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OGH vom 23.05.2019, 6Ob10/19t

OGH vom 23.05.2019, 6Ob10/19t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen M*****, geboren am *****, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter A*****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger, Dr. Roger Reymann, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 264/18z-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, das bei unstrittiger gemeinsamer Obsorge den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes beim Vater festlegte. Ausgehend von gleichwertigen Erziehungsfähigkeiten beider Eltern kam es aufgrund der insgesamt besseren Betreuungsmöglichkeiten des Vaters, sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Kontinuität zum Ergebnis, dass der Verbleib beim Vater und im bisherigen sozialen Umfeld dem Wohl des Kindes besser entspreche als eine Übersiedlung an den neuen Wohnort der Mutter. Angesichts der genannten Umstände spreche auch nichts gegen die ergänzende Begründung der Entscheidung mit dem Willen des Kindes.

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RS0043347).

Nach dem festgestellten Sachverhalt verbrachten das Kind und der Vater seit der Trennung der Eltern die überwiegende Zahl der Nächte im Haus der väterlichen Großeltern. Dort wird das Kind vom Vater, während dessen berufsbedingter Abwesenheit von den Großeltern, betreut. Dass diese Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen worden wären, wird im außerordentlichen Revisionsrekurs, der dies nicht als Betreuung „im Haushalt“ des Vaters gewertet wissen will, aber nicht dargetan.

2. Entscheidungen über die Kindesobsorge stellen, sofern dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde, solche des Einzelfalls dar, denen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 AußStrG zukommt (RS0115719 [T7]). Dies gilt auch für die Frage, welchem Elternteil gemäß § 180 Abs 2 ABGB die hauptsächliche Betreuung zukommen soll (RS0115719 [T14]; RS0007101 [T19] = 6 Ob 200/16d; 5 Ob 10/18h).

Oberstes Prinzip bei Obsorgerechtsentscheidungen ist stets die Wahrung des Kindeswohls (RS0048632 [T15]). Kein Elternteil hat unabhängig vom Wohl des Kindes ein Vorrecht auf dessen Pflege und Erziehung (RS0047911; RS0047830), mag es auch bei gleicher Eignung der Eltern bei Kleinkindern häufig dem Kindeswohl entsprechen, der Mutter den Vorzug zu geben (RS0047911 [T4]; RS0047830 [T7]; RS0047839 [T8]).

Dass das Rekursgericht unter sorgfältiger Abwägung der beiden Eltern zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeiten und unter Berücksichtigung der sozialen Integration des Kindes an seinem bisherigen Wohnort zum Ergebnis kam, dass die hauptsächliche Betreuung beim Vater dem Kindeswohl besser entspreche, begründet keine grobe Fehlbeurteilung. Das Rekursgericht leitete die günstigere Betreuungssituation beim Vater auch nicht – wie die Revisionrekurswerberin meint – aus der von ihr geplanten Hortbetreuung des Kindes ab, sondern ging davon aus, dass beide Eltern eine Hortbetreuung im gleichen Ausmaß beabsichtigten. Es stellte vielmehr auf die ergänzende Betreuungsmöglichkeit durch die dem Kind vertrauten väterlichen Großeltern ab.

3. Das Rekursgericht ist nicht von der Rechtsprechung abgegangen, wonach die Meinung von Kindern, bei welchem Elternteil sie bleiben wollen, ohne wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung bleiben muss, wenn Kinder dieses Alters durch eine Befragung nach ihrer Präferenz in hohem Maß überfordert wären (vgl RS0048981 [T5] = 1 Ob 50/02p). Die Beurteilung, dass diese Wertung der ergänzenden Berücksichtigung des feststellbaren Wunsches des Kindes nach einem Verbleib im gewohnten Umfeld nicht entgegenstehe, ist jedenfalls vertretbar (vgl 5 Ob 207/08i). Auch der im außerordentlich Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 6 Ob 78/07z kann nur entnommen werden, dass die Präferenz für das bisherige Lebensumfeld kein allein ausschlaggebendes Kriterium ist.

Mangels einer Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00010.19T.0523.000

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