicherer die Zahlung der gesamten Vertretungs- und Sachverständigenkosten aus einem von der Gemeinschuldnerin geführten Verfahren zu Gunsten der Masse.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu nicht vorliege, ob bei Insolvenz des Versicherungsnehmers der Zahlungsanspruch an die Masse gegen den Rechtsschutzversicherer mit der Konkursquote zu beschränken sei.

Rechtliche Beurteilung

Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einer bestimmten Fallgestaltung begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0102181). Lassen sich – wie im vorliegenden Fall – die von der Revisionswerberin für erheblich erachteten Rechtsfragen durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung in Verbindung mit Gesetzen der Logik klären, dann liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS-Justiz RS0118640) und die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig und zurückzuweisen. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

1.1 Zu der von der Beklagten als erheblich aufgezeigten Frage der analogen Anwendung des in der Haftpflichtversicherung geltenden § 157 VersVG in der Rechtsschutzversicherung hat der Oberste Gerichtshof (7 Ob 133/14f = RIS-Justiz RS0129731) bereits unter Rückgriff auf die deutsche Lehre wie folgt Stellung genommen:

Durch die Haftpflichtversicherung möchte sich der Versicherungsnehmer davor schützen, zur Erfüllung von Schadenersatzansprüchen Dritter eigenes Vermögen aufwenden zu müssen. Darüber hinaus kommt dem Geschädigten in der Haftpflichtversicherung ausdrücklich besonderer Schutz zu, obwohl er selbst am Vertrag nicht beteiligt ist. Zwar hat er – mit Ausnahmen, etwa in der KFZ-Haftpflichtversicherung – gegen den Versicherer keinen direkten Anspruch, sondern ist auf den Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer beschränkt. Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Befreiungsanspruch sind aber zu Gunsten des Geschädigten unwirksam (§ 156 Abs 1 VersVG). Daher haftet dieser Anspruch dem Geschädigten bevorzugt. Auch der exekutive Zugriff durch andere Gläubiger des Versicherungsnehmers auf die Forderung ist gegenüber dem Geschädigten wirkungslos (§ 156 Abs 1 Satz 2 VersVG). Zuletzt dient der Anspruch selbst im Konkurs des Versicherungsnehmers primär zu seiner Befriedigung (§ 157 VersVG).

Die Rechtsschutzversicherung hingegen sorgt für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers. Ihr Zweck besteht allein darin, dem Versicherungsnehmer die Bezahlung von Rechtskosten abzunehmen und dadurch einen erleichterten „Zugang zum Recht“ zu ermöglichen. Die Rechtsschutzversicherung soll nicht nur streitfördernd, sondern womöglich streitschlichtend wirken. Anders als die Haftpflichtversicherung dient sie keinem besonderen Schutz des Prozessgegners.

Mangels planwidriger Gesetzeslücke kommt eine analoge Anwendung des in § 157 VersVG für die Haftpflichtversicherung geregelten Absonderungsrechts auf die Rechtsschutzversicherung nicht in Betracht (7 Ob 133/14f; zust: Cohen, Absonderungsrecht des Kostengläubigers in der Insolvenz des Rechtsschutzversicherungsnehmers? ZIK 2015/54; Karauscheck/Waldeck, Keine Analogien in der Rechtsschutzversicherung, VersRdSch 2016 H 4 32; krit: Harnoncourt, Kostenersatz, Insolvenz und Rechtsschutzversicherung, JBl 2015, 693).

1.2 Auch wenn der Entscheidung 7 Ob 133/14f lediglich die Kosten des Prozessgegners des Versicherungsnehmers zugrunde lagen, erzwingt die konsequente Anwendung der dort vom Obersten Gerichtshof vertretenen Rechtsansicht das Ergebnis der Vorinstanzen, dass eine analoge Anwendung des § 157 VersVG auch nicht auf Honoraransprüche des Rechtsanwalts des Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung in Betracht kommt.

1.3 Die Revision führt keine neuen Argumente ins Treffen, die den Obersten Gerichtshof veranlassen, seine Judikatur zu überdenken.

2. Weiters argumentiert die Beklagte, sollte keine analoge Anwendung des § 157 VersVG in der Rechtsschutzversicherung erfolgen, dann könne sich der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers mit dessen Insolvenz nur im Umfang der Konkursquote in einen Zahlungsanspruch verwandeln. Eine Leistungverpflichtung der Rechtsschutzversicherung sei daher auf die Konkursquote beschränkt.

2.1 Die Vorinstanzen erachteten rechtlich, dass der dem Versicherungsnehmer zustehende Befreiungsanspruch sich in der Hand des Insolvenzverwalters in einen Zahlungsanspruch auf den vollen Betrag der Kostenschuld des Versicherungsnehmers und nicht nur der dem Kostengläubiger gebührenden Insolvenzquote verwandle. Der Kostengläubiger, von dessen Anspruch der Versicherungsnehmer zu befreien sei, habe infolge des Insolvenzverfahrens nur Anspruch auf die Insolvenzquote, während der Rechtsschutzversicherer als Freistellungsschuldner den vollen Betrag an die Insolvenzmasse zu zahlen und der Insolvenzverwalter den Betrag zur gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu verwenden habe.

2.2 Der Oberste Gerichtshof hat bereits für die Haftpflichtversicherung ausgesprochen, dass der geschädigte Haftpflichtgläubiger, um die dem Versicherungsnehmer vom Versicherer geschuldeten Leistung zu erlangen, den dem Versicherungsnehmer zustehenden Befreiungsanspruch aufgrund eines gegen ihn erwirkten Exekutionstitels pfänden und sich überweisen lassen muss, die Pfändung wandelt ebenso wie die Konkurseröffnung den Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers in einen Leistungsanspruch um. Der dem Versicherungsnehmer gegen den Versicherer zustehende Anspruch ist ein Bestandteil des Vermögens des Gemeinschuldners, das der Exekution unterliegt und daher grundsätzlich in die Konkursmasse fällt (RIS-Justiz RS0004099).

Zu 6 Ob 159/15y (= RIS-Justiz RS0064103 [T1]) hat der Oberste Gerichtshof unter Rückgriff auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung allgemein ausgeführt, dass sich bei Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Freistellungsgläubigers der Freistellungsanspruch in einen Geldanspruch verwandelt; der Freistellungsverpflichtete also Zahlung an die Masse in jener Höhe zu leisten hat, in der er auch ohne Insolvenzeröffnung leisten müsste. Der Befreiungsschuldner muss also den gesamten Betrag in die Masse einzahlen; der Drittgläubiger kann nur quotenmäßig Befriedigung erlangen und steht damit den anderen Gläubigern der Masse gleich.

2.3 Die oben angeführte Rechtsansicht der Vorinstanzen hält sich damit im Rahmen bereits bestehender oberstgerichtlicher Judikatur. Sie entspricht auch dem Wesen des Insolvenzverfahrens, dessen maßgeblicher Zweck auf die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger gerichtet ist (8 Ob 8/06v). Eine nicht auf Geldleistung gerichtete Insolvenzforderung verwandelt sich in einen Geldanspruch, um die Voraussetzungen für die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu schaffen. Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers hat daher in seiner Gesamtheit in die Masse zu fallen. Kostengläubiger, die über keine insolvenzfesten Sicherheiten verfügen, können – wie alle anderen Gläubiger – nur quotenmäßige Befriedigung verlangen. Bei dem Ansatz der Beklagten als Befreiungsschuldnerin, dass ihre Leistungsverpflichtung in die Masse nur in Höhe der Quote bestehe, käme die Insolvenz des Gemeinschuldners gerade ihr als Schuldnerin der Masse unmittelbar zugute und würde diese dadurch schmälern. Damit würde aber die Schuldnerin zu Lasten der Insolvenzgläubiger begünstigt. Weiters übergeht das Argument, die „Restforderung“ eines Kostengläubigers bestehe gegenüber dem Versicherungsnehmer nach Aufhebung der Insolvenz weiter und müsse von der Beklagten gedeckt werden, dass der Kostengläubiger im Ergebnis dadurch genau die ihm nicht zustehende Rechtsposition eines Absonderungsgläubigers zu Lasten der übrigen Gläubiger erlangen würde.

3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen hält sich daher im Rahmen der Judikatur.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 50 ZPO, der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00175.18P.1031.000

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