OGH vom 05.10.1999, 2Ob314/98k

OGH vom 05.10.1999, 2Ob314/98k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Günter T*****, wider die beklagte Partei Dr. Christine G*****, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 50.208,12 sA und Feststellung (Streitwert S 65.000,--) über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 14 R 37/98d-84, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom , GZ 3 C 59/94t-77 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112,-- (darin enthalten S 1.352,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde am gemäß § 55a EheG rechtskräftig geschieden. Gleichzeitig schlossen die Streitteile einen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, der Beklagten ab einen vorläufigen monatlichen Unterhalt von S 12.870,-- zu bezahlen. Seit leistete der Kläger an die Beklagte einvernehmlich S 12.552,03 an monatlichen Unterhalt. Die letzte Zahlung erfolgt im Mai 1994. Nach dem Scheidungsvergleich sollte die Unterhaltsverpflichtung während einer Lebensgemeinschaft der Beklagten ruhen.

Der Kläger begehrt zuletzt die Zahlung von S 50.208,12 sA (Rückzahlung geleisteter Unterhaltszahlungen für den Zeitraum vom bis ) sowie die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger aus dem Scheidungsvergleich für die Zeit vom bis ruhe. Er brachte dazu vor, dass zwischen der Beklagten und ihrem nunmehrigen Ehemann seit Dezember 1993 nicht nur die von ihr zugestandene Geschlechtsgemeinschaft, sondern auch eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden habe und sie sohin eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei. Die Beklagte habe ihren Unterhaltsanspruch auch deshalb verwirklicht, weil sie am die (nunmehrige) Ehefrau des Klägers tätlich angegriffen habe.

Die Beklagte gestand schließlich zu, ab eine Lebensgemeinschaft mit ihren nunmehrigen Ehemann eingegangen zu sein, zuvor habe die Beziehung zwischen ihr und ihrem nunmehrigen Ehemann die Qualität einer Lebensgemeinschaft nicht erreicht.

Das Erstgericht wies das Leistungs- und das Feststellungsbegehren zur Gänze ab.

Auf die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Erstgericht vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass für den Zeitraum Februar bis einschließlich Juni 1994 eine Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und ihren nunmehrigen Ehemann nicht anzunehmen sei. Eine (umfassende) Lebensgemeinschaft sei erst ab Juli 1994 vorgelegen.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, dass im vom Urteilsbegehren beroffenen Zeitraum noch keine Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und ihrem nunmehrigen Ehemann bestanden habe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei verweist in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, dass die Revision unzulässig sei und beantrage im übrigen ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Der Revisionswerber macht geltend, dass die Frage, ob das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft nur nach äußeren (objektiven) Umstände beurteilt werden kann und diese subjektive Komponente, also die innere Einstellung der Partner außer Betracht zu bleiben habe. In Analogie zur Beurteilung der Frage, wann eine häusliche Gemeinschaft als aufgehoben anzusehen sei, sei auch die Frage zu lösen, wann eine Lebensgemeinschaft eingegangen werde. Der äußere Anschein sei Indiz für Grad und Intensität der inneren Bindung.

Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht vor.

Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf verwiesen, dass es keine allgemein gültige gesetzliche Definition der Lebensgemeinschaft gibt. Der Oberste Gerichtshof hat daher Kriterien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft entwickelt. Diese äußert sich darin, dass Personen verschiedenen Geschlechts wie Ehemann und Ehefrau zusammen leben, ohne die Ehe geschlossen zu haben (EvBl 1962/185 RZ 1963, 213 RZ 1991/45, SZ 40/45, 3 Ob 284/97d mwN). Insbesondere sind für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft drei Kriterien maßgeblich, nämlich

1.) die Eheähnlichkeit, 2.) das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft und 3.) eine gewisse Dauer. Es muß daher ein Verhältnis vorliegen, dass zum typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht (vgl EF

57.268 RZ 1991/45; Stabentheiner, die nicht eheliche Lebensgemeinschaft - ein Überblick NZ 1995, 49 Fn 27 mwN). Doch kann wie auch in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, das eine oder andere Merkmal fehlen (EF 57.268). Zum weiteren Kriterium, wonach auch bei der Qualifikation einer Lebensgemeinschaft das Element der Dauerhaftigkeit zu berücksichtigen ist, wurde bereits ausgesprochen, dass diese "Dauer" nicht nach Monaten oder Jahren zu konkretisieren und zu bemessen ist, sondern danach, ob die Gemeinschaft auf gewisse zeitliche Dauer eingerichtet ist (SZ 40/45 = EvBl 1967/401 = EFSlg

8.683 RZ 1991/45; EF 57.268). Dieses Kriterium ist dann erfüllt, wenn die Partner ein längeres Zusammenleben beabsichtigen; auf die tatsächliche Dauer der Partnerschaft kommt es nicht an (Stabentheiner aaO FN 30, 31). Ebenfalls wurde bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Lebensgemeinschaft nicht ein äußerer Zustand ist, sondern auch eine innere Einstellung der Partner voraussetzt, die sich freilich im Allgemeinen nur aus äußeren Anzeichen erschließen lassen werde (14 Ob 101, 102/86 RZ 1991/45). Partner, bei denen die äußeren Umstände das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft vermuten lassen, trifft die Offenlegungspflicht hinsichtlich des fehlenden Bindungswillens (RpflSlgE 1991/126, EF 57.268). In der Entscheidung EF 57.268 wurde ausdrücklich ausgesprochen, dass die in der Regel nicht feststellbare innere Einstellung der Partner nur schwer nachweisbar sei, weshalb jene Partner, deren Lebensgemeinschaft durch äußere Umstände vermutet werde, eine Offenlegungspflicht treffe. Dies kann daher nur dahin verstanden werden, dass nunmehr jene Partner, für die nach außenhin das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft spricht, jene Umstände nachzuweisen haben, die dem entgegen stehen. Danach wurde vom Obersten Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass es sich bei der "Offenlegungspflicht" um eine Frage der Beweislastverteilung handelt.

Die vom Berufungsgericht als erhebliche bezeichnete Rechtsfrage wurde daher vom Obersten Gerichtshof bereits beantwortet. Im übrigen kommt es aber bei Beurteilung, ob eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft vorliegt, immer auf die Umstände des Einzelfalles an (EF 57.268 mwN).

Ob im konkreten Einzelfall sich die nach außen sichtbaren Anzeichen der Intensität und Stabilität der Beziehungen der Lebensgefährten derart verdichteten, dass bereits von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gesprochen werden kann, betrifft daher im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage, weil dies unter Berücksichtigung aller Umstände nur im konkreten Fall beurteilt werden kann.

Dieselben Überlegungen treffen auch für die Behauptung zu, die Beklagte habe durch einen (einmaligen) tätlichen Angriff auf die nunmehrige Ehefrau des Klägers ihren Unterhalt verwirkt. Auch hier können nur jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung herangezogen werden, weshalb ebenfalls eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt.

Die vom Berufungsgericht herangezogenen Kriterien zur Beurteilung, ob eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft vorliegt, entsprechen der ständigen auch vom Berufungsgericht bereits zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofes. Eine krasse Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.