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OGH vom 27.01.2021, 7Ob173/20x

OGH vom 27.01.2021, 7Ob173/20x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch die Worthing-Smith Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wels, wegen 95.510,06 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 42/20v-60, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft; er liegt nicht vor. Weder in der Berufung noch in der Revision zeigt die Klägerin auf, inwieweit von ihr vermisste Beweisaufnahmen zu einem ihr günstigeren Verfahrensergebnis führen und zu welchen abweichenden, für den Prozessstandpunkt der Klägerin günstigen Tatsachenfeststellungen die Vorinstanzen hätten gelangen sollen (vgl RS0043039 [insb T 4, T 5]).

2.1. Nach § 932 Abs 2 ABGB idFd GewRÄG, BGBl I 2001/48, kann der Übernehmer wegen eines Mangels von den in § 932 Abs 1 ABGB genannten Gewährleistungsbehelfen (Verbesserung, Austausch der Sache, angemessene Minderung des Entgelts oder Aufhebung des Vertrags) zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen (Primäranspruch), es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer nach § 932 Abs 4 ABGB das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung (1 Ob 139/14v mwN). Wie aus § 932 Abs 2 ABGB hervorgeht, sollen die sekundären Gewährleistungsbehelfe der Preisminderung und der Wandlung nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen, etwa wenn der aktuelle Zustand der zu verbessern versuchten Sache einen nicht bloß geringfügigen Mangel darstellt und die Verbesserung durch den Übergeber nicht mehr zumutbar ist, wenn der Übergeber die Verbesserung nicht in angemessener Frist vorgenommen hat, die Behebung für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden oder aus in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar wäre (vgl RS0122927).

2.2. Von den Änderungen des GewRÄG blieb das aus § 1170 ABGB iVm § 1052 ABGB abgeleitete Recht des Bestellers unberührt, der Werklohnklage des Unternehmers den Einwand der mangelnden Fälligkeit des Werklohns entgegenzusetzen, und zwar auch dann, wenn er das mangelhafte Werk übernommen und erst nachträglich Verbesserung verlangt hat. Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts des Werkbestellers ist das Bestehen eines Verbesserungsanspruchs (vgl 10 Ob 71/14k).

[4] 2.3. Voraussetzung dafür ist, dass der Werkbesteller noch Mängelbehebung begehrt und ein Recht auf Leistung geltend macht (vgl 3 Ob 114/12d). Kein Zurückbehaltungsrecht des Bestellers besteht daher etwa dann, wenn er die zunächst geforderte Verbesserung des Werks nicht zulässt oder sonst vereitelt (RS0021814; RS0021684 [T1]), wenn er das noch unvollendete Werk von einem Dritten vervollständigen lässt oder lassen will (RS0021925 [T8]; 4 Ob 14/16m mwN), er in sonstiger Weise auf Art, Umfang und Durchführung der Verbesserung mehr Einfluss auf die Verbesserung zu nehmen verlangt, als er es allenfalls nach dem zugrundeliegenden Vertrag konnte (RS0021684), oder die Verbesserung durch den Unternehmer sonst nicht mehr im Interesse des Bestellers liegt (vgl RS0019929).

[5] Den Unternehmer trifft die Behauptungs und Beweislast für den Wegfall des Verbesserungsinteresses des Bestellers ( [T6, T 9]).

[6] Ob in diesem Sinne Verbesserungsinteresse vorliegt, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und bildet daher im Regelfall keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (vgl [T2]; 5 Ob 83/17t, 4 Ob 63/11s mwN).

2.4. Hier hat sich die Beklagte von Beginn des Verfahrens an auf die mangelnde Fälligkeit des Werklohns gestützt. Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens, aus dem sich die mangelhafte Leistungserbringung durch die Klägerin ergab, erhob sie ein ausdrückliches Verbesserungsbegehren in Ansehung der nach den Feststellungen von der Klägerin durch mangelhafte Leistungserfüllung verursachten Schäden (als Folge fehlender Glättung der Innenseite von im „Schlauchliner“-Verfahren zu sanierenden Kanalrohren); darauf gestützt machte sie das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB geltend und berief sich auf mangelnde Fälligkeit des restlichen Werklohnbegehrens der Klägerin.

[8] Wenn das Berufungsgericht dies dahin beurteilte, dass die Beklagte weder den ihr nach § 932 Abs 2 ABGB primär zustehenden Verbesserungsanspruch verloren noch die Revisionswerberin gezeigt habe, dass die Verbesserung nicht mehr im Interesse der beklagten Werkbestellerin läge, so hält sich dies im Rahmen der Rechtsprechung. Die Beklagte begehrte im Prozess Verbesserung und stützte sich auch darauf, die Klägerin mehrmals zur Verbesserung des Mangels aufgefordert zu haben. Dem hält die Klägerin kein substanziiertes Vorbringen entgegen, aus welchen Umständen ein im Sinne der Rechtsprechung mangelndes Interesse der Beklagten an der Verbesserung folgen sollte; vielmehr führte die Klägerin selbst ins Treffen, der Beklagten fehle es an der Reparaturabsicht und sie hätte, obwohl der Mangel lange bekannt gewesen sei, weder eine Reparatur behauptet noch einen Reparaturauftrag erteilt.

[9] Auch die Ansicht der Vorinstanzen, aus der Fertigstellung unvollendeter Werkteile durch einen anderen Unternehmer als die Klägerin (nachdem auch nach deren Vorbringen selbst der Werkvertrag einvernehmlich beendet worden wäre) sei nicht zu schließen, dass die Beklagte ihren Anspruch gegen die Klägerin auf Verbesserung der Mängel, die von dieser bei der – gerade vor der Vertragsbeendigung erfolgten – Durchführung der beauftragten Leistungen verursacht wurden, nicht mehr verfolgen wollte, bewegt sich im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums.

3.1. Eine Warnung des Werkunternehmers iSd § 1168a ABGB muss erkennen lassen, dass die Anweisung des Bestellers das Misslingen des Werks zur Folge haben könnte; eine Aufklärung hat zu erfolgen, um diesem eine sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen, inwieweit er einer Anleitung nachkommen will (RS0022158 [insb T 4]. Ob die Warnung als solche erkennbar und inhaltlich ausreichend ist, hängt im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb sich auch insoweit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage stellt (RS0022158 [T2]).

3.2. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor, wenn das Berufungsgericht das Schreiben vom als nicht geeignet ansah, der Beklagten eine sachgerechte Entscheidung über die weitere Vorgangsweise gerade zur Vermeidung der später aufgetretenen Schäden zu ermöglichen. Dieses Schreiben lässt im Gesamtzusammenhang nicht konkret erkennen, dass die Unterlassung bestimmter Stemmarbeiten zu den letztlich konkret eingetretenen Schäden der „Schlauchline“ – deren Faltenbildung in einem Ausmaß, das die Betriebssicherheit nicht mehr gewährleistet – führen könnte.

4. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Werkbesteller den gesamten aushaftenden Werklohn bis zur Erfüllung – Schikane ausgenommen – zurückbehalten (RS0021872, RS0025221).

[13] Gegen die Einschätzung der Vorinstanzen, dass Schikane hier nicht vorliege, wendet sich die Revision nicht.

[14] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00173.20X.0127.000

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Fundstelle(n):
KAAAD-42758